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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970612024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897061202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897061202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-12
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Die Größe dieses Erfolges kann man ermessen, wenn man bedenkt, daß bis zum Zähre 1884 die Socialdemokraten in Königsberg nicht einmal in die Stichwahl gelangen konnten und daß sie in jenem Jahre nur mit 4300 Stimmen gegen den fortschrittlichen Candi- daten, der 3300 Stimmen mehr erhalten hatte, in die Stichwahl kamen. Noch vor 13 Jahren hatten die bürgerlichen Parteien mehr als 11 000 Stimmen gegen über 4300 socialistischen Stimmen, also beinahe die drei fache Stimmenzahl. Am 10. Juni 1897 brachten sie nur noch ebensoviel Stimmen auf, während sich der socialdemokra- tische Bewerber auf 11 900 Wahlstimmen stützen konnte. Hier also eine Verdreifachung der Stimmenzahl, dort ein Still stand. Es lohnt wohl, die Ursachen dieses traurigen Ergeb nisses etwas genauer zu untersuchen, denn der Königsberger Fall läßt die Gefahr naheliegend erscheinen, daß bei den Wahlen des nächsten Jahres die großen deutschen Hafenstädte, also die Schwerpunkte des deutschen Handels, der Social demokratie verfallen und daß die socialistische Partei auch im übrigen Reiche an Stimmen und Reichstagssitzen be trächtlich znn'immt. Eine Ursache des Erfolges der Socialdemokraten liegt zweifellos in einem localen Vor- kommniß, das aber eine gewisse typische Bedeutung hat. ES handelt sich um die bekannte Börsengartenaffairc, in der die Ueberschneivigkeit des Königsberger Beamlenthumö einen noch immer fortdauernden Conflict zwischen den Beamten und Osficieren einerseits und dem Bürgcrthum auf der andern Seite bervorruft. Die freisinnige Volks ¬ partei hoffte, daß die starke Mißstimmung über dieses Vorkommniß bei der Wahl ihr zu Gute kommen würde; cS hat sich aber auch hier wieder gezeigt, daß aus Conflicten zwischen Behörden und Bürgern der Todfeind beider Stände, die Socialdemokratie, den Nutzen zieht. „Möge unser Volk sich doch endlich ermannen", hat vor etwa Jahresfrist der Kaiser in Bezug ans den Kampf gegen die Socialdemokratie gesagt. Wie aber ist ein solcher Kampf möglich, wenn zwischen den Gegnern der Socialisten bittere Fehde herrscht'? Wenn die Beamten und die bürgerliche» Kreise gemeinsam gegen die Socialdemokratie wirken sollen, so muß auch zwischen ihnen ein Gefühl der Gemeinsamkeit be stehen, so muß auch das gesellschaftliche und das persönliche Ver- hältniß ein möglichst enges sein. Statt dessen nimmt man wahr, daß in Preußen das Beamtenthum sich jetzt noch mehr als früher von den bürgerlichen Kreisen abschließt, daß diese Abschließung geradezu begünstigt und im Falle eines Cvn- flicles zwischen Beamenthum und Bürgern genügende Remedur nicht geschaffen wird. Man denke nur an den Fall in Hannover. Auch dort — davon sind wir fest überzeugt — würde der Conflict zwischen dem Regierungspräsidenten und den deutsch-gesinnten Kreisen nicht den letzteren, sondern den reichs feindlichen Parteien, vor Allem den Socialdemokraten, zu Gute kommen. Aber auch noch ein zweites Moment spricht bei der Wahl in Königsberg mit, ein Moment, das wegen seiner typischen Bedeutung ebenfalls ernste Beachtung verdient. Der Erfolg der Socialdemokraten wird nicht zum kleinsten Theile der geschickten Auswahl ihres Eandidaten, eines Rechtsan walts, zugeschrieben. Man kann wabrnehmen, daß der Zugang gebildeter Kreise zu der Socialdemokratie noch immer im Wachsen ist und daß besonder» Aerzte, Rechtsanwälte und Na tionalökonomen in immer größerer Zahl die Reihen dieser Partei verstärken helfen. Dieser Zugang geistiger Kräfte ^u der sociali stischen Partei ist ungleich gefährlicher, als der rein äußerlickeZu- wachs durch die Zunahme der Jndustriethätigkeit in Deutsch land. Denn nicht die Massen geben einer Bewegung die Kraft und die Bedeutung, nicht sie geben ihr das Ziel an, sondern die geistigen Führer sind es. In einzelnen Fällen mag der akademische Zuzug zur Socialdemokratie auf die Rech nung eines persönlichen Egoismus zu setzen sein, jedenfalls aber liegt die Ursache weit häufiger in der Bevorzugung ein zelner Stände bei der Zulassung zu gewissen Carriören und bei der Beförderung, sowie in dem Gefühle der Empörung über ungeschickte Angriffe gegen die Freiheit der Wissenschaft, Angriffe, an denen selbst ein Theil der officiösen Presse sich betheiligt. Was solche Angriffe fruchten, zeigt sich an der immer schärfer werdenden Sprache der An gegriffenen. Auch von diesem Kampfe zwischen Männern, die durch ihr reiches Wissen am meisten berufen wären, den Staat zu stützen, hat die Socialdemokratie ihren Vortheil, einmal, weil sie dadurch direct jüngere Männer aus den gebildeten Schichten für sich gewinnt, nnd zweitens, weil sie die Erwiderungen der angegriffenen Männer der Wissenschaft wirksam für sich ausbeutet; denn das deutsche Volk bat einen tiefen Respect vor der Wissenschaft, und wenn der „kleine Mann" sieht, wie Männer der Wissenschaft mit scharfen Schlagworten gegen einflußreiche Bedrücker kämpfen, so ist der Eindruck dieser Thatsache auf ihn ein sehr bedeut samer. Uebcr andere Gründe, die zu dem Erfolge der Social demokratie beigetragen haben, über die mannichfachen Verstim mungen der letzten Zeit, ist so oft gesprochen worden, daß eine Wiederholung überflüssig erscheint. Kaum ein Volk ist seiner Natur nach so wenig geeignet, der Socialdemokratie anheimzufallen, wie das deutsche. Die wirthschastlich-n Verhältnisse sind im Großen nnd Ganzen günstig; das Temperament des Volkes ist ruhig und radikalen Experimenten abgeneigt. Tie mon archische Gesinnung bat tiefere Wurzeln als in vielen an deren Ländern. Und ist der Boden für die Socialdemokratie schon an und für sich nicht besonders günstig, so müßte die focialdemokratifche Partei sowohl wegen ihrer Unfruchtbarkeit, wie wegen der zahllosen Blamagen der letzten Jahre den Höhepunkt bereit» überstiegen beben. Wenn ste trotzdem noch immer an Kraft zunimmt, so ist den Fehlern der Gegner und besonders Fehlern nnd Mängeln des Negierungssystems in dem führenden deutschen Staate die Schuld beizumefsen. Königsberg, die Stadt der reinen Vernunft, die alte preußische KrönungSstadl, ist durch diese Fehler zum ersten Male im ersten Wahlgange den Socialdemokraten in die Hände ge fallen. Möge dieser Vorfall zu einer Ein- und Umkehr bei tragen, zur Rückkehr zu einem Regiments in Preußen, unter dem die bürgerlichen Parteien zum Kampfe gegen die Social demokratie sich vereinen können. lieber das freisinnige Heldenstück, daS vorgestern bei der Ersatzwahl zum preußischen-Mbgeordnetenbause im Wahlkreise Deren t-Pr. Stargardt-Dirschau geleistet worden ist, ist schon im heutigen Morgenblatte berichtet worden. Der unerhörte Vorgang nöthigt aber zu wiederholter Be trachtung. Der Wahlkreis hat zwei Abgeordnete zu wäblen. Im Jahre 1893 waren eS der nationalliberale Abg. Hobrecht und der freiconservative Abg. Engler. Schon damals stand die Entscheidung auf des Messers Schneide. Als der Abg. Engler im verflossenen Jahre starb, fand am 6 Juni 1896, also fast genau vor einem Jahre, die erste Ersatzwahl statt; die Polen siegten; gewählt wurde der Pfarrer von WolSzlegier-Gilgenburg, einer der bekann testen polnischen Agitatoren, über dessen Wirksamkeit insbesondere die deutschen Bischöfe Or. Redner in Pelplin und I)r. Thiel in Franenburg ihre besonderen Erfahrungen haben. Am 26. Februar d. I. cassirte das Abgeordneten haus diese Wabl. Es mußten nämlich 77 Ersatzwablmänner- wahlen für ungiltig erklärt werden, darunter öl, welche im Jahre 1896 zwar richtig gewählt waren, aber als Ersatz für Wablmänner, deren Wabl im Jahre 1893 hätte cassirt werden müssen. Unter diesen schwierigen Verhältnissen bereitete sich die zweite Ersatzwahl vor, dazu unter dem Eindrücke der Schwetzer Wahl, welche es eindringlicher als jemals den Deutschen nahe legen mußte, zu der Schlappe in Sckwetz nicht noch eine zweite zu fügen; unter dem Eindrücke schließ lich des unwürdigen Verhaltens der Freisinnigen in Posen, welche durch ihren Vertreter im Abgeordnetenhause noch die klerikale Polenfreundschaft erheblich übertrumpft batten. Vorgestern war Gelegenheit geboten, sich der Pflicht als Deutsche zu erinnern, die in den gemischt sprachigen Bezirken der Ostmark allein die schließlich entscheidende sein muß, wo das Polenthum nichts Anderes als seine nationalen Bestrebungen kennt. Zwei Wahlgänge fanden statt. In dem ersten Wahlgange standen die für den deutschen Compromiß-Eandidaten Gutsbesitzer Arndt- Gatschin abgegebenen Stimmen denen des Polen v. Wolszlegier gleich; es waren je 232; im zweiten Wahlgange siegle dann der Pole mit einer Stimme Mehrheit, da mehrere — hoffentlich wird man ihre Zahl und ihre Namen bald genau erfahren — freisinnige Wahlmänner aus Dirschau den traurigen Muth batten, sich der Abstimmung zu enthalten. Auf freisinnigen Krücken zieht also Pfarrer v. Wolszlegier für Stargardt- Berent in das Abgeordnetenbaus wieder ein. Es ist nicht unmöglich, daß von freisinniger Seite der Versuch gemacht werden wird, diese Haltung mit der Nothwendigkeit, die Mehrheit gegen die Vereinsgesetznovelle im Ab- gcordnetenhause zu verstärken, nachträglich zu motiviren. Diese Ausrede wäre unbedingt abzuweisen. Die feste Haltung der nationalliberalen Fraction, über welche nur die offenbare Böswilligkeit noch Zweifel auSzustreuen vermag, verbürgt die Ablehnung der Novelle. Der eine Pole har nichts mehr zu retten! Um so mehr mußte unter diesen Umständen im Auge behalten werden, welche moralische Bedeutung diese Wahl für das Deutschthum in den Ostmarken hatte, um so mehr, als der „schwarze Tag" von Schwetz die polnische Ueberhebung und AgilationSkrafl so bedrohlich ge steigert bat. Der Freisinn bat versagt, die polnisch-nationale Bewegung einen Agitator mehr im Abgeordnetenhause und das Deutschthum einen Schaden, der die schlimmen Nach wirkungen der Schwetzer Wahl erheblich in Schatten stellen wird. Am Donnerstag ist der Staatssecretair deS Trans vaal, vr. W. I. Leyds, vom Haag auS in Berlin ein getroffen , Tags zuvor als der Volksraad in Pretoria mit großer Mehrheit den Tag deS Negierungsjubiläums der Königin von England für einen osficiellen Feiertag erklärte. Während Leyds in London, Paris und im Haag politische Aufgaben zu erfüllen batte, ist davon in Berlin keine Rede. Wenn auch der tranSvaalsche Staatssecretair hier in allen Schichten des Volkes von oben herab das alte Entgegen kommen und Wohlwollen finden wird, so ist Deutschland schon auf Grund seiner maritimen Verhältnisse auch beim besten Willen ganz außer Stande, Transvaal in positiver Form zu Hilfe zu kommen, wir sind nur auf moralische Unterstützung angewiesen. In London hatte er die Aufgabe, trotz der schärfsten Gegner schaft und der bittersten persönlichen Anfeindungen von eng lischer Seile, ein Einvernehmen herzustellen; unstreitig ist eS eine große diplomatische Leistung, daß ihm diese Auf gabe gelungen ist. Kann man auch die mit dem eng lischen Eolvnialamte getroffenen Abmachungen noch nicht klar durchschauen, so ist ihre Wirkung doch eine offenbare und erstaunliche. An Stelle des heftigsten PreßkampfeS bis in das britische Cabinet hinein ist eine wohlthuende Ruhe getreten. Was vr. LeydS in Paris gemacht und ver sucht bat, läßt sich nicht erkennen, denn die Angabe, daß er eine Anleihe in Frankreich habe einleiten wollen, ist eine so haltlose, daß nur vollste Unkenntniß sie auS- sprechen konnte. Frankreich, das man vor zwei bis drei Jahren für einen Freund Transvaals halten konnte, vor nehmlich nachdem im September 1894 ein französisches Kriegsschiff in der Delagoabai erschienen war, um zur Ver hinderung eines Handstreiches englischer Kriegsschiffe auf Lourentzo Marques mitzuwirken, änderte seine Politik Anfang 1896 vollständig; eö trat ganz offen auf Seilen Englands. In der folgenden Zeit nahm auch ein großer und einfluß reicher Theil der französischen Presse, von englischem Golde beeinflußt, eine ungewöhnlich feindliche Haltung gegen Trans vaal ein. Doch ist nicht zu verkennen, daß das Cabinet, das seit einem Jahre das Ruder zu Paris in Händen hat, sich etwas entgegenkommender gegen Transvaal erweist. Nicht ohne Bedeutung wird es sein, zu sondiren, wie weit und wie tief eine solche Strömung ist. Die aus dem Elysöe stammende Note, betreffend die Reise deS Präsidenten Faurc nach Rußland, welche, wie bereits gemeldet, der „Temps" veröffentlicht hat, und die bestimmt war, das französische Publicum von der Nothwendigkeit und Nützlichkeit dieser Reise zu überzeugen, lautet in der Haupt sache folgendermaßen: „Der Ursprung des Projekts geht auf die Reise zurück, welche der inzwischen verstorbene Fürst Lobanow nach Frankreich unternahm. In den Unter redungen, welche der russische Minister mit Herrn Hanotaux halte, wurde zum ersten Male der Wunsch des Zaren, nach Paris zu kommen, geäußert, und als Consequenz die,eS Besuches tauchte die Frage einer Reise des Präsidenten der Republik nach Rußland auf, ohne daß indessen genauere Andeutungen in dieser Richtung gemacht worden wären. Einige Monate darauf sagte der Zar Nicolaus, indem er sich von dem Präsidenten verabschiedete, laut genug, um von den Anwesenden gehört zu werden, wie sehr er befriedigt sein würde, wenn er den höchsten Repräsentanten des französischen Volkes in seinen Staaten empfangen könnte. Die höflichen Worte des Souveräns, wie diejenigen seines Ministers vermieden jeden Hinweis auf den Zeitpunct, wann die Reise des Präsidenten statthaben könnte. Aber der Zar hatte zweimal laut genug gesagt oder sagen lassen, um die französische Regierung zu veranlassen, daö Projekt, von dem er gesprochen, in Erwägung zu ziehen. Wir sagen absichtlich: „die Regierung", denn m einer solchen Frage ist die Uebereinstimmung der öffentlichen Gewalten noch nothwendiger als in jeder anderen. Die Formen, in welchen die Reise sich vollziehen wird, werden also im rechten Moment vom Cabinet geprüft werden. Das Parlament wird natürlich auf dem Wege einer Credit- forderung mit der Angelegenheit befaßt werden. Eine präsidentielle Botschaft kann vorhergehen, deren Zweck sein würde, dieser neuen Manifestation der französischen Sympathien für die befreundete und alliirte Nation mehr Feierlichkeit zu geben. Aber nichts von alledem ist Fruilletoir. Zwei Frauen. L6j Roman von F. Marion-Lrawford. Nachdruck verboten. Daß er ehrenhaft und reinen Herzen» war, wußte sie, daß er tapfer war, hatte sie Ursache zu glauben, daß er ihre Tochter über Alles liebte, wußte sie gleichfalls, aber dennoch wurde ihr der Entschluß sehr schwer. WeSbalb ver langte er den Namen des geliebten Tobten? Weil sein eigener gebrandmarkt war, nicht durch seine Schuld, aber er war verunglimpft und zum Borwurf geworden. E« ist einem Mann mit schlechtem Namen leicht, einen guten zu wünschen, und eS ist natürlich, und wenn er unschuldig ist, sehr ver zeihlich. Greif hatte ein Recht zu seinem Wunsch, aber durfte sie ihn gewähren? Konnte sie zugeben, daß DaS, wa» so lange ruhmreich in sich selbst gewesen, durch in guter Sache ver gossenes gutes Blut geheiligt war, daS Alles umfaßte, was sic einst der böchsten Verehrung Werth erachtete, zum bloßen Deckmantel für die Untbaten Rieseneck'S und Greisenstein'S, der Mörder und Selbstmörder wurde? Und dennoch wünschte sie, war sie sogar froh, daß dieser Mann ihre Tochter, da» einzige Kind ihre« Gatten, heirathete. Sie liebte ihn, denn er sollte ihr Sohn werden, der einzig« Sohn, den sie jemals haben konnte. Ach, da» war es. Greif sollte ihr Sohn werden. Sie sah ihm in» Gefickt und sagte sich, daß sie in der ganzen Welt keinen vortreff licheren, stattlicheren und aufrichtigeren Gatten für ihre Tochter hätte finden können. Und er verlangte die erbetene Vergünstigung nicht zu seinem eigenen Nutzen. Er hatte tapfer genug gekämpft, Hilda lieber aufzugeben, al» sie der geringsten Gefahr auSzusetzen, um seinetwillen in eine nach theilige Gefahr zu gerathen. Und war e» nickt tausendmal bester, daß Hilda und Hilda'» Kinder Wildenberg'» sein, al» daß sie einen durch ruchlos vergossenes Blut befleckten Namen tragen sollten? War e» nicht auch für sie selbst erfreulicher, daß der Sohn, der ihr geschenkt wurde, Wildenberg und nicht Greifenstein hieß? Konnte er ihr ein wahrer Sobn sein, so lange er nach Jenen genannt wurde, die sie während so vieler Jahre kalt und herzlos behandelt und rin so böses Ende genommen hatten? Sie streckte die Hände nach Greis ans und zog ihn so dicht an sich, daß sie ihm in die Augen sehen konnte. „Willst Du mir ein Sohn sein, Greif von Greifenstein?" fragte sie feierlich. „Ja, so wahr mir Gott helfe, und Du sollst meine Mutter sein", antwortete er. „Dann sollst Du Wildenberg heißen", rief die Baronin. „Du bist tapfer, so tapfer, wie es mein armer Mann ge- wesen. Du bist wahr, sei immer so wahr wie er. Du bist treu, sei treu bis zum Tode, wie er eS war. Die weißhaarige Frau erhob sich, zog ihn noch näher zu sich heran und küßte seine Stirn mit den bleichen Lippen, die noch keines Manne» Gesicht berührt hatten, seit ihr Gatte ihr durch den Tod entrissen worden war. „Geh zu Hilda und sage ihr, daß Du ihr in der Thal und Wahrheit ein Wildenberg sein wirst, im Herzen wie im Namen", winkte sie ihm. Als sie hochaufgerichtet und festen Schritte» daS Zimmer verließ, sah Greif belle Thränen in ihren Augen blinken. — Hilda saß auf einem der Felsenvorsprünge in der April sonne, al» Greif wieder zu ihr trat. „ES hat nicht lange gedauert", sagte sie, sich lächelnd umwendend, al» sie da» zerbrochene Thurmpförtchen knarren hörte. „Doch warum siehst Du so ernst auS? Ist etwa» geschehen?" Greif setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. „Weißt Du, wa» Mama mir auftrug, Dir zu sagen?" fragte er. Sie schüttelte erwartungsvoll den Kopf. „Mama trug mir auf, Dir zu sagen, daß ich Dir in Thal und Wahrheit ein Wildenberg sein werde, im Herzen wie im Namen, — kann ich noch mehr hinzufügen?" „Nur Eins noch", rief sie, ihn mit ihren Armen um schlingend, „nur Ein» noch, „daß Du Greif, mein Greif, der Greif, den ich liebe, sein willst, immer und immer, ob mit meinem Namen oder Deinem, bis an» Ende." Wie er sich der schlichten Größe der Baronin gegenüber klein gefühlt, so verblaßte der Mutter würdevolle Hobeit Hilda'» Liebe gegenüber. Hilda'» Worte waren die besten und eindrucksvollsten in ihrer rührenden Menschlichkeit. Lange saßen sie neben einander im Sonnenlicht, plaudernd, wie Liebesleute pflegen. Al- sie im Begriff waren, hinunter zu gehen, blieb Hilda vor dem knarrenden Thürpförtchen wieder stehen. „Du darfst nicht zulaffen, daß Dein Vetter mich Haffe, Greif", sagte sie, als fürchte sie, die wolkenlose Freude der Zukunft könne eine Trübung erfahren. „Es wäre nicht recht. Wir müssen Alle eins sein, jetzt und wenn wir beide ver- heirathet sind. Er rettete durch seine treue Fürsorge Dein Leben; weshalb sollte er gegen mich eine Abneigung haben?" „Er hat sie nickt, Tbeuerste, Du irrst Dich", widersprach Greif, in Verlegenheit über Hilda'S Frage. „Doch, er hat sie, und Du mußt eS auch bemerkt haben", versicherte Hilda. „Weshalb kommt er niemals hierher? Weshalb ist er so kalt gegen unS, wenn wir nach Greifenstein kommen? Ich kümmerte mich nicht einen Strobbalm um seine Neigung oder Abneigung, wenn er nicht Dein Vetter wäre und ich nicht dächte, daß wir Alle har monisch zusammenleben sollten. Das Seltsame ist, daß er sein Leben für Dich hingeben würde, und ick überzeugt bin, daß er treu und redlich ist, obwohl ich ihm nicht in die Augen sehen kann, wie Dir. WaS ist der Grund? Du mußt eS wissen, Greif." „Ich weiß eS nicht. Ich sehe, daß er sehr zurückhaltend gegen Euch ist und nicht gern hierherkommt. Ich fragte ihn erst gestern, WeSbalb er immer znrückbliebe." „Und was antwortete er?" „Nichts zur Sache. Er meinte, er könne nicht von irgend welchem Nutzen sein, wenn er mich begleitete, waS auch nicht gut in Abrede zu stellen ist." „Du mußt herauSzufinden suchen, wa» er gegen mich hat. Jetzt hat er mich nicht gern; wenn wir verheirathet sind, wird es noch schlimmer sein, und in einem Jahre wird er mich ganz und gar verabscheuen und e» Dir vielleicht sagen." „Du denkst, er könnte mir so etwas sagen?" fragte Greif mit einem ruhigen Lächeln, da» nicht zu dem plötzlichen Auf flammen seiner Augen stimmte. „Nein", lachte Hilda, „da- ist eine Uebertreibung, aber wir beide werden es herausfühlen." „In diesem Falle werden wir ihn bitten, bei unS zu bleiben", antwortete Greif. Er sah, daß Hilda sich Uber seine- Vetters Benehmen gekränkt fühlte, denn sie sprach schon zum zweiten Male während seine» heutigen Besuche» davon, und er nahm sich vor, bei seiner Rückkehr nach Greifenstein offen mit Rex über die Sache zu reden. Hilda'S Gesicht wurde ernst. Sie wußte, wie sehr Rex seinem Vetter zugethan war, und sie fürchtete, ihr künftiger Gatte werde seinen besten Freund ihrer Laune wegen verlieren. „Das darf nimmer geschehen", antwortete sie, „nächst mir liebt Dich Niemand so sehr wie Rex. Ich möchte nicht um die Welt, daß Du mit ihm in Streit geriethest, und es ist bloße Eifersucht bei ihm, Greif, ich weiß es." „Dann müßte er ein sehr verächtlicher Charakter sein", rief Greis unwillig. „Weil er eine so große Anhänglichkeit für Dich hat, daß es ihn schmerzt, seinen Platz durch eine Frau au-gefüllt zu sehen? Nein, Geliebter, daS ist nicht verächtlich. Aber Du mußt diesen Zustand abzuändern versuchen. Bitte ihn, ver nünftig zu sein." „Könnte ich ihm sagen, daß er Dich beleidigt hat, daß er nicht blos höflich gegen Dich, sondern daß er Dir ein Freund sein soll?" „Du scherzest, Greif, aber gerade das möchte ich allen Ernste« thun, wenn Du es mir gestatten willst. Er würde das ganz richtig verstehen. Herr Rex, würde ich ihm sagen, außer unS sind Sie Greif's einziger Verwandter. Es ist unbedingt nolhwenbig für sein Glück, daß wir, Sie und ich, un« gut mit einander vertragen. Ist eS meine Schuld, daß wir es nicht thun? Er würde mir antworten, daß mich keine Schuld trifft, denn er ist ehrlich. Dann ist eS also Ihre Schuld, würde ich ihm entgegnen, und je eher Sie mein Freund werden, desto bester wird eS für Greif sein, die einzige Person aus der Welt, an der Ihnen etwas liegt. Ist das nicht sehr verständig?" „Hast Du wirklich die Absicht, ihm das zu sagen?" fragte Greis fast besorgt. „Wenn Du es mir erlaubst, ja", antwortete Hilda, die alte Thurmpforte hin- und herschwingend. „Wenn ich e» Dir erlaube?" wiederholte Greif. „Glaubst Du, ich würde Dich jemals zu verhindern suchen, zu sagen, waS Dir beliebte —" „Da» solltest Du, wenn Du findest, daß es nicht recht ist, wenigstens nachdem wir verheirathet sein werden " „Ich bin nicht sicher, daß ich e» könnte", antwortete Greif lachend. „Ein Anderer kann e» gewiß nicht", rief Hilda, die blitzenden Augen zu ihm erhebend. „Wenn ich beabsichtigte, etwa» zu thun, wurde ich mich natürlich nicht davon abhallen lassen. Sagte ich Dir nicht, daß ich Dich nicht gehen lasten würde?" „Ja, und Du hieltest Dein Wort."
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