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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970618022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897061802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897061802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-18
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Wenn also der „Reichsanz." außer der Ersetzung des Herrn Hollmann durch Herrn Tirpitz noch keine andere wichtige Personal veränderung meldet, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß eine solche auch nicht erfolgt sei. Nach einem Berliner Telegramm der „Hamburger Nachrichten" batte vr. v. Miquel gestern wieder eine längere Besprechung mit dem Reichskanzler und empfing dann den Cbef des Civilcabinets v. LucanuS. Abgebrochen sind biernach die Be- rathungen, zu denen Herr v. Miquel von Wiesbaden nach Berlin berufen wurde, anscheinend noch nicht; ihr Resultat kann heute oder morgen vom „Reichsanzeiger" gemeldet werden. Geschieht dies aber nicht, so wirv man zunächst, um auf eine weitere Fortsetzung der Berathungen schließen zu können, abwarlen müssen, wie die Reisedispositionen des Kaisers sich gestalten. Gestern ist er nach Westdeutschland abgereist; auf diesen Ausflug soll nach einem kurzen Auf enthalte deS Kaisers in Kiel und bei Helgoland die herkömmliche NvrdlandSreise und dann der Besuch beim Zaren folgen. Die Nachrichten über die Einzelheiten dieses Planes widersprechen einander, vor allen Dingen ist nicht klar, ob der Monarch vor der Rückkehr auS Rußland, also vor Mitte August, noch einmal Berlin berühren wird. Geschieht dies nicht und bat nicht schon in den nächsten Tagen der „Reichsanzeiger" Meldungen über weitere Personal veränderungen gebracht, so wird man schon vor jener Rück kehr annehmen müssen, daß der Berliner Aufenthalt des preußischen Finanzminislers resultatlos geblieben sei — die Ernennung des Contre-Armirals Tirpitz war wohl längst beschlossene Sache. Die schon telegraphisch gemeldete Be hauptung des „Hamb. Corr", die Besprechungen des Kaisers mit dem Reichskanzler und dem preußischen Finanzminister hätten Vorbereitungen und Bestimmungen für einen Personenwechsel in einigen hoben Reichs- und Staatsämtern gegolten, der erst im Herbst erfolgen solle, ist, wenigstens soweit die Stellungen der Herren von Miquel und von Bo et k icher in Betracht kommen, nicht glaubwürdig; wenn etwaige Nücktrittswünsche des Fürsten Hohenlohe bis zum Herbste vertagt worden wären, so würde das schon begreiflicher sein. Bis auf Weiteres muß man annehmen, daß die unvermeidliche und von ihm selbst gewünschte Ver abschiedung des Herrn v. Boetticher, der, wie wiederholt sein mag, gestern vom Kaiser empfangen wurde, sowie die Be stimmungen über den künftigen Wirkungskreis des Herrn von Miquel vor ter Abreise des Reichsoberhauptes erfolgen sollten. Vielleicht ist eS auch geschehen und man weiß es nur noch nicht, weil der „Reichsanzeiger" gerade mit den wichtigsten Meldungen den Ereignissen nachhinkt; mindestens ebenso wahr scheinlich aber ist eS, daß die gestern erwähnten Schwierig keiten noch nicht überwunden sind. Dieselben wurzeln in der politi schen Selbstachtung des preußischen Finanzminlsters. In dieser Ueberzeugung darf man sich nicht irre machen lassen durch allerhand formale, den Rang betreffende Bedenken, die ver schiedene Blätter gegen die Uebernahme der Vicepräsidenl- schaft des Slaalsministeriums und der Stellvertretung des Reichskanzlers durch Herrn von Miquel äußern. Der „Vossischen Zeitung" macht sogar die Gehaltsregulirnngs- frage Kopfschmerzen. Die ernsthaftere „Nationalzeitung" giebt sich den Anschein, nicht darüber Hinwegkommen zu können, daß Herr v. Miquel, wenn er als Finanzmiuister und gleich berechtigter College deS Fürsten Hohenlohe ohne Aenberung des bestehenden Stellvertretungsgesetzes „Vicekanzler", sowie Vicepräsident des preußischen StaatSministeriumS würde, „staatsrechtlich herunter statt hinausstiege". Das sind „juristische Zwirnsfäden", über die ein Miquel nicht stolpert. In den höchsten Staatsämtern ist es immer und überall auf die Männer angekommen und nicht auf die „staatsrechtliche" Umschreibung ihres Wirkungskreises. Die bismarckische Zeit, so gern der Fürst sich in staatsrechtlichen Deduktionen erging und sein Zeitungs organ sich noch ergeben läßt, bat davon am allerwenigsten eine Ausnahme gemacht. Bundesrechtliche und bundespolitische Gesichtspunkte, die heute wieder in den „Hamburger Nachr." gellend gemacht werden, spielen bei den Personalslagen, die soeben zur Entscheidung kommen sollten und vielleicht gekom men sind oder vor der Reise des Kaisers nach Rußland kommen sollen, keine Rolle. Die mittclstaatlichen Regierungen würden sehr froh sein, wenn in die Berliner Regierungs verhältnisse durch einen energischen Mann Ordnung gebracht würde. Es kann sich auch gar nicht um Formalitäten handeln oder gehandelt haben. Die Be- Iprechungen mit Herrn v. Miquel sind, das weiß man gewiß, mit dem Willen des Fürsten Hohenlohe, wenn nicht auf seine Anregung, ausgenommen worben. Mit ihm, dem gewissenhaften und staatsklugen Vorgesetzten, käme Herr v. Miquel aus, zwischen diesen beiden Männern würde sich die natürliche Arbeitstheilung von selbst ergeben, mag der Titel des eoackMor cum seu sius sps sueceäcucli lauten, wie er will. Man sagt mit Recht, zur Vertretung der Negierungspolitik im Reichstage bedürfe es gar keines Neichsamlcs für Or. v. Miquel; als preußischer Minister mit oder ohne Portefeuille könne er dieselben parlamentarischen Dienste im Reichstage leisten, durch die er sich im preußischen Abgeordnetenhause ausgezeichnet bat. Aber einen bloßen „Spreckminister" kann Herr v. M quel so wenig abgeben, als Fürst Hohenlohe in ihm einen solchen besitzen möchte. Die Voraussetzung der Vertheidigung per Regierungspolittk durch den mit Herrn v. Boetticher nicht vergleich baren Herrn v. Miquel ist, daß überhaupt eine Politik, die diesen Namen verdient, gemacht wird und daß ihr parlamentarischer Anwalt an dieser Arbeit selbstständig betheiligt ist. Es müßte also eine m i n i st e r i e l l e Politik sein. Zum „Plaidiren" sür Ideen, die nicht die peinigen sind, und zur Vertheidigung von Handlungen, die ohne sein Vorwissen geschehen sind, wird sich Herr v. Miquel kaum bereit finden. Und thul er eS, so hört er auf, Miquel zu sein, und wird — Boetticher. Die Frage der Bctheiligung an den Lanvtagswahlen be schäftigt die Socialdemokraten in Preußen außerordentlich leboast. Herr Lütgen au, der, wie wir gemeldet, in Bochum ein kait accowpll nach der Richtung eines Wahlbündnisses mit Freisinnigen und Ultramontanen schaffen wollte, ist zwar vom „Vorwärts" desavonirt worden, dieses Blatt hat aber gleich zeitig eine eingehende, auf arithmetischer Grundlage beruhende Untersuchung eines Parteigenossen veröffentlicht, die zu dem Ergebniß kommt, daß die Beteiligung vom Uebel wäre. Tags darauf hat es einer langen Auseinandersetzung deS Abgeordneten Auer Raum gegeben, die in einer, allerdings nicht sonderlich warmen, Empfehlung der Beteiligung, nicht der Partei als solcher, sondern der einzelnen „Genossen" gipfelt. Die beiden „Gutachter" stimmen darin überein, daß der complicirte, zeitraubende Wahlacl abschreckend auf die Parteigenossen wirken müsse, merkwürdiger Weise sieht aber der entschiedene Gegner der Betheiligung in der Oeffentlich- keil der Stimmenabgabe kein Hinderniß für die Socialdemo kraten, während Herr Auer auf dieselbe großes Gewicht legt. Dieser Führer bekämpft wie sein ungenannter Parteigenosse das selbstständige Eintreten der Socialdemokratie in den Wahlkampf, aber er hat nichts dagegen, wünscht es anscheinend ogar, wenn die „Genossen" nach Kräften mithelfen, daß die junkerlich - reaktionären Mächte auS ihrer dominirenden Stellung verdrängt werden, mit anderen Worten, daß die Socialdemokraten Freisinnige und Ultramontane wählen. Von einem Vorgehen mit eignen Candidalen will Auer nichts wissen, da erstens an einen Sieg nicht zu denken sei und zweitens der Wahlmodus, namentlich die Oeffentlichkeit, das „Messen der Parteistärke" nicht zulasse. Die Unlelstützung der Freisinnigen will er gnädig concediren, weil sie nichts kosten würde — daö wird scharf hervorgehoben —, und weil sie „der sinken die Bedeutung der classenbewußien Arbeiterschaft zum Bewußtsein bringen wird, ohne daß unsere Partei irgendwo in die Stelle deS dankbar Empfangenden gedrängt wird." Es soll also den Unterstützten die „Sclavenkette" ans Bein geschmiedet werden. Herr Richter wird damit zufrieden sein; als „Großpensionair" der jüngeren Partei ist er von dieser schon vor Jahren bezeichnet worben, ohne daß er sich gegen die Standescrniedrigung zu wehren gewagt hätte. Herr Richter kann auch die von Auer gestellte Bedingung erfüllen: Eintreten für das all gemeine, gleiche und geheime Wahlrecht für die Landtags wahlen. Dem Cent rum wird daö schwerer fallen, aber schließ lich kann es sich im Vertrauen darauf, daß Regierung und Herrenhaus für dieses Wahlsystem nicht zu haben sind, gleich falls beugen. Tie von König Leopold von Belgien geplante Reise zu den Kieler Regatten, die ihn mit dem deutschen Kaiser zusammensübren wird, giebt dem „Figaro" erwünschte Ge legenheit, wieder die Geschickte von dem geheimen Ver trage zwischen Deutschland und Belgien aufzu tischen. In der vielerörterten Militairrede deö Königs sieht das Blatt nur eine Bestätigung dafür, daß sich Belgien in Deutschlands Arme geworfen hat, obwohl die belgisch-fran zösischen Beziehungen nie ungetrübter waren, als gerade jetzt. Was hat es nun mit jenem famosen Geheimvertrage auf sich? Dem „Hamb. Corr." wirb hierzu aus Brüssel ge schrieben: Der Ministerialdirektor im belgischen Auswärtigen Amte Banniug Halle dem Könige eine vertrauliche Denk schrift über die Ziele der auswärtigen Politik Belgiens übermittelt. Hiernach müsse es Belgiens Bestreben sein, die norbfcanzösischen früheren vlämischen Provinzen wieder zu gewinnen. DaS sei nur zu erreichen, wenn Belgien sich fest an Deutschland anschließe und bei einem etwaigen neuen deutsch-französischen Kriege sich mit Deutsch land verbünde. Der König gab vertraulich diese Schrisl dem damaligen Minister Thonissen zur Einsicht. Damals spielte der berüchtigte famose französische Spitzel De Mondion als Hausfieund des Munsters des Auswärtigen, des Fürsten von Ctnmay, in Brüssel eine Rolle. De Mondion sand in den Ministerien Zutritt, entwendete die Denk schrift aus dem Schreibtsicve des Munsters Tbouissen und übergab sie der französischen Regierung, die dem De Mondion 10 000 Francs als Extrabelobnung zutheilie. De Mondion war auch der Vertraute der Frau Adam, und seitdem gilt es in Frankreich als abgemacht, daß der König mit Deutschland geheime Abmachungen getroffen hat. Der König selbst hat vor einiger Zeit belgischen Deputirten gegen über erklärt, daß diese französischen Behauptungen reine Er- indungen seien, aber das nützt nichts; die Kieler Reise wird sie Geschichte von dem Geheimvertrage noch mehr in Schwung bringen. In das Idyll der von den Botschaftern cingeleitetcn griechisch-türkischen FriedenSverhandlungen bringt folgende Nachricht einen schrillen Mißklang: * Konstantinopel, 17. Juni. (Meldung des Wiener Corr.« Bur.) Nach Conjularmeldungen aus Janina bat eine aus 300 Mann bestehende griechische Bande bei Vovusa oberhalb Metzovo's die Grenze überschritten und ist von 2 Bataillonen mit einem Verluste von 100 Mann zurückgeschlagen worden. Ein drittes Bataillon wurde zu ihrer Verfolgung abgejchickt. Demnach sind es nicht nur die Türken, sondern auch die Griechen, welche die neutrale Zone unrespectirt lassen, und bei ihrem beiderseitigen,natürlich nur der „Vertheidigung" bienenden Vordringen sind sie mit einander handgemein geworden. Man braucht ja nicht zu befürchten, daß nun der Krieg sofort von Neuem ausbrechen werde, aber Eines bestätigt dies bewaffnete Jrrlichteriren, nämlich, daß es auf beiden Seiten mit den Friedensverhandlungen nicht ernst und ehrlich gemeint ist. Durch den jüngsten Zusammenstoß scheinen denn auch die Botschafter völlig auS dem Concept ge bracht zu sein. Tie für gestern angesetzte Sitzung zum Zwecke der Friedensverhandlungen ist, wie uns mitgetheilt wird, auf morgen verschoben worden. Vor aussichtlich wird die Unterbrechung noch länger dauern, und ein etwa folgender Zusammenstoß mit regulären griechischen Truppen könnte daS unS nicht unerwünschte Signal zum Vormarsch der Türken auf Athen abgeben. Dort scheint man übrigens doch allgemach mürbe zu werden. Wenigstens hält man den Gedanken einer Art Finanzcontrole nicht mehr für eine Beleidigung und völlig undiScutirbar. Der „Standard" - Correspondent in Athen hatte eine Unterredung mit dem Minister des Aeußeren SculudiS. Dieser bemerkte, er würde gern eine Garantie der Mächte für die Bezahlung der Krie g-ent- schädigung annehmrn und die Regierung würde dann den Mächten al« Gegengarantie die Auswahl auS verschie denen Staatseinkünften überlassen. Mit ComitsS von BondholderS wolle er weniger gern zu thun haben. Da- ist, wenn eS wahr ist, doch wenigstens etwa«. Aus Pretoria erhalten die „Berl. N. N." folgende« Kabel telegramm vom 17. Juni über den Abschluß deS (schon kurz erwähnten) Schutz- und TrutzbündnisseS zwischen Transvaal und dem Lranje-Areistaat: „Der zweite Ver trag zwischen dem Oranje-Freistaat und Transvaal, der heute vom VolkSraad deS Oranje-Freistaats ralificirt worden ist, beginnt in der Einleitung mit der Er klärung, daß beide Staaten einen Bund („teäeral uniow) abzuschließen wünschen, aber va zu der Verwirk lichung eines solchen einige Jahre nölhig sind, sich inzwischen über folgende Grundjatze geeinigt haben: l) Es soll zwischen beiden Staaten ewiger Frieden und ewige Freundschaft bestehen; 2) beide Staaten verpflichten sicv, sich gegenseitig mit allen ihren Kräften und Mitteln beizustehen, wenn die Unabhängigkeit des einen oder andren Staates bedroht ist, eS sei denn, es ließe sich beweisen, daß der bedrohte Staat im Unrecht ist; 3) beide Staaten kommen überein, sich gegenseitig über alle Angelegenheiten zu unterrichten, welche ihren Frieden und ihre Unabhängigkeit be- Fettrlleton. Zwei Frauen. 31j Noinan von F. Marion-Crawford. Nachdruck verboten. „Sie sind nicht dumm, Wastei, gar nickt dumm. Aber Sie meinten doch, der Rock würde Ihnen Glück bringen. Ich wundere mich, daß Sie sich nun so schnell von ihm trennen mögen." „Ist es nickt ein Glück, daß ich mehr dafür bekomme, als er mich kostete? Freilich — daS rechte Glück wäre ein hübsches Häuschen, darin zu wohnen, und eine gute Frau, mir die Kartoffelklöße zu kochen." „Sie wünschen sich erst das HauS und dann die Frau", bemerkte Bärbel. „Ganz recht, denn habe ich erst daö Häuschen, dann be komme ich auch schnell genug eine gute Frau. Ich bin kein junger Bursche mehr und habe mich in der Welt umgrtban. Wenn Sie daran dächten, sich zu verheiratben, Frau Bärbel, würden Sie einen Mann mit oder ohne Haus wählen?" „Pfui, Wastei, eine alte Frau wie ich denkt nicht ans Heiralben." „Unsinn", murmelte Wastei. Dann sagte er ein „Grüß Gott, Frau Bärbel!" wendete sich schnell ab und ließ sie allein zurück. Bärbel blickte ihm nach und in ihren scharfen Augen zeigte sich ein Ausdruck ungewohnter Zärtlichkeit. Er war in jüngeren Jahren ein sehr wilder Bursche, ein waghalsiger Wildschütz und in jedem Streit der Erste und Letzte, der Schrecken des Försters und seiner Leute und der Gegenstand deS bittersten Hasses für den alten Greisenstein, aber auch der Bewunderung sür alle Dorfmädchen zehn Meilen in der Runde gewesen. Immer war es ihm gelungen, unangefochten auS seinen Abenteuern hervorzugehrn, und niemals hatte man ihm eiiz« Verletzung der Jagdgesetze nachzuweisen vermocht. Endlich traf der Oberförster, der dem Burschen seiner Kühn heit und Geschicklichkeit wegen sehr gewogen war, ein Ueber- einkommen mit ihm und übertrug ibm ein kleine« Amt, das ihm eine ständige Beschäftigung im Walde anwieS. Von dieser Stunde an verzichtete er für immer auf Wilddieberei, um so seine Erkenntlichkeit sür die ihm erwiesene Güte zu bekunden. Bärbel konnte nicht umhin, dem treuen Menschen für seine vielfach erprobte Freundschaft gut zu sein. Tie Umstände zeigten Bärbel deutlich den Weg, den sie einzuschlagen hatte, um sich ihrer Aufgabe zu entledigen. Im Besitz von Wastei's Rock, durfte sie nickt länger zögern. Sie beschloß, Hilda so bald wie möglich aufzusuchen nnv daö Kleidungsstück wie den Brief ungesäumt ihren Händen zu übergeben. Mit dem Bündel umer dem Arm stieg sie die Treppe hinauf. Obgleich Hilda nicht ganz so früh aufgestanden war, als Bärbel, war sie um diese Zeit schon angekleidct und zu dem Morgenspaziergang bereit, den Greif un Sommer so sehr liebte. Bärbel begegnete Beiden in einem der Gänge des Schlosses. Arm in Arm, glücklich lachend und plaudernd, eilten sie vorwärts. Bärbel wollte sie an sich vorübergehen lassen, da Hilda nicht allein war, aber die junge Frau hielt sie auf. „WaS haben Sie da, Bärbel?" fragte sie, auf daS Bündel blickend. „Etwas von großer Wichtigkeit", antwortete Bärbel, „und wenn Sie einige Minuten sür mich übrig hätten —" „Ist es wirklich so wicktig?" erkundigte sich Hilda, auf den Arm ihres Mannes gestützt. „Sehr, und wenn Sie mir einige Zeit —" Bärbel warf Greif einen bittenden Blick zu. „Gut, Frau Bärbel", sagte Greif. „Ich habe noch Mancherlei zu tbun, Hilda. Beendige Du inzwischen Dein Geickäft mit Bärbel, und wenn Du fertig bist, hole mich oben auf dem Thurm ab. Dort wartet Jemand auf mick." Greif entfernte sich »nd ließ Hilda und Bärbel allein zurück. „Was ist daS?" fragte Hilda, die keine Zeit verlieren wollte, Greif zu folgen. „Es ist eine sehr ernste Sache und betrifft den Herrn Baron", antwortete Bärbel. Vielleicht wäre eS besser, gnädige Frau, wenn Sie mich auf mein Zimmer begleiteten." Hilda folgte ihr, neugierig, was voigefallen sein könnte und nicht ohne daS Vorgesühl drohenden Unbeils in ihrem Zimmer angelangt, verriegelte Bärbel die Thür. ES war ein gewölbte« kleine- Stübchen einfack, aber behaglich ein gerichtet. Hilda setzte sich und sah Bärbel etwas ängstlich luS Gesicht. „Es ist nicht« Schlimmes", sagte Bärbel, „aber es wird dem Herrn Baron Schmerz verursachen, und deshalb wendete ich mich zuerst an Sie. Ich habe hier einen Brief, den der alte Herr v. Greifenstein in der Nacht seine« Tode schrieb. Niemand kann ihm diesen Bries übergeben als Sie, gnädige Frau." Hilda zuckte zusammen. Alles, was an die furchtbare Tragödie erinnerte, war nothwendiger Weise schmerzlich und störend für den Frieden und die Ruhe ihres Gatten. „Einen Brief?" wiederholte sie leise. „Wo fanden Sie ihn? Seit Monaten wurde unaufhörlich darnach ge sucht. Wissen Sie ganz bestimmt, daß der Brief von dem alten Herrn kommt?" „Ohne einen ganz merkwürdigen Zufall wäre er Wohl auch jetzt nicht zum Vorschein gekommen", antwortete Bärbel, daS Bündel auSeinanderfaltend. „Das", fügte sie hinzu, den Sammelrock ausbreitend, „das ist der Rock, den der alte Herr Baron trug, als er sich erschoß." Hilda betrachtete schweigend das Kleidungsstück und schauderte bei der Erinnerung an Das, was es ihr ins Gevächtniß ruiückrief, obgleich sie keineswegs davon überzeugt war, daß Bärbel sich nicht täuschte. „Woher wissen Sie, daß eS jener Rock ist, Bärbel?" fragte sie endlich. „Er wurde in der furchtbaren Nacht von einem der Diener aus der Stadt, die immer in Greifenstein waren, gestohlen. Ihre Frau Mama merkte es nicht; der Diener trug den Rock zu einem Trödler, der ihn ein ganzes Jahr verschlossen hielt und ihn erst vor Kurzem zum Verkauf aus hing. Vor einigen Tagen kaufte ihn Wastei, um ihn bei der Taufe zu tragen." „Aber wieso kannte Wastei diesen Rock?" „Er errielh es aus diesen Zeichen." Bärbel zeigte Hilda den Rockkragen und deutete mit dem Finger auf jeden der Flecke. „Das sieht aus wie Rost", sagte Hilda. „ES ist daS Blut des allen Herrn Baron von Greifen stein", antwortete Bärbel feierlich, „die Kugel ging gerade durch das rechte Ohr, wie ich mehr als einmal von der Frau Baronin gehört habe." „Wo ist der Brief?" fragt« Hilda mit angstvoller Stimme. Bärbel schlug den Deckel ihres HolzkästchenS zurück und holte den Brief hervor, den sie in Hiloa's Hände legte. Hilda wandte ihn hin und her und sah von dem Brief aus een Nock und von dem Rock wieder auf den Briefumschlag, besten Adresse sie immer wieder la«. Hilda saß ganz still und überlegte, wa« sie thun könnt«. Die Lage war um so peinlicher, je einfacher sie war, denn ihre Pflicht schrieb ibr zweifellos vor, zu Greis zu gehen, ihm be« Brief zu geben und »hm ohne Aufschub bi« ganz« Wahrheit mitzutheileu. Er hatte ein Recht darauf, die Bot schaft seines verstorbenen Balers ohne einen Augenblick Verzug zu erhalten, und dennoch zitterte sie bei dem Gedanken, was folgen könnte. Ihr schönes Gesicht war bleich vor Be- sorgniß und ihre schönen strahlenden Augen von trüben Ge danken umschleicrt. Bärbel war tief bekümmert über das Ergebniß ihrer Entdeckung und versuchte Mittel ausfindig zu machen, die Lage zu verbessern. „Wenn Sie es mir gestatten wollen", sagte sie endlich, „würde ich mit dem Brief zu dem Herrn Baron gehen und ihm erklären —" „Sie?" rief Hilda beinahe zornig. „Glauben Sie, ick zögerte meinetwegen, Bärbel? An ihn denke ich und an das, was er leiden wird. Was ich darunter leide, daraus kommt cs nickt an. Es ist meine Pflicht, ihm den Brief einzu händigen, und ich muß sie thun. Bin ich seine Frau nur, wenn wir Sonnenschein haben und wir glücklich sind ? O, Bärbel, das sollten Sie doch besser wissen!" „Ich wollte Sie nur schonen, gnädige Frau", sagte Bärbel demülbig. Hilda blickte schnell auf und umfaßt die Hand der alten Frau mit der ihrigen. „Ich weiß es", erwiderte sie sanft und mit gütigem Lächeln, „aber Sie müssen immer zuerst an ihn denken, wenn Sie mich lieben". Bärbel hing den Rock an die Rückwand eine- großen Schrankes, der in ihrem Zimmer stand, faltete da« farbige Tuck zusammen, in das sie de« Rock eingebunden hatte, und steckte es in ihre Tasche. „Es gehört dem Wastei", saate sie zu Hilda, die ihr zusah. Tas Verschwinden de« Rocke« erinnerte Hilda an ibre Pflicht, rasch zu bandeln. Schweren Herzen« erhob sie sich. Im Begriff, da« Zimmer zu verlassen, kam ihr noch ein Ge danke in den Sinn und sie blieb wieder sieben. „Bärbel", sagte sie, „Mama darf nie erfahren, daß dieser Bries gefunden wurde, oder wenigsten« dürfen Sie nie gegen irgend Jemanden rin Wort davon verlauten lasten, und auch Wastei müssen Sie strengstes Schweigen auferlegen, Mama hat in ihrem Leben Kummer genug gehabt, und jetzt, wo sie so glücklich ist, wollen wir ihr nicht neuen geben." „Gur, gnädige Frau", antwortet« Bärbel, „ich werd« zu keiner Menschenierle darüber sprechen, und für Wastei stehe ich wie sür mich selbst." Hilra steckte den Brief ein und ging, ihren Gatten auf zusuchen.
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