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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970528015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897052801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897052801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-28
- Monat1897-05
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Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dirccte tägliche Kreuzbandjcndung inS Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr» die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Ue-aclion und Lrpe-ition: IohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ltto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, part. und König-Platz TU Morgen-Ausgabe. KipMcr.Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Aöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4a«» spalten) 50-<L, vor den FamiliennachrichtrN (6 gespalten) 40/H. -- ----- Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffer »sah nach höherem Tarif. <—; Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Iinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr.' Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen se eknt halbe Stunde früher. . l Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. -14. ' ' " ' Freitag den 28. Mai 1897. A. Jahrgang. Amtlicher Theil. Versteigerung. Am Sonnabend, den 29. d. M., Norm. V-1V bis '^12 Uhr »rortfctzung der Versteigerung der Concursmasse H. Barthel, Petersstraste 44, II. Hierselbst, und zwar Tische, Stühle, Spiegel, Waschtische, Servirtischc, Schränke» Salon-Garnituren, sowie Portidren, Bor hänge, Kronleuchter, 1 hcrrschastl. Kamin, 1 Toctorcn- Waschtisch re. Besichtigung vorstehender Gegenstände Freitag Rachm. von 8—6 Uhr. Trautschold, Localrichter. Zur Geschichte und Verfassung des gewerblichen und kaufmännischen Unter richtswesens in Leipzig. Von vr. Stoerl. Die Stadt Leipzig hat es sich von jeher angelegen sein lassen, mit Zuhilfenahme sachverständiger Schulmänner ihrem Schulwesen eine Organisation zu geben, die nicht nur den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trug, sondern auch noch kommenden zu entsprechen suchte. Auch von aus wärts ist daher immer mit einer gewissen Berechtigung auf die Einrichtung unseres Schulwesens geblickt worden, auf die der Volksschulen sowohl, wie auch der höheren Lehranstalten. In neuerer Zeit aber hat sich auch das gewerbliche und kaufmännische Schulwesen unserer Stadt immer mehr und mehr entwickelt, ja selbst die durch das Gesetz vom 26. April 1873 ins Leben gerufenen allgemeinen Fortbildungs schulen in unserer Stadt haben es nicht umgehen können, bis zu gewissen Grenzen in ihrer inneren Ausgestaltung den an einen großen Tbeil ihrer Schüler gestellten gewerb lichen wie kaufmännischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Die ersten beihey Alpten der Schulen, über welche eine kurze Darstellung der geschichtlichen Entwickelung und Verfassung im Nachstehenden folgen soll, stehen unter der Oberaufsicht des Ministeriums deS Innern, die letztere Art unter der deS Ministeriums des Cultus und öffentlichen Unterrichts. Die unmittelbare Aufsicht jedoch führt über alle diese Anstalten, die königl. Kunst akademie und Kunstgewerbeschule und die königl. Baugewerken schule ausgenommen, der Stadtrath. Die Bewohnerschaft unserer Stadt hat auf das Gedeihen auch dieser Schulen immer einen nicht zu unter schätzenden Werth gelegt. Wird man es da so manchen bei uns einkehrenden fachmännischen Gästen von auswärts — es tagen in der Pfingstwoche dieses Jahres in Leipzig der „Verein deutscher Gewerbeschulmänner", der „Verband der Directoren und Lehrer deutscher Handelsschulen" und „Der deutsche Verband für das kaufmännische Unterrichtswesen" — verargen können, wenn auch sie beim Anschauen der stattlichen Ge bäude, welche für einzelne dieser Schulen dastehen, eine Frage nach der Entwickelung dieser Anstalten und ihrer inneren Einrichtung stellen? Das gewerbliche und das kaufmännische Schul wesen Leipzigs hat geschichtlich denselben Entwickelungsgang aufzuweisen, wie das gleiche der meisten anderen Orte unseres sächsischen, wie deutschen Vaterlandes. Zuerst wurde die Regelung desselben von einzelnen Ständen, Gesellschaften, Innungen rc. freiwillig in die Hand genommen, und es wurden Schulen gegründet, welche das Bildungs- bedürfniß dieser oder jener Körperschaft befriedigen, dem Bildungsdrange dieser oder jener Genossenschaft entgegen kommen sollten; erst später betheiligte sich beihelfend zur Er haltung solcher Anstalten die Gemeinde als solche, und noch später trat auch der Staat rathend wie thatend dazu. Es zerfallen demnach die genannten Schulen auch unserer Stadt in sogenannte facultative, freiwillig gestellte, deren Erhaltung entweder Sache eines Einzelnen, einer Gesellschaft oder auch der Stadtgemeinde ist, und in obligatorische, gesetz liche Anstalten, zu deren Erhaltung unsere Stadtgemeinde von den Schülern und ihren Angehörigen einen Beitrag nicht beansprucht. Nicht unerwähnt soll schon an dieser Stelle bleiben, daß außer in den nun aufzuführenden Unterrickts- austalten uock weitere Gelegenheit zur gewerblichen und kauf männischem Fort- wie Fachbildung gegeben wird auch durch UnterrichtScurse, eingerichtet entweder von der Volksbildung dienenden Vereinen, wie z. B. dem Vereine für VolkS- wohl, der ein eigenes Vereinshaus mit zweckentsprechenden UnterrichtSlocalitäten besitzt, oder von Einzelnen in sogenannten Instituten, wie z. B. im Schreibinstitut von Schneider und im Sprachinstitut von vr. Klein u. A. Auch O. Runges Post- und Eiscnbahnschule kann genannt werden. I. Die Entstehung der freiwilligen gewerblichen und kauf männischen Lehranstalten greift weiter zurück, als man viel leicht denken wird, nämlich in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Weil in dieser Zeit die Schulpflicht zumeist mit dem zwölften Lebensjahre aufhörte, trat das Bedürfniß eines Wiederholungs- und Fortbildungsunterrichts sehr bald hervor. Derselbe wurde zunächst angeschlossen an die kirchlichen Katechesen an den Sonntagnachmittagen. Hatten diese Schulen sonach zuerst noch einen kirchlichen Anstrich, so bekamen sie in den größeren Städten unseres Vaterlandes sehr bald einen gewerblichen. So begründete in Hamburg im Jahre 1769 die „Hamburgische Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe", im Jahre 1796 in Basel die „Iselinsche Gesellschaft des Guten und Gemeinnützigen" eine gewerbliche Fortbildungsschule. In Leipzig war die erste derartige Anstalt die im Jahre 1816 gestiftete „Sonn tagsschule der Loge Balduin zur Linde in Leipzig"»). Nach der Erzählung eines der Mitstifter, des Apotheken- besitzerS Täschner, war der erste Schüler derselben ein ver krüppelter Bettler, der an der Petersbrücke seinen Platz hatte und, wenn er seiner Meinung nach von den Vorübergehenden nicht genug erhielt, dieselben verhöhnte und mit Erde, im Winter mit Schneeballen bewarf. So hatte er auch dem ge nannten Logenbruder einmal einen tüchtigen Schneeballen in den Nacken geworfen, wonach dieser ihm Unterricht ertheilen und zur Arbeit anhallen ließ. In die errichtete Sonntagsschule aber wurden zunächst „Gesellen und Lehrlinge hiesiger und benachbarter Hand werker" ausgenommen; die Zahl derselben war am Anfänge auf 12 beschränkt. Die Unterrichtsgegenstände waren Schreiben, Rechnen, Zeichnen, Rechtschreiben und Uebungen in schrift lichen Aussätzen. Religionsunterricht war ausgeschlossen. Die ') Fuchs, die Sonntagsschale der Loge Balduin zur Linde u. s. w. Leipzig, Giesecke L Drvrient/ 1891. Arbeit beim Unterrichte war keine leichte, da alte Gesellen neben blutjungen Lehrlingen, Fortgeschrittene neben solchen, die kaum lesen konnten, sich als Schüler einfanden. Die Schülerzahl wuchs bald bis auf 200. Man wurde auch ander wärts auf diese neue Schule aufmerksam, und als am 4. No vember deS Jahres 1827 König Anton in Leipzig weilte, stattete er auch ihr einen Besuch ab. Durch tüchtige Leistungen hatte die Sonntagsschule der Loge den Ruf einer Musteranstalt erlangt, und auswärtige Behörden wie Körper schaften wendeten sich an den Schulvorstand derselben um Rathschläge und Pläne zur Errichtung ähnlicher Anstalten. Als aber im Jahre 1829 die Leipziger Polytechnische Gesell schaft auch eine Sonntagsschule errichtet hatte, hatte diejenige der Loge Balduin zur Linde eine Krisis zu überstehen. Dio neugegründete Schule bekam nicht nur eine günstigere Unter richtszeit, sondern auch bessere Unterrichtslocale und einen umfänglicheren Unterrichtsplan, so daß das Dasein der alten in Frage gestellt wurde sogar von Seiten der Regierung. Allein die Loge ergriff geeignete Mittel, ihre Anstalt lebens fähig zu erhalten, so daß diese im Jahre 1891 ihr fünfund- siebenzigjährigeS Stiftungsfest feiern konnte. Eine Zeit schwerer Kämpfe kam für die Schule in der Reactionszeit der fünfziger Jahre. ES handelte sich vornehmlich um eine religiöse Feier, die allsonntäglich vor dem Unterrichte ab gehalten werden sollte; die Behörde sah jedoch von der ge stellten Forderung wieder ab, so daß von dieser Zeit an dann daS beste Einvernehmen zwischen den vorgesetzten Behörden und dem Schulvorstande stattgefunden hat. Durch die in den siebenziger Jahren in Sachsen einge führte obligatorische Fortbildungsschule verlor die Sonntags schule zu dieser Zeit den größten Theil ihrer Schüler. Jedoch wuchs die Zahl derselben wieder, als man mit reiferen Schülern einen gewerblichen Unterricht einführte, so daß in den letzten Jahren die Schule wieder über 200 Schüler zählte. Vom Jahre 1843 an hat die Anstalt einen Director. Der erste war vr. Opitz, Lehrer an der Rathsfreischule, von 1813—1860; ihm folgte vr. Schumann, ebenfalls Lehrer an der Rathsfreischule, von 1860—1878. Darnach wirkten als Leiter der Schule Gotthelf Schneider, Theodor Schars, Gustar Sachs und Ernst Arnold. Der jetzige Director ist Richaro Gräfe, Lehrer an der VI. Bezirksschule für Mädchen zu Leipzig. Fonilleton. „Maikäfer, flieg'!" Eine Plauderei von Franz Woenig. . Nachdruck verboten. „Mqikäser, flieg', Dein Vater ist im Krieg, Deine Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt, Maikäfer, flieg'!" Altdeutsches Kinderlieb. Weiß nicht, ob der ersehnte „RedactionS-Maikäfer" schon zugeflogen ist und unter „Localem" oder „Vermischtem" seine Ankunft gemeldet hat. Glaub's kaum, denn Heuer war bis zur Stunde kein einladendes Wetter zu einem Flug ins Grüne, und die Maikäferleut' sind gar vorsichtige Geschöpfe. Auch sie bilden ein Glied in der Kette d« Lebewesen unseres nervösen Jahrhunderts, und die Maikäfer sind sehr nervös! Feuchtigkeit und Zugluft sind die schlimmsten Feinde ihres zartbesaiteten Organismus, und wie viele Tausende von ihnen bereits den kurzen Daseinstraum beendet haben, ohne daß ihnen nach der letzten Metamorphose ihrer Entwickelung die höchste Lebensfreude: ein Flug in lauer Maienluft und lucullische Genüsse beim Blätterschmause zu Theil wurde, das allein wissen die lieben Kalenderheiligen Servatius und PancratiuS! Die armen Kinder deS Mai sind dem launischen Schicksal überantwortet und je nach seinem Gesetz und Willen ent weder die größten Pessimisten oder Optimisten. Regen oder Nachtfrost machen sie so zaghaft und ängstlich, daß sie muth- loS und verdrossen kaum einen Fühler zu regen wagen: die warme Abendluft dagegen wirkt so elektrisirend auf ihr empfindsames Nervensystem ein, daß sie — wie echte Lebe männer — bis in die Nacht hinein schwärmen, um dann ermüdet von den nächtlichen Strapazen einen sehr langen Schlaf zu thun, den weder der frische Morgenwind im rauschenden Blätterdach, noch die einfallende Fluth heißer Sonnenstrahlen zu stören vermag. Sag mir, Du Siebenschläferlein, Wie träumt das Maienkäferlein, „Mum, mum, mum!" Der Maikäfer ist ein ebenso ersehntes Attribut deS Mai wie Maiblume und Birkengrün. Erst, wenn die Buben und Mägdlein mit Weidenbüschen oder Reisigbesen an langen Stangen in der Dämmerung des MaiabendS vor'S Dorf auf den Anger eilen, um den Zug der Maikäfer vom Felde her zu erwarten, wenn sie den lustig surrenden und brum menden braunen Gesellen in ihren künstlich errichteten Zweig wald locken und unter Lachen und Jubel die krabbelnde Beute in durchlöcherte Spanschächtelchen sperren, oder den wimmelnden Segen in Menge unter der Mütze oder in den Taschen bergen, wird die Maisreuve unserer Jugend erst vollkommen. Und auch wir fühlen unS angenehm berührt, wenn wir bei einem Abendgang durch Wald und Feld das Brummen vorübersausender Maikäfer vernehmen, wenn es in den Lindenzweigen oder im Obstbaumgeäst über un» so eigenartig schwirrt und surrt, als würde oben ein Spinn rädchen in Bewegung gesetzt. Den braunen Boten auS dem Reiche der Insekten sendet uns König Mai gleichsam als lebendiges Unterpfand zur Besiegelung erfüllter Verheißungen. Die Anger triefen weit und breit, Der Hügel trägt sein Freudenkleid, Der Acker sproßt von reichem Segen, Di« Scholle weicht von mildem Regen. F. W. E Umbreit. Dem wenig poetisch denkenden Bauer ist der Maikäfer wegen seiner großen Gefräßigkeit sowohl im Larven- wie im vollkommen entwickelten Zustand sehr verhaßt. Anfang Juni fliegen die Maikäferweibchen hinaus auf die Felder, uchen lockeres Erdreich und bohren sich unter stetem Um drehen mit Hilfe der nach unten gekrümmten Schwanzspitze, welche zugleich die Eierröhre umschließt, in den Boden ein. Hierauf legt das Weibchen ca. 30 kleine weiße Eierchen, die ich, sobald daS Weibchen daS Bohrloch verläßt, mit der nach rieselnden Erde bedecken. Oft aber stirbt das Weibchen, nach dem daS letzte Eierchen von ihm gelegt worden ist und deckt mit seiner Leiche die sich schnell entwickelnden Keime einer neuen Generation. Bekannt ist, daß die aus den Eiern entstehenden Larven (Engerlinge) drei oder vier Jahre in der Erde leben, sich jährlich einmal häuten, durch daS Wühlen von Gängen und durch ihre Gefräßigkeit den Saaten und Erdfrüchten sehr gefährlich werden, daß sich die Larve im Winter vor ihrem Flugjahre verpuppt, daß die dem Maikäfer ähnliche Puppe sich im Frühjahr aus der Tiefe bis unter die Bodenfläche emporarbeitet, um dann als vollkommen ausgebildeter Käfer zur Zeit des Knospenauf bruchs — im April oder Mai — plötzlich hervorzubrechen und seinen Flug zu beginnen. Die Zeit ihrer Entwickelung bringt eS mit sich, daß wir aller drei oder vier Jahre starke Maikäferflüge beobachten. In Norddeutschland fallen die starken Flugjahre mit den Schaltjahren zusammen; und die Verheerungen, welche die Millionen dieser gefräßigen Käfer art im Laube der Kirsch- und Pflaumenbäume, auf Eicken, Pappeln, Buchen, Ahorn und anderen Gewächsen anrichten, sind oft so enorm, daß sich sämmtliche Insassen der Dörfer ver einigen, die gefährlichen Gäste en mässe zu fangen und sie Morgens von den Bäumen herab zu schütteln, wenn sie ver schlafen an den Blättern hängen. Korbweise werden sie als dann dem Hausgeflügel zum Fräße vorgeworfen, daS sich den fetten Bissen schmecken läßt. AuS Chroniken des Mittelalters erfahren wir, daß man bei großen Verheerungen, welche Engerlinge und Maikäfer hervorriefen, die heilige Macht der Kirche in Anspruch nahm, um die schrecklichen Gäste durch den Bannfluch zu vertreiben. So wandte sich der Rath der Stadt Bern im Jahre 1479 in seiner Bedräugniß an das geistliche Gericht nach Lausanne, damit der Hochweise geistliche Gerichtshof die „räuberischen Inger", d. h. Engerlinge, Käfer und Würmer, vor seinen Richterstuhl citire. Da aber die angeklagten Inger sich nicht gut rechtfertigen konnten, wurde ihnen von Seiten deS An klägers auch ein Vertheidiger verordnet, daS war der „für- nehme" Rathsherr Johannes PerrodatuS ausFreiburg. Hierauf ließ der Bischof von Lausanne nicht nur auf dem Friedhöfe zu Bern, sondern auch auf allen umliegenden Dörfern folgendes Monitorium an die Engerlinge verkünden: „Du unvernünftige, unvollkommene Kreatur, Du Inger! Deines Geschlechts ,st nickt gewesen in der Arche Noah. Im Namen meines gnädigen Herrn und Bischofs von Lausanne, bei Kraft der hochgelobten Dreifaltigkeit, vermöge der Verdienste unseres Erlösers Jesu Christi und bei Gehorsam gegen die heilige Kirche, gebeut ich auch, allen und jeden, in den nächsten sechs Tagen zu weichen von allen Orten, an denen wächst und entspringt Nahrung für Menschen und Vieh!" Im Falle sie nicht aus diese kirchliche Mahnung hören würden, sollten sie auf den sechsten Tag, Nachmittags ein Uhr vor dem Richterstuhl deS Bischofs in Wiflis- burg erscheinen. Wer aber die geistliche Mahnung nicht befolgte und zur festgesetzten Stunde nicht erschien, waren die bösen Inger. Jetzt erging eine zweite Auf forderung an sie, diesmal in kräftigerem Tone: „Ihr ver fluchte Unsauberkeit, die ihr nicht einmal Thiere heißen und genannt werden sollt" ... AIS aber, die verfluchten Inger auch auf die zweite Citation nicht hörten, erfolgte endlich die Excommunication. Der Bannfluch lautet: Wir, Benedikt von Montferrand, Bischof von Lausanne, haben gehört die Bitte der großmächtigen Herren von Bern gegen die Inger und uns gerüstet mit dem heiligen Kreuze und allein Gott vor Augen gehabt, von dem alle gerechten Urtheile kommen — demnach so graviren und beladen wir die schändlichen Würmer und bannen und ver fluchen sie im Namen deS VaterS, SohneS und des heiligen Geistes, daß sie beschwört werden in der Person Johannes Perredeti, ihres Beschirmers, und von ihnen gar nichts bleibe denn zum Nutzen menschlichen Brauchs." Die Berichte aber, die von den einzelnen Vorständen der Ortschaften an die Regierung nach Bern eingeliefert wurden, lauteten ungeachtet des kirchlichen Bannfluches trauriger als zuvor . . . Außer dieser Excommunication berichtet unS noch manche andere Localgeschichte von dem Bemühen der Land bevölkerung, die Engerling- und Maikäferplage durch Beschwörungen, Bußtage, Processionen und Bannflüche los zu werden. In Sursen im Canton Luzern versuchte man es 1732 durch die Kraft des Stabes deS heiligen Magnus, den man auS dem Kloster Füssen entliehen hatte und in Procession durch die Felder trug. In ähnlicher Weise wie in Bern suchte man die „unsauberen Inger" noch 1829 in der Schweiz und 1833 in Frankreich zu bannen. Wie dort wurden sie von der Geistlichkeit im BiSthum Chur vor Gericht geladen. In Anbetracht ihrer „Minderjährig keit" aber erhielten die Engerlinge einen Curator, der sie gegen die Anklagen der Landleute vertheidigen mußte. Der Curator war eiu warmer Vertheidiger der armen Würmer. Er machte geltend, daß die Engerlinge ebenso wie die übrigen Creaturen Geschöpfe Gottes seien und daß sie seit undenklichen Zeiten im BiSthume Chur Wohnung und Nahrung gehabt hätten, deren man sie nicht so ohne Weiteres berauben dürfe. Dies erschien den Herren ein leuchtend, man entschied sich zur Annahme eines Ausweises, und so wurden die gefräßigen Inger in bestimmte Thäler Graubündens verbannt. Ob sie dem geistlichen Bannspruche nachgekommen sind, ließ sich niemals recht entscheiden. Nirgends hat der Maikäfer eine tiefere Bedeutung im Aberglauben, in Sitten und Gebrauchen der Völker ge wonnen. Der MysticiSmuS des ScarabäuS, mit dem die alten Egypter den Dungkäfer umgaben, ist ihm ebenso fern ge blieben wie die mancherlei poetischen Beziehungen, welche Biene, Marienkäfer und JohanniSkäferchen zu den Menschen gewonnen haben. Selten nur tritt er in Volksliedern als Bote der sehnenden Liebe auf; so in dem wehmüthigen unga rischen LiebeSliede: „Oserebogür sLrga csoredogar" . . Maikäferlein, kleines gelbes Maikäferlein, ch frage dich nicht, ob's bald Sommer wird sein, ch frage dich nicht, wie viel Jahr Gott mir giebt, Ich frage dich nur, ob mein Röschen mich liebt. Ich frage dich nicht, ob noch eine Sommerzeit Sich meinem kummervollen Leben beut, Einen Sommer noch — und man gräbt mir mein Grab, Weil ich mein Röschen tief im Herzen hab'. Du fliegst von Blum' zu Blume, gelbe» Bögeletn, Dein Weibchen folgt dir treu durch Busch und Hain. Ich suche überall in Busch und Hain, — Ich finde nirgend» sie, — sie ist nicht mein. Der Blumen Honigsüße saugest du Uud lockst dein Weibchen liebevoll herzu; Doch blüht für mich keto sel'aer Augenblick, Denn ich entbehre stet» der Liebe Glück. Dagegen ist der Maikäfer eia Liebling unserer Kleinen und spielt in ihren Liedchen, Sprüchen und Reimlrin eine wichtige Rolle. Der braune, langsam kriechende Gesell ist ihnen ein interessante», lebendiges Spielzeug, denn er sticht nicht, er beißt nicht und kratzt nicht, läßt sich von ihnen auf die Beinchen stellen, auf den Rücken legen, nimmt auS ihrer Hand gern die schmackhaften Blätter, die sie ihm reichen, und ist gegen den Druck der kleinen plumpen Händchen, die ihn umschließen, ziemlich unempfindlich. Wie aufmerksam ver folgen die klugen Aeuglein seine Bewegungen, wenn er auf ihrem Finger sitzt, langsam die braunen Flügeldecken und härtigen Flügel entfaltet und zu surren beginnt. Daß das surrende Geräusch durch Flügelbewegung und durch Einziehen und Ausstößen der Luft in den AthmungSröhren hervorgebracht wird, ist ihnen freilich nicht bekannt, sie glauben nicht, daß er stumm ist, nein, der Maikäfer „singt" und zwar ganz wunder schön, wenn er sich nach kurzer Probe plötzlich in die Luft erhebt. Und die Kleine» begleiten sein Brummen und Surren mit ihrem eigenen Gesang und ermuntern ihn zum Aufflug in blaue, sonnige Weiten: „Maikäserlein, fliege weit weg, Dein Häuschen brennt, Dein Mütterlein flennt, Dein Vater sitzt auf der Schwelle, Flieg' in Himmel aus der Hölle." (Altdeutscher Kinderlieb.) In der Gegend von Magdeburg und in Anhalt-Dessau singen die Kinder: „Maikäwer fliech, Dien Voad'r iß in'n Kriech, Diene Matt'r iß im Pommerland, Pommerland iß affebrannt Maikäwer fliech." Im Kreise Kalbe lautet daS Maikäferliedchen: „Maikäwer flugs, Dien Voad'r iß'n Fuchs, Diene Mutter iß'n Meerkatzen, Dar sich hinne un vorne kratzen." In der Altmark und im Mecklenburgischen heißt der Maikäfer „Sewwer", „Säwwäk" und „Säwkerl". Das VerSchen lautet daher: „Säwwäk, fleeg, fleeg Wirt, Dien Boarer iß in' n Krieg, Dien Mudder iß in 'n Hunger- un Kummerstand", In der Umgegend von Halle a. S. hört man folgendes Kinderlieb: „Maikäfer, flieg' auS, Flieg' auS in's Gartenhaus, Der Vater auf der Wache, Die Mutter auf dem Dache, Die Kinderchen auf den Steinchen, Die brechen Hals und Beinchen", und in Nassau: „Maikäw'r flieg! Flieg hoch rupp noan Himmel, Hool mäl 'n Pott vull Zuck'rkring'l". Die Kleinen kennen ihren Freund, den Maikäfer, sehr gut und wissen daS Männchen vom Weibchen sehr gut an den Fühlern zu unterscheiden, denn beim Männchen ist die Fühlerkeule verlängert und siebenblätterig, beim Weibchen oval und nur sechSblätteria. DaS Männchen nennen die Kinder den „Er" und daS Weibchen die „Sie". Auch sonst machen sie Unterschiede nach der Farbe deS ThierchenS, nennen die Exemplare mit schwarzem Brustschild „Schorn steinfeger" over auch „Mohren", die mit stark behaarter Brust „Müller", die mit rothen Flügeldecken „Könige" oder auch „Türken" und die mit braunen Flügeldecken „Kaiser". Diese Unterscheidungen sind selbst in den Kindrrliedchen fest gehalten, denn in den Gegenden an der Niedrrelbe singt die fröhliche Jugend: „Möller, Möller, Möller, Fleege immer döller, Fleege upp, fleege upp, , Fleege in 'n Himmel ruppl"
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