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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960215025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896021502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896021502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-15
- Monat1896-02
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSaftb« , ohne Postbesörderung 60—, mit Postbesörderung X 70.—. Annahckeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Für die Montag.Morgen-Au-gabe: Sonnabend Mittag. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Tonnabenb den 15. Februar 1896. SV. Jahrgang. Amtlicher TheU. Bekanntmachung. Die diesjährige ordentliche Generalversammlung der Reichsbank' cintheilseigner (§. 18 des Statuts der Reichsbank vom 21. Mai 1875 — Reichsgesetzblatt Seite 203) wird hierdurch aus Freitag, den 6. März d. I., Vormittags 11 Uhr berufen, um den Berwaltungsberichl nebst der Bilanz und Gewinnberechnnng für das Jahr 1895 zu empfangen und die für den Centralausschnsz nöthigen Mahlen vorzunehmen. (8. 21 a. a. O.) Zur Theilnahme ist jeder männliche und verfügungssähige An« theilseigner berechtigt, welcher durch eine spätestens am Tage vor der Generalversammlung im Archiv der Reichsbank, Jägerstraße Nr. 34 36 Hierselbst, während der Geschästsstunden obzuhebende Be scheinigung nachweist, daß und mit wie vielen Antheilen er in den Stammbüchern der Reichsbank als Eigner eingetragen ist. Die Versammlung findet im Reichsbankgebäude, Jägerstraße Nr. 34/36 hierselbst, statt. Berlin, den 11. Februar 1896. Der Reichskanzler. In Vertretung: v. Boetticher. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Februar. Obgleich der Slaatssecretair v. Marschall vorgestern im Reichstage bei seiner Erläuterung des deutschen Weißbuches über die Transvaal-Angelegenheit auf das Sorgfältigste Alles vermieden hat, was „Ocl ins Feuer gießen könnte", so benutzt ein Theil der englischen Presse seine Rede doch, um das Feuer des Chauvinismus damit aufs Nene zu schüren. Ein anderer Theil beginnt allerdings einzu sehen, daß die deutsche Intervention eine berechtigte und streng in den gebotenen Grenzen sich haltende gewesen rst, aber dieser Theil ist doch zu wenig einflußreich, um die Hetzereien der „Times", über die bereits im heutigen Morgen blatte berichtet worden ist, unwirksam zu machen. Immerhin könnte man sich mit dem Slaatssecretair v. Marschall über derartige Stimmen und Stimmungen Hinweg setzen, wenn sie nicht einen ernsteren Hintergrund dadurch erhielten, daß die englische Regierung durch ihr lücken haftes und tendenziös gefärbtes Blaubuch fördernd auf diese leidenschaftliche Stimmung eingewirkt hat und diese im Unterhause noch mehr zu steigern versucht. Besonders aus Cha mb er la in's Aeußerungen geht mit voller Deutlich keit hervor, daß daS englische Volk und womöglich auch ein Theil der Mächte in den Glauben versetzt werden soll, der Einfall Jameson's falle diesem ganz ausschließlich zur Last, kein Mensch habe Jameson angestiflet oder auch nur um sein Vorhaben gewußt, außer Deutschland, daS dann wider rechtlich diesen Einsall zu einer Intervention benutzt habe, um den berechtigten Einfluß Englands in Transvaal zu Gunsten des eigenen Herabzudrücke». Und weiter soll ge glaubt werden, Präsident Krüger habe die deutsche Inter vention nachgesucht und dadurch einer Perfidie sich schuldig gemackt, die Sühne fordere. Daß solche Behaup tungen lediglich den Zweck verfolgten, den Eindruck einer Niederlage abzuschwächen, ist kaum denkbar. Sie zwingen vielmehr zu der Vermuthung, daß sie den Vor wand zu neuen und diesmal offenen Versuchen zur Beugung der Transvaal-Republik und zur Abschreckung Deutschlands von seiner Bahn abgeben sollen. So faßt auch allem Anscheine nach der frühere Schatz secretair Sir W. Harcourt die Sache auf, der im Unterhause nicht nur die Behauptung, Krüger habe die deutsche Intervention nachgesucht, als eine höchst unvor sichtige und rücksichtslose bezeichnete, sondern auch gegen die jetzige Regierung direct die Beschuldigung erhob, sie fördere üble Gesinnungen zwischen England und Deutschland und trage dadurch nicht zur Erhaltung des Friedens bei. Ob aber diese Stimme genügen wird, den Heiß sporn Chamberlain und seine College», die mehr und mehr seinem Einfluß unterliegen, zu zügeln, ist eine kaum zu bejahende Frage. AuS der Behauptung Balsour'S, der Vertrag von 1884 gestatte England die Ein mischung in die inneren Angelegenheiten von Transvaal, geht zu deutlich hervor, daß daS englische Ministerium die Republik als Bente betrachtet, die unter allen Um ständen dem übrigen Besitzstände Albions früher oder später binzugefügt werden muß. Vorerst freilich liegt kein Grund vor, sich darüber aufzuregen. Dafür, daß die eng lischen Bäume in Transvaal nicht in den Himmel wachsen, sorgt zunächst Präsident Krüger. Ein neuer Jameson wird sich auch nicht so bald finden, und zu direkten Gewalkstreichen wird man sich an der Themse schwerlich entschließen, so lange die stillen Vorbereitungen nicht weiter gediehen sind. Auf diese aber werden die guten Augen der Boeren ebenso gerichtet sein, wie die der Deutschen in Transvaal. Der deutsche Reichstag bat also vorläufig keinen Anlaß, in eine neue TranSvaal-Debatte einzutreten; die letzte bat ihm die Ueberzeugung gegeben, daß unser Auswärtiges Amt wacht und gegebenen Falls mit Vorsicht, aber auch mit Nachdruck zu handeln weiß. Die Vereinbarung der Reichstagsparteien, vom 22. d. Mts. ab die Plenarsitzungen auf etwa zehn Tage ausfallen zu lassen, um die Arbeitender Commissionen, namentlich der für das Bürgerliche Gesetzbuch, zu fördern, zieht den Blick auf die Geschäftslage des Reichstags überhaupt. Diese ist keine sonderlich günstige. Wir bähen heute noch höchstens 35 Arbeitstage biS zum 27. März, der als der Freitag vor Palmsonntag der äußerste Termin für den Be ginn der Osterpause ist. Da auf den 25. März ein katholischer Feiertag fällt, so machen frühere Er fahrungen eS sebr wahrscheinlich, daß die der Charwoche vorhergehende Woche gar nicht „angebrochen" wird und die Ferien schon am Sonnabend, den 21. März, beginnen. Dann blieben noch 32 Tage übrig, von denen mindestens einer abzurechnen wäre, weil der Reichstag daS in die Osterpause fallende Jubiläum seines fünfundzwanzig jährigen Bestehens als gesammtdeutsche Volksvertretung jedenfalls noch vor der Vertagung feiern wird. Tritt die vom Seniorencouvent beschlossene Unterbrechung ein, so stehen noch etwa zwanzig Tage zur Verfügung, von denen gut die Hälfte von der Etatsberathung und von Initiativ anträgen in Anspruch genommen werden wird. Bei der ganz außerordentlichen Ueberhäufung der gegenwärtigen Session mit Gesetzesvorlagen kann die eine und die andere derselben lediglich am Zeitmangel scheitern, wenn nickt schon vor Ostern erhebliches Material unter Dach ge bracht ist. Reif für die zweite Berathung sind zur Zeit die Consumvereinsvorlage und die Gewerbenovelle. Mit ihrer Erledigung vor Ostern aber wäre, eben wegen der starken Ueberbürdung, wenig gethan. Es steht zu hoffen, daß die zehntägige Pause den CoinmissionSarbeiten auch wirklich zu Gute kommt und daß die neuerdings von freisinniger Seite vorgetragene und von der demokratischen Presse begierig ausgcnommene Theorie, wonach der Nichtbesuch der Plenar sitzungen den Abgeordneten eigentlich zum Verdienst gereicht, wenigstens nach Ostern nicht die Geschäftsbehandlung be herrscht. Alles Reden über den Werth der Commissions- nnd Coulissenarbeit hilft doch nicht über die Tbatsache hin weg, daß die schlechte Frequenz Leschlußunfäbigkeil verursacht und Bescklußunfäbigkeit den Reichstag wekrloS dem Nede- und Verschleppungseifer kleiner Und kleinster Minderheiten und selbst einzelner Abgeordneten preiSgiebt. In Ungarn ist die Affaire des dandeS-Bildergalerie- directors Pulßky von der Opposition in ungerechtfertigter Weise aufgebausckt und zu schlimmen Verdächtigungen der liberalen Regierung ausgebeutet worden. Pulßky hat über die durch ihn besorgten Ankäufe von Bildern und anderen Kunstgegenständen bis in die allerjüngste Zeit regelmäßig Rechnung gelegt. Als die Verrechnungen eine Zeit lang ausständig blieben und der Generaldirektor sie trotz nachdrücklicher Urgirung seitens des Cultus- ministerS vr. Wlassics nickt vorlegte, wurde die amtliche Untersuchung eingeleitet. Ob die bei Pulßky eingetretene Geistesstörung mit dessen Versäumnissen und Mißbräuchen in ursächlichem Zusammenhänge stehl oder ob sie sich als Folge der Bedrängmß eingestellt hat, in die er angesichts des energischen Vorgehens seiner vorgesetzten Behörde gerathen war, darüber wird die gerichtliche Untersuchung Klarheit zu bringen haben. Laut der Strafanzeige bandelt es sich um ein Manco von ca. 56 000 Gulden, hinsichtlich welcher Pulßky zur Nechnunglezung verpflichtet gewesen wäre. Aus dieser — keineswegs panamahohen — Summe haben Feinde der liberalen Regierung eine halbe Million gemacht (indem sie auch die längst ordnungsgemäß verrechneten Beträge zuzählten), und die Opposition Hal — ganz nach Muster eines ähnlichen Manövers anläßlich des Pariser Panama-Scandals — die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungscommissivn gefordert. Eine so drastische, nur in den äußersten Fällen von wirklich erwiesener Corruptivn übliche Maßregel steht nun einerseits überhaupt m keinem statthaften Verhältnisse zur Be deutung deS ganz einfachen DefraudationSfalles, anderer seits würde sie speciell gegen das Cabinet BLnffy ein Mißtrauensvotum bedeuten, das dieses absolut nicht verdient hat. Von einer Verletzung des Budgctrechtes bei Anweisung der Beträge für Pnlßky's Bilderkäufe kann nicht die Rede sein, da die gemachten Ausgaben unter die vom Parlamente gutgeheißenen Veranstaltungen und Anschaffungen für die MillenniumSfeier fallen und noch unter dem früheren Cabinet ordnungsgemäß vom Parlamente genehmigt worden sind, wie dies der frühere Ministerpräsident Vr. Wekerle dieser Tage auf das Genaueste nachgewiesen hat. Die jetzige Regierung aber ist gegenüber den Manipulationen Pulßky's, welche ja erst jüngsten Datums sind, mit solcher Raschheit, Offenheit und Strenge vorgegangen, daß sie keinerlei Vorwurf der Parteilichkeit oder Lauheit treffen kann. So hat denn auch das ungarische Abgeordnetenhaus die Angelegenheit in einer den Wünschen der Opposition nicht entsprechenden Weise erledigt. Noch in einem Theil der Auflage deS heutigen Morgenblattes konnten wir aus Pest, 14. Februar, melden: Bei der fortgesetzten Besprechung der Pußzky - Angelegenheit lehnten die Abgeordneten den Beschlußantrag Ugron mit großer Majorität ab. Der Antrag Apponyi auf Einsetzung einer parla mentarischen Untersuchungscommission wurde in namentlicher Ab- stimmung mit 174 gegen 150 Stimmen abgelehnt. Schließlich wurde auch der Eventual-Antrag Szapary, auf die Mißbilligung des Verhaltens deS früheren und gegenwärtigen Cabinets, sowie aus die Vorlegung der Acten in der Pußzky-Angelegenheit ab- gel ehnt. Damit ist, wie das vorige, so auch das jetzige Cabinet ohne Einbuße an moralischem Ansehen auS dem ungarischen „Panama" hervorgegangen. Schon heute ist Ferdinand von Coburg Fürst von Bulgarien, wenn auch die Anerkennung noch nicht durch sämmilicke Signatarmächte formell ausgesprochen ist. Die italienische Regierung hat erklärt, die Zustimmung aller Mächte sei sicher, und sie erklärte damit nur längst Bekanntes. Was die Ernennung des Fürsten Ferdinand zum Gouverneur von Ost-Rum elien anbelangt, so ist dazu noch ein besonderer Act des Sultans erforderlich. Nach Art. 17 des Berliner Vertrags war der General-Gouverneur von Ost- Rumelien von der Pforte mit Zustimmung der Mächte auf die Dauer von 5 Jahren zu ernennen. Infolge der Revolution von Philippopel am 18. September 1885 wurde diese Bestimmung durch ein vom 7. März 1886 datirtes Uebereinkommen der Mächte dahin abgeändert, daß die Ernennung des Fürsten von Bulgarien ohne Nennung seines Namens auf je 5 Jahre zum Gouverneur von Ost-Rumelien gemäß Art. 17 des Berliner Ver trages unter jedesmaliger Zustimmung der Signatarmächte zu erfolgen habe. Hieraus eraiebt sich, daß der Ferman des SulkanS, durch welchen Fürst Ferdinand ohne Nennung seines Namens auf 5 Jahre zum Generalgouverneur von Osl- Rumelien ernannt werden wird, erst nach allseitiger An erkennung desselben als Fürst von Bulgarien «fließen kann. Was die politische Bedeutung des Ereignisse- betrifft, so liegt auf der Hand, daß eS einen Erfolg der russischen Politik bedeutet, obwohl es andererseits eben Rußland ist, das seine Haltung gegenüber dem hisher als Usurpator verfehmten Prinzen gänzlich geändert bat. Bulgarien beginnt eine neue Aera unter russischem Einfluß, oder vielmehr es kehrt zu der selben Stellung zurück, die ihm im Berliner Vertrag an gewiesen wurde, nur, daß die russische Politik nicht wieoec in die Nuditäten der Kaulbars und Genossen verfallen wird. Dazu liegt ja auch kein Anlaß mehr vor, wenn ein legitimer, Ruß land genehmer Monarch auf dem bulgarischen Thron sitzt. Allein Der gpiritus rector in der äußeren Politik Bulgariens und vielfach auch in der inneren wird Rußland und das Verhältniß des Fürstenlhums zum Zarenreiche wird das des faktischen Vasallenthums sein. Oesterreich- Ungarn muß und kann sich auch mit der neugeschaffenen Lage auSsöhnen. Wenn ihm auch durch die russisch bulgarische Annäherung ein Bortbeil rückgängig wird, dem eine dauernde Bedeutung zu verschaffen man in Wien nicht im Stande war, so wird doch sein Einfluß auf der Balkan halbinsel kaum vermindert. Das babsburgische Regiment hat inzwischen in Bosnien und der Herzegowina anscheinend festen Fuß gefaßt. Mittels dieses Besitze- aber umfaßt die habsburgische Monarchie auch einen beträchtlichen Theil der serbischen Westgrenze, sich als Keil zwischen dieses und Montenegro einschiebend, und wenn auch Rußland künftig über Bulgarien mit Serbien engere Fühlung gewinnen sollte, so ist doch der ganze Norden dieses Königreichs im Fall eines großen Conflicts in seine Hand gegeben, und eS erhält dadurch eine ununterbrochene günstige Bertheidigungslinie, welche nach Osten zu bis ans Schwarze Meer und an die moldauisch- LeuiHrtsn 1j ei. seine heiven Sessel, sein Bücherschrank und Schreibtisch — Gegenstände, die man nöthizenfallS auf das Genaueste hätte beschreiben können — waren, wie der Fracktfuhrmann allen dafür sich Jntcressirenden erzählt batte, direct von S., dem Wohnort der angeblichen Braut des jungen Rechtsanwaltes, gekommen. Obgleich die ausgeführten Details dieser Mittheilung auf eine besondere Kenntniß der persönlichen Verhältnisse Herren- grund'ö hatten schließen lassen, fühlte man noch längere Zeit sich geneigt, dem Gerücht mit Mißtrauen zu begegnen. Der zunge Mann machte durchaus nicht den Eindruck eines BrautiaamS, ja der Name dieser oder jener jungen Dame wurde sogar noch einige Wochen nachher mit dem seinen in Verbindung gebracht. Dann aber Wilhelm Herrengrund war mit zwei fremden Damen, einer älteren und einer jüngeren, offenbar Mutter und Tochter, gesehen worden. Er hatte die Letztere geführt. Sie war ganz hübsch gewesen, klein und zierlich von Gestalt, aber — es war ein Aber dabei — nicht laäMke, und auch nicht mehr ganz jung, etwas schüchtern und steif. Sie machte Allen, die sie ge'chen, den Eindruck, als ob sie um ihr Geld genommen Seine „dumme" kleine Frau. Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck dkrboten. Erstes Capitel. Noch jung und doch ein schönes Ziel erreicht! Er war weiter gekommen alS viele College», die mit ihm zugleich die juristische Laufbahn betreten hatten. Warum? Wilhelm Herrengrund war ein Mann der Zeit. In dieser Thatsache lag die Erklärung seiner ungewöhnlichen Erfolge. Weder Lehrer noch Schüler und spätere Studien genossen hatten ihn silr einen besonders klugen Kopf gehalten, er zeichnete sich aber durch ein ungewöhnliches Gedächtniß und eine thüringische kleinbäuerliche Pfiffigkeit auS, Eigen schaften, die ihm nutzbringender sich erwiesen, als ein ganzer Wnst von Gelehrsamkeit, auf welche er im Allgemeinen nicht viel gab. Dabei zeigte er immer nur die Lichtseiten seines Charakters. Er war ein hübscher, stattlicher Mann mit einer strammen, militairischen Haltung, die sehr richtig auf einen Reserve lieutenant schließen ließ. Sein wohlwollendes Gesicht mit den überaus freundlickey Augen, die zu Zeiten etwas mädchenhaft Kokettes hatten und gewöhnlich eine vollkommene innere Befriedigung widerspiegelten, gewann ihm aller Herzen, insbesondere die der Mutter beirathsfähiger Töchter, denen ein junger Rechtsanwalt, dessen schneidiges Auftreten allein ihm eine gute Kundschaft in Aussicht stellte, hinreichend Garantie für eine gesicherte Zukunft bot. Wilhelm Herrengrund (ließ auch längere Zeit eine Musterung der Damenwelt scheinbar sehr sich angelegen sein. Man sah ihn bisweilen — ein Mehr hätte den Verdacht erwecken können, als ob er durchaus nicht durch seine Praxis in Anspruch genommen sei — mit den Referendaren und angehenden Assessoren hübschen Mädchen „Promenaden schneiden". Dann aber war in einer Kaffeegesellschaft von irgend einer Seite erzählt worden, der neue Rechtsanwalt sei schon seit Jahren verlobt und seine elegante Junggesellen wohnung habe sein zukünftiger Schwiegervater ihm ein gerichtet. Ter letztere Umstand verdiente in Erwägung ar- -o-en zu werden. Herrrngrund's große», hochmoderne« Sopha, ganz jung, etwas schüchtern die sie ge'chen, den Eindruck, worden ' Einige Tage später wurde erzählt, daß der Vielbesprochene eine Familienwohnung in vorzüglicher Lage, erste Etage am Wasser gemiethet habe. Damit konnten die letzten Zweifel als beseitigt angesehen werden. Wo eS trotzdem Nock nicht der Fall gewesen war, bestätigte am kommenden Sonntag daS kirchliche Aufgebot des Rechtsanwaltes mit der Jungfrau Anna Gertrud Bodenstein eine so vielfach an gezweifelte und verblüffende Thatsache. Nun gab es aber anvere Dinge zu erörtern. Wer war Anna Gertrud Dodenstein? Diese aufgeworfene Tagesfrage fand erst lange Zeit nachher ibre Beantwortung. ES hatte angestrengter Nach forschungen bedurft, um über diesen Punct Gewißheit sich zu verschaffen. Hier und da wurde mit den Achseln gezuckt. Da hatte man nicht erwartet. Die Tochter eines Müllers! DaS war doch keine Partie für einen Mann wie den Rechtsanwalt Hcrrengrund. Ja — aber — sie war in der Tbat reich — sehr reich sogar. Und er? Wenn man nach seiner Herkunft fragte — Du lieber Gott! — sein Vater war ein Bauer, der auch nicht mit dem Mantel eines GutSbesitzerS sich verhängen ließ, ein richtiger Kleinbauer auS Thüringen. Arm konnte man ihn freilich nicht nennen, aber dir zurückgrgangrnen landwirthschaftlichen Verhältnisse mochten es dem Alten wohl schwer gemacht haben, seine fünf Jungen, die einander wie die Orgelpfeifen sich gefolgt waren, auf eigene Füße zu stellen. So war eS ihm sehr zu Statten gekommen, daß der zukünftige Schwiegervater seines Aeltesten ein Uebriges gethan. Einmal soweit orientirt, brachten die interessirten Kreise auch bald das zur allgemeinen Beruhigung noch Fehlende in Erfahrung. Der alte Bodenstein batte Herrengrund schon die ganzen vier letzten Jabre über Wasser gehalten. Auf Veranlassung desselben mußte er die bereits eingeschlagene Richter-Carrwre aufgeben nnd der Advocatur, die eher Brod gäbe, sich zuwenden. Der Schwiegervater batte auch zu der schnellen Heirath gedrängt, um endlich der Sorge überhoben zu sein, daß sein gutes Geld vielleicht eine seinen Plänen und Absichten zuwiderlausende Verwendung gefunden. Das, was man in diesen Tagen von Wilhelm Herrengrund sich erzählte, war ein Gemisch von Wahrbeit und Dichtung. Der Vater seiner Braut hatte ihn während der letzten Jahre reichlich unterstützt, aber weder zu einem Aufgeben der Richter-Carriöre ihn veranlaßt, noch war eS demjelben nur lieb gewesen, daß die Tochter, früher als geplant, daS elterliche Haus verlassen hatte. Auch auS freiem Antriebe und nach reiflicher Ueberlegung entschied Herrengrund sich für die Advocatur, und wünschte eine Verbindung zu beschleunigen, die ihm eine schmerzlich vermißte Selbstständigkeit geben würde. Der Anfang war schwerer geworden, als er gedacht. ES gab mancherlei Ausgaben, auf die er nickt vorbereitet gewesen war. Die Möbel, welche der alte Bodenstein zu seiner Einrichtung geschickt, werthvolle und elegante Stücke, bildeten doch nur einen Theil deS Ganzen, und batten sogar dringender als gewöhnliche schlichte Möbel eine Vervoll ständigung gefordert. War auch der Schönheitssinn des jungen Mannes kein stark ausgeprägter, so bewegte er sich doch so viel in besseren Gesellschaftskreisen, um daS Fehlende klaren Blickes übersehen zu können. Er war noch einmal Nach Hause gereist, um dort Umschau zu halten. Große Hoffnungen hatten ihn nicht begleitet. Er erinnerte sich nur zu gut der Hellen polirten Eschenholz-Möbel, die zu seinem Bücherschrank und Schreibtisch von Nußbaum schlecht passen würden. UeberflÜssigeS hatte es daheim auch nickt gegeben. Endlich aber entführten die Brüder daS eine oder andere Stück auS dem elterlichen HauSwescn. Dennoch war die Fahrt nickt eine ganz vergebliche. Zwei große Tische, die sehr wohl den Schreibern zum Gebrauch dienen konnten, eine dunkelgebeizte Etagöre für die künftigen Handacten und zwei große Oeldruckbilder in braunem Holz rahmen, waren die Ausbeute seiner Entdeckungsreise. Doch auch sie batte seine Einrichtung nicht viel verbessert. An dem großen, freien Platz über seinem Schreibtisch hing zwar jetzt ein Kaiserbild und das würde ihm einen loyalen Anstrich geben, den er immer für besonders vortheilhaft ge balten, aber eS war nur ein höchst fragwürdiger Ausdruck, und eS blieben trotzdem mancherlei Ausgaben zu macken übrig, die mit den knappen Einnahmen seiner noch sehr be schränkten Praxis in grellem Widerspruch standen. Ein Ueberblick seiner Casse — ein kleines Rechenexempel, Bureau vorsteher monatlich achtzig Mark, vier Schreiber L 1 bis 1 50 pro Tag — und Wilhelm Herrengrund hatte erkannt, daß eS vernünftig sein würde, allen sich wieder holenden Verlegenheiten ein kurzes Ende zu bereiten. So hatte er schneller Hochzeit gemacht, als er gedacht und gewollt. Er war der Ansicht gewesen, daß es für die Ausdehnung seiner Kundschaft wichtiger sei, die Rolle eines HeirathScandidaten noch ein oder zwei Jabre weiter zu spielen. Aber — eS machte sich ja auch so. Einen hübschen Anfang konnte ihm Niemand streitig machen und er fühlte sich wirklich in einem Zustand von Wohlbehagen, der ihm nur ein Verlangen nach einer glänzenden Praxi- übrig ließ. Und auch dieses würde Befriedigung finden. Ihm eröffnete sich eine gute Aussicht, so wenig eine oberflächliche Beurtheilung der Verhältnisse G's. dies möglich erscheinen ließ. Das Gros der Bewohner dieser Provinzialstadt bestand aus kleinen Gewerbetreibenden aller Art. An diese schloß sich die Kauf mannschaft, die nur mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft, bei der wachsenden Concurrenz benachbarter großer Städte, Ausverkäufen und Wanderlagern ihre Stellung behauptete. Einigen von ihnen war eS im Laufe der Zeit durch besondere Umstände — zu welchen man die Erschließung bedeutender Brannkohlenlager rechnen mußte — geglückt, über das Niveau einer bescheidenen Wohlhabenheit sich zu erbeben, im Ganzen hatte man sein Päckchen zn tragen. Obwohl eine Anzahl mächtiger Schornsteine in der Umgebung der Stadt auf ein nicht unbedeutendes Fabrikwesen schließen ließ, so war auch diese- nicht im Stande, den Wohlstand zu heben. Die Herstellung von Guano und Druckerschwärze gab our wenigen Brod, und was die umfangreiche Schuh- und Stiefel fabrikation anbelangte, so tvurden zwar viel Arbeitskräfte durch sie beschäftigt, aber alljährlich sich wiederholende Concurse und Zahlung-stmtmrgen »iae« Lh»il« ihrer Inhaber
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