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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970629029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897062902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897062902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-29
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Börtlicher durch den Reichsschatzsrcretair v. PosadowSky, sondern mit der Ersetzung deS StaatSsecretairs des Auswärtigen Freiherrn v. Marschall durch den Gesandten B. v. Bülow. Ein Defiuitivum ist allerdings auch hier noch nicht geschaffen und selbst die stellvertretende Thätigkeit des römischen Botschafters soll erst nach der Rückkehr deS Kaisers beginnen. Ob man bi» dahin noch von weiteren Veränderungen erfahren wird, muß dahin gestellt bleiben. Einstweilen wird in Kreisen, die unterrichtet zu sein vorgeben, angenommen, Herr v. Bülow werde die Stellvertretung, zu der er berufen worden ist, in nicht zu ferner Zeit an einen Untergebenen abgeben. Das soll heißen, er sei zum Nachfolger des Fürsten Hohenlohe auSersehen, der entweder alsbald nach der Rückkehr auS Rußland, wohin er den Kaiser begleitet, oder im Herbst zurücklreten werde. StaalSsecretair LeS Auswärtigen werde dann Herr von Kiderlen-Wächter werden. Doch das ist Zukunftsmusik, mit der man sich vorläufig nicht zu beschäftigen braucht. Anders ist es mit der weiteren Vermulhuug, daß der Besuch des Fürsten Hohenlohe in FriedrichSruh aus Grund eines Vortrages beim Kaiser erfolgt sei. In Bezug auf die Beziehungen des Monarchen zu dem Altreichskanzler wird man sich nicht mehr zu sanguinischen Erwartungen hinreißen lassen dürfen, aber es ist möglich und nicht unwahrscheinlich, daß auf Wunsch des Kaisers zwischen seinen höchsten Be amten und dem Fürsten BiSmarck ein Vcrhältniß ungebahnt werden soll, wie es, so lange die Herren v. Marschall und vr. v. Boetticher der Regierung angehörten resp. noch an gehören, sich eben nicht Herstellen ließ und läßt. Man braucht dabei nicht an einen Rapport, der die Staats geschäfte berührt, zu denken, es kann sich nur um die Beseitigung der beschämenden und schädlichen Abnormität handeln, daß Mißstimmung zwischen dem unerreichten Staatsmann und Denjenigen herrscht, die Plätze ausfüllen, welche ohne das Wirken jenes Großen gar nicht vorhanden wären. Man könnte diesen Gedanken zum Ausgangspunkte eines Rückblickes auf die siebenjährige Wirksamkeit deS Herrn v. Marschall in dem nunmehr von ihm verlassenen Amte nehmen. Wir unterlassen daS aber, weil wir über die treiben den Mächte der deutschen Politik heute denn doch viel genauer unterrichtet sind, als im Jahre 1892. Aber daS Gerechtig keitsgefühl, das diesen Verzicht dictirt, verbietet auch das Slillfchweigen darüber, daß die gegen den Fürsten BiSmarck während seines Wiener Aufenthalts unternommene Schritte Handlungen waren, deren verheerende Wirkungen von einem süddeutschen Reichstreuen und ehemaligen Ver- trauenSmanue eines Bundesfürsten wie des GrvßherzogS Friedrich von Baden sicherer vorausgesehen werden mußten, als von einem preußischen General, der auch kein Staatsmann war. In jenen schwarzen Tagen hätte Frhr. v. Marschall versagen müssen. Im Uebrigen stehen ibm alle Entschuldigungsgründe zur Seite, die, wie man allmählich erkannt hat, jeder Minister des neuen CurseS in das Amt mitbringt. Er war Vorsteher des Auswärtigen Amtes, als der beste Theil de» deutschen Besitzes in Ostafrika vabingegeben wurde. Wer wird Herrn v. Marschall dafür verantwortlich machen und etwa sagen wollen, er hätte durch ein Entlassungsgesuch die Tragweite jener Politik der entscheidenden Stelle zum Bewußtsein bringen können? Dann war dem Scheidenden die Leitung derHandeiSvertrag-verbandlungeri mit Oesterreich zugefallen, die einen Löwenvertrag gezeitigt haben, bei dem Deutschland der — andere Contrahent war. Aber Herr von Marschall ist damals, wie auf dem diplomatischen Gebiete überhaupt, in der Handelspolitik kein Sachverständiger gewesen, er hatte keine Sachverständigen zur Seite und hätte sie, wenn sie dagewesen wären, vielleicht gar nicht gebrauchen können, denn seine Aufgabe war nicht, einen vortheilhaften Handelsvertrag zu Stande zu bringen, sondern einen Handelsvertrag um jeden Preis. DaS Abkommen mit Rußland, daS nach einem nachdrücklich geführten Zollkriege zu Stande kam, siel erheb lich günstiger aus und Herr v. Marschall war an diesem besseren Eraebniß nicht unbetheiligt. Ueber die sonstigen aus wärtigen Actionen, die während seiner Amtstbätigkeit unter nommen wurden,wie dieJntervention in Transvaal und die nach dem chinesisch-japanischen Kriege, zu reden, bietet der Rücktritt deS Herrn v. Marschall keinen Anlaß. WaS seinen An- theil betrifft, so nimmt er daS Zeuzniß mit, sich mit großer Anstrengung und auf Kosten feiner Gesundheit auf einem ihm völlig fremd gewesenen Terrain nach Thunlickkeit vertraut gemacht und zur Wahrung der deutschen Ehre gegenüber dem AuSlande öfter das rechte Wort ge funden zu haben. Wie er sich als Redner überhaupt hervor- getban hat. Vielfach allerdings, so bei der Kritik deS „AfsecuranzvertrageS mit Rußland" und gar in der Angelegenheit Leckert-v. Tausch, mit mehr Geschick als ihm gut thun konnte. Ob der letztere Fehlgriff ausschließlich sein Werk war, wissen wir nicht so sicher, daß wir bei einem Nachruf länger bei diesem Unternehmen verweilen möchten. Seine extremagrarischenGegner, denenHerr v.Marschall doch mehr durch das Gewicht seiner Gründe als deren meister liche Gruppirung unbequem geworden war, werden sich wohl vorzugsweise von ihm als dem Manne der „Fluckt in die Oeffent- lichkeil" verabschieden. Ihr Haß ist blind, der Gehrde hat nicht Politik gemacht, sondern plaidirt, und der Kommende wird nicht viel mehr vermögen. Er wirb schwerlich Anderes von sich sagen dürfen, als wessen sein Vorgänger sich be- rühmen konnte: regis voluntati inserviencko eousuwor. Wider die bisherige Annahme ist es noch nicht ent schieden, daß die preußische Regierung das von der Commission des Herrenhauses beschlossene AuSnahmc- Bereinsgcsetz acceptiren werde. Herr v. d. Recke ist in der Commission, wie aus dem von ihr erstatteten Berichte hervor geht, ernstlicher für die Annahme der Regierungsvorlage ein getreten, als aus den Mittheilungen der parlamentarischen Berichterstatter geschloffen werden mußte, und bat im Uebrigen diplomatisirt. AlS die Commission bei Art. I „aus taktischen Gründen", nämlich weil im Abgeordnetenhause der frei- conservative Antrag mehr Stimmen erhallen habe, als die Regierungsvorlage, den ersteren annabm, lehnte Herr v.d. Necke „in diesem Stadium der Verhandlung" eine formelle Er klärung ab und bemerkte: Anzuerkenncn ist allerdings, daß sich die vorliegenden Anträge insofern auf dem Boden der Regierungsvorlage bewegen, als sie diejenigen staatsgesährlichen Bestrebungen in Versammlungen und Vereinen ausdrücklich treffen wollen, gegen welche auch die Vorlage der Regierung ihrer Tendenz nach gerichtet war. Immerhin bleibt der Unterschied, daß letztere daS Ziel aus dem Wege des gemeinen Rechtes erreichen wollte, während hier der Weg der sogenannten Ausnahmegtsetzgebiing beschritten werden soll. Dieses Helldunkel muß noch beute, wo das Herren haus in die zweite Berathung der Novelle eintritt, der Klarheit Weichen. Denn die Vertreter der Mehrheit haben jene Erklärung des Ministers mit der Ankündigung beantwortet, daß sie sich im Plenum an der Berathung nur unter der Voraussetzung betbeiligen könnten, daß bis zur Berathung im Plenum die Negierung ihre Zustimmung zu den Beschlüssen der Com mission ausgesprochen haben würde. Die volle Unterwerfung unter den Willen deS Herrn von Stumm hat also noch nicht stattgefunden. Haben anS leicht begreiflichen Gründen diemilitairischen Angelegenheiten Frankreichs für Deutschland immer ein Interesse, so ist dies besonders der Fall, wenn es sich um daS an der deutschen West grenze befindliche CorpS bandelt. Denn mit Ausnahme des Bezirkes von Belfort, dem Sitze deS VII. französischen Armeekorps, befindet sich an der Grenze gegen Deutschland und zwar von dem Departe ment VoSgeS (Vogesen) an der südelsässi'chen Grenze bis zu dem Departement der Ardennen an der luxemburgisch belgischen Grenze nur das VI. Armeecorps. Dieses Corps zählt allerdings, wie schon erwähnt, 20 Regimenter Infanterie, ebenso viele Regimenter Cavallerie, 10 Bataillone Jäger und eine entsprechend große Menge von Artillerie und Genie truppen. Nehmen wir nur die infanteristischen Truppen an und berücksichtigen wir, daß die deutschen Corps durch schnittlich nur 1 Bataillon Jäger haben, so daß wir also für die restirenden Jägerbataillone 3 Regimenter gewöhn licher Infanterie setzen können, so ergeben sich 23 Regimenter Infanterie, also etwa der Znsanteriebestand, den 3 deutsche Armeecorps hatten, bevor durch die Zusammenlegung der vierten Bataillone jedes Corps 2 neue Regimenter erhielt. Die Cavallerie reicht ebenfalls für 3 Armeecorps aus, und auch mit der Artillerie und den Genietruppen ist dies ungefähr der Fall. Die Geschichte dieses Rieseocorps ist nicht uninteressant. Als es sich nach dem Kriege von 1870 darum bandelte, die französische Wehrkraft neu zu reformiren, be standen über die Besetzung der Grenzdistricte zwei Meinungen. Die Einen wollten in den Grenzdistricten die Spitzen mehrerer Armeecorps placiren, so daß die ArmeecorpS selbst lange parallele Linien gebildet Kälten; die Anderen wollten ein einziges, aber sehr starkes CorpS an der Grenze haben, damit im Kriegsfälle die Oberleitung gerade über die an der Grenze befindlichen Truppen eine einheitliche sei. Die zweite Ansicht drang durch. Sie hat den Vortheil — und dies gab damals den Ausschlag, daß im Falle eines feindlichen Angriffs eine gute Defensive möglich ist. Auf der andern Seite aber stört sie das Zusammenwirken deS RiesencorpS mit den anderen viel kleineren Einheiten; auch ist sie einer Offensive nicht günstig, da ja daS CorpS außerordentlich weit auseinandergezogen ist. Das Verlangen nach einer Theilung des Armeecorps ist des halb immer dringender geworden, und besonders in der lebten Zeit bat sich ein lebhafter Streit deswegen entsponnen. Nach den jüngsten Miltheilungen scheint es, als ob der Kriegs minister eine mittlere Lime einschlagen wolle, indem der zwei Divisionsgenerale ernennt und ihnen einen Generalinspecteur als Oberbefehlshaber setzen will. Damit würde allerdings faktisch ja eine Tbeilung des CorpS erfolgt sein, andererseits aber würde die Ungleichheit zwischen der Organisation diese« Corps und der der anderen CorpS noch größer geworden sein, da dieses CorpS dann schon in Frievenszeiten mehr die Ein richtung einer Armee, wie sie im Kriege gebildet wird, als eines ArmeecorpS haben würde. Die größte Handelsstadt Japans, Osaka, soll nach dem Beschluß deS letzten japanischen Reichstages binnen zehn Jahren einen großen und tiefen Seehafen erhalten. Der bisherige Flußhafen ist viel zu klein und zu seicht, weshalb die größeren Seeschiffe in Kobe anlegen müssen. Ein besonders eifriger Förderer deS HafenbaueS, der frühere Minister deS Innern Graf Jtagaki, Führer der Partei „Sijuto", folgte am Anfang Mai einer Einladung der Kaufmannschaft von Osaka und hielt dabei eine Rede über die Bedeutung des neuen Hafens, die auch im Auslande Beachtung verdient. „Eine Folge des siegreichen Krieges mit China", begann er, „ist die Vermehrung unseres Heeres bis auf zwölf Divisionen. Im Falle eines Krieges ist es nun von größter Wichtigkeit, einen recht großen und tiefen Hafen zu besitzen, wie es der neue Hasen von Osaka werden soll. Hier werden wir acht Divisionen zusammen einschiffen und sogar zehn Divisionen allein in der Stadt zu gleicher Zeil unterbringen können. Der neue Hafen wird sechs mal großer sein als der Hafen Usina bei Hiroschima, wo wir im letzten Kriege unser Hauptquartier hatten. In Osaka, mehr in der Mitte LeS Reiches gelegen, können wir acht Divisionen in 15 Tagen zusammenziehen, in Hiroschima aber, das zu weit im Süden liegt, erst in 33 Tagen, also 18 Tage später! Welcher Zeitverlust, wo es auf die größte Schnelligkeit ankommt. Die Ein schiffung von acht Divisionen wird hier in 5 >/z Tagen möglich sein, und außerdem werden wir im neuen Hafen die Schiffe unten mit Lebensmitteln und anderem Kriegsbedarf und oben mit Mannschaften anfüllen können, während wir im letzten Kriege nur Truppen in Usina einschiffen konnten und den Kriegsbedarf von Kobe ab schicken mußten. Lebensmittel sind aber hier in der Um gegend in solchen Mengen vorhanden, daß wir den siebenten Tbeil unseres ganzen Bedarfs im Kriege mit China allein von Osaka bezogen. Der Hauptzweck unseres LandheercS ist, wie wir annehmen, seine Verwendung im Auslände, und aus diesem Grunde ist der Bau deS neuen HafenS eine der wichtigsten nationalen Angelegenheiten." Die Annexion von Hawaii durch die Bereinigten Staaten berührt auch den deutschen Handel. Das deutsche Reich bat im Jahre 1879 einen Freunvsckafts-. Handels- und Schifffahrlsvertrag mit den hawaiischen Inseln abgeschlossen, worin u. A. bezüglich der Schifffahrt, des Handels und der Zölle beiderseitige Meistbegünstigung zugestanden ist. Nach dem vor Kurzem in Washington veröffentlichten Annexions vertrag sollen die zwischen Hawaii und anderen Nationen bestehenden Zoll- und sonstigen Verhält nisse nur so lange in Kraft bleiben, bis der amerikanische Congreß die Geltung der in den Ver einigten Staaten bestehenden Gesetze auf Hawaii auS- dehnt. Somit steht auch eine Aenderung deS handelspolitischen Verhältnisses zwischen Deutschland und der hawaiischen Insel gruppe in Aussicht. Der deutsche Handel mit Hawaii bat sich bisher recht günstig entwickelt. Die Ein- und Ausfuhr Deutsch lands im directen Verkehr mit der Inselgruppe bewertbete sich auf durchschnittlich 600 000 bis 700 000jährlich. Wenn Feurlletoir» Uanny Trauner. 6j Roma« von E. Schroeder. Nackdruck verbotra. Ob es ihn verdroß? Im Grunde nicht sehr, im Grunde, je mehr er darüber nachvachte, desto weniger. Die geistreichen Sprühteufelchen waren seine Liebhaberei nie gewesen. Bon dem unruhigen Element war in ihm selber mehr als genug, an seine Seite wünschte er sich die Ruhe, den milden Frieden. Den Ellbogen auf da» Knie, daS Kinn in die Hand gestützt, saß er und — wie so oft, wenn da» Herz ihnen den Weg wieS — wanderten seine Gedanken zurück, Jahr um Jahr zurück, und suchten auf dem Pont deS ArtS in der Stadt Pari» eine kleine Veilchenverkäuferin Plötzlich hob er den Kopf — aufhorchend. Er hatte ein Geräusch vernommen — etwas wie da» Klinken einer Tbür, die man in« Schloß drückt. Nun lagen an der Wand gegenüber die Schatten so tief, standen die Tropen gewächse so dicht, daß man von einer Thür nicht» sah, aber eingetreten war dort Jemand, das bezeugte ein Schritt hinter der Laubbecke. „Aba!" dachte Franz, sich mit einem Spottlächeln den Bart streichend. „ES scheint, al- sollte ich nun doch noch die Ehre haben. Da« kommt noch zwar ein biscben reichlich leise, reichlich schüchtern dahergetrippelt, aber die kecke Sennora war e« ja auch nicht mehr. Beim Augenniederschlagen und Erröthen blieben wir —" Hier schwand auf einmal da» Lächeln von seinen Lippen. Langsam erhob er sich, vorgebeugten Leibe», wie entgeistert starrte er hinüber. Zwischen den Palmen hervor war eine Gestalt getreten — nicht die der Gräfin — sondern — Aber nein, r» war ja nicht möglich, nicht denkbar! Di« Sinne täuschten ihn, stellten, was er eben »och im Geiste vor sich gehabt, scheinbar deutlich vor ihn hin! Heftig fuhr er sich mit der Hand über die Augen. Es half ihm nicht«. Die da stand, diejetzt langsam näher kam, war — die Beilchenverkäufrrin vom Pont deS Art», da« Tuch um Kopf und Schulter«, da» Körbchen umgehangt — genau wie damal». Drei Schritte von ihm entfernt blieb sie wieder stehen, daS Gesicht wie in überwältigender Schüchternheit tief gesenkt, den Zipfel de« Tuche- so haltend, daß er ihr Kinn und Mund fast verbarg. Eia matter Strahl de- Lampenlichte- streifte jetzt ihren Anzug und zeigte, daß er von Seide war. „Eine Maske wie eine andere", wollte er sich einreden, aber die eigene frohlockende Ueberzeugung war plötzlich da gegen. Eine Fremde konnte sich als Blumenmädchen costü- miren, aber keine Fremde konnte so bi« in alle Einzelheiten der Farbe und deS Schnittes hinein die Tracht des blonden Kindes vom Pont des ArtS nacvabmen. Gar kein Zweifel, er hatte die lange Gesuchte gefunden — nein, sie ihn! DaS holde Geschöpf hatte um sein Hiersein gewußt und war gekommen. — Nicht« UnweiblicheS in dem Schritt — gewiß nickt! ES hatte ja etwas wie eine Abmachung zwischen ihnen bestanden, daß sie wieder Zusammentreffen wollten irgendwo auf der Welt, daß sie — Narr, der er war! Zu grübeln in solchem Moment! „Anna!" Leise, mit bangem Herzklopfen stieß er es hervor, und sie — zuckte zusammen, hob hastig die Stirn und die Lider. Er sah die krausen Goldlöckchen unter dem Tuch, sah die blauen Augensterne, die Ihresgleichen nicht hatten, und in seliger Gewißheit wiederholte er den Namen — jauchzend diesmal und überlaut. Ihr Kopf fuhr nach allen Seiten herum. Wollte sie sich über zeugen, daßder Saal leer sei.daß Niemand den Iubelton gehört — wollte sie flüchten? Letztere« wohl kaum, denn sie war plötzlich zu ihm in die Laube getreten. „Mein Herr", stammelte sie, die Hand auf die Brust gepreßt, in reizender Befangenheit: „Sir — Sieglauben mich zu kennen?" Kleine Dchelmin, jetzt versuchte sie noch ein bischen Komödie zu spielen! „Ja, ja! Ich glaube e» fast", lachte er auf. „Wirklich?" staunte sie, die Stirn «in wenig kraus ziehend, da- Antlitz dem Licht zuwendend und den Zipfel deS Tuche- fallen lastend. „Wirklich?" Sie hatte bei der Wiederholung ihrer Frage die Lider gesenkt und, von ihren Augen auSgeschloffen, sanden seine Blicke ihren Mund zum ersten Mal. Befremdet, bestürzt fast trat er zurück. Zu dem Madonnenantlitz, da» er in der Er innerung trug, gehörte da- reizendste vipprnpaar von der Welt und diese» hier — etwa« Reizlosere« ließ sich wahr haftig nicht denken. RegungSlo» hatte sie dazestanden. Jetzt erschloß der un schöne Mund sanft lächelnd glänzende Zahnperlen, die dunklen Wimpern hoben sich, und ein Blick, aus dessen feuchtem Grunde etwa« wie Wehmuth schimmerte, glitt über des Maler« Züge hin. „Sie haben sich geirrt, nicht wahr?" fragte sie mit einem leisen Beben in der Stimme. Er fuhr sich mit der Hand an die Stirn. Ja, hatte er sich denn wirklich geirrt? War er da« nicht wieder, der ver körperte Traum seiner Jugend? Wunderbare Zauberer, diese Augen, die mit ihrem Himmelslicht selbst den Mund ver klärten, bis man von seiner Häßlichkeit gar nichts mehr sah. Wie, wenn sie dasselbe gelban auf jener Brücke vor zehn Jahren — wie, wenn er sich damals getäuscht? Es schien, al« bestätige sein Schweigen ihre Bermutbung, denn sie nickte und meinte mit etwas wie Enttäuschung im Ton: „Nun, kein Wunder — in dem Halbdunkel hier." Dann hob sie den Fuß, doch indem sie ging, entfuhr eS ihr mit einem nervösen Auflachen: „Merkwürdig nur, daß Sie mich beim Namen nannten." Damit hatte sie seinen letzten Zweifel in die Flucht ge schlagen. Hastig trat er ihr in den Weg. „Ich weiß schon, was Sie sagen wollen, versicherte sie, ängstlich bemüht, ihm zu entschlüpfen. ES giebt so viele Anne» in Deutschland wie Sand am Meer." „Gott bewahre mich vor der Lüge!" rief er, außer sich und vor ihr niedersinkend, mit den Armen ihre Knie um fassend, den vergötternden Blick zu ihr emporwendend. „Es giebt auf der Welt nur eine!" — — — — — — Schon eine Minute früher war drüben zwischen den Palmen eine schöne Spanierin aufgetaucht. Sie hatte spähend daS Haupt vorgebeugt, sie war wie entsetzt zurückgeprallt. Fassungslos hatte sie dagestauden. Jetzt erst kam Leben in ihre Gestalt. „Anna — Anna v. Hellbronn!" stieß sie heraus und die Foutainen hatten Mühe, ihre zornbedende Stimme zu über tönen. Daun machte sie eine Bewegung, al- wolle sie all dem Hinterhalt hervor und gleich einer rächenden Nemesis mitten hineinsahren in die hübsche Gruppe dort in der Laube. Plötzlich aber verdunkelten Thranen ter Wutb ihren Blick, und rin Schluchzen stieg ihr in die Kehle. Da drehte sie sich wohlweislich um und floh — Nemesi« muß trockenäugig sein und ihre Sprachwerkzruge hübsch in der Gewalt baden. Als sie den Corridor durchkreuzte, schlugen zwei Männer stimmen an ihr Obr. „Ein langweiliger Ball, dem die Königin fehlt", gähnte dir eine. „Donnerwetter nochmal!" lachte die andere. „Ihr seid mir aber verwöhnt hier in Eurer Residenz. Ich für meine bescheidene Person hab« noch nie so viele Schönheiten vereinigt gesehen." „Schönheiten? Pah! möchte bloS, Du kriegtest sie mal zu Gesichte!" „Wen denn?" „Anna v. Hellbronn." Der reizenden Sennora entfuhr ein kurze«, hartes Lachen. Ungefähr eine halbe Stunde später fand sie sich zufällig im Gedränge neben dem Ritter Wolfram, der glückverklärten Antlii-eS dem Ausgang zustrebte. Bei ihrem Anblick mochte sich sein Gewissen regen, denn er blieb stehen, ein hastiges Wort an sie zu richten. Doch bevor er noch die Lippen öffnen konnte, hatte sie ihm schon den Rücken gewandt. „Auch gut, dachte er und eilte hinaus — — — — ES war längst Mitternacht vorüber, als eine tiefverbüllte Frauengestalt durch die Hinterthür m ein hohes, düsteres Gebäude schlüpfte, das von der gemeinen Verkehrsstraße ein wenig vornehm abseits lag. Leise riegelte sie hinter sich ab, stand einen Moment lang athemlos aufhorchend da und stahl sich dann auf den Zehenspitzen die finstere Domestiken treppe hinan, die in das erste Stockwerk führte. Oben an gelangt, hatte sie vorsichtig tastend bald eine Thür gefunden, unter der hervor ein matter Lichtschimmer in den Corridor fiel. Hastig zog sie nun au« der Manteltasche einen Schlüssel und schob ihn in« Schloß. Als er sich laut knarrend drehte, wollte ihr da- Herz stillstrhen vor Schreck. Eine Secunde später war sie in ein elegante- Schlafgemach getreten, dessen Fußteppick mit bastig abgrworfenen Kleidungsstücken wie besät schien. Blitzschnell gesellte sich der Mantel zu diesen, ein Korb mit Veilchensträußchen poltert« darauf herab, rin Tuck, ein Mieder, ein rauschender Seivenrock folgten. Drauf ward Alle« in ein Bündel zusammengerafft und so rasch e« eben gehen wollte, in eine Schublade gepreßt und gezwängt. Dann aber schlüpfte die allerschönste Veilchen verkäuferin nicht etwa in« Bett, sondern in die Kleider, die am Boden herum verstreut laarn. Nachdem sie sich endlich noch mit «in paar geschickten Griffen die Haare gelöst batte, daß sie ihr wie ein aoldener Mantel bi- Uber die Hüften hinabfielen, warf sie sich in einen Schaukrlstuhl und bewegte die Schelle. Einige Minuten vergingen, dann kam e« trippelnd den
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