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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.05.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970517012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897051701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897051701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-17
- Monat1897-05
- Jahr1897
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ISS6- 58.25 138,— >59.— 53,98 SO,SO 58,58 99.85 8,67^ 19,62» 47,83 9.52», 8,67^ 1,2/ l 13,25 !5I,— »clior». « Llel- 86». 82-, 22 96^ 27», > 8-» 2-^ > — 99 >i, 55^ 1".o 28>,. SS3 418 465 35Lkx. Bezug-PreiS d« Haupt expeditton oder den im Stabt» bezirk und den Bororten errichteten AuS» gabeskellen ab geholt: vierteljährlich 4,üO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbaudsenduug in» Ausland: monatlich 7.50. Di» Morgen-AuSgabt erscheint um V«? Uhr. di» Abend-AuSgabe Wochentags um b Uhr. Nedactio« und Expedition: JohauueSgasse 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrvchett' geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. - —-o—c---— Filialen? vtt» Ule«»'» Lortim. (Alfred Hahn). UniversitätSstraße 3 (Paulinum), L-uis Lösche, Datharinenstr. 14, Part, »ad König-Platz 7) Morgen-Ausgabe. MpWcr T Ml>M Anzeiger. Äitttskkatt -es Kömglichen Land- und Mttsgerichles Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämles -er Lta-1 Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzelle 20 Pfg, Reklamen unter dem Redactionsstrich (4go- spalten) 50/>Z, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40-^. Größere Schriften laut unserem Preis» Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. —»oxcx— 0t,tra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbesördrrung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr.'' Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedtttan - zu richten. ' , q—e> , tj. Druck und Verlag von E. P olz ln Üeipzig. 248. Montag den 17. Mai 1897. A. Jahrgang. lvo.io 08,75 10425 100,70 «1,40 57,60 34 25 52,16 86.25 83.25 137,60 115,18 84,50 127.60 95,75 86,S0 2'l. 151.50 103.50 160,— 127,80 >, 73.10 470,— 60.10 112,25 498,— 125,50 249,58 232.75 225 30 235,75 370.— 71,50 135.50 259,25 255,40 117,— 127,60 187,80 205.50 194,— 168,— 169,45 216,10 213,80 218,25 93,40 185.25 158.25 99,50 161 25 171,50 183,— 182.90 107.90 121,25 51,90 Vsiren 1,20, Llsi ciüc 8. 8. ää.wpksr vrswso, l-«ip»>x, - Vincent i" (14 S) io l/5, 7 VUr io 6ouise^ ianä (3 6); o: ,,8«bs- » kiet«: l Odin»' /7); necU 8/0! v»cU »II: jslien »odikk- eitderixeio «idt «t«e» lt äsr Ver- tsroox ist <ti« voll« »dsr etvii» >x«dot «n- l <ioct» 6i« iVovd« xut L lodoeod nlcdt il«o > ist io <l«r i« krsclNso >kr xeveixt aber 4>« 8olli«rtllc'-i 0 oscli 6 oaeU >s Vetscden i<i«kseckten xesedloz-en »V.IIvltr- < StUcllxnt- > «o»i Nir ^rl 41 di» od«oit. 0>« d«d»ovtso; oacd vsro Mr 100 tx. :d Lcduteo it Lllck Mr »tt »rsoixer dt w«dr »o ^esovilrlix 100 kx k-> '. Oe» Ver- d to Istrter »oxot o»cd llt»pr«cd»oa 11« vorsrit v»»«ntUoI>« lallt« io4«»» lol^»or >i«» Amtlicher Theil. Versteigerung von Bauplätzen. Die der Stadtgemeinde Leipzig gehörigen, zwischen dem Rabet und der Schulstraße in Leipzig-Neuschönefeld gelegenen zwei Bau plätze drS ParzellirungSplanes Nr. 8458 N. L. /r. als Nr. I. von 319,0 qm, » II. - 350,8 - Flächengehalt sollen Dienstag, den 18. Mai dS. IS., Vormittags ll Uhr tm alten Polizeiamtsgebäude, Reichsstraße Nr. 3, 1. Obergeschoß, einzeln nacheinander in obiger Reihenfolge zum Verkaufe versteigert werden. Dieser Versteigerungstermin wird pünktlich zur angegebenen Stunde eröffnet und die Versteigerung bezüglich eines jeden der einzeln nach einander in obiger Reihenfolge auSgebotcnen Bauplätze geschlossen werden, wenn darauf nach dreimaligem Ausrufe kein weiteres Gebot mehr erfolgt. Die Versteigeruugsbedingungen mit Parzellirungsplan liegen auf dem Rathhause, 1. Obergeschoß, zur Einsichtnahme aus. Ab schriften davon werden in der Sportelcasse l., Georgenhalle, Brühl Nr. 80, gegen Erlegung von I abgegeben. Leipzig, den 30. April 1897. Der Rath der Stadt Leipzig. Io. 1353. vr. Georgi. Krumbiegel. Versteigerung. Am Mittwoch, den IS., und Freitag, den 21. d. M., je von 10 bis gegen 1 Uhr, Beginn der Versteigerungen des zur ConeurSmafse Barthel gehörenden Möbellagers hierjelbst, Peters- straße 44, H., und zwar: BnsfetS, Schränke, Tische, Stühle, Spiegel, Pliisch- und Seidcn-tzilarniturcn, Bettstellen mit Matratze», sowie Portieren, Teppiche, Möbelstoffe, Tecorations- gegenstände, 1 große Partie Nippcsjachen n. A. m. Die späteren Versteigerungen finden bis auf Weiteres am Dienstag und Freitag jeder Woche, je von IS bis gegen 1 Uhr statt. Die erstandenen Gegenstände müssen am gleichen Bersteigerungs- wge bis Nachmittag 5 Uhr abgeholl werden. Vor jedem einzelnen Versteigerungstage werden die zur Ver steigerung gelangenden Gegenstände noch besonders bekannt gegeben Werden und können dieselben alsdann jedesmalTags vorher, das erste Mal also am Dienstag, den 18. d. M., und zwar Nachmittags von 3—5 Uhr besichtigt werden. Nutzer dieser Zeit können Besich- tigungen unter keinen Umständen stattfinden. Am Mittwoch, den IS., gelangen zur Versteigerung: Slciderschräuke, Stühle, Bettstellen, Buffets, diverse Salonmöbel und NippcSsachen. riuutseliolck, Localrichter. Der Schnaps auf -em Lande. Ein sociales Bild aus sächsischen Dörfern. Von Johannes Corvey. Im deutschen Märchen zieht bekanntlich ein wagemuthiger Bursch in die Welt hinaus, um das „Gruseln" zu lernen. Der junge Recke hat nach der alten Volkssage große Mühe, sein Ziel zu erreichen. An seiner felsenfesten Unerschrockenheit geht selbst der tolle Spuk verfallener Ritterschlösser ohne Eindruck vorüber. Er hat die schlimmsten Schrecken der mittelalterlichen Märchenpoesie zu durchkosten, aber zum „Gruseln" bringen sie ihn nicht. Heute läßt sich das „Gruseln" einfacher erlernen. Unsere socialen Verhältnisse bergen so tiefe und Entsetzen erregende Abgründe, daß man nur in einen derselben hinabzusteigen braucht, um schaudernd in eine Welt zu blicken, gegen welche die Schrecknisse des deutschen Märchens ein kindliches Spiel bleiben. Wer heute das Lebe» eines gewohnheitsmäßigen starken Schnaps- äusers in allen seinen intimen Beziehungen ohne Schmerz und Empörung kennen lernen kann, der hat ein eisernes Herz. Nur wenige menschliche Dinge sind betrübender als der Anblick eines zum Thier herabgesunkenen trunksüchtigen Mannes. Wer sich über das selbstverschuldete Elend eines olchen MensckendaseinS unterrichten will, der braucht nicht o weit wie jener Bursch zu wandern. Der Alkoboliniß- >rauch ist zu einem derartig verbreiteten Laster der Cultur- völker geworden, daß man seine Folgeerscheinungen, wenigstens in Deutschland, nicht nur in den Schnapspennen und Destillen der Großstädte, sondern meistens auch in jedem weltabgelegenen Dorf findet. Die sächsische Bevölkerung steht keineswegs in dem Ruse, der Schnaps- und Biervöllerei ergeben zu sein. Es wird das auch ausdrücklich in einem längeren den Alkohol in sächsischen Landschänken behandelnden Aufsatz betont, der sich im neuesten Vierteljahröheft des vom „Ceutralverein für das Wohl der arbeitenden Elasten" hcrauSgegebeuen „Arbeiterfreund" befindet. Namentlich aus den ländlichen Bezirken Sachsens ist durch eine vom Geh. Regierungsrath Prof. Bö Hinert 1891 ver anstaltete und von Herrn von Grasowsky bearbeitete Er hebung über „den Trunk auf dem Lande" festgestellt, daß der Kern der bäuerlichen Bevölkerung im Allgemeinen nüchtern lebt und zu Trinkausschreitungen wenig geneigt ist. Es konnte dort die auch in gesetzgeberischer Hinsicht wichtige Thatsache mitgetheilt werden, daß in den letzten Jahren der Schnapstrunk durch leichtes wohlfeiles Bier in manchen Be zirken erheblich zurückgedrängt wurde. So erfreuend die Ergebnisse jener Untersuchung in ihrer Gesammtheit sind, so lassen doch auch sie keinen Zweifel darüber, daß es noch immer in sächsischen Dörfern genug durch den Brannt wein verursachtes Elend giebt. Er wirkt auch in dem entlegenen Walddorfe zerstörend. Erst klopft das Laster seinem Opfer freundlich auf die Schulter: „Warum soll nicht auch der arme Dörfler einmal das gewohnte und ortsübliche Maß überschreiten? Es geschieht ja nicht immer und man wird deshalb nicht gleich ein Trinker und Lüdrian." Wie in der Stadt, so faßt auch auf dem Lande der Branntwein seinen Mann mit derartigen GewistenSbeschwichtigungen leise bei der Hand und zerrt ihn stufenweise aber sicher in jenen Sumpf wirthschaftlicher, moralischer und körperlicher Verkommenheit hinab, auS dem der Weg selten wieder aufwärts, sondern meistens in das Irrenhaus, zum Gefängniß oder auf den Friedhof, hin an jene einsame Mauer führt, wo die Selbst mörder begraben werden. Wir haben Trinker und Trinksitten in einigen sächsischen Walddörfern in der Nähe von Königsbrück, einige Stunden von Dresden entfernt, genau beobachtet. Schon aus der Böbmert'schen Untersuchung geht hervor, daß in jener Gegend mehr SchnapS als in manchen anderen sächsischen Bezirken getrunken wird. Thatsächlich herrscht in den meisten Dorf schänken dort das „Pullchen". Es ist dieses eine kleine Schnapsflasche, die auf */« Liter aeaicht ist. Sie wird gewohnheitsmäßig von den meisten Bauern zu einem Glase „Einfachbier" geleert. Das ist nach der dort herrschenden allgemeinen Anschauung nicht anstößig. Viele trinken über haupt gewohnheitsmäßig kein Bier, sondern, sowohl zu Hause wie bei der Arbeit und in der Schänke, nur SchnapS. Sie gelten deshalb nicht als „Trinker". Auch dort ist nach der Volksanschauung nur der ein „Trinker", der sich regel mäßig oder sehr häufig betrinkt. Wer nur hin und wieder einen SchnapSrausch hat, bleibt in Ehre und Achtung, wenn er nur Familie und Beruf nicht der Art vernachlässigt, daß bei den auch in dieser Beziehung keineswegs besonders feinfühligen Dorfinsaffen Aergerniß erregt wird. Im „Stoff" ist man wenig wählerisch. Er besteht aus dem gemeinsten, aus Kartoffelspiritus zubereiteten Erzeugniß der Branntweinbrennerei. Vielfach suchen die Schänkwirthe der dortigen Gegend einen Vorthei! darin, sich den verkaufs fertigen SchnapS selbst herzustellen. Das Verfahren ist sehr einfach. Sie kaufen Spiritus und verdünnen denselben mit Wasser. Gewöhnlich werden auf ein Theil Spiritus zwei Theile Wasser genommen, so daß z. B. aus 100 Liter Spiritus 300 Liter Branntwein bereitet werden. Wie groß der Schnapsverbranch ist, läßt sich zahlenmäßig schwer er mitteln, da die Wirtbe mit der Sprache nicht heranSgehen. Doch konnten wir feststellen, daß in einem größeren Gasthofe, der inmitten von vier zusammenhängenden Dörfern liegt, vor einigen Jahren monatlich etwa 200 Liter Spiritus zur Umwand lung in Branntwein gekauft wurden. Es sind also etwa 600 Liter des letzteren in jenem Gasthof monatlich verschänkt. Da es sich hier um den gewöhnlichen „klaren" Fusel handelt, so !;at man noch den Äusschauk von „besseren Schnäpsen", also von „Bittern", „Kirsch", „Kümmel", „Anis", „Ingwer", „Rum" und „Cognac" dem Branntweinverbrauch hinzu- znreckmen. Der Consum ist gleichfalls nicht klein, da viele dörfliche „Feinschmecker", um den „Weißen" mundgerechter zu machen, sich „Bittern", „Rum" oder „Kirsch" hinzusetzen lassen. An diesen „besseren Schnäpsen", die meistens in kleinen Gläschen verkauf! werden, verdient, nach einer uns gegebenen sachverständigen Auskunft, der Wirth 100—150 Prvcent und mehr. Ost setzt der Letztere auch diesem Branntwein Wasser hinzu, um den Vortheil noch zu erhöhen. Jene vier zu sammenhängenden Dörfer zählen gegenwärtig etwa 2400 Ein wohner. Es bestehen dort acht Kneipen, zwei concessionirte Schapsverkäufe, außerdem fünf Flaschenbierhandlungen, die zum Theil einen großen Umsatz haben. Von den 2400 Ein wohnern kann man den vierten Theil zu den erwachsenen Männern rechnen, so daß etwa auf 40 Männer eine Ver kaufsstelle von Alkohol kommt. Einzelne dieser Wirthc machen ein glänzendes Geschäft und haben namentlich dem Schnaps verkauf ihre Wohlhabenheit zu danken. Die Säufer unterscheiden sich auch in den von uns unter suchten Dörfern in ihren wirthschaftlichen und sittlichen Ver hältnissen je nach dem Grade, wie bei ihnen das Laster ent wickelt ist. Betrachten wir zunächst die Lebenshaltung und Moral jener Verlorenen, welche als beständige und starke Trinker bezeichnet werden müssen. Bei ihnen tritt die Be gierde, Schnaps zu trinken, fast regelmäßig hinter jeder anderen Lebensthäligkeit zurück. Sie zeigen meistens das abschreckende Bild des tiefgesunkencn Alkoholikers. Daß Gefühl für das Sittliche und Schickliche ist völlig abgestumpft, Ehrgefühl ist selten vorhanden, der Charakter durch die elende SchnapSleidenschaft derart geschwächt und unterjocht, daß dem Trinker auch durch die eindringlichsten Vorhaltungen nicht beizukommen ist. Sein Seelenleben ist zu stumpf und verkommen, um einen Hebel gegen das Laster zu bieten. Diese Trinker arbeiten auch auf dem Lande nicht regelmäßig. Wenn sie kein Geld zum Trinken haben und die Schnapsgier sie Peitscht, so übernehmen sie Gelegenheitsarbeiten, leisten aber wenig und werden schlecht bezahlt. Oft haben sie in besseren Verhältnissen gelebt und sowohl ihren Besitz wie den der Frau in Bier und Branntwein vergeudet. Auf dem Lande läßt sich bei der dort vorhandenen Durch sichtigkeit der Verhältnisse besser als in derGroßstadt beobachten, wie beklagenswerth sich daS Schicksal einer Säuferfamilie ge staltet, sobald der ehr- und pflichtvergessene Vater Familiengut und Charakter dem Schnapswirth zum Opfer gebracht hat. Mit dem erträglichen Familienleben ist es dann meistens zu Ende. Sämmtliche Familienlasten hat die Frau zu tragen; es ist ihre Sache, siür Kindererziehung, Ernährung und Steuern zu sorgen. Selbst den verkommenen Mann hat das Weib mit durchzufüttern und sich schlechteste Behandlung von ihm gefallen zu lassen. Von ehelicher Zuneigung ist natürlich keine Spur vorhanden. Die Frau, in unablässiger Sorge und Arbeit hart geworden, betrachtet den Mann als eine ekle Last, die sie am liebsten mit einem derben Fußtritt aus dem Hause stoßen möchte. Stirbt der Mann, so athmet die geplagte Frau auf; doch will sie sich bei dem Begräbniß „nichts nachsagen lassen", so daß der erbärmlichste Säufer, wenn nur irgendwie die Mittel noch aufzutreiben sind, oft noch mit einem gewissen Gepränge bestattet wird. Wie viel ein derartiger Trunksüchtiger täglich zu sich nimmt, wenn er die Mittel hat, ist erschreckend. Meistens kennt er kein Maß, er hört erst auf, wenn er an der Erde liegt. In den von unS untersuchten Dörfern giebt eS Ein zelne, die dann 4—5 l jenes gemeinen Fusels getrunken haben. Etwa 3—4 I täglich sind bei diesen Säufern nicht ungewöhnlich. Zwei als starke Säufer bekannte Handwerks gesellen tranken an einem Tage zusammen 16 Bierflaschen Schnaps, jede einen halben Liter haltend. Auf dem kürzlich in Genf abgebaltenen Congreß für Criininalanthropologie hat der französische Oberarzt Legrain die Ergebnisse seiner sehr umfangreichen For schungen über die „socialen Conseauenzen der alkoholischen Nachkommenschaft in Bezug auf Moral, Entartung und Verbrechen" mitgetheilt. Wie schon Andere vor ihm, so gelangte auch der genannte Gelehrte zu folgendem Urtheil: Kinder alkoholischer Eltern zeichnen sich durch eine geistige Inferiorität gegenüber gleichaltrigen normalen Kindern ans. Mit einer geschwächten Constitutions kraft kommen sie aus die Welt, sind allen möglichen Krank heiten unterworfen und ihre Wachsthumsenergie wird von nagendem Siechthum langsam aufgezehrt. Aber auch die psychische Resistenz, der Wille, ist gebrochen, die geistige Widerstandskraft, die den Menschen adelt, unterliegt dem befehlenden Einfluß hundertfältiger Zufälle. Langsam, durch die Unendlichkeit großer Zeitspannen hindurch, schreitet ge wöhnlich die Degeneration, aber raschen Tempos reitet der Unheilsbote des Alkoholismus und reicht oft schon in der vierten Generation dem Tod die Hand. — Die auch nach dieser Untersuchung physiologisch feststehende Thatsache, daß die Trinksllnden der Vater sich an den Kindern rächen, kommt in den von unS beobachteten Säufer familien gleichfalls zur Erscheinung. In der einen Familie sind von drei Söhnen zwei halbe Idioten, der dritte ist zum Verbrecher geneigt. Ein anderer Trinker hat fünf Kinder. Der älteste Sohn ist zu einer Zeit geboren, in der das Schnapslaster den Vater noch nicht unterjocht hatte, ist gesund und geistig wie körperlich kräftig, kümmert sich aber um die völlig verschnapste Familie kaum noch. Zwei Töchter sind vollständig verkrüppelt, von zwerghaftem Wuchs, auf gedunsen, die eine sehr schwerhörig, der zweitälteste Sohn ist schwächlich, etwas verkrüppelt und, obgleich er kaum 25 Jahre zählt, bereits seit Jabren ein starker Trinker. Der jüngste Sohn trinkt gelegentlich, ist wie seine Schwestern verkrüppelt und arbeitsunlustig. Die ganze Familie wohnt im Armenhause. Nahe Verwandte der moralisch am tiefsten stehenden Trunksüchtigen der hier geschilderten Art sind die „Perioden säufer". Auch sie sind bereits derart charakterschwach, daß sie vergeblich gegen das Laster ankämpfen, dessen verhängniß- volle Wirkung auf Gesundheit, Wohlstand und Familienglück sie in Augenblicken ruhiger innerer Einkehr sehr wohl erkennen. Sie sind noch auf bessere Wege zu bringen, wenn ihnen hierzu eine kräftige, hilfreiche Hand geboten wird. Zu diesen „Periodensäufern" gehören viele ländliche Arbeiter der von uns bezeichneten Gegend. Am Abend deS Lohntages pflegen sich diese Leute einen tüchtigen Rausch an zutrinken, einzelne saufen auch einige Tage durch, I ohne dabei zu arbeiten. Eine dritte Gruppe bilden jene I Säufer, die allerdings regelmäßig an jedem Tage I „ihren" halben bis ganzen Liter Schnaps trinken, aber dabei I arbeiten, sich um die Familie kümmern, die Pflichten gegen Feuilleton. In -er Sommerfrische. Humoreske. 8. Einst hat mir mein Leibarzt geboten: stirb, oder ent sage der Stadt — wenigstens auf vier Wochen, damit Deine Nerven wieder zu sich selbst kommen und Du wieder ein ordentlicher und erträglicher Mensch wirst. — Und eS war Zeit! Kein Mensch konnte eS mehr mit mir aushalten. Nicht nur machte ich aus jeder Mücke einen Elephanten und band mit jeder Fliege an der Wand an; ich ärgerte mich auch darüber, wenn eS nichts zu ärgern gab, waS ich häufig den ersten Besten entgelten ließ. Schließlich ging man mir auS dem Wege wie einem bissigen oder gar tollen Hund, und so mußte oft irgend ein unschuldiger Gegenstand her halten. Ich zerriß ein Buch, zerschmetterte meine Kaffee tasse, lieferte den Möbeln eine Schlacht, köpfte Disteln u. s. w. Mein Leibarzt batte mir streng auempfohlen, meinen Aufenthalt in landlicker Einsamkeit zu nehmen. Ich hatte aber den ländlichen Aufenthalt mit seinem „billigen Leben", seinem zähen Fleisch, seinem miserabeln Kaffee rc. schon hin länglich kennen gelernt, und so folgte ich denn meinem eigenen Kopfe und lenkte meinen Fahrplan nach einem Städtchen, das aber nicht auf der Liste der Sommerfrischen stand, denn mit dem wichtigtbucnden hungerleidenden Sommer- frischlerthum, wie es nachgerade Mode geworden ist, wollte ich erst recht nichts zu thun haben. Viel Ruhe, mäßige, allmählich etwa» sich steigernde Bewegung, keine geistige Anstrengung, höchstens leichtverdau- liche Lecture und vor allen Dingen leichtverdauliche Kost — das war in Summa .die Diät, welche mein Leibarzt mir vorschrieb. Dabei natürlich die üblichen Verbote. Ich sollte kein Bier trinken, keine Cigarren rauchen. Wa» diese beiden Dinge betrifft, so hatte ich auch darüber mein« eigenen Gedanken. Ich bildete mir nämlich aus Erfahrung ein, daß ich nicht einschlafen könne, wenn ich Abend- nicht mein GlaS Bier zu mir nähme, und was da- Rauchen anbetrifft, nun, das „gehörte" zum Biere. Ich darf mir aber da« Zeugniß geben, daß ich mir in dieser Hinsicht strenge Vorschriften machte, denn ich nahm nur fünfzig leichte Mexikaner mit und ieß per Eilgut eine gleiche Anzahl Flaschen hell Bayerisch das Lakritzenbier überlaß ich Andern) nach der Station zu k, wo ich meinen Aufenthalt nehmen wollte, befördern. Ich will (zu meinem Lobe) auch gleich bemerken, daß ich hin- ichtlich dieser verbotenen Früchte mein Programm streng ein zehalten habe. Ich dampfte mit dem Frühzuge ab, kam Vormittags um elf ein halb Uhr an und stieg im „Gasthof" ab. So stand auf dem Schild. Da ein Wettbewerb in dieser Hinsicht im Städtchen nicht bestand, war der Eigenthümer auch Uber- joben gewesen, sich wegen eines Epitheton Ornans den Kopf zu zerbrechen. Meine erste Frage an den Wirth betraf die WohnungS- Angelegenheit. Ich frug, ob es im Ort ruhig gelegene Zimmer zu vermiethen gebe. Er zuckte die rechte Achsel, machte ein pfiffiges Gesicht und meinte, da bisher keine Nach frage danach gewesen sei, dürfte es auch wohl an Angebot fehlen. Warum ich nicht bei ihm bleiben wolle? Er thue es billig; bei ihm sei es auch ganz ruhig. — Ob eS Wagen geraffel gebe? frug ich weiter. Nein! Ob Ausrufer die Straße beherrschen? Gäbe eS nicht mehr, die seien längst abgeschafft. Wie eS mit der Straßenjugend stehe? Die wäre nicht zu hören. Ich brauchte gar keine Sorge wegen Lärm und Störungen zu haben, denn seine Frau sei nervös und könne dergleichen nicht vertragen. Ich spitzte die Ohren. Di« Frau Wirthin nervös — das schien mir allerdings eine annehmbare Garantie für einen ruhigen Aufenthalt zu bieten. Ich zögerte daher nicht mehr und griff zu. Wir einigten unS auf fünfzehn Mark die Woche für Zimmer und Bedienung und auf zwei Mark und fünfzig Pfennige pro Tag für die Beköstigung. Halt! rief ich — beinahe hätte ich etwas vergessen. Wird in der Nach barschaft musicirt? Noch nicht, lautete die Antwort, aber in einigen Tagen kommt Fräulein Someier (wohnt gegenüber) vom Besuch zurück; die spielt ausgezeichnet Clavier. Der gute Mann war ganz erstaun!, als er den Ausdruck der Enttäuschung in meinem Gesichte wahrnahm. Er hatte offenbar geglaubt, ich spitze mich auf so etwas. Ich erwiderte nicht» und tröstete mich mit dem Wort de-Weisen, daß man auch im glücklichsten Falle seinem Geschick nicht ganz ent rinnen könne. Der Wirth trollte sich darauf in die Küche, um seiner Ehehälfte Kenntniß von dem abgeschloffenen Vertrag zu geben. Was ich zu Mittag speisen wolle? frug er mich dann. Was gekocht ist, lautete meine Antwort. — Ich wollte seine Küche kennen lernen, wie man zu einer Cassen- revision kommt: unerwartet. Ich sah aber, daß er noch eiligst nach dem Fleischer schickte; er mochte daran denken, daß der erste Eindruck maßgebend sei. Inzwischen hatte der Hausknecht meinen Reisekoffer und meine Bierkiste vom Bahnhof geholt. Warum ich denn sein Bier nicht trinken wolle? frug der Wirth ganz verblüfft. Er zapfe nur vom Faß, jedes Glas im Keller. — Es sei medicinisches Bier, das der Doctor mir verschrieben, schützte ich vor. Freilich, ohne Nothlüge wäre es auch gegangen, denn ich zahlte dem Wirth sofort fünf Pfennige Pfropfengeld für die Flasche. Und das Probeessen? Von dem besten Besiandtheil hätte ich eigentlich nichts nehmen dürfen; eS war Wirsing mit Schweinsrippchen. Aber ich mußte mich dennoch dazu ent schließen, denn der Kalbsbraten, den der Wirth noch hatte vom Fleischer holen lassen, erwies sich aus zwei Gründen als ungenießbar, wenigstens für meinen Geschmack. Das Kalb war erst am selbigen Morgen geschlachtet worden, so daß daS Fleisch zwischen den Zahnen knirschte, und dann war es ein ganz junges Thier gewesen, so daß mich davor ekelte. Vor dem Essen lernte ich auch meine nervöse Wirthin kennen. Sie hatte es sich nicht versagen wollen, mir selbst daS Esten aufs Zimmer zu bringen. Ich war nicht wenig überrascht. Ich sah eine wohlgenährte, rotbwangige Frau vor mir, in deren sicherem Auftreten von Nervosität nach meinen Begriffen keine Spur zu entdecken war; eS mußte also eine eigene Art von Nervosität sein, an der diese Frau litt, und das wurde mir in der Folge auch immer klarer, obwohl ich nicht erfahren konnte, worin denn eigentlich ihre Nervosität bestand. Nach der Mittagsruhe unternahm ich einen RecognoS- cirungSauSflug, um die Gegend etwas kennen zu lernen. Um der ländlichen „Auskünfte" überhoben zu sein, hatte ich mir daS betreffende Blatt der Generalstabskarte verschafft. Daß es viel Nadelholz gab, wußte ich schon, denn daS war Vor bedingung gewesen bei der Auswahl des Orte«. DaS Ge ¬ lände war hügelig. Der höchste Punct der Umgebung er reichte etwa 600 m bei etwa 200 m Seehöhe deS OrteS und bot eine hübsche Rundsicht. Es mag nicht unbegründet bleiben, warum ich eine Gegend mit Nadelholz aufsuchte. In Laubwäldern ist die Luft nie rein. Der Boden ist stets feucht und birgt Verwesungsstoffe, welche die Atmosphäre mehr oder weniger stark mit Mias men rc. erfüllen. Nadelwälder haben dagegen einen trocknen Boden, dessen harzige Bestandtheile (herrührend von den herabfallenden Nadeln) die Bildung von Miasmen nicht zu lassen. Ueberdies wirkt der Duft des Nadelwaldes belebend und nervenstärkend. Aber dieser gesundheitliche (zu deutsch bygieinische) Vortheil ist nicht der einzige Grund, weshalb, ich dem Nadelwald den Vorzug gebe. Auch sein Wesen als Wald sagt mir mehr zu. DaS Rauschen in den Wipfeln ist ein ganz anderes — viel feierlicher — wie im Laubwald, wo eS sich mehr wie ein geschwätziges Rascheln anhört. Auch die Vogelwelt finde ich anziehender, namentlich daß von vergnügtem Gezirp begleitete geschäftige Treiben der Meisen. Ich hatte mich etwas verspätet. Im höchsten Theile des Waldes breitete sich ein schwellender MooSteppich von wundervoll grüner Färbung auS. Ich konnte nicht umhin, mich hinzustrecken, wobei ich meine erste verbotene Cigarre anzündete. Das hatte mich etwa eine Stunde über die programmmäßige Zeit aufgehalten. „Was ich zu Abend speisen wollte?" frug mich der Wirth. Meine Antwort: „Drei rohe Eier mit einer trockenen Semmel", hatte abermals ein verblüfftes Gesicht zur Folge. Rohe Eier zum Abendbrod! Das hatte der gute Mann Wohl noch nicht erlebt. Da konnte er auch nicht wissen, daß sie so am leichtesten verdaulich sind, wenn man sie mit der nöthigen Salzrugabe quirlt und dann die Semmel hineinbrockt. „Ab«r frisch müssen sie sein!" rief ich dem Wirth noch nach. — „Ich bekomme sie alle drei Tage frisch vom Bauer und bewahre sie im kühlen Keller auf, also . . . ." Ja, der kühle Keller! DaS hätte mir der gute Mann nicht zu sagen brauchen; daS schmeckte ich sofort. Damit wußte ich ganz genau, von welcher Beschaffenheit die Lust in diesem Keller war, und wie sehr ich mich beglückwünschen konnte, daß ich sein Bier, jedes GlaS vom Faß gezapft, nicht zu trinken brauchte.... (Schluß folgt.)
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