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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970514016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897051401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897051401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-14
- Monat1897-05
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Reclamen unter dem Redactionsstrich (4ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichteu (6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarij. Vxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. — Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. j SI. Jahrgang. Die parlamentarische Lage. Der Reichstag bittet um seinen Abschied. Es ist ungewöhnlich früh an der Zeit, aber er kann nicht mehr. Und die Regierung entläßt ihn, ach! nur allzugern. Wenn eS wahr ist, was im Senioren-Convent in Aussicht gestellt wurde, daß dem Hause nämlich die Militairstrafproceß- ordnung noch in dieser Tagung zugeben solle, jedoch „zur Ansicht", nicht zur Durchberalhung, so würde die Negierung damit einen Beweis von Hochherzigkeit liefern. Denn bestände sie auf der Durchberalhung, so würde der Reichstag nicht aus politischen Ursachen, sondern aus Mangel an Arbeitslust versagen, die von ihm selbst so oft und so stürmisch geforderte Reform würde an der Unbrauchbarkeit eben dieses Reichstags scheitern und dieser wäre eS, der vor dem in seinen Erwartungen getäuschten Lande als der Schuldige dastände. Es fragt sich aber, ob die Regierung die Militairstrasprvceßordnung in der nächsten Zeit bringen kann. Ist sie aber auch dazu im Stande, so wird sie erst reiflich überlegen, ehe sie in der im Senioren-Convent als möglich bezeichneten Weise vorgeht. Die Vorlegung eines Gesetzes, das keine Aussicht hat, über die erste Lesung hinaus zu gedeihen, ist eine Veröffentlichung und nichts weiter. Mit der allzu frühen Bekanntgabe des Inhalts von Gesetzentwürfen, die aus politischen Gesichtspunkten beurtbeilt werden konnten, hat man jedoch bisher ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht. Ein Militairstrafverfahren nach den Herzen von Parteien, die ein Parlamentsheer oder gar eine Miliz haben möchten, werden die Kriegsminister der deutschen Fürsten natürlich nicht überreichen. Die Veröffentlichung wäre also eine Darbietung für die Kritik und würde um so begieriger hingenommen werden, als der stoffarme Sommer zwischen Bekanntgabe und Berathung läge und die Wahlen nahe be vorstehen. Außerdem hat soeben das preußische Ministerium dem Landtage eine Nuß auf die Zäbne gepackt, die geeignet ist, daS Interesse der „öffentlichen Meinung" und ihrer parla mentarischen Vertretung vollständig zu absorbiren. Dem Abgeordnetenhaus« ist nämlich, wie uns der Telegraph meldet, der folgende „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung von Bestimmungen über Versammlungen und Vereine" vom Minister deS Innern, Herrn von der Recke, übersandt worden: Artikel I. Versammlungen, welche den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder welche die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit des Staates, oder den öffentlichen Frieden gefährden, können von den Abgeord neten der Polizeibehörde (8 4 der Verordnung vom 11. März 1850 Gesetzsamml. 277) aufgelöst werden. Artikel H. An Versammlungen, in denen politische Angelegen- heiten erörtert oder berathen werden, dürfen Minderjährige nicht theilnehmen. Artikel III. Vereine, deren Zweck oder Thätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläust oder die öffentliche Sicher heit, insbesondere die Sicherheit des Staates, oder den öffentlichen Frieden gefährdet, können von der Landespolizeibehörde geschlossen werden. Artikel IV. Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern (8 8 der Verordnung vom 11. März 1850), dürfen Minderjährige nicht als Mitglieder aufnehmen. Den Versammlungen und Sitzungen solcher Vereine dürfen Minder jährige nicht beiwohnen. Auf diejenigen Veranstaltungen, welche unter Ausschluß politischer Kundgebungen lediglich geselligen Zwecken dienen, findet dieses Verbot keine Anwendung. An solchen Veran staltungen dürfen auch weibliche Personen theilnehmen. Die Verbindung von Vereinen unter einander ist mit der Maßgabe zulässig, daß politische Vereine (Absatz 1) nicht ohne Erlaubniß des Ministers deS Innern mit außer deutschen Vereinen in Verbindung treten dürfen. Die Bestimmungen in Z 8 der Verordnung vom 11. März 1850, soweit sie Schüler und Lehrlinge betreffen, werden ausgehoben. Artikel V. Werden Minderjährige aus einer politischen Versammlung (Artikel II) oder auS Versammlungen oder Sitzungen politischer Vereine (Artikel IV) aus die Aufforderung der Abgeord neten der Polizeibehörde nicht entfernt, so kann die polizeiliche Auf lösung der Versammlung oder Sitzung erfolgen. Im Falle der Auflösung einer Versammlung (Sitzung) aus Grund der vorstehenden Bestimmung oder deS Artikels I finden die HZ 6 und 15 der Verordnung vom 11. März 1850 Anwendung. Wer als Vorstandsmitglied oder als Beamter eines auf Grund des Artikels III geschlossenen Vereins thätig ist, oder Versamm lungen eines solchen Vereins veranstaltet, dazu öffentlich einladet oder Räumlichkeiten hergiebt, oder daran als Vorsteher, Ordner, Leiter oder Redner sich betheiligt, hat die Strafe des 8 14 der Verordnung vom 11. März 1850 verwirkt. Die gleiche Strafe trifft Denjenigen, welcher in sonstiger Weise der ferneren Thätigkeit eines geschlossenen Vereins Vorschub leistet. Wer sich bei einem geschlossenen Vereine als Mitglied ferner betheiligt, unterliegt der Strafe des 8 16, Absatz 2 a. a. O. Bei Zuwiderhandlungen gegen Artikel IV, Absatz 1 und 3, findet der 8 8, Absatz 2, und der 8 16 der Verordnung vom 11. März 1850 Anwendung. Minderjährige, welche sich der Vorschrift des Artikels IV, Absatz 1, zuwider als Mitglieder aufnehmen lassen, unterliegen der Strafe deS 8 16, Absatz 3 a. a. O. Die königliche Ermächtigung zur Einbringung der Vor lage ist datirt: „Urville, 10. Mai 1897." Muß eS nach der dieser Tage abgegebenen „persönlichen" Erklärung des Fürst en Hohenlohe schon auffällig erscheinen, baß der Gesetzentwurf noch im Laufe dieser Lanvtagösession erscheint, so ist noch auffälliger sein Iuhalt, den man nach früheren Erklärungen des Fürsten und den ihnen in seiner Gegenwart und ohne seinen Widerspruch gegebenen Interpretationen nicht erwarten konnte. Je wahr- cheinlicher eS ist, daß der preußische Ministerpräsident und Reichskanzler sowohl diesem Inhalte, wie der Einbringung des Entwurfs im jetzigen Zeitpunkte nur mit Widerstreben eine Zustimmung gegeben hat, um so bedeutsamer werden die Verhandlungen über die Vorlage werden. Daß sie mit einer Adle hnung im Abgeordnetenbause enden, ist nach der Debatte, die sich dieser Tage an die eben erwäbnte Erklärung deS Fürsten Hohenlohe knüpfte, kaum zu bezweifeln. Daß daS Centrum und der Freisinn die Vorlage rundweg ablehnen werden, ist so gut wie selbstverständlich; das Unheil eines Theiles der Nationalliberalen scheint die „National-Ztg." wiederzugeben, die nach einer unS zugebenden telegraphischen Nachricht an die Vorlage die folgende Auslassung knüpft: „Wir haben nicht geglaubt, daß die Regierung es unter nehmen würde, der Volksvertretung und der öffentlichen Meinung Bestimmungen zuzumuthen, wie die Artikel I und III dieses Entwurfs sie enthalten. Der Artikel I würde jede Versammlung der Willkür oder der Urtheilslosigkeit des untergeordnetsten Polizeibeamten, der Artikel III würde jeden Verein dem Belieben der „Landespolizeibehörde" preisgeben. Die „öffentliche Sicherheit" und der „öffentliche Frieden" sind so allgemeine Begriffe, daß Jedermann darunter verstehen kann, was er will, und die „Strafgesetze" enthalten so zahlreiche Be- stimmungen, daß auf Grund des angeblichen „Zuwider- laufens" von Versammlungen oder Vereinen auch die Zahl der daraus herzuleitenden Vorwände für die Auflösung der ersteren, für das Verbot der letzteren Legion wäre. Im Lichte des Ansinnens, in dieser Art das Vereins« und Versamm« lungsrecht zur Verfügung des jeweiligen Ministeriums zu stellen, erscheinen auch die Art. II und V gegen die Theilnahme Minder jähriger an politischen Versammlungen und Vereinen unan nehmbar. Man braucht an sich für die Gestattung der Theilnahme Minderjähriger sich nicht zu interessirrn; aber es ist klar, daß die Feststellung, ob einzelne, in einer Versamm lung anwesende Personen minderjährig sind, zu den mißlichsten Weiterungen führen kann, und die Art. I und III enthalten eine ausreichende Warnung, es aus solche Weiterungen, welche die Auf- lösungsgründe vermehren würden, nicht ankommen zu lassen. Nach unserer Meinung giebt es für diejenigen Parteien des Abgeordneten hauses, welche den staatsbürgerlichen Rechten und einem gesicherten öffentlichen Rechtszustande Werth beimessen, nur eine Antwort auf diesen Entwurf: unbedingte Ablehnung, ohne auf irgend welche Versuche der Abänderung einzugehen." Welche Aufregung die Vorlage nicht nur im preußischen Landtage, sondern auch im Reichstage hervorgerufen bat und aus welche Weise man hier die Berathung des Entwurfs im Landtage überflüssig macken zu können glaubt, ergiebt sich aus dem folgenden Telegramme, das unS ferner vorliegt: 88 Berlin, 13. Mai. (Privattelegramm.) Als Erwide rung aus die heute dem preußischen Landtage zugegangene Novelle zum Bereinsgesetz ist km Reichstage folgender Antrag eingebracht worden: „Inländische Vereine jeder Art dürfen mit einander in Verbindung treten. Entgegenstehende landesgesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben". Der Antrag ist von den Freisinnigen, den Social demokraten, den Antisemiten und den Polen unterzeichnet. Die Nationalliberalen und das Centrum werden sich erst in einer Fractionssitzung über ihre Unterstützung schlüssig machen. Wahrscheinlich wird man versuchen, diesen Antrag schon am nächsten Mittwoch auf die Tagesordnung des Reichstags zu bringen. Seine Annahme ist nicht eben unwahrscheinlich. Um so weniger ist darauf zu rechnen, daß er, nachdem die preußische Regierung zu ihrem Vorgehen sich entschlossen, die Zustimmung deS Bundesraths finden werde. Jedenfalls kann ein einfacher Reichstagsbeschluß, die landesgesetzlichen Verbote der Verbindung politischer Vereine auszuhebcn, die geschäftliche Behandlung der preußischen Vorlage im Landtage nicht zurückhalten. Diesem ist somit noch reiche und wichtige Thätigkeit weil über Pfingsten hinaus gegeben. Der Reichstag dagegen wird, auch wenn er dem eben erwähnten Anträge noch zustimmt, mit fast leeren Händen auseinandergehen. Die Nachtragsetats finden noch Erledigung im positiven Sinne, ob auch das Besoldungsgesetz, steht dahin, und das Schicksal des Margarinegesetzes, dessen endgültige Annahme ein be schlußfähiges Haus zur Voraussetzung hat, ist gleichfalls nock unsicher. Dagegen nimmt man als sicher an, daß außer einer Reihe anderer Gegenstände, darunter leider auch die Dampfersubvention, die Handwerksvorlage, unter den Tisch fällt. Mit der Herbeiführung dieses Ergebnisses werden sich die Conservaliven, die Antisemiten und daS Centruu: das denkbar kläglichste Zeugniß ausstellen. Der Plan einer Organisation ftr das Handwerk ist ihr Werk; hätten sie sich nicht die Forderungen der „Zünftler" angeeignet, so wäre keine Regierung auf den Gedanken ge kommen, der Sache nahe zu treten. Nun ist eine Bundesraths vorlage da, die große Mehrheit der Abgeordneten der genannten drei Parteien verzweifelt auch nicht an der Möglichkeit, auf der Grundlage des Entwurfes etwas nach ihrer Meinung Nützliches zu Stande zu bringen, aber es beliebt ihnen nicht, zu diesem Zwecke in Berlin zu bleiben oder sich dahin aufzumachen. Di- Regierung hat näm lich die Entscheidung, ob Schluß derTagunH oder Erledigung der vorliegenden Angelegenheiten, in die Hande des Reichstags gelegt. Der Reichstag will aber geschloffen sein und zwar vor Durchberalhung des Handwerksgesetzes, wegen dessen nach der sehr unrichtigen Ansicht der „ handwerkerfreundlichen Parteien" ohne Noth verzögerten Einbringung die Regierung von der Presse eben dieser Parteien die gehässigsten Angriffe und niedrigsten Verdächtigungen hatten über sich ergehen lassen. Das Handwerk, so hieß es, geht gänzlich zu Grunde, wenn es nicht schleunigst eine Organisation erhält; mit dem Worte des Kaisers: „Die Handwerker wollen mehr Dampf", wurden Minislerstürzereien versucht. Nun arbeitet die Maschine mi F-uiH-tsn. Erste Internationale Kunstausstellung M Dresden. n. ES ist nicht so leicht zu entscheiden, wem man bei dem Antritt einer sorgfältig prüfenden Wanderung durch die Säle der Internationalen Kunstausstellung den ersten Besuch abstatten soll. Zur Lmken locken die Ausländer, zur Rechten die Deutschen. Verfahren wir einmal vom nationalen Stand punkte auS und wenden wir uns den deutschen Malern zu! Gleich der erste große Saal beherbergt ausschließlich Werke der Münchener Kunst, desgleichen das erste der Seiten- cabinettr, das Architekt Gräbner durch mit weißem Stoff be spannte Wände und in einem Hellen Gelb gehaltenes Holz werk zu einem reizvollen intimen Raum gestaltet Hal. In diesem Cabinet sind besonders auserlesene Werke ver einigt. Geradezu beherrschend präsentiren sich hier zur Neckte« vier Portraits Franz von Lenba cd' S, Werke aus seiner besten Zeit, voll kraftvoller Plastik der Formen und von warmem, sattem Tone. Die vier Bilder verrathen nichts von unruhigem Suchen und Experimentiren, sie scheinen daS Werk eines raschen BlickcS und eine- ihm unmittelbar folgenden raschen Entwurfes. Erst der nähere Blick lehrt die unendliche Sorgfalt der Detailausführung, namentlich in den Zügen der Gesichter, die durch den Gegensatz zu dem Schwarz der Gewandung eine eigenthümliche Leuchtkraft gewinnen. Dabei ist bei allen Portrailirten ein charakteristischer Zug herausgegriffen und idealisirt worden. Am bemerklichsten wird dies in dem Portrait Paul Heyse's, dessen Augen in poetischer Be geisterung schwärmerisch und weltfern nach oben schauen, und in dem Portrait deS bekannten KunstmäcenS vr. Scku- bart; die phantastische Gewandung beider Gestalten gemahnt daran, daß eS dem Maler auf eine strenge Wahrung deö Eindrücke- der Wirklichkeit weniger ankam, als darauf, da«, waS ihn individuell am meisten interessirte, herauSznheben und in seinem Eindruck noch durch äußere Formen zu steigern. Zu ähnlichen Beobachtungen, wenn auch nicht in dem Maße, veranlassen die Portrait« der Herzogin Clementine von Coburj und der Frau von Fabrice. Den eigenthümlicken Charakter der Leubach'fchen PorlraitirungSweise, di« an dem Muster eines VelaSquez sich gebildet hat, beleuchtet ein Vergleich mit zwei Portrait- von Carl Marr und einem von Otto Hierl- Deronco. Ersterer bat da« Portrait eines alten und eines jungen Herren, letzterer daS eines Osficiers ausgestellt. DaS durch Leben-Wahrheit und Natürlichkeit am meisten frappirende Bild ist da« Hierl-Deronco'S, in dem von dem Absichtlichen deS ConterfeiS, von der Qual des sitzenden Modelle-, auch kein Zug zu spüren ist. Doch auch die Bilder C- Marr'S fesseln durch den sprechenden Gesichts ausdruck. Allen drei Bildern gemeinsam ist das Bemühen, daS Ganze der Erscheinung in seiner Vielseitigkeit der charakteristischen Züge festzuhalten. In den Bahnen Lenback'S wandelt Leo Samberger, vor Allem in seinem Portrait des Malers Franz Stuck, dessen Kopf zu dem breiten Oberkörper in einem ungünstigen Verhälkniß steht, weniger in seinem Portrait eines alten Mannes, offenbar eines Gelehrten. Bei Samberger hat man den Ein druck, er stehe in Gefahr, seinen Meister zu Obermeistern, d. b. seine Eigentbümlichkeiten in das Manierirte zu übersetzen. Auf gleicher Höbe mit Lenbach steht Fritz llugust Kaulbach in seinen Portraits einer jungen Dame Kniestück) in eleganter Haltung, mit sinnendem Ausdruck, und seines Vater«, der, in Betrachtung versunken, fitzend dargestellt ist. Der fein durchgearbeitete Kopf, umrahmt von dem wallenden grauen Barte, gewährt den Eindruck einer geistig hervorragenden Persönlichkeit. Drei kleine Por- traitS des Prinzregenten Luitpold und Pettenkofer'S ergänzen da« Bild deS fein beobachtenden und charakterisirenden Künstler-, der auf die die Gesammterscheinung betonende Kunst Marr'S und Hierl-Deronco'S vorbildlich gewirkt haben mag. Um gleich bei den Mustern der Bildnißmalerei der Münckener zu bleiben, sei noch in der Kürze einer prae- raffaelistisch stilisirten Portraitstudie Theodor Hummel'S gedacht, einer Mädchenfigur auf mattgoldenem Hintergründe, deS SelbstportraitS von Max Slevogt und einer Studie (junge Dame) von demselben, sowie eines Selbstportraits des MalerS Blos. Ein höchst interessantes Bilvniß eines jungen Mannes, ganze steheude Figur, bat noch Fritz Burger ausgestellt. Das in Pari- gemalte Bild fesselt durch die frappante Wieder gabe der nachlässigen Haltung und durch das träumerisch wachende Auge, dem eine gewisse suggestive Wirkung auf den Beschauer nicht abznsprrcken ist. Ein reizender Mädchenkopf Alois Erdtelt'S, ein üppiges Bild einer rolbbaarigen Ruben-schönheit im verlorenen Profil von Raffael Schuster-Woldau von großem decorativen Reize, ein in Halbdunkel gemaltes Bild einer älteren Dame von Carl Freibach, endlich Bildnisse von Fidler vonIsar- b oon und Herrn. Hartwich verrathen ausnahmslos »in tüchtige« Können. Neben dem Portrait, das nach der hier vorhandenen Auswahl in München noch immer einen un erreichten Meister in Lenbach und F. A. Kaulbach findet, mit denen allerdings Marr und Hierl-Deronco nicht ohne Erfolg um die Palme ringen, steht die Landschaftsmalerei und da« Genrebild im Vordergründe der Münchener Kunst. Den Uebergana vom Bilvniß zur Genremalerei bezeichnen wohl die liebenswürdigen PortraitS, in denen Fran; von Defregger die Züge seine- SöhnckenS, in Tiroler Bauerncostüm, meisterhaft verewigt hat, und die drei Bild nisse Wilhelm Leibl'S, von denen der Studienkopf eine- Bauernmädchen« mit seiner frischen Wiedergabe deS gesund leuchtenden, durchschimmerudrn Teints, der rehbraunen, klaren, reinen und tiefen Augen, trotz des kleinen Formate«, zu den eindrücklichsten Werken der Ausstellung zählt. Durch di« Wiedergabe des traulichen Raumes rückt Leibl'S feines Bild eines Bauernmädchens am Herde geradezu in fdaS Genre mäßige. Ob diesem Bilde oder dem im Motiv eng ver wandten Edmund Harburger'S, Abendgebet, das ein junges Mädchen verrichtet, bevor eS sein Nachtmahl einnimmt, der Vorzug zu geben sei, darf Jedem überlassen bleiben. In der Sauberkeit der Ausführung, in der Abstimmung der Farbenwerlhe, in der Intimität der Gcsammlwirkung stehen beide auf gleicher Höhe. Aehnlicke Cabinetstücke der Klein-- malerei bilden Löwith's von Meissonier sichtlich beeinflußtes Bild mehrerer alter Herren aus der Barockzeit, die sich die Freuden der Tafel mit einem Toast würzen, Carl Seiler's von der Pröll Heuer-Stiftung für die königl. Gemäldegalerie angekauftes Bild: Im Wald von Parchwitz, das Friedrich den Großen umgeben von seinen Generalen und Soldaten an einem wärmenden Feuer zeigt, Orrin Peck's Waisen mädchen in der Kirche, und des Grasen Rex Interieur, ein Bauer, in der sauberen Stube sein Pfeifchen schmauchend. Besondere Anziehungskraft übt daS ebenfalls für die könig liche Galerie angekaufte, groß angelegte Bild Adolf Ech t l er's: Der Ruin einer Familie, ein lebendiges und dramatisch bewegtes, fast mit der Feinheit eines Vautier ausgeführtes Werk: Spielende Bauern, die Frau, verzweifelt auf den Knien vor dem Manne, der ibr Hab und Gut verschleudert. Zur TbÜr kommen die Kinder der Spieler herein; mehrere Gruppen schauen dem aufregenden Schauspiel mit der verschiedenartigsten Theilnahme zu. Gewinnt die Galerie auch mit diesem Werk ein mehr unterhaltendes als künstlerisch neuartiges Werk, so bat sie mit dem Ankauf des Bildes „Junge Liebe" von Fritz Strobentz einen glücklichen Griff gethan. Nicht nur der Reiz der Unberührtheit, der von diesem Bauernburschen und dem jungen Mädchen in ihrer eigenartigen Trackt auSgebt, auch die malerische Behandlung deS Ganzen beben das Werk über das Maß deS Guten hinaus. Die Fülle der Bilder verbietet hier ein näheres Ein gehen, und so müssen wir un« begnügen, auf die ungemein sein beobachtete Studie von Richard Winterwitz, eine Dame im Lickte einer schirmbedeckten Lampe, auf Ernst Zimmermann's nach bartem Ritt sich an Knödeln er labende Landsknechte, auf die appetitliche Fischverkäuferin von GeorgPappritz, auf Walther Firle'S Bilder, von anderen zu schweigen, aufmerksam zu macken. Nicht in so hervorragender Weise wie das Genrebild ist die Landschaft auS München ver treten; eS scheint, als sei daS Hauptfeld dieser Kunst nicht mehr im Süden, sondern in Mittel- und Norddeutschland, wo man neue, bisher unbemerkte Reize entdeckt Hal. Neben CbarleS Palniiv'S stimmungsvoller, aber etwas spröder Abenddämmerung (an der Isar), Fritz Baer'S Herbstabend im Mühlthal, Richard Kaiser'« Abend, L. Ed. Herzog'« Feldweg im Herbst und Gilbert von Canal'S an Andrea- Ackenbach'sTraditionen gemahnender Westfälischen Müble,denen allen außer einer düsteren Stimmung eine Schwere des ColoritS eignet, fesseln Alfred Zoff'S Riviera, eine meisterhafte Wiedergabe ve« wildbewcgten, an Klippen und Felsen in Hellem Gischt aufschäumenvra Meere«, Georg Schuster« Woldau'S Tannenwald, Keller-Reutlingen'S Abend dämmerung (Motiv aus Dachan). Eine phantastische Land schaft von lebhaftestem Reiz der Farben von Richard Riemer schmied, die das Bibelwort: „Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden" zu versinnlichen sucht, wird künftig eine Zierde der königlichen Galerie bilden. Die Farben, das Roth einzelner Bäume, das dunkele Blau des Meeres, die üppige Pracht der Landschaft werden durch einen leuchtenden Kreis leider nicht gehoben. Die leicht getönten Basreliefs Adam und Eva's an den beiden Seiten des Rahmens legen den persönlichen Schwerpunkt deS Bildes außerhalb der Malerei. Ein ganz prächtiges Tbierbild von außerordentlicher Naturtreue ist Hubert von Heyden's Habnenkauipf, dessen Zuschauer allerhand ängstlich zusammen gedrängtes Geflügel bildet, ein Werk, das sicher weniger Widerspruch finden wird, als desselben Malers von H. Bahr so geschickt vertheidigte künstlerische Verherrlichung großer Dickhäuter. Hier müssen endlich noch Heinrich Ziege l's durch den Pastosen Vortrag plastisch hervortretende Thier studien (Rinder und Kilbe) rühmend genannt werden, die zugleich durch die freie Wirkung des Lichtes lebhaft inter- essiren. Daß in den Münchener Sälen die Namen Uhde, Stuck, Albert Keller nicht feblen, versteht sich von selbst. Von Fritz von Uhde'S vier Bildern ist vor Allem die Predigt Christi am See zu nennen, ein groß angelegtes Bild, das Dank der sympathisch - milden und gesunden Darstellung des Menschen, der im Kahne sitzend predigt, Dank der lebendigen Gruppirung der von dem Hintergrund des weit leuchtenden See sich frei loSlösenden Zuhörer, zumeist Burschen und Mädchen in der ländlichen Tracht unserer Zeit, und Dank der Frische und Unmittelbarkeit der Auffassung auch Die leicht gewinnen muß, die nicht mit dem Meister durch Dick und Dünn gehen. Franz Stuck hat ein großes symbolisches Bild ausgestellt, das böse Gewissen. Verfolgt von den Erynieu, halb entblößten Weibern in kühner Bewegung, mit blutunter laufenen Augen, kraftvoll-sebnigen Gliedern, deren Umarmung schlimmer sein muß als der Tod, eilt rin Verbrecher in athem- loser Hast dabin. Die Schrecken des Gewissens sind hier mit großer Kraft versinnlicht worden und zwar aus der Fülle einer kühnen, vor Nichts zurückschreckenden Phantasie, deren Flug zu folgen freilich nicht Jedermanns Sache ist. Wendet man sich von diesem Bilde zur Linken, so zeigt Albert Kelle r'S nicht effectloS gemalte Allegorie; DaS Glück, ein lichtumflossenes Mädchen, das einem Paare vor dem Fenster erscheint, doch ein auffälliges Manco an elemen tarer, zwingender Stimmung. Diese Rundschau in den den Münchenern angewiesenen Räumen giebt schon ein kleines Bild von der außerordent lichen Reichhaltigkeit der Ausstellung. Wir werden unsere Wanderung demnächst sortsetzen und hoffen dann unsere Leser mit den Werken der Berliner und Wiener Malerei, so wie der von Karlsruhe, Weimar und der Schweiz bekannt machen zu können.
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