Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.05.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970525019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897052501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897052501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-25
- Monat1897-05
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«Sil. »0. »v. t.0. t.0. l.0. »0. i.0. l.o. »o. M.0p.b4 W.LvLI I. 0. i. v. i.cv^W us,so» »eu- S2,bOS. ,lv». l1M,7bS. «Ä«r— Bezugs-Preis 1« der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- yabrstrllen abgeholt: vierteljährlich4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Lau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S.—. Direkte tägliche Arenzdandirndung in- Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ve-artio« «u- Lrveditio«: JOhaunesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Lttn Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinum) Lo»i- Lüsche. Datharinenstr. 14, Port, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. KiWM.TllgMatt Anzeiger. Amtsölatt -es Königlichen Land- im- Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedaction»srrich (4a«- spalten) LO^z, vor den Familirnnachrichte» (8 gespalten) 40^. Brüßere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tartj. Gxtr«-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgab«, ohne Postbefürderuug ^tl Sv.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Armahrurschluß fiir Anzeizeu: Abiud-Au-gabr: Vormittag» 10 Uhr. Margeu-Au»gabe: Nachmittag» »Uhr. Lat den Filiale« und Annahmestelle» ja »in» halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 283. Dienstag den 25. Mai 1897. 91. Jahrgang. Eine Verteidigung des gegenwärtigensran)ösischen Steuersystems. 0. Pari», 23. Mai. Man weiß, daß die französischen Radikalen die Einführung der progressiven Einkommensteuer auf ihr Banner ge schrieben haben, und daß umgekehrt die Conservativen, die Oppor tunisten und der größte Theil der gemäßigten Republikaner mit großer Zähigkeit an dem bisherigen Steuersystem festhalten, da» eine Einkommensteuer überhaupt nicht kennt. Diese Streitfrage, die bereits bei den letzten Senatswahlen eine wichtige Rolle gespielt hat, wird im Mittelpunkte der nächsten Wahlschlacht jiir die Deputirtenkammer stehen. Es ist unter diesen Um ständen interessant, einmal die Argumente eines der Anhänger deS alten Systems ins Auge zu fasten. Der Natioualökonom Renöe Stourm hat soeben m der „Revue de Paris" eine Studie erscheinen lassen, in der er mit Wärme, fast mit Be geisterung die Vorzüge dieses Systems zu beweisen sucht. Die Gegner des französischen Steuersystems, so führt er auS, führen hauptsächlich zwei Gründe in» Feld: 1) eS ist veraltet; 2) eS ist ungerecht. Nun kann man aber unmöglich elwaS verdammen, nur weil eS schon seit langer Zeit besteht. Der erste Grund ist also nichtig und wir haben un- nur mit dem zweiten zu befassen. Das Budget deS französischen Staate- beziffert sich aus 3393 Millionen Francs. Zieht man davon die Einnahmen aus der Postvcrwaltung, der StaatSbalmen, der Domainen und Forsten rc. ab, so bleiben 2944 Millionen Francs. Von Liesen werden gedeckt: durch direkte Steuern 514 Millionen, durch indirekte Steuern 2047 - durch Monopole 446 - Von den beiden letzteren Posten, um die eS sich hier allein handelt, sind aber wieder 778 Millionen abzustreicheu, die von den I)roit8 ä'bmrexistreweut, cke Llutatious, cko limbrv oder von den Abgaben herrühren, die von allen Einkünften auS beweglichen Werthen, mit Ausnahme der Staatsrente, erhoben werden. Denn hier, wo cs sich um die Uebertragung von Gütern durch Verkauf, Tausch und Miethe ober durch Schentul.g und Erbschaft, um Versicherungspolicen, nm^Con- tracte rc. handelt, bei denen die Abgaben streng proportionell geregelt sind, kann von Ungerechtigkeit nicht die Rede sein. Diele indirekten Steuern kommen den direkten sehr nahe. ES bleiben also rund 4650 Millionen. Räumen wir einmal dem Verfasser dies Alles ein. Aber nun fährt er fort: „Vieles wie der Alkohol, der Tabak, die Spielkarten rc. verdiente keine Beachtung. Was diese Artikel anbetrifft, so ist die einzige Grenze für den FiscuS die com- mercielle Grenze des größten Ergebnisses dieser Sorten un gesunder oder überflüssiger Verbrauchsartikel." Ganz so einfach liegt die Sache doch Wohl nicht. Der Herr Verfasser ist vielleicht Nichtraucher, aber er kann unmöglich leugnen, daß der Tabak für einen großen Theil des Volkes mehr als ein „Luxusartikel" geworden ist. Und gerade hier ist die Ungerechtigkeit groß. Entweder der Arbeiter raucht ein gerader» gesundheitsschädliches Kraut oder er muß für seinen Petit Caporal, den alle Welt raucht, genau ebensoviel wie sein Arbeitgeber bezahlen. Aber gestehen wir auch dies Alle dem Verfasser zu und ziehen wir noch einmal 657 Millionen ab. ES bleibt dann immer noch rund eine Milliarde für die notbwendigsten Dinge wie die gesunden Getränke, Wein und Bier, Salz, Brot, Fleisch, Hücker, Kaffee, Be leuchtungsmaterial, Oel, Essig, Streichhölzer rc. Wie nun weiter? Da hilft sich der Verfasser mit einer sehr kühnen Be trachtung. Er meint, daß, wenn man den über den Durst getrunkenen Wein, den in den Kneipen auSgeschänkten Kaffee, den Zucker in den Leckereien, dre unnütz verschwendeten Streichhölzer rc. abzöge, man getrost noch eine halbe Milliarde auSscheiden könne. Also die Hälfte alle» Dessen, wa- da» Volk verzehrt, ist überflüssig! In der Thal sehr kühn! Ferner hält er die Ungerechtigkeit beim Salz, beim Oel, beim Essig, bei den Streichhölzern für nicht jo groß, daß man die Steuern nicht recht gut beibehalteu konnte. Ueber die Zölle ließe sich auch streiten; denn diese kämen der pro- ducirenden Bevölkerung doch zu gute, und endlich müßten die Reichen doch die Nahrung für ihre Dienstboten bezahlen. Auf diese Weis« kommt der Verfasser zu dem Ergebniß, daß die Summe der Abgaben, bei denen wirklich eine Un gerechtigkeit vorliegt, gegenüber der Gesammtsumme ver schwindend klein ist. DaS große Ganze ist herrlich und functionirt prachtvoll. „Diese verhältnißmäßige Vollkommenheit der Gesammtheit des Steuersystem» rührt besonder- von seinem Alter her, seinem Alter, da» erlaubt hat, eS auS- zubefsern und zu befestigen durch wiederholte emsige Arbeit." Wir erlauben unS hier die Bemerkung, daß, ebenso wenig wie ein Gesetz schlecht zu sein braucht, weil eS alt ist, eS durchaus gut sein muß, weil man tüchtig daran herumgeflickt bat. Den Schluß der Abhandlung bildet eine Warnung vor allen radicalen Bestrebungen; denn sie hinderten nur an der Verbesserung. Man bessere nicht ein Hau- auS, da- dem nächst abgerissen werden solle. AuS unserer Darstellung geht zur Genüge hervor, daß der Bau deS Herrn Stourm etwas wacklig ist. Er ist aber nicht nur wacklig, er ist von Grund auS verkehr* aufgeführt. Die Radicalen wollen nämlich gar nicht, wie dcc Verfasser glauben machen möchte, daS ganze System umwerfen, sondern nur die Ungerechtigkeiten ausgleichen. Diese sind aber viel, viel größer, als der Verfasser meint. Vor Allem aber ist es falsch, von den Staatssteuern allein auszugehen. Die Reform muß Staats-, Departements- und Gemeindesteuern gleichzeitig umfassen. Lassen wir die Zölle außer Acht; Schutzzoll oder Frei handel ist eine Frage für sich. Sehen wir auch von der Grundsteuer ab, die von Manchen für reformbedürftig erklärt wird, dann bleiben auf der einen Seite unter den bisherigen directen Steuern die Miethsteuer und die Thür- und Fen st er steuer, die (4894) zusammen 447 Millionen einbringen und die nur nach dem Scheine, nicht nach dem wirklichen Vermögen des Steuerzahlers erhoben werden. Ein Kauf mann, der mit Frau und Kindern eine Wohnung von 2000 Francs Miethe bewohnt, zahlt etwa 200 FrcS. Steuern dieser Kategorien, sein Compagnon, der al- Junggeselle sich mit zwei Zimmern begnügt, nichts oder so gut wie nichts. Daß diese Vertbeilung ungerecht ist, liegt auf der Hand. Auf der anderen Seite, der der indirekten Steuern, bleiben dir Abgaben auf die gewöhnlichsten BerbrauchSartikel, die die Armen ebenso belasten wie die Reichen. DaS sind, wenn wir vom Tabak absehen: die Getränkesteuer. . . Ertrag 454,8 Millionen die Zuckersteuer. ... - 494,5 - die Salzsteuer .... - 32 - da- Streichhölzermonopol - 27 « die Octroi- der Städte . - 347 - 4022,3 Millionen DaS ergiebt, mit den obigen 447 Millionen zusammen, die hübsche Summe von rund 4170 Millionen Francs. Glaubt der Verfasser, diese ungeheure Summe durch bloße- AuSflicken deS Bestehenden auS der Welt schaffen zu können? Allerdings wird man auch durch die Einkommensteuer nicht die ganze Summe aufbringen können. In Sacbsen betrug 1893 die StaatSeinkommeusteuer 7*/, auf den Kopf der Bevölkerung. Dazu kommt aber noch die Ge meindesteuer. Man wird in dem reichen Frankreich auf 6—800 Millionen Franc- bei einer Bevölkerung von 40 Millionen rechnen können. Einige der alten Steuern wird man beibehalten müssen (z. B. auf den Alkohol da- Salz, eine mäßige Zuckersteuer), aber den größten Theil der Ungerechtigkeiten kann man auö der Welt schaffen. Durch indirecte Steuern wird man in Frankreich über haupt nicht mehr viel erreichen können. Wagen, Pferde, Hunde, BicycleS, Billard- sind bereit- versteuert. Der Bogen ist schon so straff gespannt, daß er nächsten» zu zerspringen droht. Bezeichnend dafür sind zwei neueste Vor kommnisse. Die Spielkarten brachten eine Stempeleinnahme von 2^/« Millionen. Warum die Steuer nicht verdoppeln, dachte man, dann bringt sie auch da- doppelte ein. Allein die Mehr einnahme betrug rund eine Viertelmillion oder kaum 40 Proc.; d. h. der Verbrauch hatte sich in einem Jahre fast um die Hälfte vermindert. Die andere Sache betrifft die Stadt Paris. Dort waren die Stadtväter auf die weise Idee gekommen, die Tafeln der Versicherungsgesellschaften an den Häusern mit je sechs Franken zu besteuern. ES handelte sich nur darum, wer sie bezahlen sollte, die Gesellschaften oder die Hausbesitzer. Da fanden die Gesellschaften einen einfachen Ausweg: sie baten die Hausbesitzer, die Tafeln schleunigst entfernen zu lassen. Seitdem sieht man an sämmtlichen Häusern von Paris merkwürdige Flecke und das Ergebniß der neuen Steuer für die Stadt war: 2000 Francs Unkosten für Enqußten und Schreibereien. Daß die Einkommensteuer in Frankreich über kurz oder lang eingeführt werden wird, ist unzweifelhaft. Der Aufsatz de- Herrn Stourm aber ist eia interessante- Zeugniß dafür, mit welchen Spitzfindigkeiten die wohlhabende Classe das Land und sich zu beruhigen sucht, um den unangehmen Zeit punct, wo sie tiefer als bisher in ihren Säckel greifen muß, möglichst weit hinauSzuschieben. Deutsches Reich. Q Berlin, 24. Mai. Die „Berl. Börsenzeitung" ver- zeichnet daS Umlaufen von Gerüchten über politische Miaisterkrisen und berichtet dann weiter: „Nicht im Zusammenhang damit scheint die Nachricht zu stehen, daß Minister vr. v. Miquel krankheitshalber das Bedürfniß empfindet, sich von den Bürden deS Amtes zu entlasten. Wir wissen auS guter Quelle, daß vr. v. Miquel schon zu Beginn diese- Jahre- von den Aerzten vor die Entscheidung gestellt war, entweder einen langen Urlaub sofort anzutreten oder nach Schluß der Session ganz auszuspannen." Wir glauben die Quelle der „B. B." zu kennen und haben Anlaß zu der Vermuthung, daß sie in Bezug auf die Er- holuugSdedürftigkeit deS Fioanzministers wohlunterrichtet sei. Herr v. Miquel hat sich die Jahre her ungeheure Anstrengungen auserlegt, dabei den dringenden ärztlichen Rath, regelmäßige Erholungspausen eintreten zu lassen, so gut wie ganz in den Wind geschlagen und damit selbst einer fast beispiellosen ArbeilSkraft, wie die des aller dings schon im neunundsechzigsten Lebensjahre stehenden Minister» ist, zu viel zugemuthet. Ob er aber nicht auch jetzt noch eine Wahl zwischen Rücktritt und langem Urlaub erwägt, bleibe dahingestellt. Daß ein anderer Personenwechsel mit Bestimmtheit erwartet wird, versteht sich beinahe von selbst. Er würde nicht als im unmittelbaren Zusammen hang mit der Angelegenheit der Vereinsgesetznovelle stehend angesehen werden müssen, einer Angelegenheit, die vielmehr die Stellung der an ihr zunächst betheiligten Minister vielleicht bi- auf Weiteres unberührt läßt. Herrn von Boetticher ist gewiß keine Initiative bei der Einbringung deS Vereinsgesctzes zugefallen, und er hat andererseits die Action der preußischen Regierung im Reichstag so gut vertbeidigt, als cS eben ging und wie eS ein Anderer gewiß nicht hätte besser machen können. Da gegen hat Herr v. Boetticher versagt gegenüber einer Kritik der allgemeinen Lage, zu der die Relchstagsdebat jU'er das Noth-Vereinsgesetz von nahezu allen Seiten, selbst von frei- conservativer, benutzt worden ist. Was da gesagt wurde, mußte von einem Minister mit Nachdruck zurückgewiesen werden Herr v. Boetticher war aber, wo er überhaupt abwehrt, schwächlich, und bas Stärkste ließ er ganz und gar widerstandst,.', über die Zielscheibe der oppositionellen Redner ergehen. Der Verzicht selbst auf den Versuch, als Anwalt der obersten Stelle aufzutreten, ist entscheidend. Wäre dieser Grund aber nicht vorhanden, so müßte die Ergebung, mit welcher er sich selbst als Minister geradezu politisch mißhandeln ließ, sein Ver bleiben im Amte unmöglich machen. Das liegt so klar zu Tage, daß eS ganz uud gar unnöthig ist, hinter einer Berliner tte». »tt» «x;. ». r>. «v. «.0. eil Ll.rX t.üt»S0O »0. isv^z «l-, »o »o «n viv. den die vielen Kreuze hinter den Namen der Aussteller be zeichnend sind, gewährt der folgende: Berlin und Düssel dorf. Von Berlin sind fast alle hervorragenden Namen, zum Theil glänzend, vertreten: Menzel, Dettmann, Her mann, Ludw. v. Hofmann, Leistikow, Liebermann, KnauS, Koner, Meyerheim, Skarbina, Hugo Vogel. Die älteren Meister sind mit älteren Werken vertreten, Adolf Menzel mit einem Aquarell der Pfarrkirche in Innsbruck, das durch die Feinheit der malerischen Behandlung des farbenreichen Details, des verschiedenen Materials der Ornamente Be wunderung einflößt und doch trotz aller Zartheit frei und groß wirkt, ferner mit einer fein humoristischen Matinee, einem Portrait eines alten Juden in Oel und einer überaus lebendigen Hofsceue. Die Schmalwand deS Saales, die diesen Werken Vorbehalten ist und die noch ein Gouachcbild der Hand aufweist, die sie geschaffen hat, krönt daS Bild Menzel's von Max Koner, der außerdem noch mit einem geistreichen, doch etwas aufdringlichen Bildniß von Ernst CurtiuS vertreten ist. AuS seiner besten Zeit rührt das fiaurenreiche Genrebild von Ludwig KnauS her, „Hoheit auf Reisen". Hoheit, ein etwas griesgrämig dreinschauender Herr, hat den Wagen verlassen und trifft auf seiner Wanderung, sichtlich nicht zu seiner Freude, die Bauernschaft eines kleinen Dorfes, die seiner in Ehrerbietung, ganz erfüllt von der hohen Aus zeichnung, im hohen Feststaate wartet. Um den Schulmeister, der da- Wort führen soll, drängen sich die Kinder, wie die Küchlein um die Henne, strahlend, lächelnd, stumm, furchtsam und neugierig, kurz wie die Bauern, die Eltern, in den verschiedensten Stimmungen. Wer diese- Bild genauer betrachtet, der kann viel erzählen, der wird sich auch an der Lebendigkeit und Frische der Charakteristik, an der Natürlichkeit der Situationsschilderung nicht so bald satt sehen. Ist hier ein unterhaltender Stoff mit behaglich plaudernder Breite vorgetragen, so sind die Werke deS modernen Berlin» ganz auf den malerischen Effect gestellt, auf Licht und Farbe. Giebt KnauS Geschichte, so geben die Liebermann, die Skarbina Gegenwart und zwar die Gegen wart eines Momentes. Wie Liebermann'S Eltern vor un» sitzen, so sah sie der Maler wohl ein Mal in flimmerndem Lichte; nicht so sehr, waS sie sind, will er unS zeigen, sondern wie sie dem Auge deS Maler- scheinen. WaS sich in einem solchen Momente von Charakteristischem zeigt, da- wird mit genommen, nichts aber hinzugefügt. Es ist die LebenS- wahrheit deS Momentes, die es Liebermann angethan hat. In der That wird dem Gedächtniß der meisten Zuschauer ein solche- Momentbild irgend eines Freunde-, eine- Ver wandten näher liegen, als ein Bildniß, da» auf die Dauer ein Gesammtergebniß der charakteristischen Momente einer Erscheinung zu ziehen und zu bilden sucht. Man würde jedoch fehlgehen, in dieser Momentwahrheit die tiefer« Leben-treue an sich zu suchen. In ihrer Art sind die drei hier vereinigten Portrait- Liebermann'-, da« seiner Eltern, einer Dame am Strande und einer Nätherin, da- die königl. Erste internationale Kunstausstellung in Dresden. m. DaS Wort, die Donaustadt Wien sei ein Capua der Kunst, das der zu früh verstorbene Mitterwurzer gern ge brauchte, fällt einem beim Eintritt in den Wiener Saal der Ausstellung unwillkürlich ein. ES liegt in diesem Worte eben so viel Schmeichelei als Kritik. Ein Hauch deS behaglichen Besitzes weht unS entgegen, etwas wie AuSruhen auf er rungenen Lorbeeren spricht zu unö. Wir sehen hier große, in ihrer Art unerreichte Könner, so den mit Recht gefeierten Portraitisten H. v. Angeli, dessen Herrenbildniß in der tadel losen Plastik deS Gesichtes, in der den Eindruck höchster Aehn- lichkeit erweckenden Feinheit der Züge, in der breiten und sicheren Malweise vielleicht von keinem Portrait der Ausstellung über troffen wird und daS den Charakter gesicherter Existenzsülle un gemein sprechend verkörpert. Wenig nach ihm steht daS Damenportrait von Leop. Horowitz, da- eine aristokratische Erscheinung von echt österreichischem Typus mit glänzender Behandlung deS TeintS und deS Gewandes mit einer gewissen kühlen Liebenswürdigkeit wiedergiebt und da- schlichter ge stimmte Portrait eines MalerS von C- PochwalSki. Eine leibhafte persönliche Färbung von fast allen hier vereinigten Portrait- weist jedoch nur des Polen Ian Matejko (-f) Selbstbildniß auf? Zu den großen Könnern darf man auch Leopold Carl Müller (jj) zählen, dessen Studienköpfe (Fellache und sellackische Mädchen) durch ihr sattes, wenn auch etwa- kaltes Colorit und durch die Echtheit der Charakte ristik die Genrescene: Egyptische Gaukler trotz mancher reiz- voller Lichteffecle derselben in Schatten stellen. Zu den Perlen des Wiener Saale» zählen die prächtigen Scenen auS Ungarn von dem gefeierten Realisten Wiens, Aug. v. Pettenkofer (-f), und die stimmung-volle,Landschaft Jacob Emil Schindler' S (-f), die selbst eine nasse Landstraße, dürre Pappeln und flache Felder, vor Allem durch den Zauber der hellgrauen Beleuchtung, poetisch zu verklären weiß. WaS sonst an Landschaften aus Wien zu sehen ist, vermag kaum sonderlich zu fesseln, da gilt selbst von den Werken einer Tina Blau, von H. Darnaut, Lichtenfels. Auch die Porta Furba an der Straße nach FraScati von Rob. Ruß berührt trotz deS sonnigen Lichtes ziemlich kühl. Zwei hier untergebrachte Landschaften deS Pariser Eugen Zettel sind nur geeignet, den Abstand fühlbarer werden zu lassen. Auch Adolph Hirschl'S auf den Wellen treibender Aphrodite (zweite Medaille) und Eduard Veith'S virtuos gemalter, aber süßlicher Madonna mit Kind wird man tiefere und nach- haltige Eindrücke abzugewinnen vergeblich sich bemühen. Einen ganz audrrrn Eindruck al- der Wiener Saal, für Gemälde-Gallerie erworben hat, außerordentlich frappant. Die Landschaft, Allee bei Hartem, wird freilich durch da- ihr im Motiv nahestehende Bild W. Leistikow: „WaldinnereS" in Schatten gestellt. Etwas leer und kalt berührt un» HanS Herrmann'S „Inneres der Kirche St. Marien zu WiSmar", wärmer seine Herbstlandschaft, die freilich zu sehr in grellen Tönen arbeitet. Von Franz Skarbina'- Bilden geben wir dem Großstadtleben bei hereinbrechendrr Nacht den Vorzug vor dem etwas nüchternen Platz der Akademie in Brügge. Durch die Beleuchtung namentlich der Figuren Ludwig Dettmann's in der harten Farbe der Wellen flüchtig ge arbeitete Landung. Hugo Vogel's badender Knabe, Paul Meyerheim's GutShof im Hellen Mittagslicht, das Portrait eben dieses Malers im Atelier von R. von Voigtländer, zwei frische und flotte Landschaften von Oskar Frenzel, ein apetitliches Stillleben: Aprikosen von Helene IVers en sind tüchtige und gefällige Leistungen. Schwerer wird man sich mit den tastenden Versuchen Ludwig von Hofmann's befreunden, am ehesten noch mit dem phan tastisch beleuchteten Notturno, namentlich mit dem räthselbast blickenden Mädchen im Vordergrund, und mit den badenden Frauen. Auch W. Leistikow'S Teich mit den stilisirten braungoldenen Baumkronen, die sich in dem Teich spiegeln, mit dem mattaelbea Himmel wird wegen seiner gewaltsamen archaistischen Naivetät nur weniger gefallen, obwohl eine ein heitliche Stimmung aus dem Bilde geht. Dora Hitz läßt die Figuren ihrer PortraitS aus einem Nedelduft zu unS sprechen und dadurch in eine phantastische Ferne rücken. DaS Bild der rothhaarigen Schönheit im dämmernden Grün mit seinen zerfließenden Farben treibt jedoch das Experiment schon in daö Wunderliche. Ein virtuoses Sensationsbild ist Friedrich Stahl'- Blumenfest in Paris, daS unS lebhaft in da- Farbengewirr einer Corsofahrt versetzt. Nächst Berlin sind auch die Kunstcentren Düsseldorf, Karlsruhe und Weimar stattlich vertreten. Düsseldorf weist wie Berlin interessante Unterschiede zwischen alter und neuer Schule auf, die deutlich hervortreten, wenn man Bilder wie Arthur Kamps'- (von der königlichen Gemälde-Galerie angekauftr) Scene vor dem Gnadenbilde in Kevelaer mit Eduard von Gebhardt'S zwölfjährigem Christus im Tempel oder H. Liesegang'S prächtige Allee im Herbste und Olof Sernberg's Feldpartie im Juni mit Andreas und Oswald Ache ubach's Landschaften vergleicht. Bei den Jüngeren Helle Freude an der Farbe, eingehendes Studium der Luftstimmung, weite, sich verlierende Perspective, Ein fachheit, um nicht zu sagen, Nebensächlichkeit de- Motive-, bei den Aelteren eine anekvotenhaste Art des Vortrage-, eine peinliche Sorgfalt im Detail, eine Bevorzugung stumpferer Farbenwerthe. Eugen Kampf versucht sich in dem Canal von SluiS sogar in der hochmodernen Beilegung der Farben, ohne daß freilich der Beschauer selbst au- weiter Ferne einen i Standpunkt zu gewinnen vermochte, von dem au< sie sich I wieder zu bestimmten Mischungen verbänden. Weit einheit-1 sicher im Stil repräsentirt sich die Karlsruher Schule, die dieses Mal von Hans von Volkmann in einer duftige» Frühlingslandschaft mit leuchtendem Birkengrlln und weitem Horizont, und von Julius Bergmann mit einem energisch entworfenen Bilde: Kühe am Tümpel in Bezug auf Land schaft wirkungsvoller vertreten wird als von dem älteren Meister G. Schönleber mit einem braunschmutzigen Hoch wasser am Neckar. Zu den Perlen der ganzen Ausstellung zählt Graf Leopold von Kalckreuth's mit der 1. Medaille ausgezeichnetes Bild: DaS Alter, keine kühle Allegorie, sondern ein Bild unmittelbar aus dem Leben geschöpft. Drei alte, Gänse hütende Weiber sitzen vor uns, das von Grani, Sorgen und Leiden durchfurchte, parzenhafte Antlitz in die Hand gestemmt, müde dem dunkelen Räthsel deS Lebens, daS sie nicht beglückt und doch nicht läßt, in stumpfer Ergebenheit nackgrübelnd, ein ergreifendes, beredtes Bild, von großer Macht der Stimmung. Kall mayer's Flachsscheuer, Carlos Goethe's Abend: See im dunklen Roth der Abend sonne und des Stuttgarters Herm. Plock am Rand des Teiches nach dem Bade ruhende Schöne mögen hier noch er wähnt sein. Weimar hat seine besten Werke auf dem Ge biete der Landschaft' die hervorragendsten sind Theodor Hagen'S Sommer-Landschaft an der Ilm und Fritz Brände!'s Bild, das den Kampf des Frühlings mit dem Winter (Ende März) in überraschend kühnen Farben und Luftspiegelungen im Wasser zu schildern versucht. Außerhalb bestimmter Schulen stehen eine Reihe nord deutscher Maler, so Hans Olde-Seekamp, dessen Freilich! landschaft: Mann mit Stier künftig die Königliche Gemälde galerie zieren wird, Andr. Dirks-Sylt, der Hannoveraner Curt Oppler, denen in Helldunkel gehaltene Erinnerungen (ein Jüngling am Clavier, dessen Weisen Mutter und Kind träumend lauschen), eine sanfte, aber zwingende Melancholie athmet. Hier mag auch der Schweizer Landschafter, H. Sandreuter"s und vor Allem deS trefflichen Fritz Völmy-Baul, deS Genfer Symbolistin Ferd. Hodler, der in fünf von Mühsal be ladenen Wanderern „getrennte Seelen" verkörpert, erwähnt werden. Wenn hier auch der vier Bilder Arnold Böcklin's erst gedacht wird, so mag eS damit entschuldigt werden, daß zum Preise dieser bekannten Bilder, vor Allem der großen heroischen Landschaft: Die Burg am Meere mit ihrer Sym phonie satter Farben kaum noch Neue- gesagt werden kann. Mit einer Rundschau in dem Saale der WorpSweder Maler und in denen der Dresdener, hoffen wir in emem folgenden Artikel den Uebrrblick über die deutsche Malerei abzuschließen und uns dann den Ausländern zuzuwenden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite