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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189705233
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970523
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970523
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-23
- Monat1897-05
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1897
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Di« Morgen-AuSgabe erscheint um '/>? Uhr« ttr Udeud-Ankgabe Wochentag» um b Uhr. Nedartion «nv Errrditionr JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen gedffuet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. , Filialen: ibtt» tNemm'S Lartim. (Alfred Hahn), UniversitSttstrab« 3 (Paulinum), Louis Lösche, katharinrnstr. I», Part, und KönlgSplatz 7. Bezug-.PrriS her Hauptexpehjtion oder de« im Stad» bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährliche4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» e bckO. Durch die Post bezogen für Dentschlund «nd Oesterreich: vierteljährlich E>—. Direkte täglich» Krruzbandlendung tn» Ausland: monatlich 7 SO. clp)lgcr.T>lgkI>!aIl Anzeiger. Nmtslikatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natheo «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS > die «gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Neclamen unter dem NedactionSstrich läge« spalten) 50/iZ, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unser»m Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Äu-gabe, ohne Postbesördetung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Iinnadmeschluß für Anzeigen: Äbend-Ausgabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von C. Bolz in Leipzig. 28«. Sonntag den 28. Mai 1897. S1. Jahrgang. Aus der Woche. Der an des Maien Iden vom Baume landräthlicher Staat-Weisheit gefallene Vereinsgesetzentwurf bat die stagnirenden Gewässer unseres politischen Lebens in kräftige Bewegung gebracht. Von einem Sturme kann man jedoch nicht reden. Von selbst brauchte ein solcher nickt zu entstehen, denn der Fall der Vereinsgesetznovelle im preußischen Abgeord netenhaus« war, abweichend von der Zedlitz'schen Schulvorlage, Von Anfang an so gut wie sicher. Und zur künstlichen Erregung eines Sturmes sind die Lungen der unterschiedlichen Aeoli, die ihn theilS um der Agitation willen, theils in ihrer Eigen schaft als politisch anspruchslose Händler mit Gelegenheits artikeln gern haben möchten, zu schwach. Ja, wenn Herr v. d. Recke eine Persönlichkeit wäre! Dann hätte die Besorgniß vor seiner Energie vielleicht der parlamentarischen Opposition SuccurS aus der Masse des Bürgerthums gebracht. Aber gegen einen Minister, auf besten Reden die Abgeordneten schon fünf Minuten, nachdem er begonnen, nicht mehr hinhören, braucht man sich nicht durch Versammlungen und Petitionen zu wehren. Was an dergleichen in Berlin probirt wird, ist, wie schon früher betont, Geschäft. Herr Eugen Richter ver- räth es selbst, indem er in seinem Blatte schreibt: „Bei den Protestversammlungen gegen die Vereinsgesetznovelle hat die freisinnige BolkSpartei die Führung übernommen." Ins unverhohlene Gewerbsmäßige übertragen, lautet eine solche Annonce: Freisinnige Volkspartei. AeltesteS Geschäft Berlins für Verteidigung von Bürgerfreiheiten aller Art. Ohne Concurrenz. Eine Versammlung übrigens erweckt politisches Interesse, die derNationalsocialen in Erfurt. Sie wurde aufgelöst, weil ein Redner auf die Rcickstagsrede, nicht Richter's, sondern des Herrn v. Kardorff hinwies, der von undiscutir- baren Ursachen des Sinkens des monarchischen Gefühls gesprochen hatte. Dieser Conscrvative hat der Zeit parla mentarisch den Stempel ausgedrückt alles Andere tritt dagegen zurück, daß ein Mann, der stets im Vordergründe des Kampfes gegen den Umsturz gestanden hat, bei der Empfehlung eines nenen vermeintlichen Abwehrmittels gegen die revolutionairen Bestrebungen das Vorhandensein eines weit ab von der Socialdemokratie wirksamen Elementes der Lockerung feststellt. Wir bedauern, daß es kein National liberaler gewesen ist, der auch bei dieser Gelegenheit mit dem Ansprüche, das Nebel aufrichtig zn beklagen und die Heilung ehrlich zn wünschen, den Finger in die Wunde gelegt hat, wie dies Herr v. Bennigsen bei der zweiten Lesung deö Marineetats gcthan. Schließlich liegt im Freimuth seiner positiv gerichteten gesetzlichen Vertreter die einzige Rettung des Volkes gegen das Verlieren hier in öde Ver neinung, dort in nationalpolitische Verzweiflung. Die „Tägl. Rundschau" hat am Abend des ersten dem Pereinsgesetz im Abgeordnetenhause gewidmeten Tages geschrieben: „Ter 17. Mai dürfte in der Geschichte des preußischen Ab geordnetenhauses ein Gedenkblatt werde»; denn an ihm that sich zwischen der Regierung und einem Theile der nationalen Mehrheit ein Riß auf, der mehr zn bedeuten haben wird als eine augenblick- liche Meinungsverschiedenheit oder die zufällige Opposition gegen eine unbequeme Regierungsvorlage." Das Letztere meinen wir auch, hoffen eS wenigstens. Zwar „Opposition gegen die Negierung" im gewöhnlichen Sinne des Wortes kann eine nationalliberale Partei nicht machen. Sie darf die Reichs- und Staatsverfassung nicht vernichten lassen und kann insbesondere keiner Negierung die Mittel verweigern, deren Bewilligung oder Nichtbewilligungin Deutsch land gewöhnlich den Angelpunkt der politischen Situation bilden: die Mittel für die Vertbeidignng zu Wasser und zn Lande. Was hülfe auch die Erschwerung der Stellung der jetzigen Regierung? Wir wissen keinen Besseren als den Fürsten Hohenlohe, und wenn es, wie nicht zu zweifeln, einen Besseren als Herrn v. d. Recke giebt, so kann er nicht preußischer Minister des Innern werden. Die Opposition wird sich nicht gegen die Minister zu richten haben, sondern gegen daS herrschende Regierungssystem, welches es nicht zuläßt, daß man im Reiche und Preußen Minister im wahren verfassungsmäßigen Sinne des Wortes besitzt. Diese Oppo sition aber wird unvermeidlich. Von ernst zu nehmenden Leuten war die Möglichkeit ins Auge gefaßt worden, daß der Reichstag am 22. d. M., also am gestrigen Tage, geschlossen sein würde. Weit davon entfernt, hat er am 20. noch einen Gesetzentwurf bei sich ein gehen sehen, den über die Verbesserung der Lage der Confectionsarbeiter. Wir begrüßen diese Vorlage um ibres wesentlichen Inhalts willen und politisch. Denn ihre Berathung wird, wie das erste Stadium ihrer Vorbereitung, zeigen, daß der specifische Berliner Radikalismus, der sich für gewöhnlich den Spaß mackt, einseitig gegen Arbeitgeberinteressen aufzutreten — er har zum Theil sogar den Hamburger Hafenstreik wirksam begünstigt — auch anders kann. Warum freilich die Vorlage jetzt noch eingebracht worden ist, ist schwer zu erkennen. Vielleicht hat die märchen hafte Beschlußfähigkeit des Reichstags in der verflossenen Woche zu dem Schritte ermuntert. Aber die war zuerst dem Noth-VereinSgesetz, dann der Margarine zu verdanken und wird in den nächsten Tagen auf demHan dwerkergesetze beruhen, das die Conservativen und das Centrum nicht an ihrem Absentismus erlöschen lassen dürfen. Ist daS und sind die verschiedenen finanziellen Vorlagen erlangt, dann wird das Eonfectionsgesetz den Reichstag gewiß nicht zusammenhalten. Das Handwcrkergesetz bat — in zweiter Lesung — die erste gefährliche Klippe umschifft. Die „fakultative Zwangsinnung" der Regierung ist jetzt angenommen, der Commissionsbeschluß auf Zulassung von durch die Behörden octroyirten Zwangs innungen ist gefallen und zwar mit Hilfe von 30 Centrums- mitglicdern und auf Antrag eines des Zünftleriscbsten unter den Zünftlern, des Herrn Metzner. Also nicht nur die rothe und die goldene, sondern auch die schwarze Inter nationale! Wie werden sich die — Dank dem klerikalen Umfall — fest gebliebenen Conservativen „gläubigen"! Der Commissionsbeschluß für die Zulassung von Innungen, von denen der große Haufen, die in der Regel Gesellen un^ LL z, linge nicht beschäftigenden Meister, ausgeschlossen ist, ist durch gesetzt worden. Heil der conservativ-klerikalen Vorsehung für den „kleinen Mann!" Leuten, die sich überhaupt noch über etwas im heutigen Deutschland zu wundern im Stande sind, fällt es auf, daß die Stelle des Staatssecretairs des Neichspost- amtS heute, sieben Wochen nach dem Tode ihres früheren Inhabers, noch immer unbesetzt ist. Normal ist der Zustand allerdings nicht und in der Sache gelegene Gründe können kaum für seine Aufrechterhaltung ins Gewicht gefallen sein. Auch die Presse kann nicht die Schuld tragen. Sie bat sich, soweit wir sahen, seit Wochen der Bezeichnung von Nachfolgern des Herrn v. Stephan enthalten. Tie socialdemokratischen „localorganisirten Gewerk schaften" Deutschlands haben, wie schon erwähnt, in der vergangenen Woche zu Halle a. S. einen Congreß ab gehalten, über dessen Beschlüsse noch zu sprechen sein wird. Seinen Zweck, den localen Gewerkschaften einen größeren Einfluß in der Partei zu gewinnen, wird er nicht erreichen. Denn trotz der tiefen Perbeuzung, die der Congreß vor der politischen Socialdemokratie machte, traut diese keiner Gewerk schaftsbewegung. Sie fürchtet, um eine dem „Vorwärts" entnommene Wendung zu gebrauchen, „den Weichen Kehricht haufen derGewerkschaftSduselei".HerrLiebknecht hat sich übrigens in diesen Tagen eiue Zurückhaltung aufcrlegt. die ihm sehr hart geworben sein muß. Von dem Baumeister Keßler war in Halle gesagt worden, er halte keineswegs alle Unternehmer für schlechte, verruchte Menschen, und Liebknecht hat zu dieser Versündigung an dem obersten Glaubensartikel proletarischer Religion geschwiegen! Der „Vorwärts" schreibt bekanntlich zu der von der „Sächs. Arbeiterzeitung" gegebenen Anregung einer Betheilig ungder Socialdemokratie an den preußischen Landtags wahlen: „Wir wollen vorläufig nur daran erinnern, daß unsere Partei bei früheren Landtagswahlen in Preußen stets «ine Belheiligung abgelehnt hat und noch auf dem Parteitag zu Köln eine entfpre- chende Resolution angenommen worden ist. Eine Aenderung dieses Beschlusses bedürfte immerhin wohl einer gründlichen Discussion, für die der gegenwärtige Zeitpunkt besonderer Erregung nicht der allergeeignetste zu sein scheint. . Herr Bebel bat dagegen, wie die Berliner „VollSztg." meldet, in einer Versammlung von der Geneigt beit der Socialdemokratie, sich an den nächsten preußischen Landtags wahlen zu betbeiligen, gesprochen. Er Hal aber vorsorglich hinzugcfügt, über diese Frage werde der nächste Parteitag zu befinden haben. Bis dahin wird sich die „besondere Er regung" über das preußische Vereinsgesetz gelegt haben und man wird daher erst recht keinen Anlaß haben, auf die Dresdener Anregung einzugeben. Bemerkenswerth ist cS, daß auch im Jahre 1893 daS Thema von einer außerhalh Preußens befindlichen Stelle, nämlich einem in London leben den „Genoffen", aufs Tapet gebracht worden war. Deutsches Reich. * Leipzig, 22. Mai. Der Verlauf, den die Sitzung der mit der Vorberathung der preußischen VereiuSgesetz- novelle betrauten Commission des Abgeordnetenhauses ge nommen, bat, wie wir hören, Veranlassung gegeben, von der Tagesordnung der am 30. d. M. stattsinkenden General versammlung des Nationalliberalen Vereins für das Königreich Sachsen die Berichterstattung über diesen Gesetzentwurf abzusetzen. Man ist ter Ansicht, daß es nach jenem Verlause genüge, in einer Betrachtung der ge jammten politischen Lage auch auf diesen Vorgang in Preußen und seine Folgen hinzuweisen. X. Berlin, 22. Mai. Von Abgeordneten der meisten Fractionen ist, wie bereits gemeldet, im Reichstage ein Antrag eingebracht worden, der eine Verständigung zwischen Reichstag und Regierung über die Iustiznovelle herbei führen soll. Schon vor einiger Zeit war darüber berichtet und eS war gemeldet worden, daß der Regierung daS Zugeständniß der Besetzung der Strafkammern mit drei Richtern gemacht werden würde, unter der Bedingung, daß die Einstimmigkeit dieser Richter nöthig sein oder daß sie nur über leichtereStraffälleentscheiden sollten. Der letztere Vorschlag ist nun in dem Anträge zum Ausdruck gebracht worden. Drei Richter sollen bei Vergehen und Uebertretungen und bei Rückfallsdelicten, falls diese Delikte nicht an sich schon ein Verbrechen darstellen, als ausreichend angesehen werden. Wir können den Antrag nicht für ganz zweckmäßig basten. Entweder nimmt man an, daß drei Richter überhaupt aus reichend zur Aburtheilung der Strafkammersachen sind — dann ist die Ausscheidung der eigentlichen Verbrechen von der Beurtheilung durch drei Richter überflüssig —, oder man nimmt an, daß drei Richter eine schlechtere Gewähr für die Richtigkeit des Urtheils geben, als fünf Richter, — dann dürfte man nicht nach der Schwere des Strafmaßes, sondern nur nach der Schwere des festzu stellenden ThatbestandeS gehen. ES giebt Vergehen, bei denen der Thatbestand und unter Umständen die Feststellung, ob das unter Anklage gestellte Delict oder vielleicht ein ver wandtes Delict begangen worden ist, nicht immer leicht ist, z. B. bei Betrug und Begünstigung. ES giebt andererseits Verbrechen, bei denen die Feststellung des ThatbestandeS in der Regel sehr leicht ist, wie z. B. bei schwerem Diebstahl im Rück falle. Warum bei dem leichter festzustellenden Delikte fünfRichler und bei dem schwerer sestzustellenden Delikte drei Richter thätig sein sollen, ist nicht abzuseben. Denn von Schwierigkeit ist doch immer nur die Desinirung des Deliktes und die Fest stellung der Schuldfrage; die Feststellung des Strafmaßes aber kann durch drei Richter ebensogut erfolgen, wie durch fünf. Man wird nun einwenden, daß bei Delikten, die mit höheren Strafen belegt sind, größere Cautelen angewendet werden müssen, damit nicht etwa ein Unschuldiger bestraft werde. Das ist aber eine äußerliche Auffassung. Jedenfalls ist die größere Wahr scheinlichkeit vorhanden, daß Diejenigen, denen schwere Delikte zur Last gelegt werden, in der Regel eines besonders großen Schutzes durch das Gesetz weniger würdig sind, als Diejenigen, denen Vergehen oder gar nur Uebertretungen vorgeworfen werden. Ein unbescholtener Mensch wird kaum unter die Anklage des EinbruchSdiebstahleS oder der Erpressung kommen, während er sehr Wohl unter die Anklage der Begünstigung — man denke nur an die bekannte Streitfrage, ob Zeitungs verleger, die die Geldstrafe für Redacteure bezahlen, sich der Begünstigung schuldig machen — oder der Beleidigung einer gesetzgebenden Körperschaft oder der Beleidigung gegen den Landesherrn eines fremden Staates kommen kann. Man wird deshalb wohl zu einer weniger schematischen Scheidung kommen niüssen. Zs Berlin, 22. Mai. Im verflossenen Winter ist in Berlin ein Fortbildungscursus für im Amte stehende Lehrer an Seminaren, höheren Mädchenschulen rc. abgebalten worden. Es besteht die Absicht, den Cursus künftig zu erneuern, und eS dürste sich derselbe Wohl allmählich zu einer ständigen Einrichtung entwickeln. ES liegt kein Grund vor, strebsamen jungen Lehrern die weitere Laufbahn zn erschweren und von ihnen vor dem Eintritt in den Seminardienst den Besuch besonderer Lehranstalten zu fordern, womit ein Aufwand von Zeit und Kosten verbunden sek« würde. In England und Amerika können bemittelte Elementar lehrer auch Universitäten besuchen und dort durch beson^re Prüfungen die verschiedensten Lehrbefähigungen erwerben. Allein das kann für unsere Verhältnisse und namentlich bei der großen Verschiedenheit dessen, was hüben und drßbetz Universität genannt wird, nicht maßgebend sein. Uebriuu»- verhehlen erfahrene Schulmänner in den genannten Liin-rrn sich keineswegs die Mängel der dortigen Lehrerbildung, «ad für angehende Seminarlehrer hat man deshalb die Gründung eigener Fortbildungsschulen in Vorschlag gebracht. In Frankreich ist mit derartigen Anstalten, die man Lcoleg normales superieures nennt, bekanntlich ein Versuch ge macht, der zur Gründung einer solchen für Lehrer j« St. Cloud und einer anderen für Lehrerinnen in Fontenay aux RoseS geführt. Können nun auch so weitgehend^ Einrichtungen bei der Lage unseres Unterrichtsw^WD wie bei unseren allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnissen hier nicht in Frage kommen, so folgt daraus, wie im neuesten „Centralblatt für das Unterrichtswesen" ausgeführt wird, gewiß nicht, daß die Fortbildung der Lehrer überhaupt nicht gefördert werden könnte. Lassen wir das Selbststudium bestehen, so ist es natürlich, daß wir unS nach solchen Er gänzungen umsebcn, die das Bücherstudium vor Einseitigung schützen, neue, größere Anregung gewähren und den geistigen Gesichtskreis erweitern können. Hierbei ist nichts wichtig»», als klare und vielseitige Anschauung, die ein aus schließliches Bücherstudium am wenigsten zu bringen ver mag. Solche Zwecke weisen also von selbst auf die in einer großen Stadt angesammelten Bildungsmittel hin. Gelingt es, diese in irgend einer Weise für die Fortbildung jüngerer Schulmänner nutzbar zu machen, so liegt eS nahe, dann auch an diejenigen pädagogischen Zeit- und Streitfragen unserer Zeit beranzutretcn, von denen die Lehrerkreise lebhaft be wegt werden, nämlich, wie sich die Schule zur Wirthschasts- unb Wohlsahrtskunde, zur Gesundheitslehre, zur Cultur- geschichte zu stellen bat. Auf allen diesen Gebieten streiten die Meinungen noch miteinander und der Kampf rüttelt oft ohne Grund auch an altbewährten Einrichtungen. Daher kann eS geradezu als ein Bedürfniß angesehen werden, daß unter den Schulmännern selbst eine genauere Sachkenntnis verbreitet werde. AuS diesen Erwägungen ergiebt sich die Grundlage wie die Gestaltung des Fortbildungskurses. D. Berlin, 22. Mai. (Privattelegramm.) Der „Nat.-Ztg." wird bestätigt, daß für den Milttatrstrafproceff in München das Verlangen nach einem befonderen obersten Gerichtshof für Bayern nach wie vor geltend gemacht wird. Die dort aufgestellte Deduktion soll dahin gehen, daß im Interesse des Ganzen und auf den Wunsch der übrigen Bundesfürsten ein bayerischer König Wohl auf diesen Sonderanspruch verzichten könnte, ein bloS stellvertretender Inhaber der bayerischen SouverainetätSrechte aber nicht. Für unüberwindlich soll diese Abneigung übrigens nickt gelten, man scheine aber mit der Angelegenheit keine Eile zu haben Feuilleton. Slockade-Dienst. Eine Marine-Orienterinnerung von Christian Benkard. NaLdruck verbot«». „Wie gut haben eS doch die Mariners im Vergleich zu unS!" klagt gegenwärtig so mancher deutsche VaterlandS- vertheidiger. „Bei uns geht da« langweilige Casernenleben ruhig seinen gewohnten Gang, die Blaujacken dagegen sehen die Welt, blockiren Häfen und Inseln, und muckt wer dagegen auf, dann schießen sie ihm mit ihren schweren Geschützen die Bude in Trümmer. Dabei erhalten sie Kriegslöhnung und —" Stimmt, Kamerad, stimmt Alles; dieses Leben auf dem Kriegsfuß hat aber auch etwelche Schattenseiten. Wer bei spielsweise, wie ich, im Sommer 1876 die deutsch-französische Flotlendemonstration vor Saloniki mitmachte, weiß ein Lied davon zu singen. Ueber sieben Wochen lang lagen damals rin deutsches und ein französische« Panzergeschwader, bestrahlt von der Sonne Homer'«, vor der uralten, auch in der Gegenwart wieder vielgenannten Türkenveste, um Sühne zu fordern für den von einem fanatisirten Pöbel an den Ver tretern Deutschlands und Frankreichs verübten Mord. — Ob's nicht riesig interessant war da unten in den türkischen Gewässern? Gewiß, Langweile verspürte Keiner; manzhöre nur selbst mal zu. ...Rhede von Saloniki. Montag früh 5 Uhr: bumm! — Schuß vom Wachtschiff, — Reveille. Ein Kanonenschuß bat sie eingeleitet, dann schmettern die Spiel leute ihr gewohnte« „Seesoldat, Seesoldat, wache doch aus!" durch die Schiffsräume, gleichzeitig beginnen die HerauS- schmeißer ihr Werk, die Stabssergeanten und Feuerwerks maate. Von jetzt ab wird überhaupt nur noch „geschossen", „geschmettert" oder „hinausgeschmissen"; Beispiel: der StabS- sergeant Löwenmaul schießt durch'« Zwischendeck, schmeißt den säumigen Matrosen Wittstock aus der Hängematte und schmettert ihm „wegen Raisonnirens" einen Strafrapport auf. Wie vom Feuer verfolgte Müllerburschen, von denen jeder noch einen gefüllten Mehlsack retten will, so drängen und schieben sich die Matrosen und Heizer, die gepurrten Hängematten geschultert, die steilen Treppen hinauf zum Oberdeck. Wer das Glück hat, seine Last schnell an den Hängemattcnstaner loszuwerden, hat einen kleinen Vorsprung beim Waschen, denn schon erschallen die inhaltsschweren Befehlswort«: „Alle Mann sich, Zeug, Hängematten und Bezüge waschen!" Wie sechshundert Mann es fertig bringen, in der ersten Morgendämmerung und auf dem beschränkten Raume des Verdecks je eine Hängematte, einen Matratzenüberzug und sechs Stücke Zeug in dreiviertel Stunden zu reinigen — nur wer eS am eigenen Leibe erfuhr, vermag eS zu begreifen. Knüffe und Rippenstöße setzt e« dabei zwischen den besten Kameraden, der Freund wird zum Diebe am Freund, indem er ihm hinterrücks Seife, Schrubber oder gar das ohnehin so kargbemessene Süßwassrr wegnimmt. Eine dreiviertcl- stündige Waschzeit, wie sie in normalen Zeiten üblich, giebt e« übrigens heute nicht einmal, denn nach 25 Minuten geht am Kreuztop ein Flaggensignal hock, das allen Geschwader schiffen den Befehl übermittelt: „Ausscheiden mit Zeugwaschen; da» Zeug verstauen!" DaS halbgewaschene, unauSgespülte Zeug? „Dat geiht jo goar nich; dat mut jo kaput gähn, sticksig warn." j „Beide Wachrn Drck abspülen, di« Heizer in die Maschine!" beantwortet der Wachthabende den Einwand. Einen Augenblick lang stutzt die Mannschaft, dann fliegt das nasse Zeug unter die Bank, und beim Teckspülen wird über legt, was wohl heute noch Alles geschehen wird. Die Schiffe machen doch nicht zum Vergnügen Dampf auf, eS muß also unbedingt etwas los sein. Wenn man nur wüßte, was? Aber das ist ja gerade daS Elend beim Blockadedienst, man steht mitten drin in den Ereignissen und weiß doch nicht, was geschieht. Zeitungen verirren sich nur äußerst selten auf ein Kriegsschiff, Neuigkeiten erfährt die Mannschaft meist nur durch die OfficierSburschen, und diese Lügenmäuler dienen grundsätzlich nur mit „Räubergeschichten". Oder sollte es wahr sein, daß der Vati von Saloniki die für den Consul- mord verlangte Genugthuung verweigert und daß die deutschen und französischen Schiffe nach Konstantinopel dampfen sollen, um den Sultan „Moritz" zu lehren? Der Admiralssteward behauptet dies nämlich, während der Bursche deS Commandanten in der Batterie verkündet: Deutschland und Frankreich haben der Türkei den Krieg erklärt und eS gilt zunächst, türkische Schiffe wegzufangen. Noch beim Frühstück wird dcbattirt, welches von diesen beiden Gerüchten wohl wahr sei, da setzt der Befehl: „Alle Mann auf, klar zum Ankerlickten!" dem Politisiren ein jäheü Ziel. Den Mund noch voll Hartbrod und kauend auf Leben und Tod, eilen die Matrosen ans Gangspill, um im Tacte der Musik die Ketten einzuwinden. „Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus", wird leise mitgebrummt, und bei einem gelegentlichen Blick über die Verschanzung ins geheim gemurrt, daß dem „Städtele" nicht ein paar Granaten zum Abschied hinübergelangt werden. Volle sieben Wochen lang wartete man in den sonnedurchglühten Schiffsbäuchen auf die verlangte Bestrafung der Consulmörder, und noch immer streckt da« alte Nest ungestraft sein« wrißr» MinaretS gen Himmel, wie höhnisch-drohend erhobene Zeigefinger. Welch prächtige Ziele für Geschützfeuer wären die, und die alte Citadelle über der Stadt da oben — „Anker ist auf; klar Anker!" rapportirt der erste Ofsicier, die Maschine setzt sich in Bewegung, und von dem übrigen Geschwader gefolgt, dampft daS Admiralschiff langsam in die offene See hinaus. Und die Mannschaft hat nun Rübe? Ach, nein, erst sind noch einige Kleinigkeiten im Courierzug- tempo zu erledigen: Ankerketten, Deckaufklaren, Ruder und Posten verfangen, Geschütz- und Handwaffen putzen, Alle Mann sich umziehen: reines Arbeitszeug! Während deS Umziehens geht es im Zwischendeck noch toller her, als bei der Reveille. In egyptischer Finsterniß stehen dort Mann an Mann und Kleidersack an Kleidersack; die letzten werden von den ersteren ausgeweidet und wieder vollgestopft, bis die StabSwache auf dem Plan erscheint, säumige Umgekleidete hinauözujagen. Echte Hyänen des Schlachtfeldes, suchen die Sergeanten mit Luchsaugen die Wahlstatt ab, sorgfältig jedes Stück Zeug, jeden Schub auf lesend, die während der allgemeinen Häutung zu Boden ge fallen sind. Beim Rapport werden die Sachen ihren Eigen- tbümern zurückgegeben. Preis des Wiedersehens: drei Stunden Strafarbeit. Musterung in Divisionen! DaS reine Arbeitszeug er scheint im Strahle der Morgcnsonne fast blüthenweiß, trotzdem hört man hier und dort von „Schmutzfinken" und noch viel unreinlicheren Thieren reden. Der Admiral verlangt, daß die Mannschaften auf Sr. Majestät Schiffen ebenso schmuck aussehen sollen, wie die Wache vor dem kaiserlichen Palais in Berlin; aber wie dies an Bord zu ermöglichen ist, wo eine dünne Schicht Fett und Kohlenstaub jeden Gegenstand überzieht, ist ihm gleickgiltig. Heute zeigt der Höchstcommandirende übrigen» wenig
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