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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970603013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897060301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897060301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-03
- Monat1897-06
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Auzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile KO Pfg. tzieclameu an ter dem Redaktion «strich (4a» spalten) b0>4, vor de» YamiltenNachrichten (6 gespalten) 40/ch Größere Schrift», laut >,s«tt« ^Prei«. Verzetchntb. Tabellarischer «ub Lffserusatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gefalzt), nur mit der Morgen»Lu«gabe, ohne Postbefördernng ^l M—, «It Ooftbesdrder»^ ^l 70.—. Anuah«efchl«ß str Auzeize«: Abend-Ausgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgra»Au«gab«: Nachmittag« «Uhr. Lei den Filialen nnd Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreißen find stet« an di« Expedition -u richte«. Druck und Verlag von U. Pol- fit Leipzig. 91. Jahrgang. Vie Vationalllberalen und die Novelle zum preußischen Vereinsgesetze. K Einen „neuen Sieg der Reaktion" nennt im „Berliner Tageblatt" der bekannte Vorkämpfer de« „Schutz verbände«" vr. Pachnicke di« Annahme de» preußischen Verein-gesetze« in der nationalliberalen Fassung. Ändere Leute haben einen anderen Eindruck und sehen in dem, wa« sich in den letzten Wochen in Berlin zugetragen hat, «ine Nieder lage der Reaktion. Herr Pachnicke aber denkt an die Wahlen, er spitzt auch seine Betrachtung in einen Wahl aufruf zu, er braucht also etwa» nationalliberalen Verrath an Volk-rechten und -Freiheiten. Da» thut Niemand weh. Ueberhaupt hat Alle», wa» au» dem Üerikal - socialdemo kratisch »freisinnigen Lager herauSschallt, wie schon be merkt keine weitere Bedeutung al- die, zu zeigen, daß die Nationalliberalen zu den VereinSgesetzen bei Gelegen heit ander» gestanden haben uud stehen, al» Diejenigen, die mit ihnen die Regierungsvorlage abgelehnt haben. Einer Widerlegung Werth lst hingegen der Vorhalt, daS Verhalten der nationalliberalrn Part« sei taktisch nicht da richtige gewesen. Man bemerkt — theilweise unter Zu stimmung zu der Ansicht, daß die Fernhaltunq der Minder jährigen von Versammlungen und Vereinen ein Fortschritt sei—, e« wäre doch richtiger gewesen, die ganze Vorlage sogleich zu Falle zu bringen; in der Möglichkeit, daß der Entwurf nach vier Wochen zur höchsten Sommerszeit nochmals in einer dem RegierungSstandpunct genäherten Gestalt vom Herren hause an das Abgeordnetenhaus zurückkäme, liege bei der überaus knappen Mehrheit, die da» Gesetz verworfen habe, eine Gefahr. Diese Gefahr ist jedoch unseres Erachten» nicht groß. Tie dritte Lesung hat im Vergleich zur zweiten ein wenn auch kleine» WachSthum der Mehrheit und eine schon etwas beträchtlichere Verringerung der Minderheit ergeben. Es ist kein Anlaß zu der Befürchtung vorhanden, daß e» in vier Wochen anders sein werde. Die Unbequemlichkeit, dann in Berlin zu erscheinen, ist für die Gegner der lex v. d. Recke nicht größer als für die Anhänger, und die Parteien, au» denen die Letzteren sich recrutirrn, gelten nicht für hin gebender al« jene. E» kommt hinzu, daß die nationalliberale Fraktion mit Ausnahme dreier Abgeordneter,' die schon jetzt nicht mit ihren Freunden votirt haben, gleich den anderen Gegnern der Regierungsvorlage geschlossen sind. In der konservativen Fraktion hingegen ist diejenige Gruppe, die mit der Agitation und zwar mit der rücksichtsloseste» Agitation des Bundes der Landwirthe eng verknüpft ist, von Anfang an von einer Beschränkung de» Verein»- uud Versammlungs rechtes bürgerlicher Parteien nicht erbaut gewesen. Die Abgeordneten dieser Gruppe werden in vier Wochen umsoweniger einen besonderen Eifer für da» Zustande kommen eines der Regierungsvorlage ähnlichen Herren haus - Entwürfe» an den Tag legen, als sie mit den Personen zu rechnen haben, die sich durch eine Er schwerung von Versammlungen in ihrem Erwerbe bedroht sehen dürften. Wie dem aber auch sei, die Nationalliberalen sind auf alle Fälle politisch richtig verfahren. Sie wollten und durften nach unserem Dafürhalten keinen Augenblick einen Zweifel daran entstehen lassen, daß auf ihre in Worten kundgegebene Bereitwilligkeit, die tauglichen Ab wehrmittel des Staate- gegen die umstürzlerische Propaganda zu vermehren, zu zahlen sei. Die Fernhaltung der Minderjährigen von politischen Vereinen und Versamm lungen erschien al» ein gewiß nicht zu überschätzende« und auch von den Nationalliberalrn nicht überschätzte« Mittel. Sie konnte ohne jegliche verfassungsmäßige und praktische Bedenken particularrechtlich vorgeschrieben werden, und weil dem so war, so mußte sie von der nationalliberalrn Fraktion nicht nur au- Rücksicht auf die industriellen Elemente inner halb der Partei, sondern auch in Rücksicht auf die beiden konservativen Parteien und die Regierung vorgeschrieben werden. Dieser Erwägung gegenüber durften andere, die die Hitze, die Erholungsreisen und die dem Staate aus der Diäten gewährung erwachsenden Kosten betrafen, selbstverständlich nicht in« Gewicht fallen, aber e« paßt ausgezeichnet zur politischen Physiognomie de» Herrn Richter, daß er der nationalliberalen Partei die Nichtbeachtung dieser Neben rücksichten zum schweren Vorwurf macht. WaS übrigen« die Diäten angebt, so trägt nicht, wie die „Freis. Ztg." e« darstellt, die Annahme der Bestimmungen über die Minderjährigen die Schuld, wenn diese Vereinsgesetz- Angelegenheit den preußischen Staat auf mindestens 195 000 und möglicher- wenn auch nicht wahrscheinlicherweise auf nahezu 400 000*4 zu stehen kommt; die Schuld trägt da» ungeheuerliche Diätengesetz, welche« während noch so langer Vertagung den Abg ordneten Tagegelder, auf die verfassungsmäßig nicht ver- ichtet werden kann, zubilligt. Es ist nicht da» erste Mal, ondern etwas Gewöhnliches, daß durch dieses verwerf- iche Gesetz skandalöse Zustände entstehen, aber der onst so initiativlustige Freisinn hat noch niemals einen Versuch gemacht, eine bessere Ordnung herbei- zuführen. UebrigevS länger al» bis Mitte Juli — daS Herrenhaus gedenkt am 25. Juni die Vereinsgesetz. Novelle vorzunehmeu — dürfte sich die Sache nicht hinziehen. Auch da« Herrenhaus muß, wenn es ein Gesetz beschließt, daS die Verfassung berührt — also nicht bei bloßer Aufhebung de» tz. 8 — der dritten Lesung nach 21 Tagen eine nochmalige Lesung folgen lassen. Weichen seine Beschlüsse von denen deS Ab geordnetenhauses in einer der Mehrheit der letztgenannten Kammer nicht annehmbaren Weise ab, so wird, wie wir zu wissen glauben, da« Abgeordnetenhaus da« Ganze fallen lassen. Denn nach Wirderstellung seiner Beschlüsse würde e» wieder drei Wochen dauern, bi» di« Sache an da« Herrenhaus rurückaelangen könnte. Hier wären weder drei Wochen er forderlich, und fiele die Abstimmung abermals abweichend aus, so müßte da« Abgeordnetenhaus von Neuem drei Wochen warten uud so mit Grazie in« Unendliche. Zu einer d r- artigen komödienhaften Behandlung wrrd e« da« Abgeordnetenhaus nicht komuren lasten. Zudem: wer weiß, ob zwischen heute und einer Woche nicht andere Minister „die Geschicke de« Lande- lenke»", wie der alte, aber nicht mehr zutreffende Ausdruck lautet, uud ob nicht die „Neuen" diese« VereinSgesetz zurückziehen? Deutsches Reich. * Leipzig, 2. Juni. Im „Börsenbl. für den deutschen Buchhandel und die verwandte» Geschäftszweige" tritt Rechtsanwalt vr. Ludwig Fuld in Mainz energisch dafür ein, daß der Le i pz i ger Zournalistencougreß Alles, WaS i» seine» Kräften steht, thue, um gegen die Anwendung deS „groben Unfugparagraphen" auf Preß erzeugnisse endlich einmal eine nicht zu übersteigende Schranke aufrichten zu helfe». „Viel Neues", führt er au», „wird man allerdings von seinen Verhandlungen hierüber nicht erwarten dürfen; der leidige Gegenstand ist so oft von Criminalisten erster Ordnung in gründlicher und vertiefter Weis« behandelt worden, daß sich neue Argumente b6 bestem Willen und Aufwand des größten Eifer« und Fleißes nicht mehr auffinden lasten. Die Be richte und Diskussionen können und werden daher im Wesentlichen nur Rekapitulationen Testen enthalten, wa« in einer schon schwer zu übersehenden Literatur niedergelegt ist. Nachdem sich seither gezeigt hat, daß auf dem Boden de» geltenden Strafgesetzbuchs und mit Hilfe der Rechtsprechung eine Abstellung der Mißstände sich nicht erreichen läßt, unter denen vor Allem die politische Tagespresse zu leiden hat, kann nur im Wege der authentischen Auslegung de» Strafgesetz- buchS bezw. einer Declaration desselben eine Beseitigung der Thatsache erzielt werden, daß der Unfugsparagraph zu einer generellen Strafbestimmung geworden ist, unter der alle dir» jenigen Handlungen subsuinirt werden, für die eS an einer sveciellen Strafvorschrift fehlt. Unter den hierauf gerichteten Vorschlägen kann unseres Erachtens nur derjenige Anspruch auf Beifall erheben, der ganze und gründliche Arbeit leistet, der also durchaus die Möglichkeit der Belästigung der Presse mittels deS Unfugparagraphen auS der Welt schaffen will. Es muß klipp uud klar ausgesprochen werden, daß der Unfugparagraph sich nicht auf Preßerzeugniss« be- zieht. Durch «ine solche Vorschrift wird eine Garantie dafür geschaffen, daß nicht durch irgend ein Hinterthürchen die herrschende Praxis sich doch wieder Eingang verschafft, eine Garantie, wie sie keiner der sonstigen Vorschläge bietet. Hiergegen ließe sich allerdings mit Recht einwenden, daß durch den Vertrieb eines Preßerzeugnisses, unabhängig von dessen Inhalt, grober Unfug unzweifelhaft verübt werden könne uud die> Aufnahme eines Zusatzes im Sion« diese« Vorschlag« die Gerichte der Möglichkeit beraube, diese« doch sicherlich strafwürdige Verhalten auch entsprechend zu strafen. Dieser Einwand ist nicht von der Hand zu weisen. Grober Unfug kann verübt werden durch da« AuSschreien deS In halt« eines Preßerzeugniste», gleichviel, ob dieser wahr oder unwahr ist. Wer in einer belebten Straße mit Aufgebot seiner ganzen Lungeukraft eine sogenannte Sensationsnachricht auSschreit, kann wegen groben Unfug« gestraft werden. Der Verübung groben Unfug« kann sich aber auch Derjenige schuldig machen, der eine Druckschrift an Orten aaschlägt oder an heftet, die hierfür nicht bestimmt sind. E« ist nicht zu be zweifeln, daß Derjenige, der ein anarchistische» Flugblatt an einer Kirche oder einem HoSpital anschlägt, einen groben Unfug verübt; von Bar nimmt in seinem m Band 40 de» „Gericht-saalS" veröffentlichten Aussatze an, daß der An- schlag von Bekanntmachungen am Palai« de» Staatsober hauptes stet« al« grober Unfug zu betrachten sei. E« kann dahingestellt bleibe», ob dies zutreffend ist; jedenfalls müßte aber gleichzeitig mit der Aufnahme dieser Teclaration in da» Strafgesetzbuch eine Vorschrift de« Inhalte« erlassen werden, wo nach dieser Ausschluß de« Unfugsparagraphen sich nicht auf die Fälle bezieht, in denen durch dre besondere Art der Verbreitung eines PreßerzeugoifseS oder in der Bekanntmachung desselben der grobe Unfug an sich, also unabhängig von dem Inhalt, verübt wird. Wer gegen den obigen Vorschlag daS Bedenken geltend machen wollte, daß eS dann nicht mehr möglich sei, gegen gewisse Aeußerungen der Presse einzuschreiteu, die die Gefühle einer größeren oder kleineren socialen Schicht verletzten, sollte sich daran erinnern, daß man mit dem Augenblick, in dem man zugiebt, daß die Freiheit der Presse wegen der möglichen Belästigung von Gefühlen beschränkt wird, sich aus die schiefe Bahn begiebt, die mit Nothwendigkeit zu der Aufhebung der Preßfreiheit selbst führt. ES ist ein wahrer Ausspruch, den ein so durchaus konservativ gesinnter Mann wie Tocqueville in dieser Hinsicht gethan hat: „La matisre äs presse il n'/ u certüiuement äs milieu entrs Is. ssrvituäe et la lieeueis". Eine energische Kundgebung des Iournalistencongresstö im Sinne des vorstehenden Vorschlags dürfte nicht ohne Be deutung bleiben." L2 Berlin, 2. Juni. Von Herrn vr. Bödiker, dem Präsidenten deS Reichsversicherungsamtes, ist schon oft gesagt worden, daß er aus seinem Amte scheiden werde oder wolle. Neuerdings tritt diese Nachricht au verschiedenen Stellen mehr oder weniger bestimmt auf, Ihre Nichtigkeit ist nicht zu con- troliren. Viel Wahrscheinlichkeit bat eS gerade nicht für sich, daß vr. Bödiker ernstlich ans Abschirdnehmea in einem Augenblick« denkt, wo der baldige Rücktritt seine« Vorgesetzten und notorischen Antagonisten, de» Herrn von Boetticher, außer allem Zweifel steht. Vielleicht erfährt mau Authentische« über die Absichten de« Herr» Bödiker — au« der ultra montanen „Kölnischen VolkSztg." * Berlin, 2. Juni. Es vergeht kaum einmal eine Woche, in der man nicht in der TageSprefse lesen kann, daß es irgendwo einem alten Mann oder einem alten Weiblein ge lungen sei, die Altersrente zu erlangen, und daß die Be treffenden die Rente auf 8—7 Jahre zurück nachgezahlt er halten haben, da sie in Wirklichkeit schon mit dem Inkraft treten des Gesetzes im Jahre 1891 Anspruch darauf gehabt Härten. Solcke Berichte werden nicht selten von den Blättern mit Randbemerkungen versehen wiedergegeben, unter denen die eine regelmäßig wiederkehrt, daß ein Gesetz nichts tauge, dessen Bcstimmu^en derart hemmend auf die Möglichkeit der Erlangung der Rente einwirken. „ES soll" — so fübrt solchen Bemerkungen gegenüber der „Schwäb. Merk." mit Recht aus — „nicht geleugnet werden, daß eS für die unständigen Arbeiter — und nur um solche kann e« sich im vorliegenden Falle handeln — ab und zu mit Schwierigkeiten verknüpft ist, die erforderlichen Nachweise zu erbringen. Aber daS kann sich nachgerade kein verständig Urtheilender mehr verhehlen, daß e« weniger diese kleinen Mängel im Gesetz sind, die berechtigten Anlaß zur Kritik geben könnten, al» vielmehr der ausgesprochene Widerwillen weitester Kreise gegen da» Gesetz. Als seiner Zeit da- Invaliden versicherungsgesetz im Jahre 1891 in Kraft getreten war, fragte man nicht darnach, WaS da» Gesetz Gute« bringe, sondern nur darnach, wo man den kritischen Maßstab mit dem größten Erfolg anlegen könne. Und da war eS wiederum eine gewisse Presse, die sich geschämt hätte, irgend welche Lichtseiten de» Gesetzes hervorzuhrben und damit diese Kurzsichtigen auf den rechten Weg zu leiten. Al» eine viel dankbarere Aufgabe betrachtet« sie eS, die lnzufriedenheit zu schüren. Wenn sie damit erreichte, daß i« Versicherte von Verfolgung ihrer gerechtfertigten Au- prüche abhielt — um so besser für sie, da» war Wasser auf hre Mühle I Nnd dieselbe Presse ist <», die jetzt mit Pein- icher Gewissenhaftigkeit alle derartigen Fälle verzeichnet, die ie, genau betrachte», fast allein- auf dem Kerbholz hat. Es wird doch Niemand im Ernst glauben, daß ein Versicherter nach Anbringung seines Gesuch» bei der Behörde 6^/, Jahre lang warten muß, bi«* ihm ein Bescheid wird. Nicht so viele Wochen bleibt er — von dem und jenem be sonders gearteten Fall abgesehen — im Ungewissen. Freilich, so lange er weder Hand noch Fuß regt und den Einflüsterungen Jener Gehör schenkt, die ihm vorreden, e» sei za doch Alles umsonst, so lange kann er nicht dar auf rechnen, daß er zu seiner Rente kommt. Wer sich aber- angelegen sein ließ, seinen Anspruch zu vertreten, und nicht gleich bei der ersten Frage, die ihm nicht paßte, im Un willen — dank der vorherigen planmäßigen Verhetzung — davonlief und lieber auf Alles verzichtete, al» daßZer auf die Frage Antwort gegeben hätte, wo er von 1888—1890 gearbeitet habe, der in verständiger Weise den bestehenden Bestimmungen des Gesetzes nachkam, der konnte seine Rente schon in den ersten Wochen des Jahre« 1891 erhalten und zwar mit weniger Umständlichkeiten für ihn al» jetzt, wo e» dem Versicherten nach und nach immer schwerer fallen dürfte, den BesckäftigungSnachweiS für die Jahre 1888 bis 1890 zu liefern. Denn der früher vielfach ergangenen Aufforderung, mit Rücksicht auf die späteren Schwierigkeiten FeniH-tsn. Unheilbare LrankheUen. Bon vr. weä. Georg Korn (Bonn). Nachdruck verdotrn. Unheilbar! Kaum ein zweite« Wort der deutschen Sprache erweckt in dem Hörer so sehr di« düstere Stimmung völliger Hoffnung«- uud Trostlosigkeit. Uud wie ein Gespenst steigt der Gedanke „Unheilbar" unwillkürlich in Bielen auf, wenn sie bestimmte Krankheit-namen hören: Tuberkulose, Kreb«, Lepra, Gehirnerweichung, Rückenmarksschwindsucht, Zucker krankheit; da« sind einige der typschen Leide«, die in weiten Kreisen al« unheilbar gelten. Die Kranken selber und noch mehr ihre Umgebung stehen unter dem unheimlichen Bann dieser Anschauungen, sobald sie ahnen oder wissen, daß eine« dieser Leiden sie heimgesucht hat. Darum wird der Arzt auS Gründen der Humanität sowohl, al« um den hohen Heilfactor der hoffnung-freudigen Stimmung nicht zu ver scheuchen, den Kranken ihr vermeintlich unheilbare» Leiden nicht nennen. Noch verkehrter aber wäre e- bei dem heutigen vorgeschrittenen Stande unserer Kenutniß von den Krank- heitS- und Heilung-Vorgängen, wollte der Arzt den Kranken selbst al« hoffnungslos bezeichnen, weil ihn eine jener ver rufenen Krankheiten überfallen hat. Gar leicht könnte an ihm jene- Wort au« Goethe'« Achill«!« sich al« wahr er weisen: „Ost begrub schon d«r Krank« den Arzt, der da» Leben ihm kürzlich Abgesproche», g«nrs«n und froh der beleuchtenden von,«." Bei dem heutigen Staude der Wissenschaft dürfen wir kaum eine einzige Krankheit unbedingt al« unheilbar be zeichnen. Die genauere Beobachtung und die fortschreitende Erkenntuiß, die dir verfeinerten Heilmittel der modernen Medici» gestatten, haben un« gelehrt, daß Heilungen nirgend« au«geschloffea sind. Wir wissen jetzt einmal, daß die Natur nicht selteu spontane Heilung«» vollsührt, wie sie früher bei der Unsicherheit fester Anhalt«puncte für die Untersuchung den Beobachter» entgangen sind, wir können aber auch, und da- ist da« Erfreulichste, Dank den Fortschritten der chirur gische» Technik, der Auffindung neuer Heilmethoden und der genauen Kenntniß der Krankheit-organe jetzt gar oft noch heilen, wo früher ein jeder Versuch, helfend einzugreifen, hoffnungslos erschien. Ja, e» ist keine zu kühne Behauptung, wenn wir sagen, daß in absehbarer Zukunft wohl manches der jetzt al- unheilbar geltenden Leide» al- besonder« gut heilbar betrachtet werde» wird. Beginnen wir unseren Ueberblick mit der verbreitetsten aller sogenannten „unheilbaren" Krankheiten, der Schwind sucht, so läßt sich feststellen, daß die Furcht vor Unheilbarkeit hier bereits in Laienkreisen dank der ärztlichen Aufklärung zu weichen beginnt. Wie wenig sie begründet ist, beweist die Thatsache, daß nach neueren genauen patholoaisch-aoatouttschea Untersuchungen an mehr al« der Hälfte aller Leichen, die an de» verschiedensten Krankheiten gestorben sind, sich eingekapselte, also geheilt« tuberculosr Herde von Stecknadelkopf- bi» Linsen größe finden, von dem die Betreffenden bei Lebzeiten kaum Beschwerde gehabt habe». Mit dieser Naturheilung wett eifert die der modernen hygieinisch-diätetischen Methode, die ja auch nur die Natur unterstützen, nicht etwa gegen sie au- kämpfeu will. Die Erfolge, di« in den Heilstätten im Ge birge, wie zuerst Brehmer m Görber-dorf erwies, durch An wendung aller physikalische» uud diätetischen Heilfactoren zu erzielen sind, habe» längst z»r Errichtung einer Anzahl ähnlicher Anstalten in deutschen Gebirgsgegenden und sonst reiner Luft geführt. Man darf annehmen, daß von den Leidenden, die gleich bei Beginn ihrer Erkrankungllderartige Anstalten aufsuchen, ei» Drittel völlig geheilt und v,e Mehr zahl der anderen wesentlich gebessert werden können, darum sind die geplante» Bolk-Heilstatten auf- Wärmste zu begrüßen. Selbst bei der Kehlkopfschwindsucht, die al« weit gefähr licher gilt, wi« dir Lungenschwindsucht, kan» man auf viel fache Heilung«» zurückblicken, di« i» einigen siche, beglau bigten Fällen auf Selbstheilung, in einer größeren Anzahl auf die vervollkommneten chirurgische» helfend«» Eingriffe, ferner auf die inneren Operationen mittel- Messer- oder mittel» Milchsäure u. s. w. zurückgeführt werden können. Noch viel schönere Ergebnisse scheint in kurzer Frist die Aus dehnung de« Serumbeilverfahren-, da- schon gegen wärtig den Würgengel Diphtherie auf da- Erfolgreichste zurücklreibt, auf die Behandlung der Tuberculose zu I verbeiße«. Al« die unheimlichste der unheilbaren Krankheiten gilt der Krebs, der die verschiedensten Körpergegendrn, wie Zunge, Kehlkopf, Magen, Brust, Untmeib befallen kann. Aber auch hier haben wir neuerdings eine große Reihe von Heilungen zu verzeichnen. Während bestimmte Geschwülste dem Arsenik weichen, andere durch Erysipel-Serum wie der Teufel durch Beelzebub auSaetrieben zu werden scheinen, hat die Chirurgie hier ihre kühnsten Triumphe unter dem Schutze des antiseptischen und aseptischen Verfahrens zu ver zeichnen. In die entlegensten Körpergcgenden dringt jetzt daS Messer deS Chirurgen, und nicht selten hilft es dem Kranken dauernd. Zuweilen, wenn auch vereinzelt, ist aber auch hier eine natürliche Selbstheilung festzustellen gewesen. Die gefürchtetste Krankheit de- Alterthum» und Mittel- alter-, der Au-satz oder die Lepra, die »och heute i» exotischen Ländern, aber auch in einigen Theilen Europa» eine große Rolle spielt, wird ihre» Ruf als unheilbar auch nicht mehr lange wahren können. Nicht nur, daß schon bisher sichere Heilungen von Leprösen, die in andere Umgebung versetzt wurden, zu verzeichnen waren, sondern seit der Entdeckung de- Lepra-Bacillu- geht man ihr ernstlich an den Leib. E» scheiut beinahe, daß auch auf diesem Gebiete di« Japaner sich al» — hier gewiß willkommene — erfolgreiche Nebenbuhler Europa« erweisen werden. Professor Kitasato, sieben Jahre ang ein hervorragender Schüler von Robert Koch, hat in seiner Heimath Shiba von der Regierung ein großartige« In stitut zur Verfügung gestellt erhalten, in dem er die Serum therapie in großem Maßstabe pflegt. Er behandelt mit Serum Diphtherie, Tetanu- (Starrkrampf), Typhu-, Tuberculose, Cholera und Lepra. Aus dir Frage nach den Erfolgen der Leprabehandlung antwortet Kitasato außerordentlich zuver sichtlich: „Mein Heilmittel trifft da- Uebrl an der Wurzel: di« Einspritzung neutralisirt daS Gift der Leprabacillru voll ständig." Die erfolgreiche Behandlung de« Au-satze- ist für Ostasien bei den grausigen Verbeerungen, die die Seuche dort aurichtet, von weittragendster Bedeutung. Kitasato hat be- kauntlich auch den Bacillu» der Pest entdeckt. Selbstheiluugen und Heilungen durch die Kunst der Aerzte sind in größerer oder kleinerer Anzahl auch bei den übrigen i» dem schlimmen Rufe der Unheilbarkeit stehende» Krankheiten, wie bei bestimmten bö-artigen Hautkrankheiten, selbst bei progressiver Paralyse (Gehirnerweichung) und Rückenmark»- schwindsucht (Tabe») festgestellt worden. Freilich ist man hier häufig erst am Anfang eine» erfolgreichen Vorgehens, . und nichts kann der heutigen Medicin ferner liegen, als satte Selbstzufriedenheit, „wie wir'« so herrlich weit gebracht". Tröstlich sind immerhin die hoffnungsvollen Anfänge, die Düsterkeit eines als unabwendbar aufgefaßten Fatums zu erhellen. Das Meiste müssen wir dem EntwickclungSgang der Zu kunft noch anheimstellen, aber wir können eS mit hoffnungs vollem Ausblick in die Ferne, wenn wir an die gewaltigen Fortschritte denken, die in dem letzten Menschenalter mensch licher ForschungSdrang der Natur abgerungen hat. Die moderne Fee, die Naturwissenschaft, hat die Träume der vergangenen Zeiten verwirklicht, hat mit ihren Dienern Dampf und Elektricitat, nach einem Wort DuboiS-Rey- mond'S, die Geschichte von den Siebenmeileustieseln als eine abgeschmackte und phantastische Erfindung beschämt, sie schasst Süße» auS dem Ekelhaften, Wohlaerüche obne Sonne und Blumenbeet. Die beiden letzten Menschenalter haben den Menschen auS dem werkzeugmachenden, fprachbegabten, aufrecht gebenden Thiere zu einem Wesen umqeschaffen, das mit dem Blitz schreibt, spricht, hört, fährt, schwimmt, mit den Sonnenstrahlen malt, mit den Röntgenstrahlen die lebenden Mitmenschen bi- auf die Knochen prüft. DaS Märchen von der Wünschelrute ist durch die moderne Geologie, die die Gesteine in den Tiefen erräth uud hervorholt, längst überholt; die moderne Chemie hat die Kraft d«S Steins der Weisen, unedle, werthlose Gegenstände in edle, werthvolle zu verwandeln, die Fähigkeit, au- Häckerling Gold zu gewinnen. Aus den schwarzen stinkenden Abfällen der Leuchtgas- Bereitung schafft sie Farben von herrlichstem Glanz, an Zahl, an Pracht die Vlumenfarben weit übertreffend, durch geniale Verfahren erhöht sie de» Werth der Eisenerze in- Ungemeffene. Auch die Medicin hat mit ihren Schwestern gleichen Schritt gehalten und von ihrem Reichthum ihren Antheil erhalten; m neuer Rüstung, mit neuen Angriff-waffeu kann sie den Kampf gegen die Krankheiten jetzt aufuehmen. Darum ist e« mehr al« ein frommer Wunsch, e» ist freudige Zuversicht, wenn wir hoffen, daß nach einem weiteren Menschenalter der Begriff der „unheilbaren" Krankheiten völlig au- dem Be- wußtsei» der Aerzte uad der Laien geschwunden sein wird.
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