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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970709028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897070902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897070902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-09
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V072 mir eia« geringe Vermehrung der Infanterie und Cavallerie erforderlich. AuS Etatgründen wird der Plan, für den schon seit Wochen unter der Hand Stimmung gemacht wird, vor die Kammer kommen müssen, die zweifellos dazu Ja und Amen sagen wird. Das VI. Corps wäre dann in Wirklichkeit eine Borhutarmee von drei Corps, die bei dem nächsten Kriege mit Deutschland den ersten Stoß zu führen haben würde. Ob die neuesten« eifrig befürwortete Ver wandlung Nancys in eine Festung oder die Anlage eines ßroßen befestigten Lagers bei Nancy beschlossen werden wird, »st noch ungewiß; die von einem Theile der französischen Presse betriebene, durch Verbreitung kartographischer Dar stellungender deutschenAnmarschlinien und Truppenaufstellungen unterstützte Agitation für die Befestigung von Nancy, kann ebenso gut bestellte Arbeit der Heeresleitung wie einzelner Grundstückspeculanten gewesen sein. Die im heutigen Morgcnblatte mitgetheilten Telegramme zur Lage in der Türket lauten etwas beunruhigend. Tie Türkei rasselt mit dem Säbel, der Halbmond steigt im Course. Vorläufig dürfte das Rasseln nur als ein Versuch anzuseben sein, wie sick die „vereinigten" Großmächte zu den Ansprüchen der Türkei stellen; wir glauben noch nicht, daß die Türkei ihre Drohung wahr macht — aber schließlich bat sie daS moralische Reckt, ihre Eroberungen zu ver- theidigen, und jedenfalls auch die erforderliche militairiscbe Macht. Was nützen Conferenzen und Noten, wenn die Türken Befestigungen aufsühren, Truppen ausammeln und womöglich die Fahne des Propheten entrollen? DaS Letztere ist durchaus nicht so unwahrscheinlich, und die Mächte, die viel mohamedanische Unterlhanen haben, vor Allem England mit seinen 80 Millionen in Indien, aber auch Rußland in Mittel asien, werden sich'S zweimal überlegen, bevor sie den Glaubens fanatismus der Mohamedaner wegen einer griechischen Pro vinz entfachen, die heute noch zum größten Theile von Mohamedanern bewohnt ist. Die Einigkeit der Mächte ist gewißlich nicht weit her, und die „Hamburger Nachrichten" haben Recht, wenn sie der angedrohten „Statuirung eines Exempels an der Pforte" die thatsäcklich vorhandene, wenn auch abgeleugnete Uneinigkeit der Mächte entgegen stellen. „Wer konnte wohl im Ernste behaupten, daß ein gemeinsamer Krieg aller Mächte gegen die Türkei, oder auch nur eine Execution im Auf trage des europäischen Concertes denkbar sei? Wie wollen die Mächte die Türken aus Thessalien vertreiben, wenn diese nickt von selbst gehen? Daß die Türken Thessa lien wieder aufgeben, scheint uns vollkommen ausgeschlossen zu sein. In der ganzen mohamedanischen Welt ist es als eine schwere Unbill empfunden worden, als die Türkei dieses schöne und fruchtbare Land, dessen Bevölkerung noch beute trotz aller Auswanderung großentheils mohamedanisch ist, seiner Zeit an Griechenland ablreten mußte. So wohl die Siegesfreure wie auch der nur berechtigte Unwille der Türkei darüber, daß die christlichen Mächte ihr die Früchte ihrer Siege zu rauben versuchen, Beides hat sich bis in die fernsten mohamedanischen Länder Asiens verbreitet und dort eine Bewegung erzeugt, in welcher man kaum etwas Anderes als das Ausslammen des alten GlaubenssanatiSmus gegenüber den Ungläubigen erblicken kann, der von jeher ein unlösliches Band um die verschiedensten moha- medanischen Völker geschlungen bat." Das Hamburger Blatt hat mit diesen Ausführungen gewiß die Anschauungen Biömarck'S wiedergcgeben. Was Deutschland anbetrifft, so kann uns eine starke Türkei nur nützen. Sie ist für uns ein wichtiges Absatzgebiet, und der Roscher'sche Lieblingsgedanke von einer deulscken Colonisirung Kleinasiens, daS schon jetzt von mit deutschem Gelde gebauten Bahnen durchzogen wird, kann in irgend einer Form, ehe man sich'S versieht, Gestaltung ge winnen. Deutsches Reich. * Berlin, 8. Juli. Die „Nationalliberale Corre- sponbenz" schreibt zu der Kundgebung des Vorstandes der nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen-und Stahlindustriellen in Sachen der preußischen Vereinsgesetznovelle: „Gerade den Theilnehmern an jener Versammlung wird man zugestehen müssen, daß sie auS intimer Sachkeuntniß zu beurtheilen vermögen, welche Ilnter- wüblung der straffen DiSciplin, die in großen Betrieben un erläßlich ist, und des Zusammengehörigkeitsgefühls zwischen Arbeitern und Arbeitgeber der socialdemvkratischen Agitation zu danken ist. Und die hierin liegende Bedeutung der Kundgebung wird weder beeinträchtigt durch den accentuirten Hinweis, mit dem „Nordd. Allg. Ztg." und „Post" dieselbe an die Adresse der nativnalliberalen Vertreter im Abgeordnetenhaus« adressircn, noch auch durch daS Auftreten des in allen politischen Actionen ebenso indiskreten wie unglücklichen Frhrn. v. Stumm im Herrenhause, der dieser Kundgebung, ebe sie kam, von vorn herein das Stigma aufdrückte, daß sie lediglich den Zweck verfolge, einen persönlichen Druck auf die sachgemäße Ueber- zenzung der nationalliberalen Vertreter industrieller Bezirke auszuüben und durch den Zwang persönlicher Rücksichten so viel Stimmen lahm zu legen, als nothwendig sind, um der unter konservativem Drängen gegen bessere Ueberzeugung vollzogenen Einschwenkung der Regierung im Herrenhause nun den Erfolg im Abgeordnetenhaus« zu verschaffen. Nicht im Zusammen- >ang mit diesen trüben Machenschaften, für sich selbst hat ^ene Kundgebung eine sachgemäße und verständnißvollePrüfung ;u beanspruchen und diese ist von den nationalliberalen Vertretern der Jndustriebezirke auch bereits erfolgt und zwar vor den entscheidenden Abstimmungen und, was besonders zu beachten ist, eben auf Anregung gerade auS diesen Kreisen, deren Beschließungen jetzt vorliegen und als „neu" von der „Post" u. s. w. behandelt worden. Gerade über die Wünsche und Sorgen, die in jenen Düssel dorfer Beratbungen zum Ausdruck gebracht worden sind, waren, wie wir bestimmt wissen, auch diejenigen Mitglieder der nationalliberalen Fraktion, auf welche Freiherr v. Stumm eine Pression auSüben lassen möchte, persönlich aus jenen Kreisen vollkommen unterrichtet — und sie haben sie in der Fraktion sachgemäß erwogen und geprüft und nach dieser Prüfung sich auch in der Schlußabstimmung ein- mütbig auf den Standpunkt gestellt, der durch den autori- sirten Vertreter der Fraktion eingebend motivirt zum Ausdruck gebracht worden ist, und zwar auch dabin: daß auch eine auf das Gebiet der Vereins- und Vcrsanimlungsgesetzgebung sich beschränkende, einzelstaatliche Ausnabmegesetzaclion nicht darauf recknen kann, falls eine solche im Herrenhause ver sucht werde, im Abgeordnetenhaus« die Zustimmung der nationalliberalen Fraktion zu finden, weil vollwichtige, sachliche Gründe gegen ihre Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit sprechen." * Berlin, 8. Juli. Von der Lage des Arbeits marktes giebt die Wochenschrift „Sociale Praxis" folgende Uebersicht: Die sechs Monate dieses Halbjahres zeigen in ausnahmsloser Uebereinstimniung denselben charakteristischen Zug: daß jedesmal im Vergleich zu dem entsprechenden Monat des Vorjabres der Andrang der Arbeitslosen zu den Nachweisstellen abgenommen hat. Das allgemeine Gefühl, daß die Lage des ArbeitsmarkleS gegenwärtig den Arbeitern günstig ist, der in einzelnen Branche» (;. B. Metallindustrie, Bergwerke) hervortretende Arbeitermangel finde» in der Berichterstattung ihre zahlenmäßige Bestätigung. Für Juni haben wir in der Hauptsache nur die Fortdauer der Bewegung zu registriren. Von 54 Arbeitsnachweisen, deren Berichte rechtzeitig bei unserer Centralstelle ein gegangen sind, zeigen 43 vergleichbare Daten. Von diesen 43 zeigen im Vergleich zum Juni vorigen JahreS 26 (m. 2) eine Abnahme des Andranges und nur 14 (m. 1) eine Zu nahme. Die abnehmenden sind: Posen, Berlin (Ham burg), Halle a. S., Quedlinburg, Gera, Hannover, Essen a. R., Aachen, Elberfeld, Düsseldorf, Köln, Wiesbaden, Darmstadt, Kaiserslautern, Straßburg i. E., Heidelberg, Freiburg i. B., Schopfheim, Karlsruhe, Constanz, Stuttgart, Eßlingen, Göppingen, Augsburg, München. — (Brünn, Bern.) Hingegen mit Zunahme des Andranges: Rixdorf, Erfurt, Dessau, Kreuznach, Frankfurt a. M., Lahr i. B., Mannheim, Pforzheim, Cannstatt, Schwäbisch Hall (Heilbronn), Ulm, Fürth, Nürnberg. — (Wien). Zu einem merkwürdigen Ergebnis ge langt man nun aber, wenn man den Monat Juni mit dem vorangegangenen Mai vergleicht. Die Berliner Arbeitslosen kurve zeigt vom März bis einschließlich zum Mai eine an steigende Bewegung. Diese Bewegung ist im letzten Monat zwar verlangsamt, aber zweifellos vorhanden und der Abstieg der Curve beginnt durchschnittlich erst zum Juli. Abweichend hiervon bat diesmal vom Mai zum Juni an weitaus den meisten Orten der Andrang der Arbeitsuchenden abgenommen, nämlich an folgenden 34 (mehr 4) Orten: Posen, BreSlau, Berlin, Rixdorf, Hamburg, Quedlinburg, Gera, Hannover, Osnabrück, Hörde, Münster, Aachen, Elberfeld, Köln, Frank furt a. M., Gießen, Darmstadt, Worms, Kaiserslautern, Straßburg, Heidelberg, Lahr, Karlsruhe, Konstanz, Pforzheim, Stuttgart, Kannstatt, Eßlingen, Reutlingen, Göppingen, Schwab. Hall, Würzburg, Augsburg, München. — (Wien, Brünn, Bern, Winterthur.) Hingegen zugenonimen nur an folgenden 13 Orten: Halle a. S., Erfurt, Essen, Düssel dorf, Wiesbaden, Mainz, Freiburg i. B-, Schopfheim, Mannheim, Heilbronn, Ulm, Fürth, Nürnberg. Erklärungs gründe für diese Erscheinung lassen sich zweifach gellend machen. Zunächst ist allgemein anzunehmen, daß durch die steigende günstige Entwickelung des Jahres 1897 die sonst bis in den Juni bineinrcichende Ungunst der Jahreszeit wett gemacht worden ist. Sodann aber bedeutet die abnorm heiße Witterung des Monats Juni gewissermaßen eine Verfrübung der Juli-Entwickelung. Der Mehrbetrag der diesjährigen mittleren Juni-Temperatur von 1,8 Grad wird in seiner Bedeutung sehr erheblich dadurch erhöht, daß er trotz der Kälte der ersten Junitage durch eine geradezu abnorme Hitze um Mitte und Ende Juni erreicht ist. Wenn wir annahmen, daß die beginnende Erntezeit auf dem Lande sonst in dem Vierteljahr Juli-September einen Abfluß von Arbeitsuchenden au« den Städten bewirke, so ist eS voll kommen erklärlich, daß diese Arbeiten (wenn auch nicht die Getreideernte, so dock die in Heu, Klee und Oelfrüchten) in großen Theilen Deutschlands diesmal früher begonnen haben. — Zur Feier des siebzigsten Geburtstages ihres Groß herzogs halten sich die Oldenburger Berlins versammelt. Der Gouverneur von Berlin General der Cavallerie Graf von Wedel brachte daS Hoch auf den Kaiser auS; dann feierte der oldtnburzische BundeSrath-Vevollmachtigte Wirklicher Geheimer Rath Selkmann den Großherzog. Nachdem die Versammlung die oldenburjzische Nationalhymne „Heil dir, o Oldenburg" gesungen, eröffnete Geheimer Rath Dugend vom ReickS-VersicherungSamt einen gemeinschaftlichen Bier abend mit einem Hoch auf den Fürsten Bismarck, zu dessen Ehren das Lied „Deutschland, Deutschland über Alles"' gesungen wurde. — StaatSsecretair General v. PodbielSki zeichnete, wie die „Sport-Welt" hervorhebt, auch noch im gestrigen Rcnnkalender in Vertretung des Vorsitzenden die Bekannt machungen der technischen Commission des Union-Clubs. — Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „Der BundeS- rath wird zunächst eine AuSführungsanweisung nur betreffs des die Bildung von Zwangsinnunzen behandelnden TheilcS des Handwerksorganisationsgesetzes erlassen, deren wichtigster Theil ein Nornialstatul für solche Innungen bilden dürfte. Der Grund für diese Beschränkung liegt theils in dem Umstande, daß zunächst die Jnnungsbildung durchgefübrt sein muß, bevor an die Einrichtung der Handwerkskammern gegangen werden kann, theils in dem Wunsche, die Bundesregierungen sobald als möglich in den Stand zu setzen, ihrerseits mit der localen Organisation deS Handwerks vorzugehen. Die Durchführung der organisatori schen Ausgabe, bei welcher es bei Festhaltung großer allge meiner Gesichtspunkte doch auf eine durchaus individualisirende Sachbehandlnng ankommen wird, beansprucht indessen zweifels ohne eine sehr geraume Zeit, so daß es sich empfiehlt, die Bundesregierungen von Reichswezen sobald als möglich zur Inangriffnahme derselben in den Stand zu setzen." — Der Plan der Errichtung einer Kleinbahn zur Erschließung unseres südwestafrikanischen Colonial besitzes wird gegenwärtig, und zwar insbesondere nach der eisenbahntechnischen Seite, zwischen den betheiligten Ressorts erörtert. — Nack dem neuesten Verzeickniß der Neichstagsmit- alieder zählt (einschließlich der Hospitanten) die konservative Partei 58, die freiconservalive 25, die deutschsociale Reform partei 12, daS Ccntrum 101, die polnische Partei 20, die nationalliberale 50, die freisinnige Vereinigung 13, die freisinnige Volkspartei 26, die deutsche Volkspartei 12, die socialdemokratische Partei 48 Mitglieder; bei keiner Fraktion sind 3l. Als erledigt ist daS Wiesbadener Mandat aufgcführt; dies ist uuterdeß mit einem Mitgliede der freisinnigen Volkspartei besetzt worden, so daß diese jetzt 27 Mitglieder zählt. Die konservative Partei hat dagegen ein Mandat durch die Ernennung des Herrn v. PodbielSki verloren, so daß die Partei 57 Mitglieder zählt. — Die „Allg. Ztg." berichtet: „Das Gesetz über die Sonntagsruhe hat vielfache Den unciationen kauf männisch Angestellter gegen ihrePrincipale herbei geführt. In einem solchen Falle hatte der Principal in der anonymen und unbegründeten Anzeige die Handschrift seines Gehilfen erkannt und ihn deshalb auf der Stelle entlassen. Der Handlungsgehilfe verlangte aber sein Gehalt noch bis zum Ablauf des Vierteljahres, was jedock nicht gewährt wurde. In der hierauf von Seiten des Angestellten anhängig gemachten Klage entschied Las Gericht zu Gunsten deS beklagten Kaufmanns, indem es im Urtheil die sofortige Entlassung billigte, weil eine Denun- ciativn eine unverantwortliche Verletzung der durch die dienstliche Stellung gebotenen Treue darstelle. Die Angelegenheit kam sodann in der Berufungsinstanz neuerlich zur Verhandlung. Doch auch die zweite Instanz entschied unter Aneignung der Gründe des Amtsgerichts zu Ungunsten des Handlungsgehilfen." — Herr v. Börtlicher wird, so meldet die „Mil.-Pol. Corr.", sein Palais in der Wilhekmstraße 76 in ungefähr vierzehn Tagen räumen und seine Möbel in einem Speicher aufbewahren lassen, „bis er eine Oberpräsidialstellung anzu nehmen in der Lage sei". Inzwischen werde er sich in Naumburg, an dessen Stift er Domherr ist, und bei seinem Freunde, dem Freiherrn von Bodenhausen, in der Provinz Sachsen aufhalten. — In der „Post" lesen wir: „Wie unehrlich und ununterrichtet ein großer Theil unserer Presse bei der jetzigen Verhetzungscampagne gegen die Regierung verfährt, beweist die an die Nachricht von der angeblichen Berufung des Abg. Gamp in ein hohes ReichSamt geknüpfte Behauptung, daß Herr Gamp die weitestgehenden Beschränkungen der Börse fordere und entschieden für Verstaatlichung der Reichsbank und iür die Doppelwährung eintrete. Alle die Behauptungen sind falsch. Herrn Gamp geben bereits manche Bestimmungen des Börsen gesetzes, namentlich betreffs der Produktenbörse, zu weit, er hat auch jüngst Gelegenheit genommen, sich sehr entschieden gegen die Umwandlung der Reichsbank in eine Reichsaustalt zu erklären, und er nimmt auch, wenn er nicht überhaupt mehr der Goldwährung zuneigt, in der Währungssrage jedenfalls keine extreme Stellung ein." Durch diese beschwichtigende Charakteristik scheint die er wähnte Nachricht eine gewisse Bestätigung zu erhalten. — Der Kriegsminister v. Goßler, ist, wie auS Zürich gemeldet wird, zu längerem Curgebrauche im Waldhaus Vulpera eingetroffen. — Der Geheime Oberfinanzrath und Vortragende Roth im Finanzministerium Köhler ist zum Provinzialsteuerdirecror der Provinz Pommern und der bei der Provinzialsteuerdirection zu Hannover angestellte Ober» und Geheime RegierungSrath Loehning zum Geheimen Finanzrathe und Provinzialsteuerdirector der Provinz Posen ernannt worden. — Dem Bernehmen der „Berl. N. N." nach ist der Minister- resident für Siam Kem per mann für da- Generalconsulat Svdney in Aussicht genommen, dessen langjähriger Inhaber Pelldram vor Kurzem zum Generalkonsul in Antwerpen ernannt worden ist. — Nach der „Nordd. Mg. Ztg." ist der bisherige Legatlons- secretair bei der kaiserlichen Gesandtschaft im Haag, Legationsrath von Schlüzrr, an Stelle des zum Ministerpräsidenten in Luxem burg bestimmten Grasen Henckel von Donnersmarck al- erster Secretair an die kaiserliche Botschaft nach Konstantinopel versetzt. — Der „Reichsanzeiger" meldet die Ernennung des bisherigen ständigen Hilfsarbeiters im Auswärtigen Amt LegationsrathS von Wichert zum Wirklichen Legationsrath und Vortragenden Rath im Auswärtigen Amt. Sangerhausen, 8. Juli, lieber die Bildung einer freien Gemeinde wird der „B -Ztg." geschrieben: „Am 7. d. M. hielt (der aus dem Amte geschiedene) Pastor Kötzschk« einen öffent- lichen Vortrag über das Thema: Freie Gemeinde oder politische Bewegung? In verschiedenen Versammlungen während des Kötzschke'jchen Disciplinarversahrens war für den Fall, daß die Gemeinde mit ihren Petitionen zu Gunsten deS angegriffenen Geistlichen keinen Erfolg hätte, die Bildung einer freien Ge meinde in Aussicht genommen. Nach der Entfernung Kötzschke'S aus dem Amt ist diese Bewegung besonders stark geworden. Der Referent ward demnach von verschiedenen Seiten ge drängt, zur Sache Stellung zu nehmen. Er ging ausführlich ein auf die Beweggründe, die zur Bildung einer freien Ge meinde führten. Dogmatische lägen in dem Sangerhäuser Kirchen streit zunächst nicht vor. Man sei lediglich entrüstet über die un protestantische Bevormundung der Gemeinde durch den Oberkirchen- rath. Eine freie Gemeinde in Sangerhausen hätte darum zunächst keinen sonderlichen Grund, etwas am Bekenntniß zu ändern, son dern man wolle nur eine andere Verwaltung, man wolle eine freie Kirche. Allerdings erstrebe man auch eine stärkere Be tonung der socialen Gedanken des Christenthums, man wolle das Christenthuin wieder zu einer vorwärts treibenden Culturinacht machen. Im Allgemeinen sei heute die Zeit für die Bildung freier Gemeinden nickt reif. Heute beschäftige die breiten Mafien die politische Bewegung zu sehr, diese müssen erst ihre wirthschaftliche Lage bessern und sichern und die Vorarbeit für die Pflege wahrer Frömmigkeit thun. Des Redners Streben ginge darauf, einen sreikirchlichen Verein zu gründen, der die Agitation für die Reform der Kirche wachrufen und wachhalten und, da dir religiösen Verhältnisse in Sangerhausen sehr im Argen lägen, die Pflege christlicher Gesinnung und Bruderliebe kräftig in Angriff nehmen müsse. Die Versammlung stimmte den Ausführungen in den meisten Punkten zu, nur drang der Gedanke der Bildung einer freien Ge- meinde dennoch siegreich durch. Man wählte ein ComitS zur wei teren Behandlung der Angelegenheit." — Bisher haben von der Landeskirche abgesplitterte freie Einzelgemeinden noch niemals rin kräftiges und langes Leben geführt. Dessen wird sich wohl der hier recht vorsichtig anstretende Pastor Kötzsckke bewußt sein. Einen tieferen Grund zu einer umfassenden Resormirung der Kirche zu legen, ist die national-sociale Bewegung, welcher er dient, nicht fähig; das hat sie nachgerade bewiesen. * Hummelshain, 8. Juli. Prinz und Prinzessin Moritz von Altenburg trafen heute Abend zu längerem Aufent halte hier ein. Die Herzogin von Altenburg hat heute die ersten Gehversuche unternommen. * Stuttgart, 8. Juli. Der württembergische Kriegs minister Frhr. Schott v. Scholten stein hat folgende Bekanntmachung veröffentlichen lassen: „Es wird hiermit zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß den Unterofsicieren und Mannschaften dienstlich verboten ist: 1) jede Betheiligung an Vereinigungen, Versammlungen, Festlichkeiten, Geldsanimlungen, zu denen nicht vorher besondere dienstliche Eriaubniß ertheilt ist; 2) jede, dritten erkennbar gemachte Betbätigung revolutionairer oder socialdemokra- tischer Gesinnung, insbesondere durch entsprechende Aufrufe, Gesänge oder ähnliche Kundgebungen; 3) daS Halten und die Verbreitung revolutionairer oder socialbemo- kratiscker Schriften, sowie jede Einführung solcher Schriften in Casernen oder sonstige Dienstlocale. Ferner ist sämmtlichen Angehörigen deS aktiven Heere- dienstlich befohlen, von jedem zu ihrer Kenntniß gelangenden Vor handensein revolutionairer oder socialdemokratischer Schriften in Casernen oder anderen Dienstlocalen sofort Dienstliche Anzeige zu erstatten. Diese Verbote und Befehle gelten auch für die zu Uebungen eingezogenen und für die zu Control- versammlungen einberusenen Personen des Beurlaubten standes, welche gemäß tz 6 des Militairstrafgesetzbuches und tz 38b I des Reichsmilitairgesetzes bis zum Ablauf des TageS der Wiederentlassung bezw. der Controlversammlung den Vorschriften des Militairstrafgesetzbuches unterstehen. Die königl. Oberämter wollen dafür Sorge tragen, daß vorstehende Bekanntmachung in den BezirksamtSblattern veröffentlicht werde. Stuttgart, den 6. Juli 1897." * München, 8. Juli. Die „Münchner Neuest. Nachr." schreiben: „Reichskanzler Fürst Hohenlohe hat heute Vormittag München wieder verlassen und sich nach Aussee zum Sommeraufenthalt begeben. An den kiesigen Aufent halt deS Reichskanzlers werden in der Presse verschieden artige Mitlheilungen geknüpft, die den Thatsachen nicht ent sprechen. So wird behauptet, der Reichskanzler habe hier bereits Anordnungen in seinem Palais an der Briennerstraße „Die ganze Zeit her nicht? Da haben Sie am Ende — überhaupt seine Bekanntschaft noch nicht gemacht?" „O doch!" nickte Nanny. „Wir trafen uns bald nach dem Unfall — kannten unS übrigens schon von früher her." „Von früher her?" entfuhr eS der Anderen in einem Ton, daß Nanny verwundert aussah. Merkwürdig blaß schien ihr das stolze Gesicht da geworden und — wie un ruhig eS in den Augen flimmerte! „Von früher der?" wiederholte Anna von Hellbronn, ihre Stimme dämpfend und die diskreten Lider herablassend. „Nun, ja! Der Zufall — ein Eisenbahnunglück — führte uns zusammen." „Ein — Eisenbahnunglück? Wunderbar! Und wann — wenn ich fragen darf?" „Anfang dieses JahreS, Mitte Januar mag e» ge wesen sein." „Er kam von München?" „DaS ist leicht möglich, ich kann eS nicht sagen." „Gewiß — gewiß! Der Zeitpunkt stimmt. Er kam von München und war aus dem Wege in unsere Residenz. Also auf dieser Reise lernte er Sie kennen? Wunderbar — höchst wunderbar!" Weit wunderbarer als die Thatsache selber erschien Nanny des Fräuleins lebhaftes Interesse daran. So etwa- mochte in ihren Augen zu lesen sein, als Anna von Hellbronn plötz lich ausblickte, denn sie rief mit heiterstem Lachen: „Ich weiß, was Sie denken. Solch eine neugierige Person ist mir noch nicht vorgekommen! Doch — doch Leugnen Sie nicht. Das denken Sie und haben vollständig Recht damit. Der Großpapa sagt auch immer: „Anna, Du fragst das Blaue vom Himmel herunter." Aber nun ist'» genug — nun mache ich mich auS dem Staube! Nochmal-, leben Sie wohl, liebe» Fräulein! Im Interesse der allge meinen Sicherheit will ich wünschen, daß man des Böse wichtes bald babhaft werde. Der allgemeinen Sicherheit — sage ich. Hm! Wissen Sie, was ich glaube? Daß ein Verbrechen auS Küiistlerneid vorliegt. Die beispiellosen Erfolge deS Herrn Professor» Flemming haben — so denke ich mir — irgend einem seiner minder glücklichen College» besonders bitter geschmeckt. Dieser Eine nun ist ihm bis in unsere Waldeinsamkeit nachgereist und hat ihm eine Kugel durch den Arm geschossen — durch den rechten Arm, wohlverstanden!" Anna von Hellbronn sprach», suchte und fand in Nanny'S Blick die Bewunderung, die ihr Scharfsinn verdient« und ver abschiedete sich endgiltig mit huldvollem Lächeln und vertrau- ickem Kopfnicken. Ja, sie war ein kluges Geschöpf, diese Anna von Hell- >ronn — Nanny sagte eS sich im Heimwärtsschreiten. Von den Vielen, die das Attentat im Walde besprochen und zu erklären versucht hatten, war keinem diese wunderbar ein leuchtende Idee vom Künstlerneid gekommen, der den rechten Arm eines glücklicheren Rivalen zu lähmen trachtet! Ein un gemein kluges Geschöpf war sie und ein bezaubernde- zugleich. Sehr wohl zu begreifen, daß — wie man behauptete — so viele Männer in ihren Banden schmachteten. Ein bischen war ja selbst sie (Nanny) hineingerathen. Wenigstens hatte sie sich wiederholt fragen müssen, wa» sie an der Anderen wohl am meisten entzücke — die Grazie der körperlichen Be wegung oder die anmuthige Gewandtheit, mit der sie um Gesprächsklippen herumglitt. Ein bischen hätte sie z. B. schon die Fassung verlieren dürfen, al» sie (Nanny) sich empört über die Hellbronn'sche Herzlosigkeit geäußert, aber — kein Gedanke! — die liebenswürdig reuigen Worte waren ihr nur so von den Lippen geflossen. — Ja, ja, diese Damen der vor nehmen Welt, die sich selber — Körper und Geist — so wunderbar in der Gewalt batten, imponiren mußten sie solch simplen Landmädchen wie Nanny eines war, aber — so recht warm um daS Herz konnten sie ihnen nicht machen. Sie hatte dock so hübsch gesprochen, so hold geblickt und gelächelt — Anna von Heilbronn — aber mit keinem Wort, keinem Blick, keinem Lächeln hatte sie zu überzeugen vermocht. „Wie gut sie daS macht, da sie ja doch einmal nicht» dabei fühlt!" — über diesen Gedanken war ihre Begleiterin nicht hinauS- gekommen. Ein ungerechter Gedanke vielleicht, denn wer konnte ergründen, was ein Anderer fühlte? Ein häßlicher Gedanke wohl gar, hinter dem sich auch so etwa- wie Neid versteckte. So grübelte Nanny und war sich über den bewußten Ge danken noch lange nicht klar, al» sie an da« Ruheplätzchen gelangte, von dem daS geängstigt« Schloßfräulrin sie vorhin aufzrschrucht hatte. Hier erst, angesichts der schmalen Laub gasse, die direkt auf die Oberförsterei zu führte, kam ihr der Strolch in die Erinnerung. Möglich, daß er sich au» dem Staube gemacht hatte, möglich aber auch, daß er noch da lag, jeden Augenblick bereit, herauSzuspringen. Sich gewaltsam ein Herz fastend, ging sie erst langsam und leicht und leise austretend, daß sie kaum die Gra-balme knickte, dann schneller, immer schneller. DaS Hau» war nicht mehr hundert Schritte fern, da raschelte etwa- — im Gebüsch, wie sie meinte, in Wirklichkeit war eS ein dürrer Zweig unter ihrem Fuß — und nun lief'sie, waS sie laufen konnte, nicht in die offene HauSthür, sondern durch das nähere Pförtchen in den Garten hinein. Als sich unter der Linde, hinter dem Asterbeet, eine hohe Gestalt von der Bank erhob, stand sie zu Tode erschrocken still. XIH. Capitel. Franz Flemming kam dabergeschritten mit einer Hast, daß man ihm den ReconvaleScenten kaum noch anmerkte. „Sie liefen so rasch — batten offenbar Angst!" rief er und seine Stimme zeugte von heftiger innerer Erregung. „ES wird doch Niemand gewagt haben, Sie zu verfolgen?" Und ohne Nanny'S Antwort abzuwarten, wollte er an ihr vorüber, auf daS Pförtchen zu, aber sie trat ihm erschrocken in den Weg. „Um Gotteswillen!" stammelte sie, „Sie dürfen ja nicht! Und verfolgt — nein, verfolgt hat mich auch Niemand — ganz gewiß nicht! Ach bitte, setzen Sie sich wieder!" In ihrem Eifer legte sie Die Hand auf seinen Arm, riß sie ent setzt zurück, ward glühend roth und wünschte, die Erde möge sie verschlingen. Die Erlösung kam ihr in milderer Form. Die Hinter- thür deS HauseS that sich auf und auf die Schwelle trat, sich nach seinem Nachmittag-schläfchen behaglich reckend, der Oberförster. „Tausend nochmal!" ries er, als er Nanny'S ansichtig ward. „Bist Du'» oder ist'« Dein Geist?" „Ich bin's, Onkel! komm nur, komm nur schnell, mach, daß der Herr Professor sich wieder setzt und —" „Wenn Du schon Kaffee getrunken baden solltest", äußerte der Alte näherstampfeod in seinem trockensten Ton, mit seinem listigen Blinzeln, „wir sind noch nicht so weit." „Ach! Onkelchen, sie waren ja anSgegangen — Schul meister» und — und — doch da» ist Nebensache, ich erkläre Dir'- nachher! Jetzt sei nur so gut und sieh einmal im Gebüsch da vor dem Hause nach — e» muß ein Strolch drin liegen." „Aha!" rief Franz Flemming, der sich eben auf seine Bank niedergelassen hatte, wieder in die Höhe fahrend. „Stillgesessen, Herr Professor!" commandirte der Ober förster. „Und Du, Kleine, hier geblieben! Müßte ja ver teufelt mit mir stehen, wenn ich mit einem Strolch nicht mehr allein fertig würde!" Damit war er auch schon zum Pförtchen hinaus. Da sie dem Onkel ja nun einmal nicht folgen durfte, hielt Nanny eS für am gescheidtesten, sich ganz sachte in das HauS zurückzuziehen, aber bei dem ersten Schritt, den sie in dieser Richtung that, fragte Franz Flemming in vor wurfsvollem Ton: „Jetzt wollen Sie schon wieder fort?" „Ich — habe allerlei zu thun", erklärte sie befangen stehen bleibend. „Hat es nicht noch ein bischen Zeit? Bedenken Sie, daß ich Sie volle acht Tage nicht gesehen habe!" Ob ihm das nun wirklich vom Herzen kam? Es klang ja fast so, aber — bis bisher hatte sie die Augen noch nicht ein einziges Mal zu ihm aufgeschlagen, jetzt that sie es — und im Nu hatten sich ihr die seinen entzogen. „HöflichkeitSpbrasen!" dachte sie. Um ein Haar hätte sie daS Wort laut hervorgestoßen, aber noch rechtzeitig erinnerte sie sich deS RespectS, den sie einem berühmten Manne schuldete und, ihren Unmuth bezwingend, entgegnete sie in ziemlich ruhigem Tone auf seine Bemerkung: „Ich muß mich doch wenigstens erkundigen, wo der Kaffee bleibt." „Der Kaffee kommt immer noch früh genug", versicherte er, ibr höflich einen Stuhl hinschiebend. Einen Moment zögerte sie noch, dann, da ihr kein weiterer Einwand einfallen wollte — setzte sie sich so, daß der Maler nur ihr Profil sehen konnte. Aber sie hatte keine Idee, WaS für ein feine» Madonnenprofil eS war und wie andachts voll seine Blicke darauf ruhten. Sie fand die Situation nur höchst uugemüthlich. „Wenn er dock wenigsten» reden wollte!" dachte sie und wie er im Anschauen versunken kein Wort fand, stieß sie selbst au» ihrer Beklommenheit plötzlich hervor: „Wie geht e» Ihnen eigentlich?" „Vortrefflich — Dank Ihrer himmlisch gütigen Pflege," antwortete er. „Dank meiner —" ihr Kopf machte eine rasche Wendung in seiner Richtung, fuhr wieder herum und automatenhast geradeaus blickend, sagt« sie: „Sie sprechen von Susanneo'S Pfleg-l" „Verzeihung!" entgegnete er. „Ohne Susannen'- Ver dienst an meiner Wiederherstellung im Geringsten schmälern zu wollen, behaupte ich, daß Sie, mein Fräulein, da» Meist« dazu gethan haben." (Fortsetzung folgt.)
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