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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970521023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897052102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897052102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-21
- Monat1897-05
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Die Genehmigung dieses Restes, der völlig Dem entspricht, was die national liberalen Redner in der ersten Lesung im Plenum als an nehmbar bezeichnet hatten, erfolgte mit nur 18 Stimmen gegen 10, weil die Conservativen demonstrativ mit Nein antworteten. Der freisinnige Delegirte machte den „Sturmlauf- mit ihnen, nicht aber die Freiconser- vativen. Im Reichstage verließ, beiläufig bemerkt, am gleichen Tage bei der dritten Lesung deS Nothaesetzes auch Prinz Alexander Hohenlohe, Sohn des Reichs kanzlers und ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten, sowie preußischen HerrenhauSmitgliedes Fürsten zu Hohenlohe, die Seite, wohin doch ohne allen und jeden Zweifel ein staats- und königstreuer Politiker — nach dem „Dresdner Jour nal" nämlich — gehört. Die Freiconservativen stimmten, wie vorauszusehen war, für das abgeschwächteGesetz. Herr v. d. Recke bekundete sein Interesse an den principiellen Bestimmungen der Regierungsvorlage durch seine Abwesenheit während der Verhandlung über dieselben. Aus dem Verlaufe der Be- rathung ist wenig hervorzuheben. Daß die Conservativen den Herodes durch einen Antrag auf Zulassung eines Präventiv- verbotS gegen Versammlungen noch zu überherodessen suchten, ist schon an anderer Stelle erwähnt worden. Auf der andern Seite hatte sich der conservative Jurist Klasing doch genug kritischen Sinn bewahrt, um auf die Erläuterung des Begriffes „den Gesetzen zuwider ¬ laufend" ausgesprochenermaßen kein Gewicht zu legen. Auch durch ein Amendement haben die Conservativen wider den Ordnungsstachel des „Dresdner Journals" gelökt, indem sie beantragten, das Requisit „öffentlicher Frieden" durch „öffent liche Ordnung" zu ersetzen. Da aber auch diese bekanntlich gemeinhin durch den Gendarmen gemacht wird, fand der Vorschlag keinen Anklang. Die Aenderungen betreffen die Theil- nahme von Minderjährigen an politischen Versamm lungen und Vereinen. Die Nationalliberalen brachten einen Centrumsantrag, das Betheiligungsverbot ausi junge Leute unter achtzehn Jahren einzuschränken, zu Falle, milderten dagegen die Vorschriften wegen der Minderjährigen in zwei Punkten. Alle Minderjährigen, die politischen Ver sammlungen anwohncn, machen sich straffällig, die Auf lösung kann aber wegen solcher Uebertretungen nicht verfügt werden. Ferner wurde auf Antrag der National liberalen die Strafbarkeit der Theilnahmc Minderjähriger an Versammlungen davon abhängig gemacht, daß die besuchte Versammlung als politische angekündigt war. Ueber die Zweckmäßigkeit dieser Milderung läßt sich streiten, sie kann Wohl allzu leicht umgangen werden. Jedenfalls aber werden weitaus die meisten Parteigenossen im ganzen Reiche den nationalliberalen Mitgliedern der Ab- geordnetenhauScommission für die Form, in der durch sie die Vereinsgesetznovelle an das Plenum zurückkommt, ebenso dankbar sein, wie der Reichstagsfraction für ihre Haltung in den Debatten über daS „Nolhgesetz". Das „Dresdner- Journal" freilich ist anderer Ansicht. Es glaubt, von den Nationalliberalen würden sich Tausende ihrer bisherigen Anhänger,abwenden, weil jene im Reichstag nicht gegen die Aushebung des Verbots der Verbindung von Vereinen gestimmt hätten. Darüber wollen wir mit dem Blatte nicht streiten — eine nicht ferne Zukunft wird ja zeigen, wer Recht hat —, aber auf daS Entschiedenste muß eS, und zwar um der Einigkeit der staatserhaltenden Parteien m Sachsen willen, zurückgewiesen werden, wenn das conser vative Dresdner Blatt die niedrige Unterstellung wagt, Vie nationalliberale Reichstagsfraction habe für das Nolhgesetz „offenbar" deshalb gestimmt, weil sie „auf Zuzug von links" hoffte. Daß die Folgen von Abenteuern wie dem mit der preußischen Vereinsgesetznovelle einer ge mäßigten Partei nicht heilsam sein können, haben wir schon mehr als einmal betont. Das ist auch die Ansicht der nationalliberalen Reichstagsfraction wie die aller nicht verblendeten Menschen. Der Antrag auf eine reichs gesetzliche Beseitigung des Verbots der Vereinsverbindung ist von den Nationalliberalen angenommen worden, weil er voll ständig mit einem Antrag, den sie, die Nationalliberalen, im Juni 1896 eingebracht hatten, übereinstimmte. Sie hatten ihn aus formalen Gründen nicht mit unterzeichnet, aber sie durften sich aus materiellen Gründen bei der Abstimmung nicht in Widerspruch mit ihrer vorjährigen Initiative fetzen, weil diese bei der mit Sicherheit vorausgesehenen Stellungnahme des Herrenhauses schließlich den einzigen Weg zeigt, ein Versprechen der Re gierung des deutschen Kaisers und Königs von Preußen ein zulösen, dessen Nichterfüllung noch andere und wichtigere Dinge als die politische Reputation des Fürsten Hohenlohe schädigen würde. Diese Gewißheit erledigt auch, was daS „Dresdner Journal" sonst bemerkt, nämlich: „In einer Frage von großer, grundsätzlicher Bedeutung haben sie die Stelle, an die sie als Ordnungspartei ohne allen und jeden Zweifel gehörten, verlassen, und haben den demokratischen Sturmlaus mitgemacht, der sich zwar dem Namen nach gegen die Regierung richtete, in Wahrheit aber noch viel weiter ging. Man lese nur die Reden Richter's genau. Und daß sie diesen Sturmlauf mitgemacht haben, das wird den Nationalliberalen von allen Gutgesinnten nun und nimmermehr vergessen werden." Aus diesen Worten spricht zunächst eine maßlose, durch die politische Bedeutung deS Dresdner Blattes nicht gerechtfertigte, vielleicht aber durch den Grad seiner politischen Einsicht hin reichend erklärte Ueberhebung. Was vom Standpunkt der Staatserhaltung von grundsätzlicher Bedeutung ist und an welche Stelle die nationalliberale Partei als Ordnungspartei bei der Beantwortung einer bestimmten Frage gehört, das hat sie selbst nach ihrem besten Wissen und Gewissen zu ent scheiden und am wenigsten hat sie darüber von einer jeder Autorität baren Stelle Belehrung zu empfangen. Daß das bessere Wissen bei den Nationalliberalen ist, geht schon aus dem Verhalten der conservativen Provinzpresse Preußens hervor, die die Verlegenheit über das Ver halten ihrer Parteigenossen im Parlamente nicht zu ver bergen vermag. Was das Gewissen anlangt, so legen zwar die in der gestrigen Commissionssitzung gemachten Versuche, die Regierung noch über ihre Vorlage hinaus zu treiben, den Verdacht von Conflictsgelüsten nahe genug, man braucht aber vorerst doch noch nicht anzunehmen, daß das Gewissen der preußischen conservativen Führer so schlecht sei, als dasjenige deS „Dresdner Journals" gewesen sein muß, als dieses Blatt die nationalliberale Reichstagsfraction als an dem „Sturmlauf" betheiligt hinstcllle und sie obendrein für Richter's Rede mit verantwortlich machte. Es ist, der Ausdruck muß wiederholt werden, niedrig, einer Partei, die in einer Sache nicht isolirt stimmt, zuzurechnen, was von anderen, gleich ihr votirenden Parteien außerhalb der Sache vorgebracht wird. Wer übrigens die Rede Richter's gegen die Nationalliberalen ausspielt, der sollte eine in derselben Sitzung von Herrn v. Kardorff ge machte Bemerkung nicht mit Stillschweigen übergehen, die sich in der gleichen Richtung bewegte. Wir können sie leider nicht tadeln, aber sie ist, als von einem conservativen und nationalen Manne gesprochen, politisch viel bedeutsamer als die Tiraden des grundsatzlosen Berufsredners. Bei der Neichstagsverhandlung über die ^iajestätS- beletdigungsproccsse wurde von verschiedenen Seiten an geregt, die Einleitung eines Majestätsbeleidigungsprocesses von einer Ermächtigung abhängig zu machen. Es ist nun für die Beurtbeilung dieser Frage nicht ohne Interesse, daß diese Einrichtung in einem deutschen Bundesstaate bereits besteht, nämlich in Württemberg. Aus Stuttgart wird hierzu geschrieben: In Württem berg kann eine Klage wegen Majestätsbeleidigung nur mit Einwilligung des Justizministeriums stattsinden, und dieser hat die Vollmacht, solche Fälle, bei denen bloße Un vorsichtigkeit oder Thorheit der Thäler oder übel wollende Auffassung der Zuhörer anzunehmen ist, von sich aus niederzuschlagen. DaS Ministerium ist damit in der Lage, nicht einfach das formelle Reckt walten zu lassen, sondern zu prüfen, ob durch Erhebung der Klage das Ansehen der Majestät gefördert oder nicht vielmehr ge schädigt würde. Ja es ist, wie ein nationalliberales Blatt, die „Württemb. Volkszeitung", ausführt, darauf angewiesen, in zweifelhaften Fällen dieEntscheidung des Monarchen selbst herbeizuführen und so Dinge aus der Welt zu schaffen, durch deren öffentliche Verhandlung zwar die ernstlicher beleidigte Majestät gesühnt würde, aber vielleicht auch Vorurtheile ent stehen könnten, die wieder nicht zur Hebung des Ansehens des Monarchen dienten. Diese politische, nickt rein juristische Beurtheilung der Majestätsbeleidigungsprocesse hat in der Thal etwas sehr Einleuchtendes, und es ist wohl der Erwägung werth, ob das württembergische System nicht Nachahmung im Reich und in Preußen verdiente. Nunmehr haben auch die Professoren und Docenten der VeutschkN technischen Hochschule in Prag eine Petition gegen die Sprachenverordnungen an den Reichsrath gerichtet. In derselben wird u. A. ausgesührt: Durch die genannten Verordnungen wird die Verpflichtung jener Studirenden, die sich dem öffentlichen Dienste im Heimathslande widmen wollen, in höchst belastender Weise erweitert, da sie die Fähigkeit Nachweisen müssen, den mit der öffentlichen Thätigkeit in unlösbarer Berührung stehenden technischen Dienstleistungen auch in tschechischer Sprache nachkommen zu können. Soll dieser Forde- rung voll entsprochen werden, so muß der deutsche Techniker der Zukunft die tschechische Sprache nicht nur für den gewöhnlichen Verkehr beherrschen, sondern sich auch die Kenntniß der complicirten, ganz eigenartigen tschechischen technischen Terminologie er werben. Diese heute noch nicht einmal allen älteren Technikern slawischer Zunge geläufige Terminologie ist mit den praktischen Fächern aufs innigste verknüpft, wird von tschechischen Professoren geschaffen und ausgebildet, läßt sich kaum in allgemeinen Sprachcursen erlernen und wird viele Aspiranten auf den öffentlichen Dienst in Böhmen in die tschechischen Hörsäle führen. In rein deutschen Gauen Böhmens in feiner Muttersprache aus gewachsen und bis zur Hochschule herangebildet, steht der junge Mann vor der Wahl, sich neben anstrengenden Berufsstudien ein fremdes, für feine Fachbildung überflüssiges Idiom an zueignen, um hierdurch für Len Staatsdienst in seiner deutschen Heimath befähigt zu werden; oder lieber auf die Erwerbung dieses Nachweises ganz zu verzichten, und seine Kräste dem Privat- oder Ver waltungsdienste in anderen Ländern zur Verfügung zu stellen,die Len unseligen Sprachenzwang nicht kennen. So lange die Sprachen verordnung besteht, droht dem deutschen Techniker, der in Böhmen die Erlangung von Stellen im Staatsbaudienste, im Telegraphen- und Telephonbaudienste, beiden staatlichen Berg- und Hüttenämtern und anderen vom Staate geführten Industrie- betrieben, endlich im Dienste der Zucker-, Spiritus- und Bier- steuer-Controle, ja selbst die Autorisation als Civiltechniker anstrebt, ein so großer Aufwand an Mühe und Zeit, daß der junge Mann normaler Begabung den neuen Anforderungen in der ihm gegönnten Studienzeit nicht entsprechen kann, ohne zum Mindesten feine fachliche Ausbildung hierdurch zu schmälern. Gerade die eminentesten Köpfe aber, denen die Welt offen steht, sie werden am wenigsten geneigt sein, sich dem mit fo großen Opfern verbundenen Sprachcnzwange zu fügen, der ihnen zudem die Zeit zur Ausbildung in den technisch viel wichtigeren Welt sprachen raubt. Es ist demnach unvermeidlich, daß der Staat in Folge der Sprachenverordnung ausgezeichnete und brauch bare Kräfte verliert und dem deutschen Volke in Böhmen der gebührende Antheil an den Ausgaben der technischen Verwaltung entzogen wird. Wie kein zweites Gebiet ist das der Technik ein internationales, den Erdball umfassendes. Während der tschechische Techniker mit Erlernung des Deutschen das weite Feld einer Weltsprache betritt, das ihm ein ausgedehntes Studien- und Wirkungsgebiet in und außer dem Staate und eine überreiche Fachliteratur erschließt, findet der deutsche Hörer bei analogem Vorgänge naturgemäß keineswegs den gleichwerthigen Ersatz. Zum Schluß beißt es: In Würdigung aller dieser Um stände erscheint eS den unterfertigten Professoren und Docenten als eine heilige Pflicht, im Interesse des deutschen Volkes in Böhmen, mit dem wir unS eins fühlen, im Interesse unseres ganzen großen Vaterlandes Oesterreich, für dessen fortschritt liche Entwicklung zu wirken wir als unsere erste Aufgabe betrachten, im Interesse unserer Hochschule, für deren Blühen und Gedeihen wir verantwortlich sind, auf die großen Ge fahren warnend hinzuweisen, die mit der Sprachverordnunz verknüpft sind, und die Bitte zu stellen, das hohe Haus wolle die Aushebung dieser Verordnung erwirken. In Belgien nimmt die socialistische Bewegung innerhalb der Casernen eine so gefahrdrohende Gestalt an, daß die Regierung sich genöthigt sieht, dieser Angelegenheit eine steigende Aufmerksamkeit zu schenken. Die Social demokraten bezwecken mit ihren Hetzereien zweierlei: sie wollen die Soldaten veranlassen, im Falle innerer Unruhen nicht auf ihre „Brüder" zu schießen und dann wollen sie die Ersatzmänner bewegen, im Falle ihrer Einberufung zur Unter drückung innerer Arbeiterunruhen der Einberufung keine Folge zu leisten. Es ist klar, daß diese socialistischen Hetzereien, wenn sie von Erfolg begleitet sein sollten, schließlich zum Siege einer aufständischen Bewegung in Belgien führen müßten. Wie weit es damit gediehen ist, beweist eine Mittheilung der „Jndep. Beige", nach welcher gegen einen Unterofsicier ein geschritten wurde, weil er mit 200 Soldaten eine social demokratische Versammlung abgchalten hatte. All diesen Vor gängen gegenüber haben die Klerikalen nur ein bezeichnendes Achselzucken, denn für sie bleibt die Hauptsache die, daß die Seminaristen vom Heeresdienst befreit bleiben. Alles Andere ist ihnen Nebensache. — Die große Brüsseler Straßen - kundgebung zu Gunsten der Heeresreform wird am 13. Juni stattsinden und verspricht großartig zu werden. Etwa 60 — 70 000 Personen werden daran theilnehmen. Der Zug begiebt sich ins königliche Palais, wo eine Ab ordnung von vier Generalen unter Führung des Generals Brialmont dem Könige eine Adresse zu Gunsten der Heeres reform überreichen wird. — In der Kammer macht der vor- Feitilletsn. Zwei Frauen. sj ' Roman von F. Marion-Crawsord. Nachdruck »erboten. Greif war über die Genauigkeit und die Richtigkeit dieser Angaben verblüfft und ein Ausruf des Zornes drängte sich auf seine Lippen, aber er erinnerte sich des eben getroffenen (Übereinkommens. „Wird er zurückkehren?" fragte er mit einer Stimme, die Rex bewies, daß er sich nicht geirrt batte. „Unvermeidlich", antwortete er. „Das bedingt die Eigen- thümlichkeit Ihrer Lage. Sie sind dem Unvermeidlichen auf Gnade oder Ungnade preisgegeben. Sie können die Kata strophe nicht um einen Tag verzögern, so wenig wie Sie die Rückkehr eines Planeten auf einen gegebenen Punct im Weltall zu verhindern vermögen. Er wird zurückkehren — warten Sie — lassen Sie mich seben —" „Können Sie mir sagen, wann?" fragte Greif, der für einen Augenblick alle seine Zweifel vergessen hatte. Rex schien eine Berechnung anzustcllen und sie mehr als einmal zu wiederholen, um sich ihrer Richtigkeit zu versickern. „In etwa drei Monaten, vcrmuthlich vor Weihnachten. Er befindet sich jetzt in einer sehr großen Entfernung von hier, im Südwesten —" „ES ist unmöglich, daß sie so viel verrathen haben könnten", rief Greif, sich in großer Erregung von seinem Sitz erhebend. „Sie sollten Ihre Meinung nicht äußern, denke ich", be merkte Rex, den jüngeren Mann mit kaltem Blick musternd. „Können Sie ihn beschreiben?" fragte Greif beinahe „E) ja. Er ist ältlich, beinahe alt, vielleicht sechzig Jahre. Er ist heftig, unzuverlässig, gewöhnlich vom Unglück verfolgt, vermuthlich schmachbedeckt. Das ist zweifellos der Grund, weshalb Sie seine Rückkehr fürchten —" „Hören Sie, Herr Rex!" rief Greif, ihn unterbrechend. „Ich kümmere mich nicht einen Strohhalm um unser Ueber- einkommen, wie Sie eS nennen —" „Sie stimmten dem von mir vorgeschlagenen Vertrag bei. Ich wünschte über diese Angelegenheit nicht weiter zu sprechen." „Wollen Sie vergessen, daß wir einen solchen Vertrag schlossen?" fragte Greif verzweifelt. „O nein, gewiß nicht, und auch Sie werden ihn nicht vergessen. Sie sind ein Mann von Wort, Herr von Greifen stein, Alles, was ich tbnn kann, ist, den Mund zu halten und Ihnen nichts mehr zu sagen." „DaS braucht mich nickt zu verhindern, über irgend etwas anderes einen Streit mit Ihnen zu beginnen." „ES ist nickt leicht, mit mir in Streit zu gerathen". „Aber wenn ich Sie beschimpfte —" „DaS werden Sie nicht thun", erwiderte Rex ruhig und ernst. „Sie sind verpflichtet, mich meiner Prophezeiungen wegen nicht anzugreifen, und soweit es eine andere Ursache der Entzweiung betrifft, werden Sie es schwer finden, eine zu entdecken, denn Sie kamen bierher, mir einen freund schaftlichen Besuch zu machen. Ich denke, daS müssen Sie einsehen." Greif ging einige Minuten schweigend im Zimmer auf und ab. Er fühlte die Ueberlegenheit der Stellung des Fremden und wollte sich nicht so weit erniedrigen, die Lage durch eine rohe Unhöflichkeit gewaltsam zu ändern. Zu gleicher Heil peinigte ihn der Gedanke, daß Rex ihm noch nicht die Halste von Dem, was er wußte, gesagt hatte. „Sie haben recht", rief er endlich, „ich bin ein Narr!" „Nein, in Ihnen strömen verschiedene Wirbel zusammen", lächelte Rex. „Soll ich Ihnen noch eine Thatsache mehr sagen, eine sehr seltsame Thatsache?" „Sagen Sie mir Alles!" antwortete Greif mit plötzlicher Energie. „Nach der Natur der Dinge sollen Sie heute von jener Person Nachrichten haben. Horten Sie nichts von ihr, ehe Sie hierher kamen?" „Nein, und ich denke, nichts konnte unwahrscheinlicher sein, als daß ich außer den von Ihnen erhaltenen Nachrichten noch andere von dem Menschen bekommen sollte. UeberLieS könnte ich eine solche Möglichkeit verhindern." „Wie?" fragte Rex. „Indem ich mich Ihrer Gastfreundschaft bis Mitternacht aufdrängte", antwortete Greif mit einem Lachen, in dem seine natürliche gute Laune wieder zum Durchbruch kam. „Wollen Sie daS?" fragte der Student mit der größten Bereitwilligkeit. „DaS wäre eine Probe für die Wahrhaftig keit meiner Voraussagungen. Ob Sie hier bleiben oder nach Hause gehen, oder sonst etwas thun, Sie werden noch vor Mitternacht von jenem Individuum hören." „Aber Niemand weiß, daß ich hier bin." „Die Sterne wissen es", antwortete Rex mit einem Lächeln. „Wollen Sie bei mir bleiben oder nach Hause gehen? Es macht keinen Unterschied, als daß Sie, wenn Sie bleiben, mir den Vorzug Ihrer Gesellschaft schenken." „Was ist das?" fragte Greif. An der äußeren Thür wurde sehr laut geklopft. „Wahrscheinlich Nachrichten von Ihrem Onkel", ant wortete Rex mit unerschütterlicher Ruhe. „Wollen Sie die Thür öffnen? Jede Täuschung ist alödann ausgeschlossen." „Ja, ich werde öffnen." Ein Telegrapbenbote war draußen und erkundigte sich, ob Herr von Greifenstein anwesend sei. „Woher wußten Sie, daß ich hier hin?" fragte Greif. Die Depesche war als bringend bezeichnet, und so er kundigte ich mich in dem Bureau des Pedells", antwortete der Bote. Greif eilte in daS Zimmer zurück und riß den Umschlag auf. Sein Gesicht war bleich vor Erregung. „Mein Vater telegraphirt: Dein Onkel bat geschrieben, daß er sofort zurückzukehren beabsichtigt. Großer Gott!" Er reichte Rex den Papierslreifen, und von einem der Furcht sehr ähnlichen Gefühl überwältigt, sank er in seinen Sessel zurück. Rex warf einen Blick auf die Depesche und kehrte dann, ohne irgend eine Ueberraschung zu verrathen, zu dem Studium seiner Zahlen zurück. 7. Capitel. Greif's erste Empfindung war die des Erstaunens, das sich beinahe bis zur Bestürzung steigerte. Rex konnte sich keine auffallendere Erfüllung seiner Voraussagung gewünscht haben als die, die ihm der gegenwärtige Augenblick geboten, denn er selbst gestand zu, daß daS Glück ihn außerordentlich begünstigt hatte. Greif verhehlte sich nicht, wie unmöglich eS war, daß Rex deu Zwischenfall vorausgesehen oder die Umstände, die ibn begleiteten, geplant haben konnte. Wenn der Vorfall ein seltsamer war, zeigte sich eine Wirkung auf den jungen Mann in gleich unerwarteter Weise. Greif hatte immer die Personen verabscheut, die vorgaben, mit übernatürlichen Dingen vertraut zu sein, und alle die sogenannten Offenbarungen des Spiritismus unb MesmeriömuS verlacht. Als er gehört, daß der große Astronom Zöllner ein Buch geschrieben halte, die Kunststücke Slade'S vermittelst einer mathematischen Theorie der vierten Dimension im Raume zu erklären, hatte Greif geglaubt, der Gelehrte sei in Wahnsinn verfallen. Bis zu dem Augenblick, in dem das Telegramm angekommen, war er überzeugt gewesen, daß Rex ein Betrüger sei, der gewisse, mit den Greifenstein's in Zu sammenhang stehende Thatsachen erfahren hatte vnd darauf gestützt den Versuch machte, den Magier zu spielen, indem er einen geschickten Gebrauch von Dem machte, was er wußte. Einem Vorfall gegenübergestellt, den er sich selbst nicht er klären konnte, Hörle Greif's Vernunft ganz und gar auf, ihren Dienst zu tbun. Die Nachricht, die er bekommen batte, war beunruhigend, aber die Verwirrung, die durch ihre An kunft gerade in jenem Augenblick in ihm bervorgerufen wurde, ließ sogar die Rückkehr Rieseneck's im Vergleich mit der Gabe Les Studenten, ihr Eintreffen vorauszusagen, bedeutungslos erscheinen. „Ich verstehe das nicht", sagte Greif, Rezc anstarrend. „Bis zu einem gewissen Punct ich auch nicht", erwiderte Rex, von seinem Papier ausblickend. „Wie konnten Sie eS wissen?" „Ich wußte es nicht; erst einige Minuten, ehe ich es Ihnen sagte, erfuhr ich cS." „Es konnte kaum ein zufälliges Zusammentreffen sein", sagte Greif beinabe zu sich selbst. „Kaum", lächelte Rer. „Und dennoch", fuhr Greif fort, „sehe ich nicht, auf welche Weise ich mir Las Alles erklären soll." „Ich könnte cS Ihnen zeigen, aber es bedürfte mehrerer Jahre dazu." „Ist es nicht eine persönliche Gabe?" „Nein, es ist eine Wissenschaft." „Welcher Art?" „Es ist ein Theil der Astronomie, an den die Leute nicht glauben." „Astrologie?" forschte Greif mit ungläubigem Lächeln. „Ich glaubte, sie würde nur als ein Ergebniß der mittel alterlichen Unwissenheit angesehen." „DaS geschieht auch. Ob sie wirklich nichts Besseres als ein Aberglauben ist, hatten Sie Gelegenheit, zu beurtheilen." „Aber wie können Sie die Astrologie mit der ernsten Wissenschaft versöhnen?" „Der Wirbel versöbnt und gleicht Alles auS." „Aber wenn alles DaS wahr ist, sehe ich keinen Grund, weshalb Sie nicht Alles wissen." „Nicht Alles. Es giebt Fälle, bei welchen eS von Anfang an klar ist, daß sie nickt beantwortet werden können. Mit besseren Werkzeugen ließe sich vielleicht mehr ermöglichen
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