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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970520019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897052001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897052001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-20
- Monat1897-05
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Ämtsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 254. Donnerstag den 20. Mai 1897. Anzeigen-PreiZ die 6 gespaltene Petitzeile LV Pfg. Reclamen unter demRedactiouSstrich (4g*> spalten) 50^, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ztffernsatz »ach höherem Larjj. —<-o»»c>»— Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderuag 60.—, mit Postbeförderuag 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde srnher. , / Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. A. Jahrgang. - OrMgr Lritaiu? Schon seit Jahren macht sich in England und seinen Colonien eine Bewegung geltend, die auf engere Bereinigung des Mutterlandes mit seinen Colonien abzielt. Dies soll namentlich durch eine Zollunion erreicht werden, d. h. durch Errichtung gemeinsamer Zolltarife und völlige Zollfreibeit unter einander. Im Juni 1896 stand diese Frage auf der Tagesord nung des CougresseS der Handelskammern deS britischen Reiches. Den großbritffchen Gedanken verfochten Vertreter von Canada und Australien. Der Colonialminister Chamberlain setzte aus einander, daß der einzige Weg zu einer engeren Vereinigung nur der Zollverein sei, d. h. die Colonien ließen nur die Waaren des Mutterlandes zollfrei ein, belegten aber die andern Provenienzen mit Zöllen. England selbst könne niemals Zölle aus Nahrungsmittel und Rohstoffe einführen. Die Colonien wollen aber in England auch ein Monopol. Darum ist der Gedanke des Zollvereins ein sehr schwer durchführ barer. Nun kam vor einigen Tagen die sonderbare Bot schaft, in Canada wolle man einen Differenzial tarif einführen und den um r/s niedrigeren Satz sofort auf englische Waaren anwenden. Einige Zeitungen wußten sogar zu melden, daß diese gegen die Meist begünstigungsverträge mit Deutschland und Belgien ver stoßende Differenzirung bereits seit etwa 22. April in Kraft sei. DaS wird nun zwar in Abrede gestellt, aber die Tbatsache bleibt bestehen, daß im kanadischen Parlament der Finanz minister Fielding den Gesetzentwurf eingebracht hat, wonach bis zum 30. Juni 1898 ?/« des jetzigen Tarifs, von da desselben auf die Waaren solcher Länder angewandt werden sollten, welche bereit seien, „gute und vernünftige Handels beziehungen mit Canada einzugehen"; England aber sollte allein sofort die Zollermäßigungen um >/s genießen, andere Länder erst dann, wenn deren Tarife die kanadischen Produkte im Ganzen zu denselben Sätzen verzollen, wie Canada das thut". Wie man sieht, soll die Gegen seitigkeitsclausel die bis herige Meistbegünstigung ablösen, die aber natürlich dadurch verletzt wird. Denn in den Beiträgen Deutschlands von 1865 (Art. 7) und Belgiens mit England von 1862 (Art. 15) ist ausdrücklich erklärt: „Die deutschen und belgischen Waaren sollen in den britischen Colonien nicht anders verzollt werden wie die britischen Waaren selbst." Dieser rechtswidrige Antrag stieß im kanadischen Parlament selbst auf Widerspruch. Air Charles Tupper, der frühere Premierminister, trat scharf gegen diese Unrechtmäßigkeit auf. Auch der angesehene englische „Economist" erklärie dies Vor haben als unvereinbar mit den bestehenden Verträgen. Eng lands Ausfuhr nach Deutschland sei viel wichtiger als die nach Canada; England könne sich also nicht deswegen in einen Zollkrieg stürzen. Fielding hatte in seiner Einführungsrede hinzugefügt, daß sich Canada natürlich dem Urtheil der eng lischen Regierung unterwerfen werde. Was ist nun der Sinn dieses Vorgangs? Man sollte, schreibt der „Schwäb. Mercur", dem wir hier folgen, doch Wohl annehmen können, daß Canadas Regierung sich vorher mit der englischen verständigt habe. Denn auf eigene Faust so zu handeln, das wäre denn doch zu abgeschmackt. Der englischen Tory-Partei ist bekanntlich die Zgllfreiheit des Ge treides rc. von jeher ein Dorn im Auge, da sie ja großen- theilS ländliche Interessen vertritt. Im Jahre 1891 erklärte Lord Salisbury einer Deputation: „Wir würden gern jede Gelegenheit ergreifen, um uns von diesem Unglück (den Meist begünstigungsverträgen) zu befreien, aber es ist zu gefährlich". Und am 27. April d. I. äußerte sich Lord Balfour bei Gelegenheit des Antrages Howard-Vincent auf Einsübrung eines Zolles von 10 Proc. auf Ganz- und von 5Proc. aufHalb- fabrikate, daß jetzt kein zwingender Grund dazu vorliege. Aber das jetzige fiskalische System sei sehr schwach, da einerseits keine neuen direkten Steuern eingeführt werden könnten, und da andererseits England bei Verhandlung mit anderen Mächten keine Waffe (Zolltarif) in der Hand habe. Unter gewissen Umständen sei ein Handelskrieg unvermeidlich. Daß also „etwas vorgeht", scheint unzweifelhaft zu sein. Aber was? Canada will das Meistbegünstigungsrecht Deutschlands und Belgiens verletzen; angeblich sind diese Manipulationen gegen die Vereinigten Staaten gerichtet, die ja auch gerne mit der Reciprocität wirthschaften, und die jetzt ihre Zölle wieder erhöhen. Wäre das die Absicht Canadas, dann hätte es gleich erklären müssen, wir ge- wäbren England, Deutschland und Belgien die niedrigeren Zölle, da im Vergleich zu den Vereinigten Staaten die Zölle obiger Länder sehr gering sind. Augenscheinlich wird Canada der Sturmbock sein, der — im Einverständniß mit England — die bestehenden Meistbegünstigungs mauern einrennen und die Bevorzugung der Waaren des Mutterlandes anbahnen soll. Da ein Zollverein wegen der unantastbaren Zollfreiheit Englands nicht durchführbar ist, so sollen die Colonien die Zölle auf englische Waaren erniedrigen. England wird den Colonien dafür andere Zugeständnisse machen. Es wird die Ein fuhr der Waaren anderer Länder auf irgend eine Weise chicaniren, wie damals durch die Llarcimmlise act von 1887, daS Llalls iu 6ermun^, das allerdings zu Deutschlands Gunsten ausgeschlagen ist. Es wirb die Colonien im Schifffahrtsverkehr, durch neue Schiffslinien, durch Subventionen rc. unterstützen. Wenn sich Deutschland und Belgien bei England über Canadas Vorgehen beschweren, wird England einwenden, Canada sei bereits zu selbstständig, es habe eigene Steuern, es werde sich nun auch in Bezug auf die Zölle selbstständig machen. Zst das erst bei Canada gelungen, dann werden auch die anderen Colonien nachfolgen. Man denke an die Rücksichtslosigkeit Englands gegen Trans vaal, und man wird nicht mehr zweifelhaft sein über sein Verhalten in der kanadischen Angelegenheit. England sieht in Deutschland seinen gefährlichsten Rivalen auf dem Weltmärkte. Da einerseits sich die meisten Staaten immer mehr durch Zölle abschließen, wie jetzt wieder die amerikanische Union, und da andererseits die Industrie aller Staaten mehr und mehr erstarkt und der englischen Concurrenz macht, namentlich die deutsche, so will sich England in seinen Colonien die Concurrenz der anderen Länder vom Leibe halten und schaffen. Das weite britische Reich erzeugt fast alle nothwendigen Stoffe und Waaren, es ist sich — nach Meinung der Unions schwärmer — selbst genug mit seinen 320 Millionen Menschen und 23 Millionen Quadratkilometern. Deutschland dagegen muß seine Rohstoffe großentheils aus englischen Colonien beziehen, so Wolle, Jute, Indigo. Unser später Colonialerwerb kann sich so schwer rächen. In einem Zoll kriege mit dem englischen Weltreich würden wir schwer bluten müssen, was Handel und Schifffahrt betrifft. Wir können England natürlich auch Wunden zufügen, indem wir seine Textilwaaren und Kohlen aussperren, aber wir müssen bedenken, daß wir gewisse Waaren nur aus England und seinen Colonien beziehen können. Außerdem haben wir wenig Freunde in der Welt. Mit den Vereinigten Staaten kann jeder Zeit ein Zollkrieg ausbrcchen. Deutschland muß darauf hinarbeiten, daß es mit den Staaten des Festlands zoll politische Vereinbarungen anbabnt, gemeinsame Meist- begünstigungsverlräge rc. abschließt. Wenn jetzt Deutschland, Frankreich, Oesterreich, Italien, Belgien, die Schweiz und Rußland zusammen zu England oder Amerika sagen könnten: „Entweder ihr kommt euren Verpflichtungen nach, oder wir führen mit euch gemeinsam einen Zollkrieg" — dann würden Ordnung und Gesetzmäßigkeit in Handel und Verkehr herrschen! Deutsches Reich. — Leipzig, 19. Mai. Das Referat über die Novelle zum preußischen Vereinsgesetz auf der am 30. d. M. stattsindenden Generalversammlung des nationalliberalen Lauvesvereins im Königreich Sachsen wird Herr Reichsgerichtsrath Or. Stenglein erstatten. * Berlin, 19.Mai. In seiner Begründung der Vereins- gesetznovelle Hal bekanntlich Ministerpräsident Fürst zu Hohenlohe am Montag im preußischen Abgeordnetenhause auch den Art. 19 Nr. 5 und 6 des bayerischen Vereins gesetzes citirt, worin ausgesprochen ist: „Jede Polizeibehörde ist befugt, Vereine zu schließen, welche die religiösen, sittlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Staates zu untergraben droben, oder wenn ihre Zwecke oder Beschlüsse den Strafgesetzen zuwiderlaufen." Daran hat Fürst zu Hohenlohe die Frage geknüpft, ob denn nun in Bayern unerträgliche Zustände herrschen Mit ibm antwortet die Münchener „Agem. Ztg." auf diese Frage: Nein. DaS Blatt fügt aber hinzu: „Denn bei dem angezogenen Artikel ist in Bayern nicht der Wort laut, sondern die sinngemäße Interpretation maßgebend. Hören wir, was darüber der beste Kenner deS bayerischen Staats- recbts, Professor Max v. Seydet, sagt. Die Bestimmung, so heißt es in seinem Bayerischen Staatsrecht, III. Band S. 59, cnizieht sich jeder verlässigen Feststellung ihres Inhalts. Nur Folgendes läßt sich als sicher aussprechen. Von einer An wendung der Bestimmung kann nur die Rede sein, wenn cs sich um Angriffe auf die elementarsten Voraussetzungen oder Einrichtungen des modernen Staates in den genannten drei Richtungen handelt, z. B. auf die Gewissensfreiheit, die Ehe, die grundsätzliche Möglichkeit, Privateigenthum zu haben. Ferner müssen diese Angriffe von der Art sein, daß sie eine Gefahr für den Staat selbst enthalten. Dagegen, so wird in einer An merkung beigejetzt, sind z. B. zu den „Grundlagen Les Staates" nicht zu rechnen bestimmte Einrichtungen oder Glaubenssätze einer Kirche, gesetzliche Bevorzugungen von Bevölkerungsclassen, wirthschaftliche Verhältnisse, die dem Wechsel unterworfen sind, zumaj dann, wenn die neuere Gesetzgebung selbst sie schon ver schieden behandelt hat. In diesem Sinne wird die Bestimmung auch von der bayerischen Regierung gehandhabt, und darum herrschen keine unerträglichen Zustände. In Preußen aber haben bisher allgemeine Bist nimungen solcher Art weder durch die Verwaltungs behörden, noch durch die Gerichtshöfe eine auch nur annähernd ähn liche einschränkende Interpretation erfahren, und darum ist dort bei der Formulirung solcher Gesetze doppelte Vorsicht geboten." Das Münchener Blatt wendet sich dann gegen die „Nordd. Allgem. Ztg", die Len Versuch macht, Len eben citirten Staatsrechtslehre! als EiLeshelfer für den preußischen Gesetz entwurf zu reclamiren, und zu diesem Zwecke einige Sätze einer Abhandlung Max v. Seydel's wiedergiebt, die im vorigen Jahre in der „Allgem. Ztg." enthalten war Die wichtigsten dieser Sätze lauten: „Man kann polizeiliche Gesetze niemals in so feste juristische Formen gießen, wie Gesetze über Mein und Dein. Wollen wir den Schutz der Polizei, so müssen wir auch die Macht geben und damit, darüber kommen wir nicht hinaus, auch die Möglichkeit, diese Macht falsch onzuwenden. Macht kann mißbraucht werden, aber Frei heit auch." Die „Allgem. Ztg." stellt nun fest, daß die „Nordd. Allgem. Ztg." diese Sätze nur dadurch für ihre Zwecke brauchbar gemacht hat, daß sie dieselben aus dem ganzen Zusammenhänge herauSriß und die ihnen folgenden Sätze wegließ. Diese lauten: „Was da gefordert wird, kann überhaupt nicht durch die Fassung, das kann annähernd nur durch die Ausführung des Gesetzes geleistet werden. Nirgends mehr als in Polizeigesetzen macht der Ton die Musik." — Dieser Ton würde aber, wie die „Allgem. Ztg." mit Recht fürchtet, in Preußen für musikalische Ohren recht unerquicklich klingen. * Berlin, 19. Mai. Der Gewerbekammertag war vorgestern im Neichstagshause unter dem Vorsitz des Herrn Feldmann-Bremen zusammengetreten. Es waren die Gewerbe kammern von Bremen, Hamburg, Chemnitz, Dresden, Leipzig, Lübeck, Nürnberg, Stuttgart, Zittau u. A. anwesend. Es wurde zunächst eine Generaldebatte über die Stellung zur Handwerkervorlage abgehalten und als Hauptgedanke betont, daß cs gelte, die Vorlage abzulehnen oder sich mit ihr einverstanden zu erklären. Es sei aber besser, das Erreichbare anzunehmen, dabei aber keineswegs das Ziel der Zwangsinnungen für die Zukunft aus dem Auge zu lassen. In der Specialdebatte stellte sich die Conferenz im Großen und Ganzen auf den Boden deS Handwerker tags. Gestern wurden die Verhandlungen fortgesetzt. Be schlossen wurden verschiedene Abänderungsvorschläge im Lehrlingswesen. Für den tz 126 wurde eine andere Fassung gewünscht, die den Begriff und die Thätigkeit eines Lehrlings näher erläutert, wozu entsprechende Vorschläge auszearbeitet werden sollen. Ein Antrag, den Satz: „Lehrlinge, welche im Hause des Lehr herrn weder Kost noch Wohnung erhalten, dürfen zu häuslichen Dienstleistungen nicht herangezogen werden," zu streichen, wurden angenommen. Der Gewerbekammertag sprach sich ferner dafür aus, daß cs nur denjenigen Meistern gestattet sein soll, Lehrlinge auszubilden, welche die Berechti gung zur Führung deS Meistertitels besitzen. Die Paragraphen über den Meistertitel gaben zu lebhaften Erörterungen Anlaß, doch wurde schließlich die von der ReichstagScommission vorgeschlagene Fassung angenommen, wonach nur diejenigen Handwerker den Meistertitel führen dürfen, die mindestens drei Jahre als Gesellen thätig gewesen sind und die Meister prüfung bestanden haben. Der Sitzung wohnte auch der Geh. Regierungsrath vr. Sieffert bei, der die Versammlung im Namen des Ministeriums für Handel und Gewerbe begrüßte. Zu dem Punkt Handwerkerkammern sprach sich Ur. Jacobi-Bremen gegen die Zulassung der Gewerbevereine zur Wahl der Handwerkerkammern aus. Geh. OberregierungS- rath I)r. Wilhelmi erklärte, in Anbetracht der gegenwärtigen Verhältnisse müsse man den Gewerbevereinen daS gleiche Recht zugesteben wie den Innungen. Nach der Commissions vorlage sollen aber auch nur diejenigen Mitglieder der Gewerbevereine wählbar sein und gewählt werden können, die selbst Handwerker sind. Ein dementsprechender Antrag ge langte zur Annahme. Kurz vor Schluß der Verhandlungen erschien der Staatssecretair von Boetticber im Versamm- lungslocal und begrüßte die Delegirten. Er führte in seiner Ansprache aus, die anwesenden Vertreter deS organisirten Handwerkes könnten die Hoffnung hegen, daß der Wunsch so vieler Tausender Handwerker in Erfüllung gehen »erde. Das Handwerk werde, wenn nicht alle Zeichen trügen, jetzt eine Organisation erhalten, die geeignet sei, den goldenen Boden, auf dem es früher gestanden, wieder herzustellen. Die Ansichten über die Form dieser Organisation gingen ja auseinander, aber jedenfalls sei dem gefürchteten Untergange des deutschen Handwerks für immer entgezengetreten. Wenn in Zukunft sich Mängel in dieser Organisation herausstellten, so könnten die Handwerker auf die fortdauernde werktkätige Mithilfe der Regierung bei der Beseitigung der Mißstände rechnen. * Berlin, 19. Mai. Es ist schon in der Begründung zum Nachtragscredit für die Pariser Weltausstellung aus- gefübrt, welch hohen Werth die möglichst gute Ausgestaltung der deutschen Abtheilung nicht nur für die Ausfuhr nach Frankreich, sondern für die Beschickung deS ganzen Welt- Marktes seitens Deutschlands hat. Wie der „Hamb. Corr." hört, wird denn auch die Auswahl der auszustellenden Gegen stände diesmal auf das Peinlichste vorgeuommen werden. Als Tendenz für die deutsche Ausstellung kann man es wohl be zeichnen, daß nur diejenigen Gegenstände zur Ausstellung ge langen sollen, in denen wir den Franzosen und Eng ländern „über" sind. Wenn das deutsche Gewerbe mit dieser Tendenz von vornherein rechnet, so wird auch Manchen eine Enttäuschung erspart bleiben, die sonst bei Zurückweisungen nicht zu umgehen wäre. Selbst wenn die Leitung der deutschen Ausstellungsabtheilung es anders gewollt hätte, so wäre kaum ein anderes Vorgehen möglich gewesen, da der Platz zu be schränkt ist, als daß nickt schon von selbst Veranlassung zu dieser Tendenz gegeben wäre. Aber auch die Rücksicht auf die Concurrenz aus dem Weltmarkt zwingt zu einem solchen Vorgehen, das überall dort, wo man weiß, mit welchen Schwierigkeiten die Ausfuhr auf dem Weltmarkt zu kämpfen hat, gebilligt werden wird. O Berlin, 19. Mai. (Telegramm.) Wie der „Reichs anzeiger" meldet, hat sich Geheimrath v- Misant vom Reichs- Eisenbahn-Aml zur Untersuchung des gestern Abend auf der Eifelbahn zwischen den Stationen Hillesheim und Gerolstein vorgekommcnen schweren Eisenbahn-Un- falleS an Ort und Stelle begeben. D Berlin, 19. Mai. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht ein Gesetz, betreffend Ergänzung einiger grundrcchtlicher Bestimmungen. (-) Berlin, 19. Mai. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt, seit längerer Zeit mache sich in der oppositionellen Presse die Neigung bemerkbar, für ihre Polemik der Regierung gegenüber objektive Unrichtig keiten zu verwerthen. Das ossiciöse Blatt führt dann die Reichstagswahl in Schwetz und die Vor gänge in Stolp i/P. an und citirt Stellen aus dem Stenogramm der Rede des Ministers des Innern in der Sitzung deS Abgeordnetenhauses vom 11. Mai, um zu beweisen, daß der Minister keineswegs, wie behauptet worden, seine Beamten mit Stolp in Schutz genommen habe. Im Interesse einer gesunden politischen Diskussion sei die Lossagung von dein Gebrauche offenbarer Unrichtig- Ferrillrtsn. Die pflege der lebenden Sprachen in Frankreich. Es giebt vielleicht kaum eine zweite civilisirte Nation, die von jeher für fremde Sprachen und fremdes Wesen so wenig Interesse zeigte, wie die französische. Ihre unüberwindliche Scheu, nach dem AnSlande zu geben, bildet einen scharfen Gegensatz zu der Wanderlust der Deutschen. Die Franzosen waren stets daran gewöhnt, daß alle anderen Völker Fran zösisch lernten und sich in ihrer vornehmen Lebensweise nach Pariser Muster richteten. Wozu sollten sie Deutsch studiren, wenn die Deutschen selbst ihre Sprache redeten, wozu über den Rhein gehen, um das Leben der östlichen Nationen zu beobachten, wenn diese selbst in ihren Besuchen der französischen Hauptstadt wetteiferten? Es ist daher gewiß interessant, die Bewegung zu Gunsten der modernen Sprachen zu verfolgen, die in Frankreich seit etwa zwei Jahrzehnten andauert und im Fortschrciten begriffen ist. Die Franzosen haben eben angefangen einzusehen, welcher Nachtheil ihnen daraus erwächst, daß sie den Nachbarvölkern rin zu geringes Interesse rnlgegenbringen. In besonders auffallender Weise zeigte eS ihnen der letzte Krieg, wie thöricht eS ist, ein benachbartes Land zu verkennen. Sie merkten, daß sie eine ganz falsche Ansicht von Deutschland hatten, welches sie noch in demselben Zustande glaubten, in dem eS sich im Anfänge dieses IayrhundertS befand. Ein ganze- Halbjahrhundert deutscher Entwickelung ging un bemerkt an ihnen vorüber. Wie in politischer, so Hal auch in industrieller und kommerzieller Beziehung der bedeutende Aufschwung gewirkt, den Deutschland in letzter Zeit nahm; der rasch zunehmende Export deutscher Fabrikate riß den französischen Kaufmann aus seiner sicheren Ruhe. Soll er der gefährlichen Concurrenz mit einigem Erfolg Widerstand leisten können, so darf er nicht warten, bis der Fremde zu ihm kommt, sondern er muß selbst ins Ausland gehen, um dort Absatz für seine Waaren zu suchen. DaS Bedürfniß, fremde Sprachen zu lernen, hat sich also in Frankreich aus zweifachem Grunde fühlbar gemacht. Die gegenwärtige republikanische Regierung, die überhaupt den Schulen ihr« besondere Aufmerksamkeit schenkt, hat auch diesen Mangel eingesehen und in den letzten Jahren den sprachlichen Unterricht auf jegliche Weise zu fördern gesucht. Englisch und Deutsch in dem Programm der französischen Lyceen finden wir schon im Anfänge dieses Jahrhundert-. Im Jahre 1841 wurde für die Lehrer der fremden Sprachen am Gymnasium eine eigene Prüfung eingerichtet. Doch betrieb man den Unterricht, obwohl er obligatorisch war, in einer äußerst nachlässigen Weise. Der neuphilo- logische Lehrkörper hatte weder eine Organisation noch eine bestimmte Methode; jeder lebrte, wie es ihm am besten schien. Ueberhaupt wurden die modernen Sprachen stiefmütterlich behandelt. Der Unterricht erfolgte außerhalb der Classen- stunden, der Schulinspector bekümmerte sich sehr wenig um ihn; die Lehrer bekamen geringeres Gebalt als ihre anderen College«. Erst kurz vor dem Verschwinden de» zweiten Kaiserreichs erlangten sie endlich ihre Gleichstellung mit den übrigen. Da« zunehmende Ansehen der lebenden Sprachen in den letzten Jahren der Herrschaft Napoleon'S III. zeigte sich auch dariu, daß sie unter die Prüfungsfächer beim Baccalaureatsexamen Aufnahme fanden, doch waren die an diese Prüfung gestellten Forderungen noch sehr bescheiden. Eine neue Aera für das neusprachliche Studium beginnt unter der jetzigen Republik, die sich die Pflege desselben recht eifrig angelegen sein läßt. Vor Allem war es nöthig, tüchtige Lehrer heranzubilden. Die Prüfung der Lehramtskandidaten ist sehr ernst geworden. Die Zulassung wird durch ein Reifezeugniß bedingt. Uni- versitälsstudien sind nicht nötbig; man verlangt nur genügende Kenntnisse der fremden Sprache, in der man Unterricht zu ertheilen beabsichtigt, mag man dieselben erwerben, auf welche Weise man will. Die an den Candidaten gestellten For derungen steigern sich jedoch von Jahr zu Jahr. Während es noch vor Kurzem genügte, ein paar Monate im Auslande gewesen zu sein, um auf Grund der ersten Prüfung das „corUücat ll'aptitucks" zu erlangen, niuß man jetzt dort etwa zwei Jahre verweilen, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Eine noch weit größere Summe von Kenntnissen verlangt die zweite Prüfung, die die Agregation bedingt und die noch eine Vorbereitung von durchschnittlich zwei bi- drei Jahren er fordert. Durch die Erwerbung de- Titel» prokosseur Lkwögö — was dem deutschen Oberlehrer etwa entspricht — hat man nämlich das Recht auf eine definitive Anstellung, während da« certiticat ä'aptitucke nur die Aussicht bietet, einen prolsrseur agrögs zu vertreten. Beide Examina sind Concurrenzprüsungen, sie gewähren nur einer beschränkten Anzahl von Bewerbern die Möglich keit, sie zu bestehen. Die Agregation wird nur sehr Wenigen verliehen; in den letzten Jahren hatten nur etwa sechs Las Glück, sie zu erlangen. Da dem Candidaten bei der Zu lassung zur Prüfung, die unentgeltlich ist, gar keine Schwierig keiten gemacht werden — er darf sie jede« Jahr wieder holen und braucht nicht französischer Unterthan zu sein — so ist der Andrang zu derselben außerordentlich. Dies setzt die Regierung, die sich nur die Tüchtigsten heraussucht, in den Stand, ein vorzügliches Lehrermaterial heranzubilden. Das Heranwachsen einer neuen Generation von fähigen Lehrern ermöglichte eS, dem fremdsprachlichen Unterricht in den Lyceen eine strengere Organisation und eine zweck entsprechende Richtung zu geben. Im Jahre 1891 führte Leo Bourgeois an den höheren Schulen das „euseisueweut secouäairo moäorne" ein, das etwa mit dem Unterricht an deutschen Realgymnasien zu vergleicken ist. Nur hat diese Abtheilung, die hauptsächlich Len praktischen Bedürfnissen Rechnung trägt, daS Latein ganz beseitigt und den lebenLen Sprachen «inen um so größeren Platz emgeräumt. Auch in der humanistischen Abtheilung der Lyceen haben letztere an Wichtigkeit gewonnen und sind sogar in den unteren Classen obligatorisch geworden. Gegenwärtig ist der neusprachliche Unterricht auch in den .cheoles priwairez supörieures^, einer Art höhere» Bürger schule, obligatorisch, sogar in der „öoolo uormalo primairo", Lehrerbildungsanstalt, sind ihm zwei Stunden wöchentlich eingeräumt. In den Gewerbeschulen für Post- und Tele- graphenwesen ist er zwar nur sacultativ, doch bietet er den Schülern eine Aussicht auf eine bessere Anstellung. Die Regierung begnügte sich nicht damit, für die Pflege der lebenden Sprachen durch guten Unterricht zu sorgen. Sie begriff, daß recht energische Mittel nöthig wären, um einen wirklichen Erfolg zu erzielen. Sie sah ein, daß man zuerst dem Franzosen den Weg nach dem Auslände zeigen müßte, wollte man in ihm Sinn für fremde Sprachen und Ver- ständniß für fremde Verhältnisse Wecken. Schon im Jahre 1883 schickte der damalige CultuSminister IuleS Ferry junge Volks schullehrer und Lehrer der „Scolos normales primairss" in die Schweiz, damit sie sich genügende Kenntuisse der Landes sprache aneigneten. Einige kamen nach Eger, Leitmeritz,
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