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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970709028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897070902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897070902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-09
- Monat1897-07
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Ztg." sagt, daß seine sehr wahr scheinlich gewordene Berufung „dieselbe handelspolitische Signatur" haben werde,wie die desHerrnvr.B uchenberge r,der aus persönlichen Gründen und nicht wegen Meinungs verschiedenheiten mit Herrn vr. v. Miquel über die Reichs finanzreform abgelehnt habe. Dieser Hinweis auf die „handelspolitische Signatur" deutet darauf hin, daß die Tarisfragen sehr bald in den Vordergrund treten werden und daß man gerade deshalb an Herrn v. Thielmann gedacht hat. Der jetzige Botschafter hat schon 1872 weite Reisen durch einen großen Theil Rußlands gemacht und war in Folge seiner Kenntnisse über Rußland erster deutscher Unterhändler bei den Zollverbandlungen mit Rußland 1893/94. Damals war er bekanntlich noch preußischer Gesandter in Hamburg. Doch nicht weniger ist er mit den nord amerikanischen Verhältnissen vertraut; schon 1875 war er Legations- secretair bei der deutschen Gesandtschaft in Washington und bereiste nicht nur die westlichen Staaten der Union, sondern auch Mexiko, Cuba, Haiti, Columbien, Ecuador, Peru und Chile. Außer verschiedenen Reisebcschreibungen in geographischen Zeitschriften, wie dem „Ausland", sind von ihm erschienen: 1874 „Streifzüge in Kaukasien, Persien und der astatischen Türkei", wie 1879 „Vier Wege durch Amerika". Vor zwei Jahren wurde Freiherr v. Thielmann zum Botschafter in Washington ernannt und hatte volle Gelegenheit, die Absichten der Amerikaner in Bezug auf Zollfragen in der neuesten Zeit unmittelbar kennen zu lernen. Auch auf dem Gebiete des Münzwesens bat der Botschafter mehr als gewöhnliche Erfahrungen. AlS er Anfang der achtziger Jahre erster LegationSsecretair bei der Botschaft in Paris war, wurde er neben Herrn v. Schraut zum Vertreter der deutschen Regierung auf der dortigen Währung«-Conferenz ernannt. Dabei mag noch daran erinnert werden, daß er während der deutsch - russischen Handelsvertrags - Verhandlungen vom Kaiser wiederholt in besonderer Weise ausgezeichnet wurde. Unter den erwähnten Umständen würde das Neichsschatzamt, namentlich wenn es bei den bevorstehenden Verhandlungen über Zolltarife mit Rußland und mit den Vereinigten Staaten die führende Nolle spielen sollte, eine ganz andere und einfluß reichere Bedeutung, als sie ihm bisher innewohnte, bekommen, wenn künftig bei Vertragsverhandlungen dem Sachver- sländniß ein größerer Einfluß als dem souveränen Willen eingeräumt werden sollte. Bis jetzt hat uns der „neue Curs" leider daran nicht gewöhnt. Immerhin würde eS erfreulich sein, wenn schon dieVorbereitungen auf neue Handels verträge von kundiger Hand getroffen würden. Graf Posadowsky hat im Reichstage darauf hingewiesen, daß diese Vorbereitungen schon jetzt mit allem Nachdruck gefördert werden müßten, daß insbesondere ein neuer Tarif aufzustellen sei und auch rechtzeitig mit den Vertretern der Industrie über ihre Wünsche bezüglich der einzelnen Tarifpositionen I verbandelt werden müsse. Wollen wir Handelsverträge I abschließen, welche dem deutschen Erwerbsleben zu I Gute kommen, so müssen rechtzeitig alle Einzelfragen I technischer Natur genau geprüft werden. Auch bei Handels verträgen sind günstige Erfolge nur zu erwarten, wenn man sich vorher genügend rüstet. Die Fortschritte in der Waarenerzengung in Folge der rapiden Entwickelung der Technik und der chemischen Gewerbe sind so bedeutend, daß jeder neue Handelsvertragsabschluß eine eingehende Prüfung dcö autonomen Tarifs fordert und zahlreiche Waaren, welche neu entstanden sind und einen erheblichen Consumentenkreis erlangt haben, tarifarisch besonders zu behandeln sein werden. Das war es offenbar, was Graf Posadowsky in seiner be kannten Neichstagsrede mit der Notbweudigkeit einer weil größeren Specialisirung unseres autonomen Tarifs meinte. Herr v. Thielmann wird von dieser Nothwendigkeit nicht weniger durchdrungen sein. In dem Lippc'schcn (krbfolgtstrcitc ist nun die Ent scheidung gefallen. Seil dem 20. März 1895 bat der Streit die Oeffenllichkeit lebhaft beschäftigt uno, obwohl eS sich nur um einige Quadratmeilen mit rund 130 000 Einwohnern bandelte, eine außerordentliche Bedeutung erhalten, staats rechtlich und insofern, als auch die Person des Kaisers von gewisser Seite in ungerechtfertigter und ungebührlicher Weise bineingezogen wurde. Am 20. März 1895 starb Fürst Woldcmar von Lippe-Detmold; sein zur Thronfolge be rechtigter Bruder Alexander war aus Gesundheitsrücksichten nicht regierungsfähig. Erbfolgeansprüche erhoben die Linien Lippe-Biesterfeld und Lippc-Weißcnfeld und das Fürstenhaus Lippe-Schaumburg. Prinz Adolf zu Lippe-Schaumburg, der Schwager des Kaisers, übernabm die Regentschaft, weil ihn ein geheimer testamentarischer Erlaß deS Fürsten Woldemar zum Regenten bestimmt hatte. Dieser Erlaß wurde vom Grafen Ernst zu Lippe-Biesterfeld angefochten, weil er kein genügender Ersatz für ein Regentschastszesetz war. Der Streit zeitigte eine Anzahl Erklärungen, welche darauf hinausliefen, daß die Linie Lippe-Biesterseld, weil einer ihrer Ahnen eine nicht ebenbürtige Modesta v. Unruh geheirathet, nicht thron- solgeberechtigt sei. Die Schwierigkeiten wurden dadurch vermehrt, Laß damals gerade der Cabinetsminister v. Wolf gramm in -Detmold, der alle Fäden in seiner Hand ver einigte, plötzlich starb. Fest stand, daß die Mehrheit des LandeS und seine Vertretung auf Seite dcr erbgräflicken Lippe- Biesterfeld war. Weil man aber vor vollendete Thatsachen gestellt war, kam am 23. April 1895 im Landtag in ver traulicher Sitzung ein Gesetz zu Stande, durch das die Regent schaft des Prinzen Adolf von Schaumburg-Lippe anerkannt wurde, bis die Frage wegen der Thronfolge gerichtlich entschieden sein werte. Alsdann solle der durch die Ent scheidung nächstberechtigte Thronfolger die Regentschaft übernehmen. Auf die übrigen Eventualitäten, die das Gesetz vorsah, zurückzukommen, ist überflüssig, weil sie nicht ein getreten sind. Der nun entbrennende Rechtsstreit zog die bedeutendsten Staalsrechtslehrer heran. Die Sache der Biesterfelder Linie die nun zum Siege gekommen ist, führte Professor Wilhelm Kahl, der damals in Bonn war und jetzt an der Berliner Universität lehrt, die Sache der Schaumburger Professor Labaud und der Linie L>ppe- Weißenfelv Prof. Bornhak. Mit der Annahme des Regent- jchaflögesetzeS war die Reichsverfassung ausgeschaltet, denn nach Art. 76 Abs. 2 hatte der BundeSrath „auf Anrufen eines TheileS" gütlich auözugleichen und, wenn dies erfolglos blieb, die Sache im Wege der Reichsgesetzgebung zur Er ledigung zu bringen. Da aber Regentschaft und Landtag sich geeinigt hatten, lag ein Verfassungsstreit nicht mehr vor. Die Häupter der erbherrlichen Linie wandten sich nun un mittelbar an den BundeSrath, und dieser bestellte auf Antrag Preußens ein Schiedsgericht, dessen Vor sitz unser König Albert selbst übernahm und dem die Parteien sich unterwarfen. Nun hat eS zn Gunsten der Bicsterfelder Linie entschieden und damit auch der Mehrheit der Bevölkerung von Detmold entsprochen. Tie Regentschaft wird nun also vom Prinzen Adolf an den Grasen Ernst zu Lippe-Biesterfeld übergehen, und der Ueber- gang wird insofern außerordentlich erleichtert, als auf allen Seiten eine tackvolle Zurückhaltung, so lange die gerichtliche Entscheidung schwebte, beobachtet worden ist und die Regent schaft des Prinzen Adolf sonst angenehme Erinnerungen im Lande zurücklassen wird. Offen bleibt aber nach dieser Er ledigung noch immer die Lücke der Reichsverfassung, wonach der Reichstag in Gemeinschaft mit dem Bundesrath in ze- meingiltiger Weise eine richterliche Instanz zur Entscheidung von Tbronstreiligkeiten schafft, für welche daS Landesrecht keine Behörde bestimmt. Wir legen im Allgemeinen keinen großen Werth auf die Beurtbeilnng deutscher Angelegenheiten durch die französische Presse, weil wir daran gewöhnt sind, daß diese die deutschen Dinge durch die Brille nationaler Mißgunst betrachtet. Anders verhält es sich aber, wenn ein Urtheil nach Ton und Art durchaus maßvoll und gerecht ist. Und ein solches Urtheil fällt daS „Journal des Döbats" über die Krisis in Deutschland. Schon die Einleitung Les Artikels beweist, daß er sich frei hält von dem gewöhnlichen Vor- urtheile. In dieser Einleitung wird nämlich gesagt, daß die Erregung der öffentlichen Meinung sich in den Auslassungen der deutschen Presse widerspiegele, und es heißt weiter: „Die Polemik der deutschen Blätter steht an Leidenschaftlichkeit hinter der französischer und englischer Zeitungen zurück. Ohne Zweifel ist der Ton gemäßigter als bei uns und geht nicht bis ins Groteske. Das deutsche Lesepublicum würde es kaum ertragen, wenn man von Argumenten zu Beleidigungen überginge; aber man nimmt eine eigenartige Erregung wahr und bei Vielen eine Unruhe, die mit Trauer gemischt ist." Man ersieht hieraus, daß daS französische Blatt der deutschen Presse und den deutschen Lesern ein ehrendes Zeugniß ausstellt, und besonders wird man den feinen Instiuct anerkennen müssen, mit dem herausgesühlt wird, daß die national gesinnte deutsche Preße nicht aus Freude am Scandal, sondern im Gegentheil mit einem Gefühl der Trauer Kritik an den gegenwärtigen Zuständen übt. Das französische Blatt führt dann Weiler aus, daß besonders in Preußen Erregung herrsche, und erklärt, es sei allerdings Alles getban worden, um die öffentliche Meinung zu reizen. Als Beispiel dafür wird u. A. angeführt der fast persönliche Conflicl zwischen dem Kaiser und der Reichstagsmehrheit wegen der Marinefrage, dann die Einbringung der Vereinsnovelle. („Man weiß, mit welchem Maße von Unklugheit sie vertheidigt worden ist; Minister v. d. Necke gab sich nicht einmal Mühe, die reactionaire Tendenz der Novelle zu verhüllen") Es wird weiter die Schließung der freien Vereinigung im Feenpalaste zu Berlin vor einer gerichtlichen Entscheidung angeführt und sodann endlich die Ministerkrisis. So komme eS, daß die öffentliche Meinung in Preußen, die in der Regel so ruhig sei und selten an der Regierung scharfe Kritik übe, sich mehr und mehr erregt habe. Das französische Blatt hat weiter die ganz richtige Beobachtung gemacht, daß die Erregung sich keineswegs auf Preußen beschränkt, sondern auf Süd deutschland übergegriffen hat, und es ist ihm nicht entgangen, daß dadurch der Particularismus neue Wurzeln gefaßt hat. „Lang zurückgehaltene Neigungen treten wieder hervor. Man erinnert daran, daß Deutsch lands Existenz auf dem freien Willen der Bundesgenossen beruht." Auch die kecke Bemerkung des Stuttgarter „Beobachters",-daß es Deutschland ebenso ergehen könnte wie den, jüdischen Reiche unter Rehabeam, ist dem franzö sischen Blatte nicht entgangen. Mit der präcisenArt, welche die Franzosen auSzeichnet, drückt daö Blatt schließlich aus, daß keineswegs allein die Pläne der Negierung den Grund zurErregung bildeten, sondern in eben demselben Maße die Art desRegierenS. „Man war in Deutschland nicht anMinisterkrisen gewöhnt, aber jetzt vergeht kein Jahr ohne Ministerstürze, die anscheinend obne ein bestimmtes Princip erfolgen." Für diese Principlosigkeit fübrt das Blatt an, daß bei der gegenwärtigen Krisis zuerst das Ziel gewesen zu sein scheine, Herrn v. Miquel eine höhere Autorität und eine Stellung zu geben, die seiner Begabung würdig gewesen wäre; nun sei die Krisis ziem lich beendet, Miquel aber befinde sich in einer nicht wesentlich anderen Stellung wie früher. Bismarck habe gehen müssen, weil seine Auffassung, daß man dem Socialismus mit Mitteln der Gewalt begegnen müsse, an der maßgebenden Stelle nicht getbeilt wurde; jetzt kehre man zu den BiSmarck'schen Anschauungen zurück. Graf Caprivi sei sehr gefeiert worden, als er die Handelsverträge durch drückte, jetzt hätten die entschiedenen Gegner der Handels verträge die Oberhand. Das Blatt schließt: „Für all diese Inkonsequenzen hat man in Deutschland ein sehr tiefes Empfinden, und die große militairische Macht des Landes und die wirthsckaftliche Entwickelung können es doch nicht hindern, daß daS Gefühl der Mißstimmung immer weiter greift." Man sieht, daß das französische Blatt eS ver mieden hat, einen Ton deS Triumphes über die precäre innere Lage Deutschlands anzuschlazen. Trotzdem wird man nicht bezweifeln dürfen, daß es ebenso wie alle Franzosen ein Gefühl des Behagens über diese Zustände im Nachbarreiche und besonders über die Verstimmung in Süddeutschland hegt. Vor einem Jahrzehnt noch konnte man in Deutschland mit leidig über Frankreich sprechen, wo alle Jahre die Ministerien einander ablöstcn; jetzt scheint eS, als ob Deutschland die Franzosen in der Häufigkeit der Ministerstürze noch über treffen und sich zum Gegenstände des französischen Mitleids machen wollte. Uns sind neiderfüllte Artikel der französischen Presse viel lieber als mitleidige. Tie französische Heeresleitung will jetzt daran gehen, eine kriegsbereite Armee au der deutschen Grenze auf zustellen. Das um Nancy versammelte VI. Armcecorps genügt trotz seiner ungewöbnlichen Stärke in seiner gegen wärtigen Verfassung den Wünschen der Heeresleitung nicht, es soll, ohne als strategische Einheit aufgelöst zu werden, in zwei oder drei Untercorps in der Stärke von je zwei Divisionen gegliedert werden. Diese Untercorps sollen mit allem Zubehör selbstständiger Armeecorps ausgestattet und von Divisions generalen befehligt werden, ein General mit dem Range eines Arnieeinspecteurs soll das Oberkommando führen. Allem Anschein nach schwankt man in Paris nur noch, ob daS VI. CorpS in zwei oder drei Untercorps gegliedert werden soll; der Kriegsminister Billot soll für zwei, der General stabschef de Boisdeffre für drei sein. Gegenwärtig umfaßt das Corps 5'/r Infanterie-Divisionen, 105 Escadronen und 52 Batterien, das Material für eine Gliederung in drei Untercorps ist danach fast vollständig vorhanden, cS wäre Nanny Trauner. Iks Roman von C. Schrorder. Nachdruck verbot««. „Was — geschah?" stammelte Nanny. Der Anderen Hände sanken herab. „Gar nichts geschah", rief sie aufgeregt, „aber waS hätte nicht geschehen können? Stellen Sie sich vor, ich habe mich glücklich durch daS Laby rinth hindurchgearbeitet, bin im Begriff, auf den Pfad binauSzuspringen, da wende ich den Kopf ein bischen zur Seite und — das Herz steht mir still! Denn dicht neben mir am Boden, der Länge nach auSgestreckt, den Kopf in die Hand gestützt, liegt —" „Der Anton?!" „Ich muß wohl annebmen, daß er e» war — erkannt hätte ich ihn nie. Der Anton war ein bildschöner Mensch — das heißt — ich will sagen, er sah für einen Mann seines Stande- wirklich nicht Übel auS. Jedenfalls hielt er auf sich, ging immer sauber gekleidet. Der da lag, war ein zerlumpter, verwahrloster Geselle mit wilden, wirren Haaren —" „Irgend ein Strolch." „Ja, wenn die Augen nicht gewesen wären! Mer der Anton hatte Augen wie Kohlen, die auch mitunter Flammen sprühen konnten. Der „Strolch" nun, als er mich kommen hört, fährt wie aus dem Schlaf in die Höhe und starrt mich an — mit gerade diesen Augen." „Unmöglich!" entfuhr es Nanny. „Unmöglich?" wiederholte Anna von Hellbronn, den Kopf emporwerfend, in ihrem kühlsten HochmuthSton. „WaS wollen Sie damit sagen?" „Verzeihung", stammelte Nanny erröthend, „aber ich glaube nicht, daß der An ton im Lande ist." „Nicht? Man hört doch überall da» Gegentheil munkeln." „Da- Gerücht ist unwahr!" „Sieh einmal an!" „Ich habe es von der Müllerin selber." Anna von Hellbronn lachte schneidend auf. „Und die ist Wohl nicht unwahr — die Müllerin?" böbnte sie. „Daß ich nicht wüßte", entgegnete Nanny ernst. „Dann nehmen Sie mein Wort darauf, sie ist die ab gefeimteste Lügnerin weit und breit. Sie blicken befremdet — fordern Beweise? Nur Geduld! Damit kann ich aufwarten!" Anna von Hellbronn blieb stehen, beugte den Kopf zu Nanny hinüber und zischte mehr als sie sprach: „Wissen Sie, was sie gewagt hat — daS infame Geschöpf? Zum Groß vater ist sie gegangen — gleich nach dem empörenden Vorfall im vergangenen Sommer. Haarsträubende Dinge hat sie ihm gesagt — angedeutet — nein, behauptet hat sie ihm frech ins Gesicht, ihr Anton sei nicht zu tadeln, ich — ich allein trage die Schuld, daß mein Reitknecht sich vergessen. — WaS sagen Sie dazu?" Und als Nanny schwieg. „Nichts — gar nichts? Fräulein Trauner! Sie — Sie sind im Stande und geben dem Weibe Recht!" Es war weniger staunende Entrüstung, als knirschende Wnth in dem Ton der letzten Worte, und die Blicke, die sich in die Nanny'S bohrten, trafen wie Dolchspitzen. „Ich — ihr?" stieß die Erschrockene hervor. „Wie wäre daS wohl möglich? Ach, lieber Gott! Ich frage mich ja nur, ob so eine Mutter, der daS Unglück den Kopf verwirrt bat, nicht zu entschuldigen ist, wenn sie sich zu wahnsinnigen An klagen hinreißen laßt." „Sie urtheilen milde", entgegnete Anna von Hellbronn, sich achselzuckend abwendend. „Sie haben eben unter den „wahnsinnigen Anklagen" nicht zu leiden gehabt wie ich." „Herr von Hellbronn", begann Nanny schüchtern, „wird doch keinen Moment geglaubt haben —" „WaS glauben die Männer nicht?" fuhr die Andere mit verächtlich gekräuselten Lippen wieder herum. „Die dümmsten Dinge, die man ihnen weiß macht! — Um übrigens wieder zur Sache zu kommen, möge die Person nun lügnerisch sein oder unzurechnungsfähig, in keinem Fall sollte mau sagen, wäre ihrer Behauptung zu trauen, daß ihr Sohn sich nicht im Lande befinde." „Unzurechnungsfähig", kopfschüttelte Nanny, „ist sie jetzt gewiß nicht, und den Brief, in dem Anton ihr mittheilt, daß er in Albany bei New Uork eine Stelle gefunden bade, die er sobald nicht wieder aufzugebrn beabsichtige, habe ich selbst gelesen." „Ein Brief neueren Datum»?" „Erst ein paar Wochen alt!" „Hm!" machte Anna von Heilbronn nach einigem Nach denken. „Da scheint e» ja, al» hätte ich meine Angst ver gebens gehabt! Freilich die Anteil —? Doch warum sollte ein Strolch nicht auch einmal hübsche Aug —" Sie biß sich auf die lächelnden Lippen und wandte sich mit plötzlich er wachendem, liebenswürdigem Bedauern Nanny zu. „Um nichts und wieder nichts", klagte sie, „hätte ich Sie also bis ganz an das Parkthor hier geschleppt! Können Sie mir verzeihen? Ja? Ach! Sie sind gütig. Werden Sie aber auch den Muth haben, allein zurückzukehren? Von dem Anton hätte" — spöttelte sie — „daS weit und breit verehrte Fräulein Trauner natürlich nicht- zu besorgen gehabt, doch ein Strolch ist am Ende ein gemeingefährliches Subject. Wäre es nicht besser, ich liefe rasch ins Haus und schickte Ihnen irgend Jemanden zur Begleitung?" Sie hatte den Fuß in dieser freundlichen Absicht bereits erhoben, als Nanny ihr hastig «n den Weg trat. „Nun?" verwunderte sie sich lächelnd. „Um keinen Preis!" stieß Nanny bebend hervor. „Aber, liebe- Fräulein, es macht mir ja nicht die geringste Mühe! Gewiß, ich thue e- gern!" „Ich glaube eS", entgegnete Nanny, „und ich danke Ihnen, aber der Onkel würde niemals leiden — nein, daS ist eS nicht! Ich — ich selber würde mich verachten, wenn ich daS Geringste annäbme, das aus dem Hause da käme!" Und ihre stillen Augen sprühten einen wahren Blitzstrahl deS Hasses nach den stolzen Giebeln jenseits der dunklen Parkulmen hinüber. „Um GotteSwillen —!" Weiter kam Anna v. Hellbronn secundenlaug nicht in ihrer grenzenlosen Ueberraschung. Dann setzte sie hinzu: „Und der Grund?" „Grund genug!" antwortete Nanny mit bebender Stimme. „DaS HauS da hat meine Mutter auSgestoßen, eS hat ihr, trotz ihrer Bitten, bis zu ihrem Tode seine Thür nicht wieder geöffnet! — Sollte Ihnen die- neu sei», Fräulein von Hell bronn? DaS würde mich wundern, denn —" „Denn", fiel die Andere rasch gefaßt und reuig ei«, „mein Betragen war darnach, al» ob ich die Grausamkeit gut hieße, nicht wahr? Steifnackig ging ich die Jahre lang an Ihne» vorüber — bi- beute, bis die Todesangst mich trieb, wartete ich, um da« erste Wort an Sie zu richten. Ach! ei ist ja wahr, der Schein ist furchtbar gegen mich, aber — Sie wissen nicht, können nicht einmal ahnen, wie abhängig ich Aermste bin, wie arg man es mir verübelt hätte, wäre ich mitunter dem heißen HerzenSvrangr, mich Ihnen zu nähern, gefolgt. Doch nun hat die Furcht alle Fesseln gesprengt und die Dankbarkeit schleudert sie weit von sich. Unser nächstes Wiedersehen soll so freundschaftlich sein wie Lieser Abschied jetzt. Leben Sie wohl und — da Sie denn durchaus so toll kühn sein wollen, allein zu gehe» — kommen Sie ungefährdet heim, mein liebes — liebes Fräulein!" Anna von Hellbronn's schmale, etwas feuchtkalte Hand umschloß die Nanny's zu innigem Druck. Mit der an- mulhigsten Kopfneigung von der Welt wandte sie sich dann um und glitt mehr als sie ging durch das offen stehende Parkthor. Als nur die Ziersträucher am Wege sie noch sehen konnten, lachte sie leise auf. „Der beiße Herzensdrang war nicht übel", flüsterte sie, „und die Dankbarkeit erst, die alle Fesseln von sich schleudert — ba ha ha ha! Dankbarkeit dafür, daß die holde Unschuld ein Streckchen mitgelausen ist! UebrigenS" — hier scheuchte eine plötzliche Erinnerung das Lachen von ihrem Gesicht — „erzdumm von mir, nicht ein bischen zu recognoSciren!" Sie stampfte mit dem Fuß auf, stand einen Moment unschlüssig, hatte sich plötzlich umgedrebl und war Nanny nachgeeilt. „Bestes Fräulein Trauner", rief sie, als Liese beim Ge räusch der Schritte erschrocken berumfuhr, „halten Sie mich nur nicht für theilnahmlos, aber mit keinem Wort habe ich mich ja noch nach Ihrem Patienten erkundigt!" „Patienten?" wiederholte Nanny, die ihre Gedanken nicht sogleich zur Stelle hatte. „Ja, nach dem Herrn Professor Flemming! Wir hörten doch, daß er im Walde verwundet worden sei und daß er jetzt in Ihrem Hanse —" „Natürlich", nickte Nanny und ihr Gesicht zeigte den Augen, die forschend darauf ruhten, nickt das leiseste Er- röthen. „Ich tanke sehr, eS geht ihm bester." „Ist alle Gefahr vorüber?" „Längst vorüber! Er bringt heute schon den ganzen Tag im Garten zu." „In der Tbat? DaS ist ja recht erfreulich! Nun, ver zeihen Sie gütigst, daß ich Sie noch einmal belästigt — aber halt! WaS ich noch sagen wollte. — Hat mau von dem fatalen Vorfall damals den Gerichten Anzeige gemacht?" „Sofort." „Und ist man dem Missethater auf der Spur?" „Bis jetzt noch nicht." „Hegt denn —" hier klang etwa« wie Erregung aus Anna von Hellbronn's Stimme —„der Herr Professor selber keinen Verdacht auf irgend Jemand?" „Ich weiß es nicht — ich habe ihn die Zeit her nicht gesprochen."
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