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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970511022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897051102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897051102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-11
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In gewissen Berliner Kreisen war gestern, wie man uns schreibt, daS Gerücht verbreitet, Fürst Hohenlohe „packe bereits seine Koffer" oder sei „im Umzug begriffen", weil er mit dem Verlangen, daß dem preußischen Landtage eine im Wesentlichen aus die Aufhebung des die Verbindung von politischen Vereinen verbietenden tz 8 des LereinSgesetzcö sich beschränkende Vorlage noch im Laufe der gegenwärtigen Session unterbreitet werden möge, infolge der Furcht ter Mehrzahl seiner College« vor ter Opposition der Conservativen nicht durchgedrungen sei. Nach dem überaus scharfen Angriffe auf die Reichsregierung, zu dem am Sonn abend im Abgeordnetenhause den conservativen Rednern der Etatslitel „Musenmsbauten" den Anlaß liefern mußte, würde man sich allerdings darauf gefaßt machen müssen, daß ein im Wesentlichen auf die Aushebung deS tz 8 sich be- schränkendesVereinsgesetz zu einem noch schrofferem conservativen Vorstöße gegen das „System Hohenlohe" führen und daß, wie die Münchener „Allgem. Ztg." sich ausdrückt, die preußischen Conservativen die Vereinsgesetzgebung als Sturmbock gegen das Ministerium deS Fürsten Hohenlohe benutzen würden. Es ist daher auch nicht eben unwahrscheinlich, daß einige der Collegen des Fürsten, darunter Herr I)r. v. Miquel, den Wunsch hegen, sich kurz vor dem Ende der Session einem solchen Anstürme nicht mehr ausgesetzt zu sehen, und daß sie daher den Vorschlag gemacht haben, die Lösung der Frage des Vereinsgesetzes bis zur nächsten Session zu vertagen und den conservativen Heißspornen während ter ParlamentSferien Ge legenheit zu geben, ihren Eifer für die Verquickung der Aufhebung des Z 8mit einer preußischen Umsturzvorlage durch die Erinnerung an den Versuch des CentrumS, auS einer Umsturzvorlage ein Schutzgesetz für den Ultramontanismus zu machen, abzu- küblen. Andererseits aber ist schwerlich anzunehmen, daß Fürst Hohenlohe „ohne Schwertstreich" den conservativen Drohungen weichen werde. Und um so weniger ist Lies anzu- nehmcn, je bestimmterverlautet, daß bieAussichten auf eine baldige Einigung des Bundesraths über die Mili t airst rasproceß- ordnung sich wesentlich gebessert hätten. Die neuen Krisen gerüchte finden daher nur da Glauben, wo man ihre Bestätigung wünscht. Ja cs liegen Meldungen vor, die ihnen aus das Bestimmteste widersprechen. So wird der „Magdeb. Ztg." vom 10. d. aus Berlin geschrieben: „Das Staatsministerium hat am gestrigen Sonntag Mittag wiederum eine Sitzung abgehalten. Allem Anscheine nach ist dabei die Entscheidung über die Vorlagen, welche gegenwärtig im Mittelpunkte der politischen Erörterung stehen, gefallen. Es wird uns von einer Seite, die wir für unterrichtet halten, ver sichert, daß die Militairstrafproceßordnung noch in dieser Woche vom Plenum des Bundesraths erledigt und dann an den Reichstag gebracht werden wird. Die Nachrichten über daS Verein sgesetz haben in den letzten Wochen beständig gewechselt, so daß man es kaum für angebracht erachten konnte, von allen auftauchenden Gerüchten Notiz zu nehmen. Auch in dieser Angelegenheit dürfte die Entscheidung des Siaatsmin steriums ge« fallen und die Einbringung der Vorlage beschlossen sein. Demnach ist die Regierung vor der Drohung der Conservativen doch nicht zurückgewlchen. Während diese Partei eine Reform der Militairstrafproceßordnung nach den Grundsätzen der modernen Rechtsanschauunq schon früher für entbehrlich bezeichnete, hat sie jetzt auch der Aenderung der Lereinsgejetzgebung, welche der Reichs kanzler Fürst Hohenlohe ausdrücklich angekündigt hat, einen Stein in den Weg geworfen. Beschränkt sich die Vorlage der Regierung einfach auf die Aushebung des 8 8, um den Vereinen dir Verbindung zu ermöglichen, so wird der schärfste Widerstand der Conservativen zu erwarten sein. Die Ausplünderungen der „Kreuzzeitung" über die Verhandlungen der Regierung mit de» Vertretern der Parteien sollten doch wohl mehr als eine Warnung an die Adresse der Regierung sein; die conservative Partei fühlt sich wieder einmal berufen, den Staat zu retten, weil die Regierung an ¬ geblich vor dem gemäßigten Liberalismus, der aus eine Verschlechterung des ohnehin schon nicht freiheitlichen preußischen Vereinsgesetzes sich nicht einlassen wollte, zurückgewichen ist. Es ist nicht unwahrschein lich, daß dieser Vorstoß des reactionären Junkerthums mit Rücksicht auf die Zusammenjetzung des Herrenhauses gelingt und daß die nothwendige Reform des Vereinsgesetzcs scheitert, da im Ab geordnetenhause sich außer den Conservativen Niemand auf eine Rückwärtsrcvidirung Les Vereins- und Verjammlungsrechts einlassen wird. Scheitert die Vorlage wirklich, so werden die Conservativen allein die Verantwortung tragen." Auch den „Münch. N. Nachr." wird auS Berlin gemeldet, man dürfe annehmen, daß in der Sonntagssitzung des preußi schen SlaatsministeriumS die schwebenden Fragen in einem dem Reichskanzler befriedigenden Sinne zur Erörterung ge langt seien und daß das Vereinsgesetz im Abgeordnetenhause baldigst werde eingebracht werden. Was die Militairstraf- prvceßreform betrifft, so will der Gewährsmann des Münchner Blattes freilich wissen, es gewinne den Anschein, als ob die Bedenken Bayerns auch solche anderer Bundesstaaten hervorgerufen hätten. Aus den Widersprüchen beider Meldungen betreffs der Militairstrafproceßordnung muß man leider schließen, daß auch sie einen Anspruch auf Glaubwürdigkeit nicht haben. Jedenfalls aber sprechen für Las, was sie gemeinsam über das Vereins gesetz behaupten, gewichtigere Gründe, als für die aber maligen Krisengerüchte. Volle Gewißheit wird man erst nach der Rückkehr des Kaisers erwarten dürfen; es müßte denn sein, daß das preußische Abgeordnetenhaus so starke Symptome der „Ermüdung" zeigte, daß die Nichteinbringung des Vereinsgesetzes mit diesen Symptomen molivirt werden könnte. Zu den bevorstehenden RctchStagScrsatzwahlen inKönigs- berg und Wiesbaden wird nun noch demnächst eine Ersatz wahl im Wahlkreise Pleß-Rybnik, vielleicht auch eine Wahl im Wahlkreise Donaueschingen binzutretcn. In Pleß-Rybnik hat. wie schon gemeldet, der derzeitige Abgeordnete Radwanski sein Mandat niedergelegt; im Wahlkreise Donau eschingen muß eineNenwahl statlfinden, wenn, wiedieCentrums- presse hofft,die Wahl deS nationalliberalen Abgeordneten Merz, der mitnurllSkimmenMehrheit gewählt ist, fürungiitig erklärt wird. — Der Wahlkreis Pleß-Rybnik ist an sich parteipolitisch nicht interessant, denn wenn ein Wahlkreis 92 Procent katholische Wähler hat, so bedeutet dies überall mit Aus nahme von Baden den unbestrittenen Sieg der klerikalen Richtung. Der Wahlkreis ist aber dadurch interessant, daß hier, wie in den letzten Jahren wiederholt auch in anderen Wahlkreisen — wir erinnern an die Wahlen der Abgeord neten Fusangel, Strzoda und Szmula —, ein Ab geordneter gegen den Willen der Parteileitung des CentrumS gewählt worden ist. Abgesehen von dem Falle Fusangel, wo andere Gründe vorhanden waren, hat bei diesen Wahlen die Begünstigung des Polonismus durch das Centrum wohl verdiente Früchte getragen. Die verhätschelten Polen haben da, wo sie ohne das Centrum stark genug zu sein glaubten, ibren lieben Gönnern einen Fußtritt gegeben. Es wird von Interesse sein, zu sehen, ob das Centrum bei der Neuwahl im Wahlkreise Pleß es überhaupt wagen wirb, nochmals einen nicht polnischen Candidaten aufzustellen. Ein Trost für Pleß-Rybnik wird vielleicht für das Cenlrum die Wahl in Wiesbaden werden, wo es mehr und mehr den Anschein gewinnt, als ob nicht sämmtliche Conservative für Len naüonalliberalen Candidaten Bartling stimmen würden. In diesem Falle wäre eS immerhin möglich, daß der CentrumScandidat, für den ohnehin mit außerordentlichem Eifer agitirt wird, in die Stichwahl gelangte. Die Conservativen deS Wahlkreises würden dann freilich die Verantwortung dafür zu tragen haben, daß das Mandat entweder in socialistische oder in klerikale Hände überginge. Ueber die ungerechtfertigte Besteuerung deutscher Ge schäftsreisender im Auslände, namentlich in Schweden und Norwegen, ist bereits wiederholte Klage laut geworden. Neuerdings wird zu diesem Capitel der „Köln. Ztg." wiederum ein Beitrag geliefert, der von Holland kommt. Ein Reisender schreibt darüber: „Ich war auf der Reise von Köln nach Amsterdam. Meine Muster, die an und für sich zollfrei waren, waren bereits von der Zollbehörde nachgesehen worden. Der Zollbeamte verlangte aber von mir, ich sollte einen Handelsschein von 18 Gulden lösen, was ich jedoch verweigerte, indem ich bemerkte, mein Vertreter in Amsterdam, der ja auch Steuer bezahle, verkaufe die Sachen, nicht ich, und außerdem würde ich in einigen Tagen nach England Weiterreisen. Daraus erbot er sich, meinen Koffer unter Zollverschluß nach Hoek van Holland zu senden, was ich aber nicht wollte. Genug, mein Koffer war nicht in Amsterdam, als ich dort ankam, und ich verlor einen ganzen Tag mit Hin- und Herlausen, bis ich ihn erhielt. Der Secretair des deutschen Consuls, ein sehr liebenswürdiger Herr, den ich mit meinem Vertreter wegen der Angelegenheit besuchte, bedauerte, in der Sache selbst nichts thun zu können, sagte aber, er habe selbst viele Klagen solcher Art erhalten. Sollte es nicht möglich sein, einem kleinen Lande wie Holland gegenüber, welches geschäftlich nur von Deutschland lebt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten?" Wir meinen mit den „Berl. N. N", daß ein entschiedener Einspruch von deutscher Seite die Holländer wobt zu einer anderen Praxis bestimmen dürfte. Anderenfalls müßten nach drückliche Vergeltungsmaßregeln dem holländischen Handel gegenüber angcwendet werden. Da Holland in commerzieller Hinsicht in hohem Maße von Deutschland abhängt, so dürfte es nicht schwer werden, dazu die entsprechenden Handhaben zu finden. Ueber die verurtheiltcn Anarchisten in Barcelona wird uns aus Madrid noch geschrieben: Das Endergebniß des ProcesseS hat nun doch alte Welt überrascht, denn abgesehen von den fünf zum Tode Verurteilten wurden alle übrigen 60 Angeklagten freigesprocheu, jedoch mit der Zusatzstrafe der Expalriirung. Der oberste Gerichtshof ging von der Ansicht aus, daß Jeder, dem eine greifbare Mittäterschaft an dem großen Dynamitverbrechen nachgewiesen werden könne, unbedingt mit dem Tode zu bestrafen sei. Die Uebrigen dagegen, welche nur an der anarchistischen Propa ganda theilnaymen, also das Bombenattentat mittelbar vor bereiten halfen, seien für immer des Landes zu verweisen. Um diese Maßregel durchführen zu können, hatte die Regierung schon vor mehreren Monaten diplomatische Verhandlungen eingeleitet und bei den Regierungen mehrerer Länder an- gcfragt, ob dieselben eine Abschiebung der Expatriirken über die Grenze oder die Absetzung auf einzelnen Colonien ge statten würden. Daraufhin lehnten Portugal, Italien, Frank reich und Belgien die Aufnahme der Anarchisten unter allen Umständen ab, während England und Holland eine un bestimmte Antwort gaben. Infolge dessen wurden von den Angeklagten nur vier französische Staatsangehörige über die Pyrenäengrenze gebracht, während alle übrigen nach dein spanischen Gebiet des Rio Oro an der Südwestküste von Marokko befördert werden sollen. Dort werden dieselben mit Lebensmitteln für eine Woche versehen und dann freigelassen. Wer jedoch binnen Monatsfrist daS Colonialgebiet nicht verlassen hat, wird zwangsweise als Arbeiter beschäftigt werden, bis er seine Abreise antreten kann. Auch der deutsche Staatsange hörige Hüffel wird voraussichtlich nach dem Rio Oro ge bracht werden, La derselbe gegen eine Auslieferung an die deutschen Behörden Einspruch erhebt. Die spanischen anarchistischen Vereine beabsichtigen Sammlungen zu ver anstalten, um den Deportirten die Mittel zur Ueberfahrt vom Rio Oro nach Südamerika zu ermöglichen. Die antideutsche Agitation greift in ganz Russisch-Polen, wie man uns aus Warschau schreibt, immer weiter um sich. Die russischen Preßbehörden legen in dieser Hinsicht den polnischen Zeitungsrevactionen rc. gegenwärtig — früher war es etwas anders — auch nicht die geringsten Hindernisse in den Weg. Die russischen Blätter drucken sogar schmunzelnd die deutschfeindlichen Artikel der polnischen Presse nach und ermuntern auch ihrerseits das Russenthum, deutschen Kaufleuten, Fabrikanten und deutschen Curorten kein Geld mehr zuzuwenden. In dem „Kuryer Warszawski" beginnt ein vr.H.Dobrzycki eineNeihenfolge von langen Aufsätzen, betitelt: „Unsere Gesundheit und die deutschen Bäder und Curanstalten". Die Quintessenz dieses ersten sehr langen Aufsatzes ist die folgende: Schon 1885 habe Bismarck durch halbamtliche Blätter verkünden lassen, die russischen Polen brauchten ja gar nicht in die deutschen Bäder zu kommen, und man könne sie ev. ja auch sofort aueweisen, gleichviel ob sie gesund oder krank wären. Leider hätten damals die russischen Polen auf diese Angriffe nickt entsprechend geantwortet. Vor einigen Jahren sei aber der „Ver ein zur Förderung des Deutsch thu ms" ent standen, der energisch und mit dem Aufgebot bedeutender Mittel die Polen aus ihren angestammten Sitzen verdrängen und das Polenthum materiell und intellektuell ruiniren wolle. (?) Dazu gäbe der preußische Staat Millionen und aber Millionen aus, um die Polen auf ihrer heimischen Erde zu cntnationalisiren. Tas ganze russische Polenthum habe Laber die Pflicht, Len Agitationen der „Hakatisten" in gleicher Weise entgegenzutreten. Tie russischen Polen trügen jährlich mehrere Millionen Rubel in die deutschen Bäder und in die deutschen Heilanstalten, In den nächsten Artikeln will nun der Verfasser ausfübren, in welcher Weise man sich bei den „Hakatisten" revanchiren solle. Eine andere WarsckauerZeitung veröffentlicht eine Arbeit des praktischen Arztes vr. Nußbaum. Derselbe hatte auf Grund der deutschen Bäderlisten statistisch berechnet, daß die russischen Polen jährlich 3—5 Millionen Rubel in die deutschen Bäder trügen. Den Russen gefällt Liese deutsch-feindliche Agitation, wie gesagt, ganz außer ordentlich, und in Petersburg und Moskau sind schon Stimmen laut geworden, Russen und Polen möchten sich in dieser Hin sicht verbinden, um bei deutschen Fabrikanten und Kaufleuten so wenig als möglich zu kaufen. Schon gestern wiesen wir auf die Schwierigkeiten einer Vermittelung zwischen Griechenland und der Türket hin, und je näher man der Frage tritt, um so deut licher zeigen sich die Klippen und Untiefen. Wenn der griechische Minister des Aeußeren SkuludiS geäußert bat, er sebe voraus, daß die Friedensverbandlungen sich sehr schwierig gestalten würden, so hat er wobl im schadenfrohen Hinblick auf die „Harmonie" deS europäischen Concertes in erster Linie die Schwierigkeiten im Auge gehabt, welcke Griechenland selbst diesen Verhandlungen in den Weg zu legen versuchen wird. Hören wir zunächst, wie man in London die Lage ansieht. Man berichtet uns: * Loudon, 10. Mai. (Oberhaus.) Lord Kimberley fragte an, ob die griechische Regierung die Absicht angekündigt habe, ihre Truppen aus Kreta zurückzuziehen, und ob sie die Vermittelung der Mächte nachgesucht habe. Der Premier minister Lord Salisbury erwiderte hierauf, wenn er die beiden Fragen verneinen würde, so wäre dies völlig correct, aber irre führend. Daher erkläre er, daß die griechische Regierung die Vermittelung nicht nachsuchte, daß aber Mitglieder derselben den Wunsch nach Vermittelung ausgedrückt haben. Er glaube nicht, daß die griechische Regierung als Gesammtheit die Ver- Mittelung amtlich nachzusuchen beabsichtige. Hiusichtlich Kretas bestehe dieselbe Unbestimmtheit in den gegenwärtigen Zuständen. Die griechische Negierung hatte e- nicht sür ihrer Lage entsprechend, die sofortige oder endgiltige Zurückziehung ihrer Truppen zuzusagen, doch höre er, obwohl die Regierung keine absolut amt liche Bestätigung habe, die griechische Regierung sei zu der Zu sage bereit, ihre Truppen in Zukunst und zwar an einem nicht sehr entfernten Tage zurückzuziehen. Tie Versicherung, fuhr Lord Salisbury fort, sei leider nicht ganz befriedigend sür alle Mächte. Er habe jedoch nur für die englische Negierung zu antworten. Die von derselben ihrem Ge- sandten in Athen ertheilten Instructionen seien dir, sich jedem Vor gehen zwecks Vermittelung anzuschließen, das den übrigen Mächten annehmbar sei. Der Hauptpunct sei nach Ansicht der Regierung der, womöglich das Blutvergießen auszuhalten, und sie lege nicht sehr viel Gewicht auf die Formen; er bedauere sehr, daß die griechische Regierung sich schwieriger in Formsachen zeige, als die Umstände rechtfertigen. Ma» sieht, Griechenland hat jetzt den Kampf wieder auf daS Gebiet der Diplomatie verlegt, und auf diesem dürften seine geriebenen und verschlagenen Staatsmänner sich kaum Fsrtilleton. Sneewittchen. 83s Roman von A. I. Mordtmann. Nachdruck vcrbotm. Nun nahm ich mir Josephine vor und Lat sie, ganz offen zu sein, wenn sie jenem Lieutenant eine größere Zuneigung als mir schenke, so sei ich keineswegs gesonnen, auS der ge ringen Erkenntlichkeit, die sie mir schuldete, Ansprüche auf ihre Hand abzuleiten, die ich nur ihrer Liebe verdanken wollte. Sie war anfänglich sehr verwundert, lachte über meine deutfchen Phrasen, wie sie eS nannte, gab aber ohne Weitere- zu, daß jener Lieutenant für sie schwärme, und daß sie ihn sehr gern habe. Aus ibrem ganzen Wesen entnahm ich, daß sie zwischen Pflichtgefühl und Liebe schwankte, und damit war mir mein Weg vorgrschrieben." Da Rudolf verstummte und in Nachsinnen versank, wagte Helene nicht, ibn darin zu stören. Sie war um das Sckicksal ihres Bruder» so namenlos betrübt, daß sic es nicht über sich gewinnen konnte, ihm zu sagen, was sie dackte — daß er nämlich übereilt und unklug ge handelt habe. Rudolf raffte sich endlich aus seinen trüben Gedanken aus, um seine Geschichte zu beendigen: „DaS war Las letzte Mal, daß ich Josephine gesehen habe. Ich gab ihr beim Abschied nur die Hand und unterließ jede weitere Liebkosung. Vom Hotel schrieb ich ihr dann einen Brief, worin ich dem Glück entfagte, daS ich an ihrer Seite erwartet hatte, weil eS mir widerstrebte, eS auf Kosten ihres eigenen Glücks, bas sie viel mehr in einer anderen Verbindung zu finden hoffen dürfte, zu erkaufen." „Und damit war Alles auS?" „Natürlich. Ich reiste gleich darauf ab." Helene umschlang ihren Bruder, küßte ibn zärtlich und sagte, indem sie ihren Kummer niederkämpfte und einen schwachen Versuch zum Scherzen machte: „Wir Beide geben also leer auS und müssen als alte Jungfer und alter Hagestolz in Batavia ausdörren. Nun Rudi, wir werden es uns wohl ganz behaglich einrichten — nicht?" Sie lächelte ihm ermuthigend zu, aber die Thränen standen ihr in den Augen. Neue Scene, neue Umgebungen, neue Beschäftigungen kamen dem lindernden Einfluß der Zeit zu Hilfe, um die Wunden vernarben zu lassen, die beiden Geschwistern nock so schmerzhaft dünkten, als sie obne großes Bedauern ihre Heimath und ihre Verwandten verließen. Sie führten in Batavia ein behagliches Leben und blickten im Laufe der Jahre ruhiger auf die schweren Schicksale und Enttäuschungen der Hamburger Zeit zurück. Tie hübsche, kluge und sittsame Helene sand in der ostindischen Gesellschaft die ihr gebührende Stelle, und Rudolf gelang eS, die Filiale de- Hauses Mauvillon L Co. in die vorderste Reihe der dortigen Kaufhäuser zu bringen. Beide hätten, wenn ander- eS ibr Wunsch gewesen wäre, eheliche Verbindungen ringeben können, um die Jedermann sie beneidet hätte. Aber sie blieben den Erinnerungen ihrer Jugend treu, und wer sie in ibrem mit vornehmster Eleganz ausgestalteten Heim in Luitenzorg aufsuchte, mußte alle ehelichen Projecte draußen lasten. Nicht wenig überrascht war daher Helene, als eine- Nachmittags Rudolf nicht allein aus dem Geschäfte heim gefahren kam, sondern eine braune Aya (Kinderfrau) und ein kleines, etwa vierjähriges Mädchen mitbrachte. Er war bleich, in seinem Gesichte zuckte eS von schmerzlicher Erregung. Seit dem Jahre der Krisis hatte Helene ihn so nicht gesehen. „Du mußt die Kleine reckt lieb haben, Helene!" rief er ihr zu, während das Mädchen scken aus dunkelblauen Augen zu ihr ausblickte. Helene, die überaus kinderlieb war und die Gabe hatte, sich sofort das Vertrauen auch der blödesten Kinder zu erwerben, zog die Kleine an sich heran, küßte sie und fragte: „Wie beißt Du denn, mein Herz?" Die Kleine sah sie traulich an, antwortete aber nicht. „Sie spricht kein Deutsch", sagte Rudolf. „Weißt Du, wer sie ist?" „O, ich ahne es", flüsterte Helene. „Diese dunkelblauen Augen . . . ist eS so?" „Ja, es ist daS Kind von Josephine Dessoudre. Und jetzt weiß ich ... ah, wie verblendet, wie thöricht bin ich gewesen!" Auch Helene war bis in die Lippen erblaßt; aber sie bezwang ibre Erregung und die brennende Neugier, die Rudolf'« Worte ihr verursachten, um zunächst der kleinen Josephine, wie sie nach ihrer Mutter hieß, ein Willkommen zu bieten und alle Anordnungen für die Bequemlichkeiten der neuen Hausgenossin zu treffen. Die Kleine, die rasch alle Befangenheit verlor, gefiel sich in dem großen schönen Hause, und nachdem sie mit Speise und Trank versehen war, sprang sie, von der Aya langsam gefolgt, in den prächtigen Garten, auS dem bald ihr Helle» Stimmchen zu den Ge schwistern drang; sie saßen in der Veranda und hier erfuhr Helene die seltsame und traurige Geschichte, die mit dem Kinde verknüpft war. „ Sie ist in Begleitung einer älteren Dame und dieser Aya zu mir gekommen", berichtete Rudolf. „Die Dame reist beute Abend noch weiter. Sie batte von Josephine . . . Josephine ist todt", schaltete Rudolf auf einen fragenden Blick Helenens ein, und einige Augenblicke versagte ihm vor innerer Erregung die Stimme. „Todt!" wiederholte Helene. „O das arme Kindl" Lautes Jauchzen tönte zu ihnen herüber — die kleine Waise jagte unter den betäubend duftenden Tropenblumen einem leuchtenden Nachtfalter nach. Tod und Trauer halte» über das leichtbewegliche Kinderherz keine Macht. „Die Dame ist die Gattin eines französischen Jnten- danturbeamten. AuS ibrem Munde habe ich die Geschichte von Josephinens letzten Tagen gehört. Die Ehe des armen Mädchens mit dem Lieutenant PSrin war keine glückliche. Der Mann war ein leichtlebiger Patron von jener Sorte, die in den langweiligen französischen Romanen die Helden abgeben und die einem bis zum Ekel bekannt sind. Josephine hätte sich längst von ihm scheiden lassen, wenn nicht daS Kind gewesen wäre. Darum ertrug sie alle seine losen Streiche mit großer Geduld und Nachsicht — darum und aus noch einem anderen Grunde. Sie war sich gegen ibn nicht einer wirklichen, wohl aber einer Herzensuntreue bewußt. „O meine Ahnung!" rief Helene leidenschaftlich. „So habe ich doch recht gehabt!" „Tu hast recht geratben, und ick war ein blinder Thor", sagte Rudolf niedergeschlagen. „Aber das ist nun Alles vorbei, die Reue kommt zu spät. Josephinens Mann bekam einen Posten in Pondichsry, und dorthin war sie ihm gefolgt. Vor einigen Monaten ist er von einem Eingeborenen, dessen Weibe er nachstellte, vergiftet Worten. Josephine erkrankte, gerade als sie im Begriff war, nach Frankreich zurückzukehren, und nach längerem Sieckthum ist sie gestorben. Zum Vor mund der kleinen Josephine und zum Verwalter ihres Ver mögens hat sie in aller Form mich ernannt. Denn ihr Oheim ist ebenfalls schon gestorben." „Die armen Leut« haben wahrlich vom Wiedergewioa
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