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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.05.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970524027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897052402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897052402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-24
- Monat1897-05
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Buol hatte etwas Unerhörtes und Unzulässiges beabsichtigt, als er eine Ab stimmung wiederholen lassen wollte. Es ist ganz gut, daß vor Sessionsschluß die Spitze dieses Reichstags noch einmal ebenso geglänzt hat, wie der Reichstag selbst, der in drei Sitzungen beschlußunfähig gewesen ist. Vielleicht haben wir den „Handwerksfreundlichcn" sogar zu viel Ehre augethan, als wir vorgestern die Ansicht aussprachen, sie würden bis zur Erledigung der Handwerkervorlage auLharren. Der „Freisinn. Ztg." zufolge sind in der Nacht zum Sonnabend „etwa 60 Zunstfreunde von Berlin abgerückt". Was nun noch bis zum Schluffe der Session zu Stande kommen soll, ist dem Präsidium jedenfalls ebenso unklar wie dem Hause. Wahrscheinlich werden nur diejenigen Sachen erledigt werden, bei denen kein Interesse vorwaltet, die Anwesenheit einer be schlußfähigen Anzahl von Abgeordneten festzustellen. Tie zweite Beratbung der prcusjischcn Vcreinsgcsctjuovcile wird im Abgeordneteubause erst am Freitag beginnen. In zwischen zieht die „Kreuzzeitung" inmitten allerhand sonstiger Liebenswürdigkeiten den Charakter der national liberalen Partei als einer staatSerbaltenden Partei wegen ihrer Stellungnahme zu der Novelle in Frage. Die „Kreuzzcilung" hätte das klüger unterlassen. Denn woraus geht die Absicht der Nationalliberalen? Sie wollen ein seit nahezu fünfzig Jahren bestehendes Gesetz im Ganzen erhalten. An dem einen der zwei Puncte, wo sie es geändert sehen mochten — Minderjährige — soll daS in der Richtung einer Vermehrung der Machtmittel des Staates vor sich geben, in dem andern Puncte — tz 8 — steht die Partei aus dem Standpunkte der — Negierung. Ist das umstürzlerisch? Umgekehrt würde es in der Tbat keine staatserhaltende Politik sein, die in der Commission beschlossene Verschärfung sammt der von allen Parteien und der Regierung gewünschten Be seitigung des VerbindungS-Verbots, also einer Verbesserung auch im Sinne der Conservativen, abzulehncn. Trotzdem scheint diese Partei dazu entschlossen; sie will den Commissions beschlüssen „unter keinen Umständen" zustimme». Thut das Ccntrum aus entgegengesetzten Gründen daS Gleiche, dann bleibt entweder Alles beim Alten, oder der Bundesrath stimmt der vom Reichstag beschlossenen Aushebung des Verbindungs- Verbotes zu; die Verbesserung entfällt aber jedenfalls. Die „Kreuzztg." hat also keinen Grund, die Nationalliberalen zu schelten, und auch keinen Anlaß, die Frage aufzuwerfen: „WaS ist denn daS Reich ohne Preußen?" Es ist richtig, im Reichstag ist über „Preußen" in unangemessener Weise losgezogen worden, aber nicht von Nationalliberalen, sondern hauptsächlich von solchen Politikern, die auch dem Reiche überhaupt übelwollend oder gleichgiltig gegenüberstehen. Im Uebrigen fühlt die „Kreuzztg." selbst heraus, daß die Unzufriedenheit, die auch nationale Stimmen über „Preußen" äußern, sich nicht gegen den führenden Staat, sondern gegen die ihn zum Tbeil beherrschende Pnttkamerei richtet. Das Blatt schreibt deshalb, man spreche von den angeblich dominirenden Ostelbiern, und doch wisse jedes Kind, daß im Reichstag daS Centrum die ausschlaggebende Partei sei; die Conservativen, auf sich selber angewiesen, hätten nicht einmal im Abgeordnetenhause die Mehrheit. DaS weiß aller dings jedes Kind, aber die politischen Aemter im Osten sind so besetzt und werden so verwaltet, als ob es nur Conservative im Abgeordnetenhause gäbe. Gerade die VereinSuovelle beweist ja, daß man sich in Preußen nur nach den Conscr- vativen richten zu sollen glaubt. Denn die anderen befragten Parteien hatten sie zurückgewiesen und dennoch wurde sie eingebracht. Die „Deuts cheTageSz eit ung" bestreitet unS gegen über, gesagt zu haben, daß ein stilles Bündniß zwischen NationallibcraliSmuS und Locialvcmokratie bestehe. Diese Ableugnung ist eitel Spiegelfechterei. Denn ausdrücklich hatte die „D. TageSztg." behauptet, daß die „nationalliberale ,Berliner Börsenzeitung' um die Stimmen der Socialdemo- kraten für den Kampf gegen die Agrarier bei den Ab- geordnctenhauswahlen geworben" habe, hatte dann die bekannte Auslassung der „Sächs. Arbeiterzeitung" citirl und hierauf wörtlich hinzugesügt: „Nun dürfte einem kleinen Bündniß zwischen dem Börsen liberalismus und der Sociatdemotratie nichts mehr im Wege sieben. Es ist auch gut, daß das offenen Ausdruck findet, was schon längst in der Stille besteht." Hatte die „D. TageSztg." nicht die „Verl. Börs.-Ztg." ein nationalliberales Blatt genannt, so hätte aus dem eben citirten Satze gefolgert werden können, sie wolle lediglich die „Börsenztg." und gewisse hinter ihr stehende Gruppen beschuldigen, längst in der Stille mit der Socialdemokratie ein Bündniß abgeschlossen zu haben, das nun an die Oeffent- lichkeit treten werde. Aber die Bezeichnung der „Berliner Börsenzeitung" als nationalliberales Blatt zeigte deutlich, daß die „D. Tagesztg." der nationalliberalen Partei die Bezeichnung „Börsenliberalismus" anhängen wollte, um sie mit einem Anscheine des Rechtes beschuldigen zu können, sie stehe mit der Socialdemokratie in einem geheimen Bunde, der demnächst auch seinen offenen Ausdruck finden werde. Wir haben also von unsrem Urtheile über die Absicht, welche die „D. Tagesztg." gegen die nationalliberale Partei verfolgte, nichts zurückzunehmen, glauben auch kaum, daß das Blatt bei seiner Beschwerde über unser „Fälscherkunststückchen" von dem guten Willen beseelt sei, den Beweis zu liefern, daß cs keineswegs den Nationalliberalismus habe verdächtigen, son dern lediglich mit dem sog. BLrscnliberaliSmuö der „Berl. Börsenztg." sich habe auseinander wollen. Am meisten scheint es der „D. Tagesztg." darauf anzukommen, festzustellen, daß sie vollkommen selbstständig ist und Herr v. Plötz für ihre Artikel nicht verantwortlich gemacht werden kann. Wir ver zeichnen dies hiermit zur Ehre des Herrn v. Plötz. Der belgische Kriegsminister Vandenbeereboom hat endlich einmal bezüglich des Verhältnisses zwischen Belgien und dem Eougostaat ein offenes Wort gesprochen. Der klerikale Abgeordnete Colfo hatte in der Deputirtenkammer gerügt, daß die »ach dem Congo gehenden belgischen Officiere ihre Gehälter, sogar die Futtergelder aus der belgischen Staatscasse weiter beziehen; es sei an der Zeit, diese „verstärkten Zuschüße für den Congo" einzuziehen. Der KriegSministcr erwiderte, daß alle nach dem Congo gehenden Officiere in der belgischen Armee ver bleiben, um ihre Rechte auf Pension und Beförderung nicht zu verlieren. Für die Armee sei es vonheilhaft, daß sie in Afrika bewährte Officiere besitzt. Bis heute hatten die Minister stets erklärt, daß Belgien mit dem „ausländischen" Congostaate nichts gemein habe, daß die nach dem Congo gehenden Officiere aus der belgischen Armee ausschciden. So ost Deutschland und England über die Gewaltthaten congostaatlicher Officiere sich in Brüssel be- schwerden und diese für daS neutrale Belgien peinlichen Conflicte in der Kammer erörtert wurden, erklärte die Negierung stets, diese Sache sei für Belgien bedeutungslos, da diese Officiere nur im congostaatlichen Dienste ständen und zur belgischen Armee nicht mehr gehörten. Und jetzt wird zu gegeben, daß das Alles eitel Flunkerei ist. Die congostaatlichen Officiere sind belgische Osficicre, die der belgische Staat besoldet. Die belgische Presse protestirt gegen diese ebenso incorrecte wie für das neutrale Belgien gefahrvolle Sachlage. Der katholische „Patriote" greift bas Ministerium auf das Schärfste an und sucht nachznweisen, daß die Armee selbst keinerlei Vortheile aus dem Congodienst zieht. Diejenigen Officiere, die überhaupt nach Belgien heimkehren, sind körperlich schwach, erhalten Sinccnren und treiben sogar Handel. In der Armee herrscht über die unberechtigten Bevorzugungen der nach dem Congo gebenden Officiere eine hochgradige Erbitterung. „Der Wille dcS Königs, des Congo-SouverainS, so schreibt das sonst strengministerielle Blatt, ist Gesetz und allein maßgebend. Eine solche Lage ist unhaltbar, und eS ist ärgerlich, daß die Regierung nicht dem Könige begreiflich macht, daß es im Interesse der Monarchie liegt, darauf zu verzichten. Und was soll man von der Deputirtenkammer sagen, die über solche Mißbräuche schweigt?" Die Lage im Orient entwickelt sich mit einer Langsam keit, welche hin und wieder schon den Argwohn entstehen läßt, daß Europa noch keineswegs am Ende der Verwicke lungen auf der Balkanhalbinsel angelangt sein dürfte. In Konstantinopel soll die Haltung Bulgariens und Serbiens Mißbehagen erwecken, während von Len Staaten, deren Herrscher verwandschaftliche Beziehungen zu dem griechischen Königshause pflegen, in Athen mit besonderem Nachdruck auf das Risico hingewiesen wird, welches Griechenland laufen würde, wenn es leichtsinnig genug sein sollte, die Dynastie über Bord zu werfen. Was über den demoralisirten Zustand des Heeres ver lautet, klingt in der That trostlos genug, um die Mög lichkeit eines militairischen PronunziamientoS mit anti dynastischer Spitze in Rechnung zu stellen. Daß die Pforte im Princip einer Ermäßigung ihrer Bedingungen geneigt ist, wird durch eine Meldung aus Konstantinopel zwar bestätigt, aber freilich mit einschränkenden Bemerkungen, die dem Zweifel Raum übrig lassen, ob die Concessionen, zu denen man sich türkischerseits bequemt, sich nicht doch noch weit über demjenigen Niveau halten, welches Europa dem Sieger als Maximum bewilligen will. Complicirt wird die Lage noch dadurch, daß selbst die von den Mächten vorgenommenen Reducirungen der griechischen Regierung nicht genügen. Sie will sich zu gar nichts verstehen, weder zu einer Kriegs entschädigung noch zu einer Grenzregulirunz. Die „Hamb. Nachr." und die „Köln. Ztg." rathen, wenn Griechenland sich nicht dem Willen der Mächte füge, dann möge man es den Türken überlassen, allein mit Griechenland fertig zu werden. Die Pforte, meint daS erstgenannte Blatt, habe zur Zeit alle Trümpfe in der Hand und der stärkste sei die Thatsacke, daß ihre Unterwerfung unter den Willen der Mächte nicht er zwungen werden könne, weil die Mächte über diesem Be ginnen alsbald mit einander in Zwist gerathen würden. DaS wisse die Pforte und dürfte sich darnach einrichten. Das Hamburger Blatt vergißt dabei aber, daß die drei Kaisermächte fest entschlossen sind, ihren auf Erhaltung de» Status qnc» abzielenden Willen dnrchzusetzen. Namentlich iit Petersburg beabsichtigt man — und zwar nickt lediglich aus dynastischen Rücksichten — einen starken Druck auf die Pforte auszuüben. Deren Bestreben geht augenblicklich — dafür sprechen die immer noch fortgesetzten bedeutenden RüstungM in allen Tbeilen LeS Reicks — sich von der Vormund schaft Europas völlig frei zu machen. Nach dem Friedensschlüsse soll ein ausführliches Reformprogramm zur Durchführung gelangen, durch welches, wie der Sultan hofft, „gewissen Mächten jeder Vorwand zu neuer Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei genommen werden soll", d. h. der Sultan wird einige gering fügige Reformen „decretiren" und wenn die Mächte damit nicht zufrieden sind, erklären, daß er nicht mehr thun könne und wolle. Ob er damit Glück haben wird, bezweifeln wir vorläufig noch. Alle Mächte sind iu puncto Friedens bedingungen gegen die Pforte und sollte England, was wir schon neulich als möglich bezeichneten, eine Schwenkung machen, so wird es wieder gänzlich isolirt sein und der Sultan hätte dann daS gesamnue übrige Europa in voller Einigkeit gegen sich. Auch darf man sich durch die enormen türkischen Rüstungen nicht allzusehr imponiren lassen. Sie währen nur so lauge, als die Pforte Geld genug hat, die Truppen auf den Beinen zu erhalten, und ihre Mittel dürften sehr bald erschöpft sein. Die Königin Nanavalona von Madagaskar soll nun nach den neuesten Nachrichten doch zur römischen Kirche übergetrelen sein. Ein Wunder wäre es wirk lich nicht, wenn sie schließlich mürbe geworden wäre. Bei demVernichtungSkriege, welchen dieIesuiten aufMadagaScar gegen den Protestantismus führen, hatte man es längst auf sie abgesehen. Fortwährend wurde sie von den katholischen Schwestern und von dem Bischof Cazet bearbeitet; sie sollte und mußte merken, wie beliebt sie sich bei den Franzosen machen würde, wenn sie von Zeit zu Zeit die Messe besuchte. Noch einmal versuchte Ranavalona im vergangenen Herbst sich frei zu macken, sie ernannte den französischen Pastor Eskande, einen Abgesandten der Pariser evangelischen MissionSgescllschaft, zu ihrem Hofprediger. Leider verstand dieser noch wenig von der Landessprache und konnte mit ihr nur durch einen katholischen Dolmetscher verkehren; Überdies mußte er für jeden Besuch bei der Königin sich erst 48 Stunden vorher die Erlaubniß auf der Generalresidentur erbitten, während der Bischof 4—5 mal in der Woche ungehinderten Zutritt hatte. Als alle diese Künste nicht halfen, wurde endlich Gewalt gebraucht und die Königin am 28. Februar d.J. nach Reunion in die Verbannung geschickt. Man scheint dort das Mittel gefunden zu haben, ihren Widerstand zu brechen. Der französische Colonialminister erklärte zwar auf die Frage, ob die Königin ihres Protestantismus wegen verbannt sei, das sei jedenfalls der Grund nicht, er sei selbst von der Nachricht überrascht. Indessen weiß man doch recht gut, wie die Sachen stehen. Der Minister theilte mit, die Königin habe dem General Gallieni angeboten, sie wolle katholisch werden, Lieser habe ihr aber geantwortet, das sei ihm einerlei, sie habe Loch keinen Einfluß mebr. Diese Antwort aus dem Munde eines Gouverneurs, welcher angewiesen ist, Religions freiheit zu halten, klingt doch sonderbar. Die Königin mußte doch nun denken: Wenn ich noch etwas zu bedeuten hätte, so würde es dem Gouverneur allerdings lieber sein, wenn ich römisch würde. Sonderbar ist eS auch, daß man die Königin verbannt, wenn sie doch nichts mehr zu bedeuten Zwei Frauen. 11j Roman von F. Marion-Crawford. Nachdruck »erbeten. „Hübsch gemacht, alter Bursche", sagte Greif, auf ihn zugebend. „Gefällt Ibnen meine Art zu feckten?" fragte Höllenstein mit kindlichem Lächeln. „Ich übte sie Len ganzen Sommer. Eine Maß Bier, kleiner Fuchs." Greif wendete sich zu Rex, ans dessen Nase eben die eiserne Brille befestigt wurde. Alle die anwesenden Schwaben hatten sich um ihn versammelt, außer dem Secundanten, der in einsamer Glorie bei seinem Bier saß und mit alberner Gleich giltigkeit der Dinge wartete, die da kommen sollten. „Nehmen Sie sich in Acht!" flüsterte Greif dem Freunde in« Ohr. „Ich habe Sie noch niemals fechten sehen und Bauer ist ein Schläger von Ruf." „Vergessen Sie daS große Trinkhorn nicht!" rief einer der Studenten, die ibn umringten. „Ich werde es nicht vergessen", lachte Rex, die mit dem gepolsterten Handschuh bekleidete Hand ausstreckend, um die innere Fläche mit Kreide einreiben zu lassen. „Und ich hoffe, auch Sir werden sich Ihres Versprechen- erinnern." „Wollen Sie nicht einen Cognac nehmen", fragte ein Schwabe in einem kaum merkbaren Ton der Ironie. „Mein Freund", erwiderte Rex, ihn scharf ansehend, „genau fünfzehn Minuten nach dem Worte „loS" werde ich eine Flasche Champagner mit Ibnen trinken, und ich würde Ihnen sehr verbunden sein, wenn Sie den Kellner aufsorderten, den Wein gleich auf Eis zu legen, da er in so kurzer Zeit kaum kalt genug sein wird." „Gern", erwiderte brr Student mit einem trockenen Lachen. Greif's Gesicht war ernst und er selbst wählte da- Rappier für Rex. Alles war bereit und die Gegner standen an ihren Plätzen. Bauer bot einen häßlichen Anblick. Die eiserne Schutzbrille gab seinem gelben Gesicht einen unheimlichen Ausdruck. Er hieb mit seiner scharfen Klinge drei oder vier Mal zischend durch die Luft und stampfte ungeduldig mit dem Fuße auf den Marmorboden. Der Unparteiische erklärte, daß daS Duell zwischen Herrn Bauer von den Rhenanen und Herrn Rex stattfinde, der mit den Waffen der Schwaben fechte. „Früher von den Heidelberger Saxo-Boruffen", bemerkte Rex ruhig. Alle fuhren auf und sahen ibn an, als sie den Namen des berühmtesten Corps in Deutschland nennen hörten. „Chargirter?" erkundigte sich der Unparteiische höflich, den Bleistift in der Hand, um diese Thatsache in seinem Notizbuche zu vermerken. „Erster", antwortete Rex lakonisch. Die Studenten blickten einander an und wunderten sich, wie eS möglich war, daß eine so bedeutende Persönlichkeit, wie der erste Chargirte der Heidelberger Saxo-Boruffen, seine Identität so lange verborgen haben konnte. „Paukanten parat?" fragte der Unparteiische. „Parat!" Die Zuschauer folgten dem Kampfe mit ungetheiltem Interesse. Anfangs schien Rex seinem Gegner nicht gewachsen, bald aber fühlte Greif sich über diesen Punct beruhigt, obgleich Bauer mit wüthender Energie focht und seine vielerprobte Geschicklichkeit zu voller Geltung brachte. Zuletzt sauste seine Klinge mit der Schnelligkeit des Blitzes auf Rex' unbeschützte Wange nieder, aber rum Erstaunen Aller hatte der H eb keine Wirkung gehabt, Rex den Angriff parirt und war oem Gegner mit jeinem Rappier von der Stirn bis zum Kinn über daS Gesicht gefahren. „Die saß!" rief der Secundant mechanisch, aber statt seine stumpfe Klinge zu senken, starrte er mit offenem Munde auf den unglücklichen Bauer, al« wollte er seinen Augen nicht trauen. Der Chirurg eilte herzu, prüfte die Wunde und nickte dem Unparteiischen zu. „Rhenania ist abgeführt!" ries der Unparteiische inmitten einer lautlosen Stille. E« wäre dem Brauch und der Etikette zuwider gewesen, wenn die Schwaben ihrer Befriedigung über diesen AuSgang in lärmender Weise bekundet hallen, aber al« Rex sich zurückzog, wurde er von Greif'- Kameraden umringt, die ihm sein Rappirr abnahmen, die Riemen und Schnallen seines Wammse« lösten und ihn seiner ganzen KampfeS- rüstung entkleideten, ehe sie ihn zu Atbcm kommen ließen. Einer der Studenten hielt dem Sieger ein GlaS Champagner an die Lippen. „Ihre Gesundheit!" sagte Rex, das GlaS leerend. Greif betrachtete den Freund mit unverhohlener Be friedigung. Er konnte auf einen Blick sehen, daß Rex' Stellung zum CorpS völlig verändert war und er hinfort beinahe ebenso beliebt sein würde wie er selbst. Für den Augenblick war eine Unterhaltung unmöglich. Einige der Füchse Greif's sollten zum ersten Male loSgehen, und es war nöthig, sie zu ermuthigen. Die Schwaben waren an diesem Tage im Glück, denn die beiden jungen Leute machten ihre Sache sehr gut. Greif's Corps hatte nichts mehr zu thun, denn aus seiner Liste waren keine weiteren Duelle verzeichnet und da keiner von ihnen eine Wunde davongetrageu batte, rüsteten sie sich, die folgenden Kämpfe bei einem Glase Bier zu beobachten. Es war fünf Uhr Morgens. DaS GaS brannte unausgesetzt weiter, und die Waffengänge nahmen ihren regelmäßigen und schnellen Verlauf. Von Zeil zu Zeit wuschen die Corpsdiener den blutbedeckten Marmorboden und bestreuten ihn mit frischen Sägespänen. Der Wund arzt und die Verwundeten wurden durch die hochragenden Pflanzen den Blicken entzogen und nichts Unangenehmes be gegnete dem Auge. Das Funkeln der blitzenden Stahl klingeln in dem gelben Gaslicht, die Hellen Farben der Mützen, die schnellen Bewegungen der Kämpfer und der Secundanten, und im Hintergründe die prächtigen Gruppen exotischer Pflanzen, die dem Saal das Aussehen eines Treib hauses gaben, boten ein sehr freundliches Bild. Greif wünschte beinahe, daß dieses die letzte derartige Scene sein möchte, an der er sich brtheiligte, und, daß er den Eindruck immer festhalten möchte, wenn er sich seiner UniversitätSzeit erinnerte. Ein Gefühl tiefer Befriedigung senkte sich in seine Seele. Sein CorpS war siegreich ge wesen, sein bester Freund hatte sich in hohem Grade aus gezeichnet, die gute Meinung gerechtfertigt, die er von ihm gehabt und in zehn Minuten die Hochachtung und Bewun derung aller seiner Kameraden gewonnen. Rex beobachtete ihn schweigend, als ob er versuchte, seine Gedanken zu errathen. „Ja, Sie sind ein glücklicher Mensch", sagte er endlich, wie gewöhnlich daS Richtige treffend. Die Worte durchfröstelten Greif und der Ausdruck seiner Züge veränderte sich. Inmitten der Befriedigung über den Sieg und der Aufregung über andere Kämpfe stieg die Erinnerung an seine Heimath im Schwarzwalde wie ein finsterer Schatten vor ihm auf. Seine Gedanken kehrten zu jenem Abend zurück, an dem Rex' Voraussagung sich so plötzlich erfüllt batte, und in einem Augenblick ver gegenwärtigte er sich, daß Rex erst noch am Abend zuvor Kreise gezeichnet und seltsame Zahlengruppen an dem kleinen Marmortisch geschrieben, als Bauer sich ihnen ge nähert hatte. „Sie wußten es auS Ihrer Berechnung", sagte er mit leiser Stimme zu seinem Freunde, „daS war der Grund Ihrer Zuversichtlichkeit." „Ja, natürlich", erwiderte Rex ruhig. „Es ist wahr, Sie sind ein Schläger ersten Ranges", bemerkte Greif. „Nichts Besonderes. Bauer hatte von vornherein keine Aussicht, namentlich da die Angelegenheit so bald erledigt wurde, nachdem die Frage gestellt war." „Welche Frage?" „Die Frage, die ich stellte, als ich meine Berechnung begann." Greif schwieg. Er konnte sich nicht zu dem Glauben an eine Wissenschaft bekehren, die er als eine trügerische betrachtete und er konnte den Glauben an solche Thorbeiten nicht mit der unzweifelhaften Thatsache in Einklang bringen, daß Rex ein sehr aufgeklärter Mann und in seinem Fache außerordentlich gelehrt war, auch altmodische Vorurtheile und Auffassungen verachtete. Daß solch ein Mensch Vertrauen zur Astrologie haben sollte, schien ihm eine ungeheuerliche Ungereimtheit. Und dennoch hegte Rex nicht nur Vertrauen zu dem, was er vorauszusagen vorgab, sondern er war be reit, sich aus Grund seiner Prophezeiungen ernsten persön lichen Gefahren ausrusetzen. Ein unwiderstehlicher Wunsch überkam ihn, zu wissen, was Rex an jenem denkwürdigen Abend, der ihm die Nachricht von der beabsichtigten Heimkehr Rieseneck'S brachte, in seinen Berechnungen gesehen hatte. „Wir haben in jüngster Zeit nicht von diesen Dingen ge sprochen", sagte er nach einer Pause. „Wollen Sie mir nicht mittheilen, was mir nach Ihrer Theorie zustoßeu muß?" „Es giebt Dinge, über die eS am besten ist, gar nicht zu sprechen", erwiderte Rex, seinen Gefährten ernst ansehend. „Steht eS so schlimm?" fragte Greif mit einem Versuch zu lachen. „ES steht so schlimm, mein Freund, und da Alles ohne Ihre Schuld geschehen wird, und da nichts, was Sie tbun könnten, es zu verhindern vermag, ist eS besser, daß Sie nichts wissen." „So wollen Sie e« mir nicht sagen?" „Nein, wofern Sie nicht daraus bestehen, und da werden Sie nicht."
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