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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970612013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897061201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897061201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-12
- Monat1897-06
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tle-I« 1.0. 1.0. »v. wOpb4 w.Ol>» «.o. 1.0. ,°-x» »v. »o. i>e». 1L3Ll,i ne»« Bezugs-Preis kn der Haupkexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^14.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS HauS >1 b.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrteliährlich X 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung inS Ausland: monatlich 7.b0. Die Morgen-AuSgabe erscheint um Uhr. die Abend-AuSgabe Wochentags um b Uhr. Redaktion und Expedition: JohanneSgafsr 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Ltlo Klemms Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, part. und KönigSplah 7.' 29t. Morgeu-Ausgabe. LMM TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlicheir Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzelle 20 Psg. Reklamen unter dem RedactionSftrich (4g»> spalten) bO->j, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifjernjap »ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung ^1 60.—, mit Postbeförderung Al 70.—. Aunahmeschluß für Älyeigeu: Abend-AuSgabe: BormUtag» 10 Uhr. Marge n»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck «nd Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Sonnabend den 12. Juni 1897. Ein neuer W im „Thurme" des Centrums. Der diesjährige Katholikentag, für den mit vieler Mühe als Versammlungsort die Stadt LandShut a. d. Isar ausfindig gemacht worden ist, wird allem Anscheine nach für daS Centrum eine Bedeutung gewinnen, die man selbst in den leitenden Kreisen dieser Partei nicht ahnte, als man sich freute, endlich eine Stadl gefunden zu haben, die für die ihr erwiesene Bevorzugung das nöthige Verständlich hatte. Es könnte sich dabei, wenn die jetzt in Bayern in Gang gekommene Bewegung unter der bisher centrumStreuen bäuerlichen Bevölkerung sich weiter entwickelt, um nichts mehr und um nichts weniger handeln, als darum, ob sich vom Centrum im nächsten Reichstag unter dem Namen „Bayerische katholische Bolkspartei" eine eigene neue parlamentarische Gruppe absondern wird oder nicht. Besonders auffällig ist, wie spontan dieser Gedanke auf tauchte und mit welcher lauffcucrartigen Geschwindigkeit er sich weiter entwickelt hat. Am l. Juni, also vor noch nicht zwei Wochen, brachte der „Niederbayerische Bauer", das Organ des niederbayerischen Bauernvereins, unter ausdrücklicher Berufung auf sein bisheriges Zusammenhalten mit dem Centrum einen fulminanten Artikel gegen die freundliche Haltung des CentrumS zur Besoldungsvorlage im Reiche, obwohl acht Tage vorher bereits die zweite Lesung im Plenum statlgefunden hatte. Dieser Umstand beweist, daß nicht eine sachliche Einwirkung, sondern lediglich eine feind selige Kunvgebung gegen das Centrum bezweckt wurde. Ei» bezeichnender Zug dabei war die Sprache, in der sich der Ausfall auf das norddeutsche Centruin erging: wie eine Parodie der Ausdrucksweise der Centrumsführer mußte es erscheinen, wenn die Verfasser sich selbst als „wir Bayern" bezeichneten, im Namen „des katholischen Volkes in Bayern" sprachen und gerade hierdurch daS latente Vorhandensein einer Mainlinie im Centrumslager mit besonderer Schärfe markirten. Der „Niederbayerifcke Bauernverein" gehört zu den christlichen Bauernvereinen Bayerns, welche das Haupt- gegengewickt gegen den radikalen, von den Herren vr. Sigl, Wieland, Gäch und Gen. geführten „bayerischen Bauern bund" bilden sollten. Die Gefahr war also nicht gering und wurde auch sofort richtig bewerthet. Von allen Seiten wurde „zum Löschen" alarmirt. Ter bayerische Centrumsabgeordncte und Domcapitular vr. Pichler in Passau erließ eine Gegen erklärung, in welcher er auf die Nolbwendigkeit des engen Zusammenhaltens im Centrum binwies und eS für die Partei ablehnte, bindende Vorschriften für ihre Politik sich von einem einzelnen Vereine geben zu lassen. Zugleich richtete die „Köln. Volksztg", unter beweglichen Zureden an die bayerischen Bauernvereine, an die bayerischen Führer die dringende Auf forderung, das Ihre zu thun, indem sie hervorhob, daß — bezeichnender Weise mit Ausnahme der am Orte des künftigen Katholikentages erscheinenden „LandeShuter Ztg." — alle fraktionellen Blätter Bayerns sich bisher auf den Boden der Fractionspolitik gestellt hätten. Der Anfang ist nun gemacht; der Reichstags- und bayerische Landtagsabgeordnete vr. Schädler hat am Mittwoch in Bamberg im Ober fränkischen christlichen Bauernverein bereits, wie die „Germania" meldet, eine „glänzende Rede" gegen die Gründung einer neuen „bayerischen Volkspartei" gehalten. Ob die Rede indes außer dieser Eigenschaft die weit wichtigere hat, daß sie auch hilft, muß abgewartel werden. Denn zu gleicher Zeit wird aus Regens burg gemeldet, daß die Gesammtvorstände aller einzelnen christlichen Bauernvereine Bayerns an demselben Tage dort zusammengetreten und die Gründung eines Allgemeinen christlichen Bauernvereins für Bayern beschlossen haben. Wenn bisher auch noch nicht ersichtlich ist, ob und inwieweit man hierin den ersten Schritt zur Gründung der verpönten „Bayerischen katholischen Volkspartei" zu erkennen hat, so kommt darin doch die Stärkung einer Bewegung zum Ausdruck, wie sie analog am Rhein, in Westfalen und in Schlesien nur mit äußerster Mühe vom Centrum bisher niedergehalten werden konnte. Wir lassen es vorläufig dahingestellt, ob eS dem Centrum in Bayern auf die Dauer ebenso gelingen wird. Leicht wird seine Arbeit nicht sein, denn die Politik der „norddeutschen" CentrumSführer hat dem bayerischen klerikalen Particularis- mus gegenüber, da sie ihm durch positive Leistungen nicht zu imponiren vermochten, ausschließlich in particularistischen Concessionen bestanden. Dahin gehört daS bekannte „Muß- preußenbekenntniß", das der Abg. vr. Lieber in Aschaffen burg seiner Zeit ablegte, dahin gehörte das fortwährende Be tonen des „föderalistischen Princips", wo es sich um Aufgaben im Dienste der Reichseinheil handelte, dahin gehört die unausgesetzte Nachgiebigkeit gegen Wünsche der Herren Schädler und Genossen, Vie ihrerseits sich fast ausschließlich dann in: Reichstag einfanden, wenn, wie bei der letzten Marine vorlage, Forderungen zu bekämpfen waren, die im Interesse der Stärkung des Reiches selbst bis in die Reihen des nord deutschen Centrums hinein anfänglich als dringlich und an nehmbar erschienen. Es wäre daher nicht zu verwundern, wenn nun im bayerischen klerikalen ParticulariSmuS das Empfinden durchbräche, sich emancipiren zu können, und wenn nun der Versuch gemacht würde, ebenso wie die Herren Bachem und Lieber unter der Devise „wir, daS deutsche Volk", zu handeln belieben, unter der Devise „wir, daS katholische bayerische Volk", eigene Politik zu machen. Da diese sich überdies in ausschließlich agrarischer Richtung be wegen soll, so ist eS selbstverständlich, daß sie sich extrem entwickelt. Und dann erscheint die weitere Folge unaus bleiblich, daß die Bauernvereine und der gehaßte Bauern bund sich schließlich nur durch die mehr oder minder robuste Tonart unterscheiden, was zu Zeiten der Wahlen gar kein Grund gegen ein gemeinsames Marschiren wäre. Daraus geht hervor, daß im Falle eines Erfolges der neu zu gründenden „bayerischen katholischen Volkspartei" das Centrum eine Absplitterung erführe, die seiner jetzigen aus schlaggebenden Stellung ein Ende machen müßte. Dies letztere, so erfreulich es an sich wäre, kann aber nicht darüber Hinweg täuschen, daß die weitere Wirkung zunächst eine Gefahr für den Einheitsgedanken bedeutete, eine Gefahr, der gegenüber die Politik der Herren Lieber und Genossen mit ihren sattsam bekannten Absonderlichkeiten immer noch den Vorzug verdient. Dies sind indessen curas posteriores; zunächst wird abzu warten sein, ob und unter welchen Bedingungen das Centrum der „Rebellion" Herr wird und ob es „aus der Schlacht" mit der Entschlossenheit wiederkehrt, sich in seiner Politik von „einzelnen Erwcrbsgruppen" keine bindenden Verpflichtungen auferlegen zu lassen. Deutsches Reich. * Leipzig, l l. Juni. Herr Prof. vr. Hasse hat an die „Hildesheimer Allg. Ztg." folgende Zuschrift gerichtet: „Leipzig, den 6. Juni 1897. An die Schriftleitung der „Hildesheimer Allgem. Zeitung und Anzeigen" Hildesheim. Im „Hildesheimer Kurier" vom 3. d. MtS. findet sich unter der Ueberschrift „die nationalliberale Partei und die Landwirthschaft" ein Bericht über eine Rede, die ich am 30. Mai d. I. bei der hiesigen Versammlung des national liberalen Landesvereins für das Königreich Sachsen gehalten habe, ein Bericht, der an Entstellungen daS Ungeheuerlichste leistet und nur auf diesem Wege zu Urtheilen gelangt, die die Dinge einfach auf den Kopf stellen. Der Gedankengang meiner Rede war der, daß ich nacbzu- weisen versuchte, daß die naturgemäße und nothwendige Entwickelung Deutschlands auf dem Gebiete der Industrie, des Verkehrs, der Socialpolitik und der Nationalpolitik sich auf Kosten der Landwirthschaft vollziehen müsse. Diese Entwickelung wird sich vollziehen, ohne daß die nationallibe- rale Partei sie fördern kann oder gar erst zu fordern braucht. Und auch die agrarische Partei kann sie zwar ein wenig hemmen, aber in alle Wege niemals aufhalten. Die Natur ist eben mächtiger als die Politik. Der Zweck meiner Rede war es nun, die nationalliberale Partei, zunächst im Königreich Sachsen, davon zu überzeugen, daß sie um dieser unabweislichen Opfer willen der Land- wirthschaft und deren berechtigten Forderungen gegenüber sich wohlwollend und entgegenkommend verhalten müsse, daß sie diese Forderungen sich nicht nach und nach abringen lassen dürfe, sondern daß sie im Interesse des von ihr stets be tonten Gesammtwohls deS Staates aus eigner Ueberzeugung, freiwillig und selbsttbätig eine der Landwirthschaft freundliche Haltung einnehmen solle. Ich muß gestehen, daß ich auf Grund dieser rückhalt losen Darlegungen, die ich selbst als ketzerische bezeichnete, darauf gefaßt war, auf den Widerstand der älteren Richtung innerhalb der nationalliberalen Partei und Presse zu stoßen, und ich hatte mich gerüstet, Widerständen auS diesem Lager zu begegnen. Zu meiner Ueberraschung ward mir aber die einmüthige Zustimmung der Versammlung zu Theil. Und auch in der nationalliberalen Presse bin ich bis jetzt noch nicht auf abfällige Urtheile gestoßen. Daß es aber eine agrarische Presse gebe, die in meinen Darlegungen eine Feindschaft gegen die Landwirthschaft erblicken würde — an eine derartige Beschränktheit in der Auffassung oder an eine derartige Geschicklichkeit, Weiß mit Schwarz zu verwechseln, nur um den vermeintlich:» Gegner inS Unrecht zu setzen — daran hatte ich bis jetzt noch nicht geglaubt. Der „Hildesheimer Kurier" hat mich eines Andern belehrt. Oder sollte er oberschlau sein und eine Gefahr für gewisse radicale Machenschaften darin wittern, daß die Interessen der Landwirthschaft nicht bloS von den Interessenten, sondern auch von Nichtinteressirten, natürlich in maßvoller Weise, vertreten werden sollen? Ich bitte Sie, diese Zeilen womöglich in Ihrem geschätzten Blatte zum Abdruck zu bringen, und bin mit größter Hoch achtung Ihr ergebenster Prof. vr. Ernst Hasse, M. d. N." X. Berlin, II. Juni. In den Psingstfeiertagen haben einige nicht uninteressante socialdemokralische Partei tage stattgesunden. Der österreichische Parteitag in Wien war dadurch interessant, daß der deutsche Vertreter Pfannkuch den österreichischen Genossen Trost für ihre Niederlage bei den NeichsrathSwahlen zusprach und in ihnen die Hoffnung erweckte, daß sie es noch ebensoweit bringen würden, wie die deutsche Socialdemokratie. Der deutsche „Genosse" hatte dafür seinerseits den Trost, daß wenigstens in Wien daS Princip der Internationalität scharf betont wurde, während bekanntlich in anderen Ländern die deutschen Socialdemokraten in den letzten Jahren durch den Mangel an internationaler Gesinnung bei den fremdländischen Socia- listen schmerzlich enttäuscht wurden. Der Breslauer Partei tag der schlesischen und posenschen Socialdemokraten war dadurch interessant, daß officiell für eine Betheilizung bei den nächsten preußischen Landtagswahlen eingetreten wurde. Außerdem wurden die Candidaten für die nächstjährigen Reichstagswahlcn bereits aufgestellt, wobei beachtet zu werden verdient, daß die Socialdemokraten anscheinend doch nicht über eine zu große Anzahl geeigneter Candidaten verfügen, da mehrere Parteigrößen dreimal und selbst viermal ausge stellt wurden. Interessant und für unsere Socialdemokraten bezeichnend war cs auch, daß man die Ausstellung von Can didaten für die Provinz Posen den polnischen Social demokraten überlassen will. Die Socialdemokraten deutscher Abstammung sollen also ohne Weiteres in der Provinz Posen für Polen stimmen. Denn daß die polnischen «Social demokraten nur Polen aufstellen werden, ergiebt sich schon daraus, daß auf dem am Pfingstsonntage in Berlin abgehaltenen Parteitage der polnischen Social demokraten hervorgehoben wurde, daß die polnische Socialdemokratie nicht nur das socialiftische, sondern auch das nationale Princip vertrete. In diesem Sinne war es auch nur logisch, wenn der Vorsitzende deS polnischen Partei tages der Solidarität der polnischen Socialdemokratie nut den Bruderparteien aller Länder Ausdruck gab. Damit ist gesagt, daß auch für die polnischen Socialdemokraten Polen noch immer ein für sich bestehendes Land ist. Bedenkt man, daß die polnische Socialdemokratie von dem polnischen Adel und der polnischen Geistlichkeit mit Erbitterung befehdet wird, weil sie eine Spaltung in die polnische Wählerschaft hineinzubrinaen droht, so muß man, wenn auch wider willig, anerkennen, daß selbst den polnischen Socialisten ein starkes Nationalitätsgefühl innewohnt. Um so schmachvoller ist es, daß die deutsche Socialdemokratie in der Provinz Posen ihre Parteigenossen einfach unter daS Commando der polnischen Svcialdemokraten stellt. X. Berlin, 1l. Juni. (Telegramm.) Gestern Abend 7 Uhr nahm der Kaiser die Meldung des Contre-Admirals Tirpitz entgegen. Zur Abendtafel waren Conlre-Atmiral Tirpitz und Contre-Admiral Frhr. v. Senden-Bibran geladen. Heute Morgen besichtigte der Kaiser das Regiment GardeS du Corps und das Leibgardehusaren-Regiment und nahm das Frühstück im Casino des letzteren Regiments ein. Um r/?5 Uhr gedenkt er an dem Diner im Casino des Regiments Gardes du Corps theilzunehmen. Um 7 Uhr findet im Marmorsaal ein Coslümfest statt. (D Berlin, 11. Juni. (Telegramm.) Der Cbef des Stabes des Ober-Commandos der Marine, Contre-Admiral Baraudon, ist heute von Helgoland wieder in Berlin ein getroffen. L. Berlin, 11. Juni. (Privattelegramm.) Tas Urtheil im Proceß von Tausch-von Lützow ist, wie uns ein Berichterstatter schreibt, gegen den Verurtheilten von Lützow nicht rechtskräftig geworden. Rechtsanwalt vr. Holtz und vr. LubSczinSky haben heute bei der Schwurgerichts schreiberei das Rechtsmittel der Revision eingelegt. Zur Ver büßung seiner l'^jährigen Gefängnißstrafe ist gestern von Lützow nach Plotzensee übergeführt worden. L. Berlin, II. Juni. (Privattelegramm.) DaS beklagenswertbe Ergebniß der Landtags-Ersatzwahl in Pr- Ttargaröt, der Verlust des einen der beiden dortigen Mandate an die Polen, ist schon gemeldet worden. ES ist trauriger Weise durch die Stimmenthaltung von vier, nach einer anderen Mittheilung von fünf freisinnigen Wahlmännern herbeigeführt worden. Der „Danz. Ztg." wird darüber berichtet: „Im ersten Wahlgange erhielt Herr Arndt-Gartschin (deutscher Comproiniß-Candidat) 232, Herr v. Wollschläger ebenfalls 232 Stimmen. Dieselbe Stimmenzahl wurde bei der Stichwahl für Herrn Arndt, für Herrn v. Wollschläger diesmal 233 Stimmen ab gegeben. Bon deutscher Seite sollen 4 Wahlmänner aus Tirschan bei der Abstimmung gefehlt haben. Man nimmt an, Laß dieselben sich deshalb der Stimmabgabe enthielten, weil sie fürchteten, Herr Arndt werde für die Vereinsgesetznovclle der Regierung stimmen, was bei der geringen Mehrheit der Gegner im Abgeord netenhause möglicherweise für das Schicksal dieser sehr bedenklichen Vorlage entscheidend sein könnte." Der Graudenzer „Gesellige^ nennt die Namen von fünf deutschfreisinnigcn Wahlmännern, die sich der Abstimmung enthielten, und bemerkt dazu: „Diese» Ergebniß ist die Folge der Stimmenthaltung von fünf freisinnigen Wahlmänner», deren Namen kennen zu lernen ave unsere deutschen Leser, die volles Bersländniß für die Parlaments- wählen in der Ostmark haben, gewiß interessiren wird Daß deutjchsreisinnige Männer die Wahl eines solchen Reactionairs, wie cs naturgemäß jeder polnische römisch-katholische Pfarrer ist, gegen einen sreiconservativcn Landwirth begünstigen können, wird manchem unserer deutschen Landsleute, besonders in Westdeutschland, unverständlich sein." Die „Nat.-Ztg." bemerkt zu der Auslassung der „Danz. FrurHets«. Das alte Paulinum. Nur wenige Tage noch trennen unS von der Einweihung der neuen UniversitätSgehäude: am 15. Juni soll sie in Gegenwart Sr. Maj. des Königs festlich vollzogen werden. Dabei wird sicherlich mancher Rückblick in die Vergangenheit gethan werden, und dazu kann unter Anderm ein Büchlein anleiten, daS soeben erschienen ist unter dem Titel: Der Leipziger Student vor hundert Jahren. Neudruck aus den Wanderungen und Kreuzzügen durch einen Theil Deutschlands von AnselmuS RabiosuS dem Jüngern (Leipzig, I. C- Hinrichs'sche Buchhandlung. 1897. PrelS: 1 Mark). DaS Büchlein eröffnet, wie auf dem Umschläge bemerkt ist, eine Reihe billiger Neudrucke von selten gewordenen literar- und sittengeschichtlich merkwürdigen Schriften zur Geschichte Leipzig-, die unser Stadtbibliolhekar, Herr Prof. G. Wustmann, berauSzugeben gedenkt. Aehnliche stadtgeschichtliche Neudrucke sind auch anderwärts schon veranstaltet worden, z. B. in Berlin, wo Prof. L. Geiger eine Reihe von etwa Zwölf Bändchen dieser Art herauSgegeben hat, ebenso in Wien, und ein Kenner unserer stadtaeschichtlichen Literatur wird mit Leichtigkeit eine ähnliche Reihe für Leipzig zusammen bringen können. Es bandelt sich dabei natürlich nur um Schriften, die zu den literarischen Seltenheiten gehören und die der Sammler mit hohen antiquarischen Preisen bezahlt, wenn er ihrer überhaupt habhaft werden kann. Gleich das vorliegende erste Bändchen ist eine Seltenheit ersten Range-. Es wird sich schwerlich einer unserer Leser erinnern, den Titel: „Wachderungen und Kreuzzüge durch einen Theil Deutschlands von AnselmuS RabiosuS dem Jüngern" jemals in einem antiquarischen Verzeichnis von vitteraturL vipmeums gelesen zu haben, und das hängt nicht nur damit zusammen, daß unter dem Titel Niemand den wirklichen Inhalt des Büchleins ahnt, sondern vor Allem damit, daß eS wirklich beinahe verschollen ist. Der Herausgeber giebt in einem kleinen „Nachwort" über die Geschichte unserer Schrift und ihren Verfasser genaue Mittheilungen. Wir heben hier daraus nur Folgendes hervor. Der Verfasser war der bekannte Schriftsteller der Revolutionszeit Andreas Georg Friedrich Rebmann, geb. 1768 in Kitzingen, gest. 1824 als Präsident deS Appellations- gerichtS in Zweibrücken. Seine „Wanderungen und Kreuz- rüge" erschienen 1795 und wurden von der Leipziger Censurbehörde verboten. Trotzdem gab Rebmann 1796 eine zweite, verbesserte Auflage heraus, die er außerdem um ein Bändchen vermehrt hatte, und dieses zweite Bändchen ist es, das hier unter dem den Inhalt vollständig deckenden neuen Titel „Der Leipziger Student vor hundert wahren" vorgelegt wird. DaS Buch gewährt einen überraschenden Einblick in unsere damaligen Studentenverhältnisse. Vor allen Dingen zeigt eS, daß der Begriff und die Erscheinung des sogenannten „ge lehrten Proletariats", die man gewöhnlich aj» ein Erzeugnis der letzten Jahrzehnte ansieht, nicht nur schon damals be standen, sondern eine wahrhaft schreckenerregende Höhe gehabt haben, gegen die unsere heutigen Zustände golden zu nennen sind. Indem wir den Leser auf das Büchlein selbst ver weisen, geben wir als Proben seine- Inhalt- und seiner Darstellungsweise nur die Schilderung, die der Verfasser von dem alten Paulinum entwirft, nachdem er die Leipziger Studentenwohnungen jener Zeit geschildert hat. „In keinem Hause trifft man", schreibt er, „so viele Studenten beisammen an, als ,m Paulinum, einem Gebäude, welche- seiner Originalität wegen wohl verdient, daß eS besonder- er wähnt wird. ES liegt gegen Morgen auf dem gesundesten Platz der Stadt und besteht auS den Besten eine- ehemaligen Klosters, denen man aber nach und nach so viele Zwischen- und Nebengebäudchen angehängt hat, daß eS Mühe kostet, jene herau-zusinden. Es gehört der Universität, ist daber ein schwarzes, unscheinbares und dabei ziemlich baufälliges HauS, ob eS gleich der gute Hübner in seiner Geographie unter die sehenswürdigsten Gebäude Leipzig- rechnete. Bloß der Hintere Theil desselben kann hier interessiren, ich schränke mich also bloß auf ihn ein. Er macht einen Theil der Stadtmauer auS und ist zum Theil, aber schon vor vielen Jahren und nur auf der Zwingerseite, gelb abgeputzt worden. Ein Schmuck, der itzt bloß dazu vient, die Spuren der auS den Kammerfenstern geschehenen ekelhaften Ausgüsse deutlicher zu bemerken. Uebrigenü läßt sich- auch nicht leicht irgendwo besser wahrnehmen als hier, was für Veränderungen einige Jahrhunderte im Geschmack bewirken können, indem neben dem bemalten der niedere Theil, sonderbar genug, noch ganz im alten Mönchsstil dasteht: kleine, oben spitzig gewölbte Fenster, dicke Mauern, von außen mit einigen Reihen grüner Kacheln verziert, auf denen gräßliche, sich Zug für Zug gleichende Carricaturgesichter abgebildet sind, welche CbristuS- köpfe vorstellen sollen, wie die die und da noch lesbare Unterschrift: kXI-V^'iOlr beweiset. Dieses Gebäude nun enthält über fünfzig kleine Stuben und Kammern, die in drei Stockwerke vertheilt sind. Die auf der Zwingerseite hinaus haben eine romantische Aussicht von mehreren Stunden in die Weite und werden gewöhnlich solchen gegeben, die sie durch die elende Aussicht in den Hinterhof eine Zeit lang verdient haben. Ohngeacktet die Stubenthüren sich in patriarchalischen Umständen befinden und vom Bewohner gleich nicht vcrmutben lassen, daß er ihrem Verschlüsse Kostbarkeiten anzuvertrauen habe, so wird doch daS Innere der Zimmerchen, da- heißt die ivier Wände, durch die Vorsorge de- Viceadministrators, eines trefflichen, menschenfreundlichen Manne-, immer, so viel eS die Unrein lichkeit der Bewohner »erstattet, reinlich genug gehalten. Die langen schwarzen Säle sind dunkel und von den vielen Schlaf kammern stets mit widrigem Geruch angefüllt. DeS Abends werden sie mit Laternen erleuchtet, die bin und wieder so sinnreich angebracht sind, daß man wirklich mit ihrer Hiiie erst wahrnimmt, wie finster eS ist." „Unter den Stuben giebt es acht freie, die von den Inter essen dazu bestimmter Capitalien bezahlt und gewöhnlich au Studierende auS den Familien der Stifter vergeben werden. Sechs davon sind, wegen ihrer Aussicht und des damit vei bundenen Freitisches im Convictorium, vorzüglich; hingegen die beiden übrigen ganz daS Gegentheil davon, und besonder, eine übertrifft an Abscheulichkeit alle Erwartung. Diese. Zimmerchen nämlich befindet sich gleich neben dem anatcmiscken Theater, in einem Winkel deS Gebäude-, über alten Grab gewölben, welche zur Kirche gehören. Der Eingang ist in einer halb verfallenen Schlucht, wohin Zuglöcher aus den anatomischen VorrathSkammern geführt sind. Ganze und halbe menschliche Körper, die man bei den Vorlesungen nicht brauchte, werden in diesen Behältnissen so lange auf bewahret, bi- der äußerste Grad von Fäulniß den Professor der Anatomie nötbigt, sie vergraben oder maceriren zu lassen. Die Fenster der Stube gewähren dem Bewohner genau so viel Lickt, als eine halbe Elle Himmel hergiebt, da die rings- umhergezogenen Dächer keine Refraction der Lichtstrahlen erlauben. Auf Sonn- und Mondschein muß er ganz Verzicht tbun. Die Feuchtigkeit, die aus den darunter befindlichen Gewölben aussteigt und die Wände grün färbt, bemächtigt sich aller Habseligkeiten und verursacht einen Übeln Genick, der, vereinbart mit den auS jenen anatomischen Kammern herbeiziehenden Dünsten, fast unerträglich ist. Oeffnet man nun ein Fenster, so kommt noch zur Abwechselung die Aus dünstung einer Dachrinne hinzu, in der sich leider etwas mehr al» Regenwasser befindet. Daß Aufwartung und andere Bequemlichkeiten sehr weit davon entfernt sind, will ich gar nicht erwähnen. Wer sollte glauben, daß ein Mensch im Stande wäre, nur einen Tag in solchem elenden Kerker, den
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