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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970609017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897060901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897060901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-09
- Monat1897-06
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So die „Nationalzritung", die nicht glauben kann, daß rin Vertreter der von der ihrigen abweichenden Meinung auch nur die gekürzten Zeitungsbericht« über den jüngsten Procetz, geschweige denn den stenographischen Bericht mit Aufmerksamkeit verfolgt habe. Wir kenuen beide Berichte genau, und um, soweit eS auf die Beurtheilung der Jnsceni- rung des ProcesseS Leckert-Lützow ankommt, den Leser in die gleiche Lage zu versetzen, geben wir auS dem stenographischen Bericht Alles wieder, was die „Nationalzeitung" repro- ducirt hat, um ihrer Auffassung, nämlich „daß ohne gericht liches Verfahren gegen daS Treiben der politischen Polizei nichts zu erreichen war", eine Stütze zu geben. Es ist der nachstehende Abschnitt auS dem Verhör vom 25. Mai: Angeklagter von Tausch: Ich gebe die heiligste Versicherung, daß weder ich, noch da« Präsidium, noch der Präsident v. Richthosen das Geringste über den Schumann milgethritt hat, was zu den Artikeln (Normann-Schumonn'S in der „Saale-Ztg.") überhaupt Veranlassung gab. Wir wären gar nicht in der Lage gewesen, daS zu wissen. Ich weiß nicht — der Herr Präsident v. Richthosen — das kann ich ja nicht beurtheilen, da« wird vielleicht brr Herr Geh. Rath Muhl wissen — hat sich nie bewogen gefühlt, aus diese Angriffe des Auswärtigen Amts den Schumann deshalb zu entlassen, und das hat diese Verstimmung eigentlich zwischen dem Auswärtigen Amt und der politischen Polizei rrsp. dem Präsidenten von Richthosen hervorgerufrn. Diese Sache spielt schon seit 1892. Mir hat man Viele» verheimlicht. Herr v. Mauderode sagte: wir wollen Ihnen nicht Alles mittheileu; Sie sind ein so ausgrregter Mensch. Aber da« ist sicher, daß seit Jahr und Tag zwischen Herrn von Richthosen und Herrn Frriherrn v. Marschall darüber drbattirt worden ist . . , . Vorsitzender: Wa» enthielten die Artikel von Normann- Schumann? Angeklagter v. Tausch: Es waren hochpolitische. Ich habe sie überhaupt erst später verfolgt, nachdem von dem Auswärtigen Amt dringend« — sie waren hochpolitischen Inhalt». Sie richteten sich gegen den neuen Eurs. Vorsitzender: Nun, ist e» richtig, daß Normann- Schumann, obwohl der Polizei seine Urheberschaft an diesen Artikeln bekannt war, doch Polizei-Agent ge- blieben ist? Angeklagter v. Tausch: Ja, aber nicht lange. Der Herr Präsident sagte mir: schosst mir einmal einen Beweis. Vorsitzender: Wofür einen Beweis? Angeklagter v. Tausch: Daß Schumann daS ist — Vorsitzender: Ich meine: man hat e« gemuht. Angeklagter v. Tausch: Ja, ganz zuletzt. Es hat dann nicht lange gedauert. Warum man ihn entlassen, dafür war wohl rin Hauptgrund diese Verstimmung. Ich glaub« das hrraasgrfühlt zu haben. Vorsitzender: Der Verstimmung deS Herrn v. Marschall? Angeklagter v. Tausch: Aber der Präsident, der bis zum ge wissen Grabe im Gerechtigkeitssinne eigensinnig geworden, hat ge sagt: wenn ich einmal die Beweise hab«, daß er direkte Vorgesetzte angreift, also den Minister de» Innern ec., wird er entlassen. Schumann wurde damals mehrmals zu Protokoll vernommen und e» wurde ihm gesagt: wenn Sie sich unterstehen, directe Vorgesetzte der Behörde, unter der wir stehen, anzugreifen, wird Ihr Verhältnih ge- kündigt. Mau wird dies« beiden Protokolle in den Acten finden. Vorsitzender: Ja, man hat Schumann gesagt: sobald Sie gegen ihre eigenen Vorgesetzten gehen, werden Sie entlassen. Man hat aber geduldet, daß er gegen andere Behörden seine Artikel in der „Saale-Ztg." richtete. Angeklagter ». Tausch: Ja, seine politische Gesinnung zum Ausdruck brachte. Vorsitzender: DaS richtete sich doch gegen das Auswärtige Amt, Sie sagen: neuen LnrS. Herr v. Marichall ist doch da». Also das richtete sich sprcirll gegen Herrn v. Marschall. Angeklagter v. Tausch: Ja! Vorsitzender: Also Herr v. Marschall war informirt darüber, daß rin Mann, der in Beziehungen zu einer anderen preußischen Behörde stand, zur Polizei, zum Polizeipräsidenten, solche Artikel schreibt und gleichzeitig in dieser Stellung zu der anderen Behörde bleibt. Darüber war er verstimmt, und dieser Verstimmung hat er Ausdruck gegeben. Wie lange hat diese Verstimmung gebauert? Angeklagter v. Tausch: Diese Verstimmung datirt von 1892 bis, glaube ich, heute noch. Vorsitzender: Und wann ist Normanu-Schumann entlasten? Ageklagter v. Tausch: Ich glaube 1893. Vorsitzender: Also es wird ungefähr ein Jahr gedauert hoben, ehe man zur Entlassung Normann-Lchumann'S von Seiten der Polizei sich entschloß. Hatte man auf Seiten des Polizeipräsidenten bestimmte Gründe, Normann-Schumann zu hallen? Angeklagter v. Tausch: Das weiß ich nicht, Herr Geheimrats, Muhl hat mir natürlich nicht Alles miigetheilt. Vielleicht wird er — er war damals schon bei un«, hat Biete« erfahren — es ist möglich, daß er darüber eine Auskunft geben kann. Vorsitzender: Eine andere Frage! Wenn man dem Normann- Schumann einfach den Stuhl vor die Thüre fetzen konnte: wenn Sie gegen die eigenen Vorgesetzten vorgehen, dann fliegen Sie, — warum sagte man nicht zu ihm: lassen Sie die Treiberei gegen da« Auswärtige Amt, sonst fliegen Sie auf? Gerade diese Toleranz, gerade dieses Dulden derartiger Angriffe gegen den neuen Cur» von Seiten der vorgesetzten Behörde deS Normann- Schumann wird die Verstimmung bei dem angegriffenen Beamten, bei dem Herrn StaatSjecretair de» Auswärtigen Amts, hervorge rufen haben. Angeklagter v. Tausch: Ja, natürlich, über die Gründe des Herrn Polizeipräsidenten weiß ich nicht«; was zwischen dem Aus- wärtigrn Amt und dem Polizeipräsidenten sich direkt abgespielt hat, darüber kann ich keinen Ausschluß geben. . . DaS soll der „Nat. Ztg." zufolge „genügen", und die „Köln. Ztg." findet sogar, Herr v. Marschall habe mit seiner Flucht auS einer „absoluten Zwangslage" heraus gehandelt, nachdem er vorher „Alles (I!) versucht hatte, aber vergeblich, um auf andere Weise deS Ränkespiels der politischen Polizei Herr zu werden". Jeder Unbefangene aber wird dem mittgrlheiltrn Dialoge zwischen dem SchwurgrrichtSpräsidenlen und v. Tausch entnehmen, daß Herr v. Marschall nicht mehr als einen einzigen Schritt auf dem ordentlichen Wege gethan hat, um nach dessen Erfolglosigkeit Jahre lang — zufolge jenem Verhöre — gar nicht» und schließlich al« zweiten Schritt den außer ordentlichen, verhängnißvoll gewordenen zu thun. Herr v. Marschall hat sich beim Polizeipräsidenten beklagt, das war alle». Daß er mit ihm „Jahr und Tag dedattirte", ändert an diesem Urtheil nichts; eS war eben eine fortgesetzte Handlung. Der Berliner Polizeichef hat sich an die Be schwerde erst gar nicht gekehrt, dann nach etwa einem Jahre den Agenten Normann-Schumann entlassen — daß sich v. Tausch seiner auch noch ferner bedient hat, ist so gut wie sicher — und damit glaubte das Auswärtige Amt den ordentlichen Instanzenweg erschöpft zu haben. Und die „National-Ztg." und die „Köln. Ztg." bringen daS Opfer des JnlellecluS, diese Meinung de» Auswärtigen Amte- als die richtige zu bezeichnen. Sie glauben also auch, daß die höchsten Aemter den Entscheidungen deS Polizeipräsidenten von Berlin gegenüber sich zu bescheiden haben wie die Bischöfe nach einem ttoma loeuts e«t. Der Polizeipräsident ist aber nichts weiter als ein weil „Nachgeordneter" politischer Beamter, der jeden Augenblick zur Disposition gestellt werden kann. Nachdem die vom Schwurgericht-Präsidenten als die dem Schumann zu stellende Alternative „Entweder lasten Sie die Treibereien gegen da- Auswärtige Amt, oder Sie fliegen auf" nicht gestellt worden war, so war eS an Herrn von Marschall, richtiger am Grafen v. Caprivi, mag dieser damals noch preußischer Ministerpräsident gewesen sein oder nicht, den Polizeipräsidenten vor die Wahl stellen zu lassen, die Treibereien zu verbieten oder seinerseits „aufzufliegen." Er halte sich zu diesem Zwecke an den Minister de» Innern zu wenden, und versagte auch dieser, an das Staatsministerium. Nun muß man der „Köln. Ztg. natürlich zugeben, daß eine „normal zusammengefügle Staatsleitung" in Preußen und im Reich 1892 so wenig bestanden hat wie heute; wenn daS Blatt jedoch hinzusügt: „wer au- der Unvermeidlichkeit einer öffentlichen Zermalmung deS Jntriguanten und einer Sicherung gegen weitere Dupirung dem Freiherrn v. Marschall einen Vorwurf macht, der redet wie der Blinde von der Farbe oder ist ein Handlanger der junkerlichen Beutepolitik," so finden wir in diesen starken Worten die Grobheit de« seines Unrecht« sich bewußten Mannes. Bei aller „Abnormität" der Staatsleitung glauben wir nickt, daß daS preußische Staats ministerium so vom Polizeipräsidium verschüchtert und so — dumm gewesen wäre, eine geforderte Unterstützung zur Hintanhallunz von staatsgefährlichen Niederträchtigkeiten gegen ein Mitglied, wie sie z. B. in den Artikeln der „Saale-Zeitung" hervorgetreten sind, zu verweigern. Jeder Minister mußte sich doch sagen: waS die Polizei heute gegen Caprivi und Marschall thun läßt, kann morgen dir geschehen, und wie der damals noch nicht im Amte befindliche Herr v. Köller erfahren mußte, geschah Gleiches späterhin auch noch Anderen. Das Staatsministerium würde umsoweniger die im Dunklen Verfolgten im Stiche haben lassen können, als die Warnung, die an Schumann erging, es ebenso hätte befremden müssen, wie sie den SchwurgerichtSpräsidenten in Erstaunen versetzt bat. Wie war e« doch? Das Aus wärtige Amt beschwerte sich über Angriffe deS Agenten, worauf diesem von seiner Behörde gesagt wurde: hüte dich, uns anzugreifen. Diese Entscheidung kam einer Duldung deS Treiben- gegen die andere Behörde gleich, und Schumann konnte ihr, wen» er, wie wahrscheinlich, sie und ihre Entstehungsgeschichte kannte, sehr wohl eine Auf munterung entnehmen. Das Publicum hat diese Ungeheuer lichkeit erst aus dem Proteste erfahren, dem Staatsministerium hätte sie, wäre die Sache richtig angegriffen worben, wohl schon im Jahre 1892 vorgelragen werden können, und wenn auch dies nicht, in der Kenntniß des Verfassers der Artikel der „Saale- Zeitung" und in der Thatsache der Weiterbeschästigung dieses Menschen hatte das Auswärtige Amt ein Material gegen die Leitung der Polizei, die eS nicht in den Papierkorb versenkt hätte. Und wenn doch, wenn das Undenkbare in die Erscheinung getreten wäre, Herr von Marschall wäre damit nicht entschuldigt. Der SiaatSsecretair hat es selbst aus gesprochen, daß es sich um die Ehre des Auswärtiges Amtes gehandelt habe. Nun, wenn man ein Amt nicht ohne Gefährdung seiner Ehre durch amtlich geschützte Schurken weiterführen kann, so sollte man eS niederlegen. Das wäre im Falle des Freiherrn von Marschall auch verdienstlich gewesen, denn ein solcher äußerster Schritt hätte möglicherweise die höchste Stelle Manches in einem anderen Lichte sehen lassen, als eS ihr gezeigt worden sein mag. So weit ist die Abnormität der preußischen Staatsleitung wohl doch nicht gediehen, daß durch einen Normann-Schumann und seine Vorgesetzten, die nur sich gegen Schurkereien von Subjekten seines Schlags schützen wollen, der Monarch sich um einen Minister gebracht sehen möchte. Deutsches Reich. * Berlin, 8. Juni. Die ,^kreuz - Ztg." macht auf die Blamage aufmerksam, die Herr Bebel dem „Vorwärts" im Prvceß von Tausch bereitet hat. DaS socialdemokratlsche Ceniralorgan hatte geschrieben: „Daß ertappte Spitzbuben aus Unschuldige deuten mit dem Rus: Haltet den Dieb! ist männiglich bekannt. Nach dieser alten Spitz- bubrn-Taktik operiren jetzt einige Tausch-Lützviv-Organe, die sich den albernen Scherz erlauben, ibrea Spiritus reetor Normann- Schumann dem „Vorwärt-" an di« Rockschöße hängen zu wollen. Die betreffenden Blätter rechnen dabei auf ein polizei widrige Dummheit ihrer Leser. Der „Vorwärts" hat Herrn Nor mann-Schumann entlarvt uud ihm seine Geheimnisse auSplaudern lassen, so daß wir über seine und seiner Collegen und Patrone Thätigkeit vor vier Jahren ungefähr so viel wußten, wie der Herr Oberstaatsanwalt heute davon weiß. Daß Herr Normann- Schumann auf die Redaction des „Vorwärts" je Einfluß irgend welcher Art gehabt, oder gar Artikel für den „Vorwärts" geschrieben habe, ist ein so blödsinniger Gedanke, daß auch der naivste der Täuschlinge e« nicht glaubt." Zur Illustration dieser Behauptung sei folgende Episode auS"dem Tausch-Proceß wiedergegeben: Oberstaatsanwalt Drescher: Hat Normann-Schumann auch für den „Vorwärts" Artikel geschrieben? Zeuge Bebel: DaS ist richtig, 189» hat er Artikel für den „Vorwärts" geschrieben. Drescher: Welchen Inhalte-? Bebel: ES waren politische Artikel, sie be trafen die höchsten Kreise, den Reichskanzler u. s. w. Ich erkannte die Artikel am Stil. Drescher: Enthielten sie Angriffe gegen die Reichsregierung? Bebel: Ich kann den Inhalt nicht angeben. Sie waren sehr rigenthümlich, sie erweckten den Anschein, als sei eS dem Schreiber darum zu thun, etwas in den oberen Kreisen anzustiften. — Präsident: War Ihnen bekannt, daß Normann-Schumann Agent der politischen Polizei war? — Bebel: Mir, ja. — Ober-Staatsanwalt Drescher: Auch der Redaction? — Bebel: Ja, ich glaube. Er schrieb nichts gegen unsere Partei, und ich habe das Material daher auch leider vernichtet." WaS soll man dazu sagen? Entweder entsprechen die Auslassungen des „Vorwärts" nicht der Wahrheit oder — Herr Bebel ist selbst ein „Tausch-Lützow-Organ" und specnlirt auf die „polizeiwidrige Dummheit" des Publikums! X Berit», 8. Juni. (Telegramm.) Der Kaiser machte heute früh 7>/« Uhr einen Spazierritt in die Um gegend des Neuen Palais. Vormittags 9 Uhr hörte er die Vorträge de- Kriegsministers und des Chefs des Militair- cabinelS. Um 12 Uhr empfing er den amerikanischen Bot schafter Uhl nebst Gemahlin, sowie den japanischen Gesandten Vicomte Aoki in AbschiedSaudicnz. (D Verkitt, 8. Juni. (Telegramm.) Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." meldet, ist der Reichskanzler heute hierher zurückgekehrt. (-) Vertin, 8. Juni. (Telegramm.) Der comman- direnoe Admiral, Admiral von Knorr, bat sich heute zu Jnspicirungen nach Kiel und der Ches des Stabes des Oberkommando- der Marine, Contre-Admiral Barandon, zur Beiwohnung von Schießübungen nach Helgoland begebe». — Zur Episode Harden-Witting im Proceß v. Tausch wird im „Vorw." weitläufig auSeinandergcsetzt, daß Maxi milian Harden und der Oberbürgermeister von Posen, Herr Witting, leibliche Söhne eines bürgerlichen Demokraten Wittkowski und seiner Ehesrau sind: „Alle Romantik löst sich in die sehr einfache Erwägung auf, daß man besser durch die Welt de« neuen deutschen Reiches kommt, wenn man sich Maximilian Harden oder Gustav Adolf Witting nennt, als wenn man Isidor oder Abraham Wittkowski heißt." — In der „Post" lesen wir: „In Bezug auf den Witte- Stöcker-Proceß wird unter den Juristen die Frage er örtert, ob da- Landgericht ll, an welches bekanntlich durch da- Urtheil de» Kammergerichl« die erneute Verhandlung ver wiesen worden ist, gegen den Beklagten, Hofprediger a. D. Stöcker, wiederum die verleumderische Beleidigung aus tz 187 de- Strafgesetzbuches feststellea darf oder ob eS an die günstigere Beurtheilung der Thal deS Beklagten durch die 8. Straf kammer des Landgericht« I gebunden ist. Die Mehrzahl der betr. Kreise scheint sich der ersteren Auffassung zuzuneigen. Wenn auch die Revision des Pastor« Witte zurückgewiesen worden ist, da da« Kammergericht in der ersten Feststellung der Be rufungsinstanz keinen RechtSirrtbum erblickt bat, so sei die Sachlage doch genau dieselbe, wie sie vor Beginn der Ver handlung der zweiten Instanz gewesen ist, mit der einzigen Literaten vor viertausend Jahren. Eine Stodirn-Skizze von Franz Woenig. Nachdruck »ertot-n. In diesen Tagt», in welchen unserer Musenstadt Leipzig die Ehre zu Theil wird, die Journalisten und Schriftsteller Deutschland» zu ernster Beratbung in ihren Mauern ver sammelt zu sehen, liegt die Frage nach den Anfängen deS Literatenthums sehr nahe, und «» lohnt sich wohl der Mühe, einmal den Spuren nachzugehen, die un- Jahrtausende zurückleiten und klar erkennen lassen, daß bereit- 3500 v. Chr., ,m alten Wundrrlande Egypten, die Cultur eine bewunderns würdige Höbe erreicht hatte und daß auch alle Zweige der profanen und schönen Literatur kräftige und duftvolle Blüthen trieben. E« sind un- au« der soeben naher bestimmten Zeit- vrriode nickt mir geographische, religiöse, mythologische, philo- sophiscke, juristische, astronomische, magische, medicinische, mathematische und naturwissenschaftliche Text« in reicker Fülle von dem alten Culturvolkr überliefert worden, auch voll ständige Biographien berühmter Egypter und kostbare ethische und didaktische Schriften, die un« einen tiefen Einblick m Moral und Sitten der NUbewobner gewahren, künden den Geist wissenschaftlichen und socialen Leben« und Streben«, der Jahrtausende hindurch da« Volk der Pharaonen beherrschte und seinem Denken und Handeln bestimmte Normen dictirte. Tiefere Einblicke in da» Profan- und Eemütb-leden der alten Egypter empfangen wir durch erhaltene Reste ihrer Schönlitrratur: lyrische und epische Dichtungen, Romane, Erzählungen, Beschreibungen, Märchen, Fabeln, Satyrrn, Lehrsprüche, Biographien und eine überaus reiche Brief literatur. Auch die literarische Kritik ist unter ihnen ver treten. . Ruhmredigkeit und Ruhmsucht bildeten einen Grundzug im alregyptische» Wesen. Semen Namen und seine Thatrn I erhalten und im Gedachtniß der nachfolgenden Geschlechter I vererbt zu wissen, war die Sehnsucht eine« jeden Egypter«. I Dieser Zug geht durch alle Elasten de- Volkes und beherrschte Seine Majestät in demselben Maße, wie den Kleinbauer de« gesegneten Niltbale«. Daher die erstaunliche Schreibseligkeit der alten Egypter. In der Sucht, von sich höreu zu lassen, bedecken sie nicht nur kostbare Papyri mit Hieroglyphen, jeder Gegenstand ist ibnen recht, wenn er sich nur al« geeignet erweist, Schriftzeichen aufzunehmen. Porzellan- uud Thongefäße, Fayencen, Geräthe und Sachen au- Holz, Linnen, Leber, Metall, Stein, Pappe, Statuen, Statuetten, Säulen, Wandflächen der Häuser, Tempel, Grabkammerv, Sarkophage, Masten und Binden der Mumien rc. bildeten willkommene« Schreibmaterial. Die Kunst de« Schreiben« und schriftlichen Au-drucke« war nur den Gebildeten und Ge lehrten eigen. Daher da-große Ansehen, da« der „Schreiber", „Literat", „Gelehrte" bei allen Ständen de« Volke« genießt. Er ist der Vornehme, der BeneidenSwerthe. Mit dem Namen „an", d. h. „Schreiber", „Gelehrter" verknüpfte der Egypter den Begriff de- Ruhme«, der Ehre und hoher An nehmlichkeit. „Wie der Treiber seinen Esel, so treibt der Schreiber alte Stände vor sich her", heißt e« im Papvru« Sallier und Anastast, in welchem un- in höchst drastischer Weise da- Elend der Handwerker geschildert und die Jugend ermahnt wird, sich der Wissenschaft zu befleißigen, denn „eine Ausnahme von Allen macht der Schreiber . . ." Und der Drang nach den Elementar- und höheren Schulen, die mit de» Tempeln verbunden waren, muß da mals von Seiten der altezyptiscken Jugend rin ebenso starker gewesen sein, wie heutigen Tag- nach unseren höheren Sckuleo, denn in einem Hymnu« an Thot, den Gott der Schreibkunst und der Wissenschaft, fleht die altegyptiscke Knaben- und Jünglingsschaar: „O, Thot, thue mich nach Sesenuu (Hernnopoli-)I" Nicht nur hier, sondern auch in jedem größeren Tempel de« Lande«: in Theben, Mewphi«, Edsu, Dendera, Heliopoli«, Ourna gab e« eine Elemeutar- uud Gelehrtrnschule, uud namentlich war die letztgenannte Stadt durch da« nach seinem königlichen Gründer Seti (um 1300 v. Chr.) benannte Setihau« al« Pflanzstätte der Wissenschaften hoch berübmt. Die noch Wohl erhaltene» Reste von Ourna rcpräsentirea eine« der ältesten Schulbäuser de« alten Egypten« und zugleich eine- der älteste» Schul hauser der Welt. Im Setihause selbst befand sich eine große Bibliothek, über deren Eingangspforte „Arzenei der Seele" zu lesen war. Hier fanden sich in Tausenden und aber Tausenden von Sckriftrollen ungeheuere literarische Sckätze ausgespeickert. Astronomische, ostrologiscke, mathe matische, medicinische, geographische Werke, Bücher über KoSmographie, Hieroglypbik, Gesetzeskunde, Bücher über Gesang, Bücher religiösen und liturgischen In halt«, ethische und didaktische Schriften und Schriften au« allen Gebieten der schönen Literatur füllten in unübersehbaren Reiben Fächer uud Regale. Besaßen die Schriftrollen auch nickt alle die Länge de- Papyru» Harri-, — denn diese PapyruSrolle ist 40,5 w lang uud 42,5 w hoch, — so übertrafen doch die aufgespeicherteo literarischen Werke dieser WiffenS-Centralen bei Weitem den Umfang unserer größeren Bibliotheken. So z. B. enthielt die alexandrinische Bibliothek die erstaunliche Zahl von 400 000 PapyruSrolleu; und wenn vor ca. 10 Jahren in der deutschen Schriftsteller welt die Idee über Gründung einer deutschen Reich«, bidliothek auftauchte, die wohl schwerlich zur Verwirklichung gelangen wird, so waren die altegyptischen Autoren viel glücklicher daran, al- unsere Schriftsteller, denn diese sahen ihre Geiste-kinder io einer wirklichen und zwar großartigen Reich-bibliothek paradiren, welche der in den Wissen schaften beflissene schöngeistige Herrscher Ramse- II (um 1300 n. Chr.) in Theben batte errichten lassen und von deren mächtigem Umfange Dieder (L. I, 49) zu berichten weiß. Al» Beweis dafür, wie umfangreich di« altegyptische Literatur ursprünglich gewesen sein mutz, führt der Egyptologe vr. Arthur Linke die Angabe einer Holzfiele (Gedenk stein, Gedenktafel) an, nach welcher man im 7. Jahrhundert vor unserer Zeitreichnuna allein über die Schlange Apap, welche im egyvtischen CultuS eine Rolle spielt, 70 ver schiedene Schriften kannte, von denen un- keine einzige er halten geblieben ist. „Herren deS Sckriftthums", „Verwalter de- Bücherbause«, d. h. „Bibliothekare" werden unter den Lehrern der höheren Schulen, und zwar schon auf den Denk mälern de- alten Reickes häufig genannt. Mit den Tempel schulen waren auch zugleich Kunstschulen verbunden, au« denen die Baumeister, Architekten, Maler und Bildhauer hervor gingen. Die einzelnen Gelehrtensckulen, in den Inschriften nicht selten al- „Tomainen der Schrift" bezeichnet, batten einen versckiedenen Charakter. So z. B. war Heliopolis die Zugstätte für Theologen, in Memphis florirte die medicinische Wissenschaft, Theben war mehr Mililairakabemie al- Universität. In den Elementarschulen und höheren Unterrichtsanstalten, auf deren innere Einrichtung und Wesen näher einzugcben e« mir an Raum gebricht, erhielten auch die altegyptischen Literaten ihre allgemeine und akademische Bildung. Die Jahre der Studienzeit Ware» ernste und arbeit-volle für die Schüler. WaS gab e« nickt allein in Sprache und Schrift für sie zu bewältigen! Außer der Kenntniß der Hieroglyphen, au- denen heraus sich bald eine Cursivschrift entwickelte, die man mit dem Nanien „hieratische" Schrift bezeichnet, und deren man sich zur Abfassung literarischer Werke auf Papyru« bediente, mußte sick der Sckülrr gewöhnen, auch stilvoll auS- zudrücken. „Die Hieroglypbik allein enthält mehr als 3000 Zeichen, welche in lautliche oder phonetische uud bildliche oder ideographische zerfallen. Di« phonetischen theilen sick wieder in alphabetische Buchstaben und Silbenzeichen. Da- hiero- glypbiscke Alphabet selbst besteht auS 26 Buchstaben. Die hieroglyphischen Texte werden von der Seite au- gelesen, nach welcher die lebende Wesen darstellende Zeichen den Kops wende». DaS Hieratische wird stet» von recht- nach link gelesen." Da« Schreibzeug und die Bücherrolle sind wesentliche Bestandtheile der Hieroglyphenschrift. Beide in Verbindung geben den Begriff „schreiben". Die ABC-Schützen machten ihr« ersten Sckreibversuche auf Wach«- und Steintäfelchea, nassen Thouscheiben und auf mit nassem Flugsand gefüllten Kästchen. Erst wenn sie einige Uebung in der Führung de« Metall- und Steingriffel» erlangt hatten, gingen sie zu dem
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