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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970512012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897051201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897051201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-12
- Monat1897-05
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Größer« Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz uach höherem Taris. vytra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Iinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei drn Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 12. Mai 1897. 91. Jahrgang. Noch einmal die nationalliberale Reichstags- fraction. Die wiederholt erwähnte, die gläubige Aufnahme des Taxil-Schwindels geißelnde Schrift des katholischen Theologen Or. Schell „Der KatbolicismuS als Princip deSFortschritts" ist jetzt in zweiter Auflage erschienen. Ihr ist ein Nachwort „Zur Abwehr" beigegeben, in dem der Verfasser, bekanntlich Professor der Apologetik und zur Zeit Rector der Universität Würzburg, die gegen ibn von ultramontaner Seite gerichteten Angriffe zurückweist. Wir entnehmen derselben folgende Sätze: „Jetzt entsteht der falsche Schein, als ob meine Schritt eine An« klage gegen den gejammten Klerus wäre; zudem geberdet sich die Parteipresse, als ob sie durch ihre gewundenen Besprechungen die wirkliche Meinung des ganzen katholischen Deutschland wiedergäbe: während meine Schrift thaljächlich den freudigsten Widerhall bis in die höchsten kirchlichen Regionen hinauf gesunden hat — soweit man eben — Welt« und Ordensklerus wie Lairnthum — nicht unter der geistigen Vormundschaft deS Jesuitenordens stehen will. Dieser große Theil des älteren uno jüngeren Klerus wie des Laienthums im katholischen Deutschland hat keiner Ent« hüllungen und Entlarvungen bedurft, um nicht bloß über die Diana Vaughan'schen, sondern auch über dir Leo Taxil'schen Mittheilungen sicher und klar zu sein." . . . Schell führt dann an, wie von ultramontaner Seite die Studenten vor einem Professor wie er gewarnt werden, und fährt fort: „DaS ist, wie ich ja ausdrücklich in Aussicht gestellt habe, auch jetzt wieder eingetrofsen, obgleich der peinliche Anlaß doch etwas zur Zurückhaltung hätte mahnen können: es wird auch nach der vollen Selbslentlarvung Leo Taxil's am 19. April wieder der Fall sein; und zwar aus dem Grund, weil diese Kreise in der ganzen philo« sophisch-theologijchen Weltanschauung und Aussassuugrweise des Ckristcnthums verharren wollen, welche solche Betrügereien erst möglich macht, weil man eben den inneren Zusammenhang zwischen dem Aberglauben und der ganzen eigenen Denkweise nicht einsiehtl Man fühlt den Zusammenhang und empfindet daher den ersten Angriff gegen die Wurzeln und Voraussetzungen der ganzen mythologischen Geistesverirrung alS feindseligen Stich: aber man will ihn nicht zuqeben, weil man sonst seine ganze theologische Geistesart und Schulrichtung gründlich umgeftalten müßte. So erklärt sich das sonderbare und vielfach recht widerspruchsvolle Verhalten der führenden EentrumSblätter. — Statt einer gründlichen Selbstbesinnung weist man jetzt auf den Aberglauben in außerkirchlichen Kreisen hin, als ob diese dafür auch religiöse Autorität in Anspruch nähmen! — Man fühlt sich mit jo naiver Anmaßung als der ganze und alleinkirchliche Katholicismus, ja als die gläubige Gesellschaft, daß man nun öffentlich Diejenigen als die Retter des katholischen Deutschland und der gläubigen Christenheit preist, welche den Leo Taxil'schen Schwindel 1886 dem Publicum dargeboten haben I Allein man vrrgene rS ja nicht, daß nur jene Katholiken dem widersinnigen Aberglauben anheimgesallen find, die zum geistigen Heerbanne des Jesuitenordens und seiner theologischen Schule gehören! Was von unserer Seite zur Warnung und Aufklärung gejagt wird, trägt uns ja gewöhnlich nur Zweifel an der kirchlichen Correctheit ein: erst wenn «io Jesuit oder Germaniker (ehemaliger Zögling des collexium sermunicum in Rom) eS auch sogt, dann gilt ein Gedanke etwa-!... Die Grenzen der Gerechtigkeit soll ich auch, wie angedeutet wird, in Bezug auf den Jesuitenorden über« schritten haben: denn nicht alle Jesuiten hätten den Vaughan« Schwindel mitgemacht! Ja, gerade Jesuiten seien unter den eifrigsten Vorkämpfern gegen den Vaughan <-Schwindel gewesen, nämlich k. Gruber und ?. Portaliö. — Allein es bandelt sich nicht so sehr um dir Vaughan-Enthüllungen, dieses Xon plus ultra von Ab surdität, das schließlich auch den Naivsten hätte stutzig machen können, sondern um die ganze von Leo Taxtil geleitete und ge nährte Action gegen die Frcimauerei und das dazu benützte mytho- logische Schreckdild des Satanismus! Wer hat nun Leo Taxil's Enthüllungen dem deutschen Publicum dargeboten und über setzt? — ?. Gruber Loo. ck. (Hildebrand Gerber) seit 1886. — Wer hat diese Enthüllungen als glaubhaft empfohlen? — Die» geschah durch die LiviltL oattolioa, das Hauptorgan des Jesuitenordens, in einer langen Reihenfolge von Auf sätzen. Wer hat die Taxil'schen Schreckbilder (Dreipunctebrüder, Der Teufel im 19. Jahrhundert u. dgl.) für die eucharistische Be« wegung und in sonstiger Form populär gemacht und unter dem Volk verbreitet? Wer und wessen Theologie hat es überhaupt möglich gemacht, daß rin großer Tbeil des Klerus und Volkes solchen Aber glauben und mythologischen Unsinn als ernstlichen Gegenstand der Erwägung in Frage zieht? — Und Angesichts dessen, was in dieser mehrfachen Hinsicht durch einzelne Jesuiten, durch die Livlltä, euttolicu, durch die Schule und den Geist des JesuitiSmus, durch deren wohldressirte Jüngerschaft im Weltklerus zur Ermöglichung und Verbreitung des ganzen Taxilschen Lügensystems verschuldet worden ist, wagt man es jetzt, selbstgefällig damit zu prunken, daß ein Jesuit der Erste gewesen sei, der den Vaughan-Schwindel enthüllt habe!" Insofern diese Kampfesworte einen Versuch der Befreiung der katholischen Kirche in Deutschland von dem Joche des UltramontanismuS darstellen, darf man ihnen keine größere Bedeutung beimeffen. Professor Schell wird nicht mehr erreichen als Andere vor ihm. Der Bischof von Eichstätt, Frhr. v. Leonrod, welcher der „Nationalzeitung" zufolge seine Amtsgenoffen in Würzburg und Augsburg, die Bischöfe v. Stein und Hölzl, zu einem Vorgehen gegen den freimüthigen Theologen gewinnen wollte, hat zwar kein Glück damit gehabt. Aber früher oder später wird der Würzburger Professor aufgehört haben, römischer Katholik zu sein, und jedenfalls wird sein Auftreten der ultramontanen Herrschaft über die Kirche keinen Fuß breit Boden entziehen. Das ist so gewiß, daß eS Or. Schell und seiner Sache nicht im Mindesten schaden kann, wenn die liberalen Gegner des IesuitismuS die Feststellungen des klerikalen Gelehrten sich zur Lehre bienen lassen. Dazu haben vor Allem die Nationalliberalen des Reichstags bringenden Anlaß. Ihr Redner hat in der letzten Debatte über daS Iesuitengesetz die Gesellschaft Jesu überaus schwächlich angegriffen und sich vor den klerikalen Entgegnungen mit einer von den Neuhellenen in ihren jüngsten Kämpfen nicht übertroffenen Bereitwilligkeit zurück gezogen, so daß eS den Anschein gewinnen konnte, als ob er den Jesuitenorden nur noch auS formalen Gründen bekämpfte, und auch dies nur, „weil es so hergebracht ist". Der katholische Theologe hingegen bestätigt Alles, was im Reichs tage theils nicht gesagt, theils widerstandslos preisgegeben worden ist. Bei ihm, dessen Autorität man nicht bestreiten kann und der frei von dem Verdachte der Feindschaft gegen die katholische Kirche ist, findet sich keine Spur jener falschen geistigen Vornehmheit, die im IesuitismuS ein „Gespenst" sieht oder zu sehen sich einbildet und der der Nachweis der Früchte der jesuitischen Wirksamkeit als eine gegen den bau ton verstoßende „Jesuitenrieckerei" gilt. Für Professor Schell ist der IesuitismuS eine Realität, die Quelle eines Uebels am Leibe der katholischen Kirche, da« in der geistigen Ver- derbniß von Klerikern und Laien besteht und deshalb von einer deutschnationalen Partei nicht gering geachtet werden sollte. Er brandmarkt denn auch den klerikalen Schwindel, der dem Jesuitenpater Gruber und, wie wir hinzufügen, der Centrumspresse daS Verdienst der Entlarvung Taxil's zuschreibt, während gerade jener als Geistesheld gepriesene Jesuit und diese Presse es gewesen sind, die dem Vaughan- Betrug in Deutschland Eingang verschafft haben. Neues sagt der Theologe damit nickt, die nationalliberale Presse batte daS schon vor der Reichstagsdebatte aufgedeckt, aber Herr Lieber bekam es nicht zu hören. Die Prophezeiung des Professors Schell von der Werthlosigkeit der Entlarvung ist mittlerweile schon eingetroffen. Die „Germania" bat be kanntlich einen Theil der satanistischen „Enthüllungen" Taxil's als der Wahrheit entsprechend für den Ultramon tanismuS conservirt; sie und ihre Hintermänner „wollen" eben beim Aberglauben oder doch bei dessen Nutzbarmachung „verharren". Am auffälligsten ist der Unterschied, der sich m der Be- urtheilung des Charakter» der „OiviltL CLtkolie»" zwischen Or. Schell und dem nationalliberaleu Fractions- redner bemerkbar macht. Zwar hat auch dieser im Reichstage die Artikel jenes Blattes, die glühende Be gierde nach der Zerstörung deS deutschen Reichs athmeten, dem Jesuitenorden zur Last gelegt. Als aber aus dem Centrum heraus die Verantwortlichkeit des Ordens für die „Civilta catbolica" bestritten wurde, gab sich der Erlanger Professor zufrieden, obwohl schon Tags vorher die völlige Haltlosigkeit einer in den „Stimmen aus Maria Laach" erschienenen, mit der Behauptung Or. Lieber'S sich decken den Erklärung eines Iesuitenprovinzials von der Münchener „Allgem. Ztg." dargethan worden war. Der Würzburger Professor hingegen würdigt die ultramontanen Abieugungen hinsichtlich deS römischen Blattes keines Wortes, er behandelt eS als daS Hauplorgan deS Jesuitenordens, dessen Obere für den Inhalt verantwortlich sind. Damit wird der im Reichstage fallen gelassene, von den Natiouallibcralen außer halb dieser Körperschaft freilich keinen Augenblick verworfene, stärkste Grund gegen eine mildere Beurtheilung des Jesuiten ordens in dem von seinen Umtrieben bedrohten deutschen Reicke von dem katholischen Theologen wieder hergestellt. Man kann ja sagen: Alles, was Professor Schell aus- einandersctzt, beweist nur die Nutzlosigkeit Les Iesuilengesetzes unv eS ist ungerechtfertigt, einer Partei einen Vorwurf daraus zu machen, daß sic sich für den Forlbesitz eines so un tauglichen Werkzeuges nicht erwärmt und vielmehr zu seiner Verstümmelung die Hand bietet. Aber Erdulden ist etwas ganz Anderes als Begünstigen. Kann die nationalliberale Partei dem VorwärtSdringen des Iesuitis muS nicht Hall gebieten und insbesondere nicht eine strengere Handhabung des Jesuitengesetzes erzwingen, so darf sie sich doch nicht zur Mitschuldigen an Feindseligkeiten und an der Vergiftung des Geisteslebens in Deutschland machen, was sie thun würde, wenn sic nicht zu verhindern suchte, daß das, was geschieht, mit Zulassung der Gesetzgebung geschieht. ES stebt ein nationales Lebensprinzip inFraze. DaS ist erst recht klar geworden, seit der Centrumsabgeordnete Bachem im Abgeordnetenhaus?, ohne autoritativ desavouirt zu werden, von klcrikal-nationalliberalen Vereinbarungen im Reichstage sprechen durste. Schon vorher hat Manches auf daS Umsichgreifen eines Opportunismus hingedeutet, der den unversöhnlichen Gegensatz zwischen Reichstreuen und den im Centrum ver körperten Ultramontanen zu verdecken sucht. Es ist nicht ersichtlich, wie eine solche Politik gerechtfertigt werden könnte. Niemals seit dem Bestehen des Reicks ist eine positive Reichs politik parlamentarisch so stark und so frivol behindert gewesen, wie in der Gegenwart. Und niemals ist daS Centrum im Reichstage so mächtig gewesen, wie jetzt. Social demokratie und Radikalismus wären im Parlamente vollkommen unschädlich, wenn die klerikale Partei nicht einen Mittelpunkt aller Widerstände gegen eine gesunde Ent wickelung bildete. Worin bat sich denn daS Centrum seit den siebziger Jahren geändert? Höchstens darin, daß der Vernichtungskrieg, den es gegen daS Deutschthum in den gemischtsprachlichen GebietStheilen führt, an Rücksichts losigkeit zugenommen hat. ES war nicht vor zwanzig Jahren, sondern vor vier Wochen, daß die „Kreuzztg." sagen durfte, die CeatrumSpreffe sei polnischer als die Polen, welfischer als die Welfen und protestleriscker als die Protestler. Und in Bayern concurriren CentrumSpolitiker gerade jetzt mit Or. Sigl in der gehässigsten Preußenhetze. In Bayern, in FrriiHetsn. Die Thiere als Wetterpropheten. Nachdruck »erboten. I. Der Naturmensch und der Culturmensch, auch abgesehen vom Naturforscher von Fach, wenn er nur die ihn umgebende Welt zu beobachten versiebt, werden bald im Buche der All mutter lesen lernen, und sie werden dabei, wie eS tief in dem menschlichen Geiste begründet ist, die ihnen von anderen Leuten durch Ueberlieferung zu Tbeil gewordenen Erfahrungen mit den selbst beobachteten Thatsachen vergleichen. So wird sich ihnen nach und nach eine Summe von Kenntnissen der Dinge, inmitten derer sie leben, wie von selbst auf drängen. Menschen, die sich viel und allein im Freien aufhalten, werden auch scheinbar kleinlich?» Veränderungen und mehr oder weniger ungewöhnlichen, wenn auch nur beiläufigen Erscheinungen in ihrer Umgebung ihre Aufmerksamkeit zu wenden, sie werden ibren Ursachen und Wirkungen nachspüren und über ihren Zusammenhang mit anderen Erscheinungen Nachdenken. Kommt noch hinzu, daß der Beobachter auS einem oder dem anderen Grunde an dem Verhalten der um ihn sich abspieienden natürlichen Vorgänge ein besonderes persönliches Interesse nimmt, namentlich an dem der Witterung, so wird er um so schärfer aufpassen und um so richtiger combiniren. Solche Leute sind in erster Linie Seefahrer, Fischer, Jäger, Hirten und nicht gar zu stumpfsinnige Ackerbauern. Sie gelten im Allgemeinen al» Wetterpropheten unv als um so bessere, je älter sie sind, und einzelne unter ihnen erfreuen sich in dieser Beziehung auch in den Kreisen ihrer BerufS- genoffen eines ganz besonderen Ansehens. ES unterliegt keinem Zweifel, daß eS neben den anS physikalischen Werkstätten hervorgrgangenen Barometern auch natürliche genug giebt; viele Dinge müssen auf Veränderungen, die sich vor dem endgiltigen Witterungswechsel in der Atmosphäre ereignen, reagiren, besonder» aber die lebende Thierwelt. Der gesunde Mensch beobachtet leider sein eigenes „Ich" in dieser Beziehung viel zu wenig und versucht viel zu wenig, sich über sein« jeweiligen körperlichen und seelischen Zustände Rechenschaft zu geben, und doch unterliegt eS keinem Zweifel, daß manche vorübergehenden Abweichungen vom Normalen in unserem Sein unv Wesen: Appetitlosigkeit, eingenommener Kopf, Schwindel, Schlaffheit, Verdrossrnsein deS Gemütbr» und vorübergehender Mangel an Willenskraft, aus da» Innigste mit einer bevorstehenden Aenderung de» Wetter» zusammen- bänacn. Leute, die irgend ein, wenn oft auch nur ganz gering fügiges, körperliche» Gehrest« an sich haben und sich im Uebrigen einer au»g»zeichnetrn Gesundheit erfreuen, sind be kanntlich oft sehr empfindlich« Barometer. Sie lernen genau kennen, was r» »u bedeuten bat, wenn die Hühneraugen drücken, wenn im Winter die Frostballen jucken, wenn e» in einem früher einmal gebrochen gewesenen, aber prächtig geheilten Knochen rumort, wenn eine alte Fleischwunde -rennt u. s. w. Asthmatiker und mit Lungenemphysem Be haftete find meist sehr zuverlässige Wetterpropheten. Es scheint, daß der Mensch gerade bei gewissen krank- >aften Veränderungen des Baues seiner AtbmungSwerkzeuge gegen Umstimmungen im Drucke der ihn umgebenden Almo- phäre, wie sie Witterungswechseln voranzugeben pflegen, be- onderS empfindlich ist. ES ist mir sehr wahrscheinlich, daß die sehr feine Vorausempfindung der Veränderung des Wetters, wie sie manchen Vögeln und Jnsecten unbestreitbar eigen ist, auch auf die Art und Weise, in der ihre Respiraiionsorgane entwickelt sind, zurückzufübren sein dürfte. Beiderlei Thier formen stimmen, so überaus verschieden sie sonst auch immer hin sein mögen, doch darin überein, daß sie in viel höherem Grabe Lufttbiere sind, als die Angehörigen irgend einer anderen Clafse, nicht unmittelbar deshalb, weitste die wahren Flieger sind, sondern weil ihr Körper so hervorragend luft haltig, gewissermaßen geradezu von Luft durchzogen ist. Mit den Lungen der Vögel sieben sehr zartwandige, einer großen Erweiterung fähige einfache Säcke im Zu sammenhang, die theils je nach der Stärke der Einatbmung sich ausblahen und in diesem Zustande zwischen Ein geweide und Muskeln und unter die Haut sich erstrecken können, theils aber durch besondere Löcher in das Innere Hobler Knochen treten. Auch in die Schädclknochen kann gleich von den Nasenhöhlen her atmosphärische Luft dringen. Freilich sind alle diese Lufträume nach den Vogel- arten sehr verschieden entwickelt, aber nur sehr selten fehlen sie wie bei den neuseeländischen Schnepfenstraußen oder Kiwi- Kiwi» völlig. Auch bei den Jnsecten zeigen die AtbmungSwerkzeuge einen sehr eigenartigen Bau. Der Eingang in dieselben liegt nicht am Kopfe in den Nasenhöhlen oder im Maule, wie bei den Wirbeltbieren, sondern an den Seiten der Körperringe in Gestalt sehr feiner, bisweilen, wie z. B. bei glatten Raupen von besonder» gefärbten Fleckchen oder Höfen um gebenen, runder oder schlitzsötmiger Löckerchen. Sie führen in ein System sehr zierlich gebauter, sich zweitheilig immer feiner und feiner verzweigender Röhrchen, mit dem wiffen- schaftlicken Namen Trackern genannt, di^ wie bei uns die Blutgefäße den ganzen Körper durchziehen und alle inneren Organe umspinnen. Nicht selten finden sich an ihren Enden oder in ihrem Verlaufe kleine Erweiterungen, feine, dünn wandige Bläschen, die vielleicht in mehr al» einer Hinsicht in ihren physiologischen Leistungen den Luftsäcken der Vögel entsprechen. Alle diese Lufträume der Vögel und Jnsecten, sind aller dings je nach den Umständen in verschiedenem Umfange, mit atmosphärischer Luft gefüllt, aber niemals durchaus luftleer. Die Luft in den Hohlräumen der Körper der Vögel und In- secten wird unter demselben Drucke stehen, wie die Luft, die die Tbiere überhaupt umgiebt. Nun wird sie sich freilich im Leibesinnern der ersteren, die ja sogenannte warmblütige Thier« sind, unter dem Einflüsse der hohen Bluttemperatur auSdehnen, aber da» ändert nicht» an dem ursprünglichen DichtigkritSunterschiede, in dem die atmosphärische Luft als solch« eingeathmet wurde. E» könnte sogar fein, daß der BerdünnungSproceß, dem die Luft unter der hohen Blut temperatur im Körper deS Vogels unterworfen ist, auf dessen Allgemeinbefinden in verschiedenem Grabe, je nachdem diese Luft dichter oder weniger dicht ist, zurückwirkt, und so seine Eigenschaft, als Barometer zu arbeiten, noch vermehrt. Dem sei, wie ihm wolle, wir dürfen, glaube ich, die Vögel und die Jnsecten nebst den Spinnen als die sichersten Wetterpropheten unter den Tbieren gelten lassen, ob freilich in dem Umfange ober gerade in der Weise, wie das meist geschieht, will ick nicht entscheiden. WaS wir bi» jetzt über diese Dinge wissen, beruht doch immerhin nur auf sehr ein fachen und rohen Erfahrungen, aber nicht auf fein durch geführten wissenschaftlichen Versuchen. Nickt alle Erscheinungen, die sich in dem Wesen und Gebühren der Thiere zeigen und au» denen man auf Witterungswechsel schließt, find unmittelbare Folgen atmo sphärischer Veränderungen, sondern mittelbare. Wenn zum Beispiel die Schwalben niedrig fliegen, und die Fische sich auS den Teichen eifrig emporschnellen, so ist man allgemein der sehr weitverbreiteten und, wie mir scheint, woblbegrün- deten Ansicht, baß Regen drohe. Aber die Tbiere verfahren bekanntlich so, weil sie sich an das Verhalten ihrer Beute, der Jnsecten, anpassen. Die fliegen bei schwüler Luft, wie sie Gewittern voranzugehen pflegt, allerdings tief, besonders weibliche Individuen, über Teichen und Seen, in die sie ihre Eier zu legen pflegen, unv ihnen stellen von oben aus der Luft die Schwalben und von unten auS dem Wasser die Fische nach. Zahlreiche Jnsecten, besonder» Nachtsckmetterlinge, sind bei abendlicher Gewitterschwüle, bei der auch dementsprechend nachtblühende Pflanzen einen stärkeren Blumenduft entwickeln, am allerlebhaftesten und muntersten. Ein Beispiel hierfür statt vieler: der berühmte Reisende und Naturforscher Wallace fing bei Laternenschcin auf Borneo im Jahre 1856 am Abend deS 6. Januar, der sehr sckön war, nur 8 Stück Schmetterlinge, aber an dem deS 1. bei starker Feuchtigkeit 185 und an dem deS II., da e» regnete und die Dunkelheit groß war, gar 260 Individuen, und ähnliche Erfahrungen macht jeder Sammler auch bei un». Zweifelhaft erscheint e» mir, daß irgend ein Thier di« Veränderung deS Wetters länger als allerhöchstenS 24 Stunden vorauSempfindcn kann. Wenn man aber au» dem Verhalten gewisser Tbiere, namentlich au« Ankunft und Abreise der Zugvögel, auf die Beschaffenheit deS bevorstestenden Sommers oder Winter- schließen will, so läßt man sich einfach vom Aberglauben leiten. Uebrigen» deutet man viel mehr Er scheinungen in der umgebenden Tbierwelt, die sich bei gutem Wetter zeigen, al« Verkündigungen folgender schlechter Witterung al» umgekehrt. Von manchen heißt r» nur: sie bedeuten «ine Veränderung d«S Wetter» überhaupt, so wenn die Schöpse meßen, wie sprücdwörtlich bekannt, wenn der Fuch« wie ein Pfauhahn schreit und wenn Murmclthiere, Zaunkönige, Turteltauben und Rohrdommeln besonder» laut und anhaltend ihre Stimme hören lassen. In einer Anzahl von Fällen schließt man auS entgegen gesetztem Verhalten auf Eintreten verschiedener Witterung. Wenn dir Fledermäuse zeitig am Abend und in großer Menge umherfliegen, so wird der nächste Tag sonnig und heiter sein, erscheinen sie aber erst spät und einzeln, so kann man sich auf Sturm und Regen gefaßt machen. In Thüringen und ähnlich in Südschweden behaupten die Schäfer, es bedeute Gewitter, wenn die Heerde wiederholt rasch zu sammen und auseinander liefe, und wenn die Tbiere dabei häufig in die Höbe sprängen; suchten sie aber Abends die höchsten Puncte ihrer Weideplätze auf und tummelten sich lustig auf ihnen herum, so stände anhaltend schönes Welter bevor. Die rotben Milane schreien dumpf und fliegen niedrig, wenn Regen droht; wird gute, heitere Witterung einlreten, so fliegen sie bock und hallen den Schnabel. Don der Elster sagt ein altes Berschen: Ein' Elster allein ist schlechten Wetters Zeichen, Doch fliegt da» Elsterpaar, wird schlechtes Wetter Weichen. Die Schweizer schließen auf Zunahme der Kälte, wenn die Alpendohle (I^rrüocorax alpinns) hoch, und auf gelindes Wetter, wenn sie niedrig fliegt. Bleibi bei einem heran ziehenden Gewitter daS Hausrothschwänzchen ruhig auf seinem Lieblingsplätzchen auf dem Hausgiebel oder dem Essenkopfe sitzen, so sagt man in Thüringen, wo man den Vogel über haupt mehrfach mit dem Blitz und dem Gewitter in Ver bindung bringt, das Unwetter werde sich verziehen, verstecke eS sich aber, so käme es zum Ausbruch. Wenn Haustauben viel rucksen, so solle das schönes Wetter bedeuten, schlechtes aber, wenn sie viel fräßen, denn dann sollen sie Nahrung auf Vorrath zu sich nehmen, um nicht gezwungen zu sein, während des Regens den Schlag zu verlassen. In Finnland ist man der Meinung, eS sei gute Witterung zu erwarten, wenn die Birkhähne frei auf den Gipfeln der Bäume säßen, schlechte aber, wenn sie sich auf den untersten Aesten nietcrduckten und still verhielten. DaS Verhalten des Höckerschwans beim Schwimmen gilt sehr allgemein als bedeutungsvoll: senkt er seinen Körper dabei bis über die Hälfte in daS Wasser ein, so bleibt das Wetter schön und beständig, daS Gegenthcil aber ist zu erwarten, wenn er viel Geräusch macht, mit den Flügeln schlägt, den Kopf häufig eintaucht und sich bespritzt. In Norwegen gellen die Lummen als Wetterpropheten, und eS soll Regen und Nebel bevorstehcn, wenn sie laut und ängstlich Hui! hui! sckrein, rufen sie aber Karloa! Karloa!, so bedeutet das Trockenheit und Sonnenschein. Der bekannteste und beliebteste, aber durchaus nicht un fehlbarste thierische Barometer ist der Laubfrosch: wenn er hoch in feinem GlaSgefängniß sitzt, bleibt daS Wetter günstig, fitzt er aber tief, oder verkriecht er sich gar in daS Wasser, so bleibt der Regen nicht auS. Man siebt auf Waldwegen häufig genug die großen, glänzende», schwarzen oder roth- braunen Nachtschnecken (Xrion omxiricorum) mit allerlei am Körperende haftenden Fremdkörpern umhrrkriechen. Hierüber giebt eS bei der Bevölkerung der Eifel folgenden Vers: Wenn die Schneck' ein grüne» Blatt mit führt, E« gewiß gut Wetter wird; Belad«» sie fick mit Grund (lkrdkrümelchen), Thut sie starken Regen kund.
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