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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970601021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897060102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897060102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? llhe. dir Abrnd-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Nrdaclion und Erve-Mon: J--au«esaasse 8. Di« Expedition ist Wochentag- ununterbrochen ßeösfuet von früh 8 bi» Abrod» 7 Uh«^ Filialen: Dtt» Klemm'» Tortim. (Alfred Hahn), Universitcitsstraße 3 (Paulinum), Lotti» Lösche. Katharinenstr. 14, pari, und KSnig-pla» 7. Dezugs-Preis Kl der Hauptexpedition oder den im Stadt» beiirl und den Vororte« errichteten Au», aavestrllen ab geholt: vierteljährlich ^I4.L0, vei »weimallger täglicher Zustellung in» Lau» S SO. Durch dir Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: vierteljährlich G.—. Direkt» täglich« Kreozbandirndung in» Ausland: monatlich 7.öO. Abend-Ausgabe. WpMr. TagMM Anzeiger. ÄittLsökatt des Königliche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Dienstag den 1. Juni 1897. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Pelitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRrdactionsstrich (4g» spalten) 50-^, vor den Familieunachrichtea (6 gespalten) 40 A. Größere Lchriflen laut unserrm Preis» Verzeichnis Tabellarischer und Zifferajatz uach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderunz; >ll 60.—, mit Postbeförderuug 70.—. AnnalMfchluß fiir Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei deu Filialen und Aunahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Juni. 2n knapp zwei Stunden hat gestern das preußische Abgeordnetenhaus die dritte Lesung der VereinSrechtS- novcllc beendet, und da kein Widerspruch sich erhob, so konnte auch die Gesammtabstimmung über da- übrig gebliebene Stück der Borlage im Ganzen noch folgen. Die Rechte hatte die Hoffnung, mit einer Zufallsmehrheit noch die Ergebnisse der zweiten Lesung ändern zu können, alSbald aufgegeben, al- sie zu Beginn der Sitzung bemerkte, daß auf der Linken eben dieselbe Präsenzziffer vorhanden war, wie am Freitag. Die einzige Auszählung, die gestern vorgenommen wurde, ergab, daß die Mehrheit vom Frettag sogar um eine Stimme sich verstärkt, hingegen die Minderheit um fünf Stimmen sich verringert hatte. Angesichts dieser von vornherein erkennbaren Stärkeverbältnisse und in Anbetracht deö Umstande-, daß die Regierung sich in eisiges Schweigen hüllte, soweit eS sich um die eigentlichen Streit- puncte handelte, konnte denn auch in raschem Zuge eine Ent scheidung um die andere getroffen werden. Eine General- discussion wurde zwar eröffnet, war aber auch schon zu Ende, nachdem der CentrumSabgeordnete Stütze! die Ablehnung des „TorsoS" empfohlen halte. ZurSpecialberathung hatlendieCon- servativen Wiederherstellung aller Theile der Regierungsvorlage beantragt, während die Freiconservativen ihren „Socialisten- gesetz"-Vorschlag erneuerten. Für die konservativen Wicder- herslellungsanträge stimmten stets nur die Eonservativen selbst, zeitweilig auch einige Freiconservative. Der „Socialisten- gesetz"-Antrag ver Freiconservativen aber wurde dann wiederum von der ganzen Rechten unterstützt und mit 207 gegen 188 Stimmen verworfen. Demnächst verlor sich die Erörterung in minder Wichtiges. Herr Rickert hatte den politischen Mißgriff begangen, die „Franenfrage" durch einen Antrag auszurollen, und mußte sich vom Abg. Oswalt vor ver sammeltem Landtag belehren lassen, daß man den Kampf gegen die unannehmbaren Zuthaten der Regierungsvorlage bedenklich erschwere, wenn man selbstständig die Aufhebung de- Verbindung-Verbots mit anderen Zuthaten zu verbinden suche. Herrn Rickert'S Antrag, das Vereinsrecht der Frauen jetzt einzuflechten, wurde mit erdrückender Mehrheit gegen 17 freisinnige Stimmen abgelehnt. Ein Antrag deS national liberalen Aba. Lohmann-Hagen kehrte sich gegen eine in zweiter Lesnng beschlossene Bestimmung, welche den Vorsitzenden einer Versammlung auch dann mit Strafe bedrohte, wenn er die „zweckmäßigen Maßregeln" unterlassen würde, um die anwesenden Minderjährigen zu entfernen. Gegen die Stimmen der Rechten wurde es ab gelehnt, eine derart dehnbare Bestimmung Gesetz werden zu lassen; sie hätte in der Thal zur Folge haben können, daß Niemand mehr den Vorsitz in einer Versammlung bürger licher Wähler übernehmen möchte. Die Bestimmung wurde gestrichen, und die Specialberathung war damit zu Ende. Die Abstimmung über daS Gesetz im Ganzen konnte, da Niemand widersprach, sofort erfolgen. Die Eonservativen standen nun vor der ihnen peinlichsten Entscheidung, ob sie das Verbot für Minderjährige als ausreichend erachten wollten, um dafür daS Verbindungs verbot preiSzngeben, oder nicht;— sie wichen aus und ließen erklären, daß ihnen zwar die Compensation durchaus nicht genüge, daß sie aber jetzt für das Gesetz im Ganzen stimmen wollten, damit das Herrenhaus weitere „Ver besserungen" an demselben versuchen könne. Ohne Wider spruch stellte dann der Präsident fest, daß das Gesetz ine Verfassungsänderung bedeute und daß mithin, ehe eS anS Herrenhaus überwiesen werde, eine nochmalige Ab stimmung darüber nach 21 Tagen stattfinden müsse. DaS wird also frühestens am 21. Juni geschehen können. Die Socialdemokraten werden einen Vorfall, dessen letzter Act jetzt bekannt wird, voraussichtlich weidlich für sich auSbeuten. Ein Soldat in Königsberg hatte sich ertränkt. Der Bruder des Soldaten erhielt vom General kommando ein Schreiben, in dem eS hieß, der Selbstmord sei offenbar in einem Anfalle von Geistesstörung vollführt worden, da die Untersuchung keinen Anhalt für die Annahme, daß Mißhandlungen den Unglücklichen in den Tod getrieben hätten, ergeben habe. Herr Bebel besprach nun den Fall im Reichstage und es wurde daraufhin eine erneute Untersuchung angestellt. Das Ergebniß dieser Untersuchung geht aus einem abermaligen Schreiben an den Bruder des Verstorbenen hervor. Nach diesem Schreiben hat ein Unterofficier wegen Mißhandlung und schlechter Behandlung des Verstorbenen eine so schwere Bestrafung erhalten, daß man auS dem Strafmaße auf die Schwere der Mißhandlungen zurückschließen kann. Die Socialdemokratie hat nun einen dreifachen Triumph: erstens den Beweis für die von ihr immer wieder aufgestellte Be hauptung für Mißhandlungen in der Armee; zweitens die Thatsache, daß eine Anregung des Herrn Bebel die Erneuerung der Untersuchung und zwar mit einem völlig veränderten Endergebnisse veranlaßt hat, und drittens den Hinweis darauf, wie ungenügend das gegenwärtige Mililair- Ltrafproeetzvcrfuhrcn sei. Die Freude über den Nachweis einer Mißhandlung mag man den Socialdemokraten ruhig gönnen, denn ein jeder verständige Mensch wird cs als durch aus nicht wunderbar ansehen, wenn in einem Heere von nahezu 600 000 Mann gelegentliche Fälle von Mißhandlungen vorkommen. Daß diese Mißhandlungen auch nur annähernd so schwerer Natur seien, wie die in den beiden „freien" Län dern Frankreich und England, wird auch kein Socialdemokrat behaupten können. Auch den Triumph, daß Herr Bebel die Sache angeregt hat, mögen die „Genossen" genießen. Denn Herr Bebel hat sich gerade in dieser Hinsicht so un zählige Male blamirt, daß damit, daß er einmal Recht hat, daS Eonlo noch lange nicht beglichen ist. Anders aber steht eS mit dem dritten Puncte, nämlich mit der Ausnutzung des Falles zur Agitation gegen das bestehende Militairstrafver- fahren. Denn hier befindet sich die Socialdemokratie im Rechte. Ginge die Untersuchung im militairischen Verfahren nach modernen Principien und ohne die Besorgniß der Soldaten, bei ungünstigen Aussagen gegen Vorgesetzte Nach theile zu haben, vor sich, so würde Wohl kaum die erste Untersuchung ein so völlig negatives Resultat gehabt haben. WaS wäre nun das Resultat gewesen, wenn es bei der ersten Untersuchung verblieben wäre? Es wäre nicht nur eine schwere Strafthat ungesühnt geblieben, sondern auch der Misselhäter und ähnlich gesinnte Persönlichkeiten würden daraus die Neigung zu neuen Mißhandlungen entnommen haben. Nicht nur um der einzelnen Soldaten willen, die den Mißhandlungen einzelner roher Vorgesetzter, wie LeS in diesem Falle bestraften UnterofficierS, ausgesetzt sind, sondern um deS Ansehens des Heeres willen ist eS nöthig, einen möglichst den modernen Forderungen entsprechenden Stras- proceß im Heere baldigst einzuführen. Die dem ungarischen Abgeordneten Hause jüngst unterbreiteten Vorlagen über die Reform ver unga rischen Militairbildungsanstalten werden von der öffentlichen Meinung des Landes als erfreuliche nationale Errungenschaft behandelt. Durch die Umwandlung des Ludovika-Ofsiciersbildungö-JnstituteS (welches jetzt dem Range nach einer Cadettenschule entspricht) in eine rein ungarische Militair-Akademie wird ein alter Wunsch deS unga rischen Volkes, der in allen Tagungen der Delegationen eine Rolle gespielt, — die Nationalpartei hatte sogar ihr ganzes politisches Programm auf diese Sache gestellt — mit einem Male und unerwartet erfüllt. Die neue Akademie ist nicht als eine Institutian deS gemeinsamen Heeres gedacht und demgemäß ist Oesterreich auch von jeder Beisteuer zu der selben frei, aber die ungarische Honved-Akademie steht auf gleicher Stufe mit den gemeinsamen Militairhockschulen und eS ist die Verfügung getroffen, daß die in derselben ausgebildeten Dfsiciere sich freiwillig zum Uebertritt und zur Dienstleistung für die gemeinsame Armee melden können, wenn sie den Anforderungen deS Dienstes entsprechen, was wohl auf die Kenntniß der deutschen Sprache zu deuten ist. Denn die Armeesprache ist nach wie vor die deutsche. Außerdem werden in Ungarn eine Militair- Oberrealschule und zwei Cadettenschulen errichtet, und end lich kreirte man 130 neue ungarische Stistungsplätze für die Lehranstalten des gemeinsamen Heeres. Durch alle diese Maßnahmen wird dem im ungarischen Parlamente wiederholt ausgesprochenen Wunsche Rechnung getragen, daß das ungarische Element im Officier - yorpS der gemeinsamen Armee vermehrt werde. Bisher wurde die schwache Betheiligung der bürgerlichen Classen, deS Mittelstandes im activen militairischen Dienste mit Recht dem Umstande zugeschrieben, daß cs in Ungarn an militairischen Bildungsanstalten gefehlt hat. Diesem Mangel wird nun abgeholfen. Offenbar hat der ungarische Minister präsident Baron Banffy ein großes Verdienst an diesem neuen nationalen Siege und die Opposition, die ihm bisher das Leben so schwer gemacht hat, sieht sich plötzlich entwaffnet. Nicht geringerer Tank aber wendet sich dem Kaiser-König Franz Joseph zu, der in hochherziger Weise auch in dieser Sache die Gedanken und Gefühle der Nation zu den seinigen gemacht und durch feine weise Entschließung der Verwirklichung näher führt. Vielleicht ist das Entgegen kommen der Krone im Hinblick auf die so gut wie ge scheiterten Ausgleichsverhandlungen geschehen, und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß Ungarn als Gegengabe den österreichischen Ausgleichsforderungen größere Nachgiebig keit als bisher entgegenbringt. Nach den letzten Nachrichten über das Befinden des rumänischen Thronfolgers ist die Krankheit desselben in entschiedener Besserung begriffen und die Hoffnung, ihn am Leben zu erhalten, eine wohlbegründete. Ueber die Ursachen der Erkrankung theilt der Bukarester Berichterstatter der „Voss. Ztg." Folgendes mit: Am 5. d. M. hatte Kronprinz Ferdinand in Begleitung ieincr Gemahlin und feiner Schwägerin, fowie mehrerer Osficiere feines Rojchiorlregimentk einen Spazierritt in ein benachbartes Lors unternommen und war von diejem Ausfluge infolge eines niedergegangenen Platzregens mit völlig durchnäßten Kleidern zurückgekehrt. Da der Prinz sich bereits am nächsten Tage unwohl fühlte und bettlägerig wurde, so war man im Publicum der Ansicht, daß es sich bei der mit leichten Fieberansällen ver bundenen Krankheit Les Thronerben um eine bloße Erkältungs krankheit handle. Die behandelnden Aerzte batten keine Veranlassung, so lange nicht irgendwie bedenklichere Erscheinungen vorlagen, die öffentliche Meinung durch Ausgabe von Krankenberichten zn beunruhigen. Tie Wendung zum Schlimmeren scheint am 17. eingetrelen zu sein, als gleichzeitig mit heftigen Schüttelfrösten lange anhaltendes und schwer stillbares Erbrechen ein weil ernsteres Krankheitsbild als bisher darboten. Doch ging diese scheinbare KrisiS, welche die Veranlassung für Ausgabe täglicher Kranken berichte wurde, bald vorüber, und nur die Andauer des immer wieder aufs Neue sich einstellenden Fiebers und der zunehmende Schwäche- zustand des Prinzen ließen die Aerzte befürchten, daß der Höhe- punct der Krankheit noch nicht erreicht sei. Bereits am Montag Nachmittag war in hiesigen Hofkreisen die Nachricht verbreitet, Laß in Folge einer plötzlichen Verschlimmerung des Krankheits zustandes seines Neffen der selber unpäßliche König ohne jede Be gleitung nach Schloß Cotroceni an da- Krankenlager des Kron prinzen geeilt sei. Aber erst der nächste Morgen brachte die erschreckende Gewißheit, daß bei dem Patienten ein mit der Ent zündung eines Lungenflügels verbundenes typhöses Fieber zum Ausbruch gelangt sei. Da die behandelnden Aerzte angesichts der großen Schwäche des Kranken eine auf Las Herz sich auSLehnende, verderbliche Verwickelung fürchten mußten. so wurde ihm zur Hebung der stark gesunkenen Herzthätigkeit Coffein eingespritzt. . . . Nach wiederholten Schwankungen ist dann gestern eine entschiedene Wendung zum Besseren eingetreten. Hervorgehoben muß werden, daß die Bevölkerung auf das Schmerzlichste von der Erkrankung des Thronfolgers berührt wurde. Die Freude über jede leichte Besserung war eine so allseitige, allgemeine und ungekünstelte, wie man sie der den Rumänen häufig vorgeworfenen Gleichgiltigkeit in dynastischen Angelegenheiten gewiß nicht rumuthen könnte, wenn dieser Vorwurf überhaupt auf Wahrheit beruhen würde. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Dank der weisen Regierung König Karol'S I. daS Gefühl der Jntereffeneinheit zwischen Dynastie und Volk bereits festere Wurzeln geschlagen hat, als man das sonst bei Ländern voraussetzen kann, welche wie die aus dem Zerfall des OsmanenstaateS hervorgegangencn Nationalstaaten an der unteren Donau Jahrhunderte hindurch kein Fürstenhaus und keine dynastische Thronfolge besessen. Die „Köln. Ztg." weist sehr zur rechten Zeit aus die griechische Finanzkraft und deren Vergeudung bin. Die Griechen behaupten, sie könnten keine Kriegsentschädigung bezahlen. Abgesehen davon, daß Griechenland durch die Anstiftung der kretischen Unruhen und die Entzündung des Krieges mit der Türkei das Recht verwirkt bat, sich auf eine totale Zahlungsunfähigkeit zu berufen, das Land kann, wie wir schon wiederholt betont haben, nachweisbar die Türkei angemessen finanziell entschädigen und seinen Verpflichtungen gegen die Gläubiger Nachkommen. Es braucht dazu nur eine Stellung unter Sequester. Griechenland giebt für eine Armee von der allerdings nur — papiernen Friedensstärke von 27 000 Mann rund 16 Millionen Franken aus. Es bedarf aber nicht nur keines Heeres, sondern die Existenz eines solchen ist, wie sich gezeigt hat, nur von Nebel, da sie Be gierden erweckt, die dieses Heer eben doch niemals stillen kann. Bedroht wird das Land von keinem Angreifer, im Gegentheil, jetzt, wo es angegriffen hat, vereinigen sich die Mächte, um den kleinen und höchst unbescheidenen Staat vor den Folgen seines Thuns zu bewahren. Mit einer Gendar- l merie kann Griechenland sehr Wohl auskommen; will eS I dieselbe Armee nennen, so mag ihm dies unbenommen bleiben. I Wie das Landheer, so ist die Flotte den Griechen nur zum Feitrllstoir. Zwei Frauen. 17j Roman von F. Marion-Crawsord. Nacddruck »ertöt». „Wollen wir nach Hause gehen oder bis zum Morgen hier bleiben?" fragte Greif endlich, überlegend, ob er sich noch eine frische Cigarre anzünden sollte oder nicht. „Wir könnten uns auf Dein Zimmer zurückziehen", schlug Rex vor, „und dort den übrigen Theil der Nacht verplaudern." In der Nähe der Thür machte sich ein Geräusch bemerk bar und Greis wendete sich um, anfangs zleichgiltig nach sehend, WaS los sei, dann aber mit einem Ausdruck tiefer Bestürzung. Ein junger Mensch mit todtenblcichem, ent setztem Gesicht war in den Saal getreten. Er schien sich bei einem der Diener deS Corps nack etwas zu erkundigen. Greif'S Augen hefteten sich in dem Vorgefühl eines Unglücks auf den jungen Burschen, der die Greisenstein'sche Livree trug und einer von seines Vaters Stallbevienten war. WaS ihn besonder» befremdete, war, daß er mit Sporen an den Stiefeln gekommen war, als ob er einen scharfen Ritt zurück gelegt hätte, obgleich er Schwarzburg nur mit der Eisenbahn erseicht haben konnte. „Karl!" ries Greif in einem Tone, bei dem der junge Mensch zusammensuhr. „WaS machst Du hier?" Karl durchschritt den Saal, sein Gesicht wurde noch bleicher und seine Zähne klapperten wie im Fieber. Seine Hände zitterten heftig, al» sie die Militairmütze umklammerten, die er vom Kopfe gerissen hatte. „Herr Baron," stammelte er, Greif mit erschrockenen Augen ansehrnd, „Herr Baron," fing er wieder an, bemüht, nach Worten zu suchen. „Sprich, Karl!" rief Greif, einen verzweifelten Versuch machend, ruhiazu scheinen, obgleich er die Worte fürchtete, die der arme Mensch auszusprechen haben würde. Der Diener wendete sich wie hilfesuchend zu Rex, der bewegungslos an seinem Platze saß und mit seinem steinernen Blick den Boden musterte. „Mein Gott," stammelte er, ich kann e» ihm nicht sagen. Sind Sie ein Freund deS Herrn Baron», gnädiger Herr?" Rex nickte, und eine Hand auf Greif'» Schulter legend, als wollte er ihn auf seinen Sitz niederdrücken, erhob er sich und gab dem Diener ein Zeichen, ihm zu folgen; aber Greif sprang auf, ergriff Karl am Arm und zog ihn näher zu sich heran. „Ich will eS selbst hören," sagte er fest. „Ist eS mein Vater?" fragte er mit bebender Stimme. Karl nickte ernst. „Ich kam gerade noch zum Zuge zurecht, als ich aus dem Sattel sprang", antwortete er. „Meine Mutter schickte Dich!" fragte Greif angstvoll. Der Diener schüttelte den Kopf und sein Entsetzen steigerte sich. „Sprich, Mensch!" rief Greif, wahnsinnig vor Angst. „Mein Vater ist krank und Du bist hier, obwohl meine Mutter Dich nicht schickte. So sprich doch, sage ich Dir." „Sie sind todt", antwortete Karl mit leiser Stimme. Greif sank in seinen Sessel zurück und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Plötzlich blitzten Rex' undurch dringliche Augen auf und auch er erblaßte bis in die Lippen. „Ist noch ein anderer Herr in Greifenstein?" fragte er schnell. „Er ist auch mit ihnen, gnädiger Herr!" ,Todt?" „Er erschoß sich." Rex schloß di« Augen und hielt sich mit beiden Händen am Tische fest, denn er wußte, wer der Fremde gewesen war. Karl, der sah, daß Greif sich nicht bewegte und ver- muthete, daß Rex «in bloßer Bekannter seines Herrn war, faßte Muth, Rex dir traurige Geschichte mit leiser Stimme zu erzählen. „Der fremde Herr kam vor Tische an", berichtete er. „Die gnädigen Herrschaften speisten zusammen, aber der auf wartende Diener sagte, sie verließen die Tafel vor Ende deS MahleS. Dann wurden im Schloss« mehrere Schüsse gehört. Wir erbrachen die Thüren und fanden die Frau Baronin in dem Zimmer hinter dem Arbeitszimmer des Herrn BaronS todt auf dem Sopha liegen, den Herrn Baron in seinem Arbeitszimmer, eine Pistole in der Hand, todt in einem Sessel, und den fremden Herrn gleichfalls todt und auch eine Pistole in der Hand. Sir hatten sich selbst erschossen, wie sie in ihren Sesseln vor dem Kaminfeuer saßen, daS beinahe auSgegangen war. Die Lampe brannte noch. Nach dieser schrecklichen Entdeckung sattelten wir die Pferde und vier von nn» ritten davon, einer, die Polizei zu benachrichtigen, der Andere zum Doctor, der Dritte nach Wildenberg und ich zur Eisenbahn und hier bin ich. Sind Sie ein Freund des jungen Herrn Barons, gnädiger Herr?" „Ja, das bin ich", erwiderte Rex, wie aus dem Schlaf auffahrend. „Dann wäre es gut, wenn Sie mir sagten, wo ich bin geben soll, denn dem jungen Herrn wird noch schlimmer zu Mutb sein, wenn er mich sieht." „Fragen Sie nach dem WirtbShauS zum Rothen Adler", sagte Rex, „und bleiben Sie dort, bis wir nach Ihnen schicken." Immer auf alle Möglichkeiten bedacht, gab er dem jungen Menschen etwas Geld. „Sie brauchen nicht über diese schauerliche Katastrophe zu sprechen," empfahl er ihm noch eindringlich. Karl verschwand so schnell er konnte, froh, den Jammer Greif'S nicht länger mit ansehen zu müssen und Jemand ge funden zu haben, der ihm die Aufgabe abnahm, seinem Herrn die fürchterliche Geschichte zu erzählen. Als er sich entfernt hatte, legte Rex seine Hand auf Greif's Arm. „Komm," sagte er im Tone ruhiger Ucberlegenheit. Greif erhob sich wie im Traum, ließ sich von Nex in seinen Ueberzieher helfen und folgte ihm aus dem fast leeren Saal durch die Gruppe der vor der Thür umherslehenden Diener, die ihnen ehrerbietig den Weg sreigaben. „Wohin?" fragte Greif, auf der Straße angelangt. „In Deine Wohnung," antwortete Rex, seinen Arm nehmenv. Greif erinnerte sich später nicht, wie er den Weg zu seiner Wohnung gefunden hatte. Weder er noch Rex sprachen während der Viertelstunde, die verging, bis sie die Hausthür erreichten. Rex zündete ein Wachsstreichhölzchen an und wollte Greif auch die Treppe hinaufgeleiten, aber bei dem Anblick deS Eingangs zu seiner Wohnung erwachte der unglückliche junge Mann auS der ersten Betäubung seines Kummers. Festen Schrittes stieg er die Stufen empor, wenn auch wie Jemand, den die Müdigkeit überwältigt und dem jede Be wegung schwer wird. Noch immer schweigend, zündete Rex die Lampe in den; kleinen Zimmer an und begann Greis Len Mantel abzunehmen, aber Greif schob ihn sanft zur Seite und warf sich,"so wie er war, in seinen Sessel. Rex bog sich in einen Winkel zurück, setzte sich und wartete. Sein Instinct sagte ihm, daß sein Freund Zeit haben müsse, sich von der ersten Erschütterung zu erholen, ehe etwas geschehen könne. Er beschattete seine Augen mit der Hand und dachte an seinen eigenen Kummer. Eine lautlose Stille herrschte in dem engen Raume. Es war, als ob die Geister der Todten, der Mutter Beider und des VaterS eines Jeden, in dem Zimmer zugegen wären, in dem ihre Söhne saßen, ohne einander als Brüder zu kennen, obgleich sie durch denselben Nnglücksfall getroffen waren, und die ermordete Frau und ihre beiden im Tode vereinigten Mörder schweigend in der Mitte des kleinen Zimmers ständen, um zu sehen, was denen geschehen würde, die sie hinterlassen hatten. Endlich erhob Greif sein bleiches Gesicht und blickte zu Nex hinüber. „Ich muß gehen", sagte er einfach. „Ja," antwortete Rex. „Wir müssen unsere Todten begraben." Greif sah ihn an, als verlange er eine Erklärung für diese Worte. „Mein Vater ist auch mit ihnen," beantwortete Rex die unausgesprochene Frage. Greif starrte seinen Vetter verständnißloS an, dann färbte sich sein bleiches Gesicht plötzlich und seine Augen glitzerten unheimlich. „Riesencck?" rief er mit erstickter Stimme. „Dein Vater hat den meinigen erschlagen, und dennoch bist Du hier —" Er richtete sich auf, halb wahnsinnig vor Grauen, als ob er sich auf seinen Freund stürzen wollte, aber Rex unterbrach ihn in einem Tone, der seine Aufmerksamkeit erzwang. „Deine Mutter ist gestorben — Gott weiß wie. Dein Vater und mein Vater erschossen sich, jeder in seinem Sessel sitzend. Wieder sank Greif'S Kopf auf seine verschlungenen Hände und wieder senkte sich tödtliche» Schweigen über daS kleine Zimmer. Die lange Decembernacht war vorüber und eö war Heller Tag, als die beiden Männer bei der Greifenstein nächsten Eisenbahnstation dem Eilzuge entstiegen. Wortlos setzten sie sich in den Wagen, der auf sie wartete, und die kräftigen Pferde tauchten im Walde unter. In dem grauen Morgenlicht sahen die Bäume unsagbar düster und traurig aus. Nicht ein Hauch von Farbe unterbrach die schwarzen Schatten oder da» eisige Grau der Schneewehen. Die hohen Tannen standen feierlich und regungslos wie in die Höhe geschossene «Zypressen auf endlosen, mit schneebedeckten Gräbern anaefülltcn Friedhöfen, und in der Mitte wurden Greif und Rex den sich langhinwindenden Weg hinunter gewirbelt, sie selbst
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