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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970707020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897070702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897070702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
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Da trotz der Ausstreuungen einiger Blatter über eine Annäherung deS Neuen CurseS an den alten alle geübten politischen Zeichendeuter der Ueberzeugunz sind, der neue CurS werde der neue bleiben und also jeder Berechnung aus eine weitere Zukunft spotten, so werden mit besonderer Aufmerksamkeit und Spannung alle Kundgebungen ver folgt, von denen man vermuthen kann, daß sie dircct oder indirect von einer der bei der „Umbildung" der Regierung in den Vordergrund getretenen Personen herrühren und also wenigstens einen Schluß auf die nächste Wandlung in der inneren Politik Preußens und des Reiches gestatten. Aufsehen und Wohl auch Be stürzung wird daher in den Kreisen des CentrumS und seiner Anhängsel eine Auslassung der „Berl. Pol. Nackr.", die dem Finanzminister und Vicepräsidenten deS Preußischen Ministeriums I)r. v. Miquel neuerdings wieder näher gerückt zu sein scheinen, Hervorrusen; sie lautet folgendermaßen: „Herr vr. Lieber hat in der Rede auf Herrn vr. Windt- borst, welche er anläßlich der Einweihung der St. Ludwigskirche vor einigen Tagen gehalten hat, gelassen das große Wort ge- sprachen, daß die Entscheidungsschlacht, welche nach dem Aussprüche des Kardinals Manning auf märkischem Boden geschlagen werden soll, bereits geschlagen sei. Jener englische Kardinal meinte damit die entscheidende Schlacht, welche die Einheit des Glaubens und der Kirche durch den end- giltigen Sieg des Katholicismus über den Protestantismus wieder« Herstellen würde. Aus den hochgemuthen Worten des Centrums, sührers klingt daher die Ueberzeugunz heraus, daß, und zwar hauptsächlich durch die politische Machtstellung deS Centrums im Reiche, der Triumph der katholischen Kirche über die Reformation bereits besiegelt sei. Verdient dieses Wort auch in einem Reich- mit 60 Procent evangelischer Bevölkerung, wie Deutschland, und in einem Staate mit V, protestantischer Bevölkerung unter einem evangelischen Kaiser- und Königshause Beachtung und reiht es sich würdig jenem großsprecherischen Worte vr. Lieber's an, daß er den Kaiser schützen werde, so enthält cS vor Allem eine dringende Mahnung an de» Protestantismus, sowie au die evangelischen Kirchen und die geistigen und sittlichen Kräfte innerhalb derselben. Sie werden sich nach dem vr. Lieber'jchen Aussprüche mit der Ueberzeugunz durchdringen müssen, daß sie sich den Luxus gegenseitiger Bekämpfung und Anfeindung um vergleichsweise geringfügiger Einzelheiten willen nicht ferner ge statten dürfen, sondern sich aus der breiten gemeinsamen Grundlage des Glaubens und der Grsammtauffassung der Reformation fest zu entschlossener Abwehr gegen die Allen gemeinsam drohende Gefahr zusammenjchließen müssen. Nicht die geistige Kraft im gegenseitigen Kampfe fruchtlos auszubrauchen, sondern sie voll in den Dienst des deutschen reformatorischen Gedankens zu stellen, ist die Aufgabe der Zeit für den Protestantismus; es gilt den nachdrücklichen Beweis zu liefern, daß der deutsche Protestantismus den märkischen Boden in Gegenwart und Zukunft siegreich gegen den römisch-katholischen Ansturm auch dann behaupten kann, wenn diesem die politische Machtstellung des CentrumS secundirt." Wäre das die Auffassung des Herrn vr. v. Miquel und staubte er, daß sie nicht nur von seinen Ministercolleqen, ondern auch von dem StaatSoberhaupte in Preußen geteilt würde, so müßte man zunächst auch erwarten, daß nicht nur die preußischen Stimmen im BundeSrathe baldigst gegen die Aufhebung oder stückweise Abtragung des Jesuiten-Ge- etzeS, dessen Beseitigung oder Abschwächung zweifellos eine vesentliche Verstärkung der politischen Machtstellung des Zentrums bedeuten wurde, abgegeben würden, sondern daß auch von Seiten des CultusministeriuniS Alles unterbliebe, was einen Theil der Protestanten gegen einen anderen Theil in Nachtheil setzt und die entschlossene gemeinsameAbwehr derAllen gemeinsam drohenden Gefahr erschweren muß. Bis jetzt hat man von der Absicht des neuen CurseS, den preußischen Protestanten Vie Sammlung zum Abwebrkampse gegen den ultramontanen Ansturm zu erleichtern,nichts bemerkt; cS würde daher eine große Wandlung bedeuten, wenn der Auslassung der „Berl. Pol. R." eine programmmatische Bedeutung auch nur für die nächste Zukunft beizumessen wäre. Aber gerade desdalb wird das Centrum sich nicht allzusehr zu beunruhigen brauchen. Schiebt der Bundesrath sein Votum in der Jesuitenfrage noch weiter auf die lange Bank, so wird Herr vr. Lieber seine Sieges- zuversicht nicht zu dampfen nölhig haben. In dem gestern erwähnten Programm, das die „Kreuz zeit u n g " dem neuen Staatssecretair des Reichs-Postamt» nach drücklichst empfohlen hat, wird bekanntlich eine Vertheuerung der Eildepeschen und des Telephons in Vorschlag ge bracht; jene sollen vertheuert werden, weil besonders der „Groß handel" sie benutze, diese, weil die.^kreuzzeitung" annimmt, daß die Gebühren zur Verzinsung des veranlagten Capilals unzu reichend seien. Worauf diese Annahme sich gründet, verschweigt das conservative Blatt, daS die letzten Neichstagsverhandlunacn über den Postetat entweder ganz vergessen hat, ober geflissentlich ignorirt. In diesen Verhandlungen wurde sestgcstelll, daß das Telephon bisher allerdings noch keinen Ueberschuß ge bracht hat, aber nur deshalb höhere Erträge noch nicht ab wirft, weil die Einnahmen dazu benutzt werden, das Telephon netz weiter auSzubauen, so daß Deutschland ein mustergiltigeS Telephonnetz bat, ohne auch nur für einen Pfennig Anleihe zu machen. In welcher Weise aber das Telephonnetz nicht nur dem Großhandel, sondern beispielsweise auch der Industrie zu Gute kommt, hat der verstorbene StaatS- secretair v. Stephan selbst im Reichstage mitgetheilt; er sagte am 28. Januar d. I.: „In den Jndustriebezirken haben wir besondere Fernsprcchanlagen eingerichtet, und zwar im oberschlesischen Jndustrtebezirk, weicher die Kohlengruben, die Zink- und Galmeihütten, die Montan industrie umfaßt, haben wir 587 Fernsprechstellen und es werden dort täglich 7519 Gespräche geführt zwischen Kattowitz, MySlowitz, Tarnowitz u. s. w. Im rheinischen Setdenbezirk, Crefeld, Düren, M.-Gladbach u. s. w-, befinden sich 1655 Sprechstellen und es werden täglich 2L700 Gespräche geführt; dann in dem nieder- rheinijch-westfälischen Kohlen- und Jndustrtebezirk, also Hagen, Gelsenkirchen, sind 3245 Sprechstellen und eS werden 39210 Gespräche geführt; in dem bergischen Jndustriebezirk Remscheid, Solingen befinden sich 420 Sprechstellen mit 2967 Ge- sprächen; dann in dem Jndustrtebezirk der sächsischen und der preußichen Oberlau sitz, Bautzen, Görlitz, Reichenau, Löbau befinden sich 960 Sprechstellen mit 8460 Gesprächen täglich; dann haben wir noch Fernsprechnetze im Kreise Halberstadt, wo die Zuckertndustrle, die ja nur einige Monate im Jahre für ihre Thätigkeit in Anspruch nimmt, auch 400 Sprechstellen und 1884 Gespräche nöthig macht. Am bedeutendsten aber ist es in dem Districte Frankfurt a. M. mit den kleinen Städten im Rheingau und am Main; dort befinden ich 6205 Sprechstellen und eS werden täglich 67 000 Geipräche geführt. Dann haben wir noch den Bezirk der Leinwand- Weberei Hirschberg, Landhut u. s. w.; da sind 170 Sprechstellen mit 1561 Gesprächen täglich." „Sie werden mich immer auf dem Posten finden, wo es gilt, das Gescnnmtwohl des Volkes zu vertreten" — daS war das Schlußwort der dritten Rede, die an demselben Tage der sterbenskranke letzte Leiter der Reichspost hielt. Und das ist ein heiliges Vermächtniß für jeden seiner Nachfolger. Wir hoffen, Herr v. Podbielski werde aus den Vorgängen der letzten Tage die Lebre entnehmen, daß ihm nichts so sehr schadet, als die officiösen und parteipolitischen Versuche, seine Sache zu führen, und daß er für dieses Amt in erster Linie bemüht sein muß, sich aus dem Parteipolitiker zn der Odjec- tivilät eines Staatsmannes durchzuringen, denn nur ein solcher vermag, „in Würde sich zu fassen — Auf dem Stuhl, den Stephan lecrgelassen". Die spanische Sache aus Cuba steht nicht so günstig, als es die Madrider Situationstelegramme der letzten Wochen dem Publicum einzureden trachteten. Wenngleich Amerika einstweilen noch in vorsichtiger Zurückhaltung verharrt, so bildet doch die Annexion Hawaiis ein einigermaßen ver dächtiges Präcedens. Die gleichen Interessen des in Washington allmächtigen Zuckertrusts, die zur Hissung des Sterneuvanners in Honolulu führten, machen den Anschluß auch des zuckerproducirenden Cuba an die Union in irgend einer Form Wünschenswerth und bedingen einen mächtigen Ansporn deS Flibustierthums, das den Rückhalt des kubanischen Ausstandes bildet. In Madrid verhehlt man sich das Mißliche der ganzen Lage keineswegs und siebt mit wach sender Spannung dem Eintreffen des für den Madrider Posten neuernannten amerikanischen Gesandten, Generals Woodford, entgegen. Derselbe gedenkt Amerika in den letzten Tagen des Juli zu verlassen, und da er zunächst noch in London und Paris Station macken will, dürste sein Eintreffen in Madrid kaum vor Ende August zu gewärtigen sein. In den politischen Kreisen der spanischen Hauptstadt nimmt man an, daß mit der Ankunft General Woodford's ein frischer Zug in die diplomatische Action kommen werde, ohne sich zu verhehlen, daß die Verhandlungen möglicherweise einen minder erwünschten Verlauf bringen können. Dem „NewDork Herald" zufolge soll General Woodford vom Präsidenten Mac Kinley persönlich sehr bestimmte Weisungen erkalten haben, die auf die Alternative binauSkämen: Freigedung CubaS oder aber Einmischung Amerikas. Natürlich ist das nur ein Fühler, der mehr dem Wunsche der amerikanischen Cubafreunve als dem thatsächlichcn Sachverhalt entspricht. Nach dem Madrider „Heraldo" bezöge sich die Instruction Genera Woodford's nur auf die Dauer deS kubanischen Feldzuges und auf die den amerikanischen Staatsangehörigen auf der Perle der Antillen dadurch erwachsenden Scvädigungen. Aber selbst in dieser etwas freundlicheren Beleuchtung präsentirt sich der spanisch-amerikanische Interessengegensatz immerhin noch gerade bedenklich genug. Svanien hat so oft und so entschieden erklärt, in seinem Streit mit Cuba sich von Niemandem dreinreden lassen zu wollen, daß es mit Ehren nicht zurück kann. Andererseits wird es dem Washing ¬ toner Cabinet, nachdem es in der Hawaii-Affaire einmal 7 gesagt hat, immer schwerer, das kubanische B noch auf un bestimmte Zeit unausgesprochen zu lassen. Dazu kommt, daß die militairische Action Spaniens auf Euba infolge Eintritts der Fiebersaison wieder einmal zu mehrmonatigem Stillstände verurtheilt ist. Inzwischen macht die Schwächung der spanischen Finanzen Und Streitkäfte weitere Fortschritte, während der Ausstand Zeit gewinnt, zu neuen Kräften zu kommen. An Einführung von Reformen ist nickt zu denken. Tie Stimmung der Cubaner ist nicht zur Versöhnung auf gelegt, und General Weyler nickt der Mann, eine diplomatische Pacfficirung durchzusühren. So geht denn der Verblutungs- -roceß seinen Gang. Die Türkei scheint in der Thal die Mächte narren zu wollen. Von Tag zu Tag wartet man auf bestimmte Nach richten wegen des Friedensschlusses und von Tag zu Tag werden die Depeschen lakonischer. Die letzte Depesche sprach von einer Antwort der Pforte aus die Note der Mächte, was aber in dieser Note und Antwort gestanden hat, ist bei der am goldenen Horn beliebten Schreibweise nicht zu ent decken. Die zwei Strömungen, die am Hofe des Sultans einen Einfluß haben, hallen sich vorläufig noch die Waage, und es scheint fast, als ob der dem Frieden feindliche Groß vezier durch Tcwfik Pascka ersetzt werden solle, damit wenigstens die Verhandlungen eine Gestalt gewinnen. Wenn dies aber auch eintritt, so dürfte auf ein endgiltiges Abkommen noch lange nicht zu rechnen sein. Die Türkei hat den Trumpf in der Hand, sie wird nicht geneigt sein, ihn aus der Hand zu geben und sich mit Versprechungen für die von ihr gebrachten Opfer bezahlt zu macken. Sie hat Thessalien im Besitz und diese beste Provinz Griechenlands will sie natürlich besetzt halten, so lange noch eine Drachme grie chischer Kriegsentschädigung zu zahlen ist. Wie lange das freilich dauern wird, das ist bei dem Sträuben Griechen lands gegen eine Finanzcontrole der Mächte nicht abzu sehen und daher ist auch an eine Räumung Thessaliens nicht zu denken. Das wissen die Türken und sie verfahren nun mit Thessalien wie Oesterreich-Ungarn mit Bosnien und der Herzegowina. Sie richten sich häuslich ein. So ist der Präfecl von Saloniki nach Larissa versetzt worden und er bat eine ganze Menge Unterbeamte mitgebracht, der Scheich- ül-Jslam hat für die thessalischen Städte Priester, Moschee beamte und geistlicheRichter ernannt, bei Larissa,Volo,Damokos werden Befestigungen errichtet und inan spricht sogar von einem Plane deS KriegsministeriuniS, ausländische Ingenieure heran zuziehen und ein System in die Befestigungen zu bringen, insbesondere das Olhrysgebirge mit einem Gürtel von Forts zu spicken, deren Feuerschlünde sich jedenfalls nach Süden richten werden. Da sie Niemand hierin stört, ist eS kein Wunder, wenn den Türken der Kamm schwillt, wenn sie, auf die Ohnmacht der Mächte bauend, sich mit 15 000 Mann Truppen ganz festsetzen und lächelnd fragen, wer sie nun Wohl auS der Kornkammer Griechenlands vertreiben wolle. Ja in Konstantinopel gebt man noch weiter und läßt die Bewohner von Tripolis bewaffnen und sie militairisch drillen, weil man von den sehnsüchtigen Blicken Italiens nach dieser afrikanischen Besitzung weiß und ihm durch diese Truppenorganisation in Tripolis den Wunsch nach weiteren kriegerischen Abenteuern und afrikanischen Colonien austreiben möchte. Italien wird ja nun gewiß seine verbrannten Finger von neuen kriegerischen Unternehmungen lasten, wenn auch das ostentative Vorgehen der Türken in Tripolis etwas herausfordernd aussieht. Geht es doch seiner Heeresabtheilung in Gemeinschaft mit der öster reichischen in Kreta nicht bester. Denn als eine italienisch österreichische Truppenabtheilnng einen Marsch an der Küste nach Platania unternahm, wurde sie von Aufständischen beschossen. Von einer Erwiderung des Feuers verlautet nun nichts, wohl aber, daß die Truppen einen Parlamentair zu den Aufständischen geschickt haben, und nun antworten Fenrlletsn» Nanny Trauner. 13s Roma« von L. Schroeder. Na-drock «krbotni. „Was für ein Gemälde, Onkelchen, das Deine Nichte — sobald man eS im Museum aufgehänat — selbst zu sehen ginß, von dem sie Dir nach ihrer Rückkehr gar nicht genug erzählen konnte, von dem —" „Gott bewahre mich vor dem Redefluß!" lachte der Ober förster, sich die Ohren zuhaltend. „Mir ßeht ja schon ein Riesenlicht auf. Hatte eS nicht etwa« mit Johannes dem Täufer zu tbun?" „Ganz richtig, der Tanz der Salome war's. — Aber nun sag' einmal, Onkel, sollte er es wohl sein — der Maler, meine ich?" „Warum nicht? ES wird ja nicht gleich zwei geben, die Franz Flemming heißen." „Das denke ich auch. Oh! Onkel —" „Nun, Kleine?" Nanny hatte sich ganz überwältigt wieder auf ihren Stuhl sinken lassen. Jetzt schlug sie die Hände vor der Brust zusammen und sagte, die Schultern ein bischen hockziehend, wie aus ihrem innersten Gefühl heraus: „Der Gedanke, Onkel, daß solch ein Mann da oben liegt — in unserem gewöhnlichen Fremdenzimmer —-?" „I was? Gewöhnlich? Hat schon einmal der Fürst d'rin geschlafen!" brummte der Oberförster. Nannv hörte ihn nicht. „Und der Gedanke", fuhr sie mit derselben Inbrunst fort, „daß er in unserem Walde um ein Haar todtgeschossen worden wäre!" „Na, nal man schießt die Leute nicht durch den Arm todt." „Aber man lähmt sie mitunter! Oh! Onkel, e- ist der rechte Arm, der, mit dem er malt — wenn er nun steif bliebe?" „Wollen wir nicht hoffen!" Der Oberförster nahm seine Lectüre wieder auf, aber die blauen Augen seiner Nichte, die stumm abwartend an ibm haften blieben, gestatteten ihm nicht, sich tief hinein zu ver sinken. „Quälgeist!" rief er endlich, das Blatt bei Seite schleudernd. „Was ist denn nun schon wieder?" „Ack! Onkelchen, verzeih! Ich wollte nur fragen, ob Du ;eute Morgen schon im Walde gewesen bist?" „Versteht sich, Langschläferin! Vor zwei Stunden schon — mit dem Friedrich." „Ah! Und habt Ihr etwas gefunden — etwas Ver dächtiges?" „(geknickte Zweige und einen schwarzen, weichen Filzhut." „Weiter nichts?" „Ist vorderhand schon genug. DaS Hutfutter zeigt in goldenen Lettern den Namen eines New Aorker Fabrikanten und irgendwo in der Nähe wird auch, denke ich, gestern Nacht ein Mensch mit unbedecktem Kops ausgetaucht sein, der es eilig hatte." „Eine Ahnung hat Wohl Niemand?" Der Oberförster blickte sekundenlang sinnend vor sich hin und bemerkte dann, die Augenlider hebend: „Weißt Du, wen sie gesehen haben wollen — gestern vor Anbruch der Dunkelheit m>. Walde herumstreichend? — Den Anton von der Mühle, den hübschen Burschen — erinnerst Du Dich nicht?" „Onkel, eS ist nicht möglich! Der Anton ist vor Jahr und Tag auSgewandert." „Nach Amerika, nicht? New Jork liegt in dem Lande." „Onkel, ich kann mirS nicht denken!" „Sieh auf der Karte nach!" „WaS hätte der Anton gegen den Professor?" „Gar nicht- — höchst wahrscheinlich. Der Professor wird dazu gekommen sein, als der LiebeSzwist, von dem Du erzählst, «ine schlimme Wendung zu nehmen drohte, wird sich ein gemischt und bei der Gelegenheit unversehens den Schuß weggekriegt haben." „Du glaubst also, der Anton hätte im Schloß eine Ge liebte gehabt?" „Warum nicht? Di« Mädel- waren ja sämmtlich in ihn vernarrt." „Onkel, eS sollte mir furchtbar leid thun um den Anton!" „Mir auch." Der Oberförster war seinen Berus-gesckäften nachgegangen, aber eS dauerte noch ein Weilcken, bis Nanny sich mit dem Staubtuch an die ihren machte. Dir Hände in die Täschchen ihrer weißen Schürze, mit gesenkter Stirn stand sie da und dachte an Müller'- Anton — WaS für ein treuherziger Junge er gewesen, WaS für ein netter Mensch er geworden und wie ihm vor Jahr und Tag, als er daS Unglaubliche gewagt, sicherlich ein Anfall des WabnsinnS gekommen und gestern wiederum einer — immer vorausgesetzt, hieß das, daß er die Mffselbat gestern wirklich begangen hatte, was ja noch gar nicht erwiesen war — noch gar nicht erwiesen! Nanny hob herausfordernd die Stirn, nickte «in paar Mal und begab sich dann an ihre Arbeit. Ob sie wohl mit all' ihren Gedanken dabei war heute Morgen? Es schien kaum so. An einigen Möbeln putzte und rieb sie herum, bi- sie sich vor eitlem Glanz nickt zu fassen wußten, andere dagegen durften ihr staubiges Nachtmantelchcn anbebalten. Unten im Gcflügelhof aber vergaß sie den großmütbigen Hennen die Eier abzunehmen, mit denen sie in aller Frühe die Welt beschenken, und bei der großen Futter- vertheilung ließ sie den gefräßigen alten Hahn auf Kosten der unmündigen Küchlein speisen. ES war mäuschenstill im Hause, als Nanny e» nach be endigtem Geschäfte durch die HintertbÜr wieder betrat. „Ruhe vor allen Dingen!" hatte ja auch Dvctor Winter be fohlen, deshalb stahl sie selber sich aus lautlosen Sohlen die Treppe hinan. Die Thür deS Fremdenzimmer« stand an gelehnt — sie sah eS schon von Weitem. Ob man den Kranken auch wohl versorgt hatte? Sie dürfte wohl einmal Nachsehen? Ja, sie durfte es — Susanne, die ihr eine Einmischung vielleicht Übel genommen hätte, war unten in der Küche be schäftigt. Nur vorwärts also! Ach! eS war ja nicht der Gedanke an Susanne, der ihr Herz hörbar klopfen machte! ES war die Scheu vor der großen Berühmtheit, die der Raum da barg. Eine Keckbeit sondergleichen schien e» ihr, die Sckwelle zu überschreiten, — aber plötzlich hatte sie e» doch gethan Die Hand auf die Brust gepreßt, stand sie da, und langsam, zagdaft hob sie die Wimpern zu einem Blick nach dem großen Himmel bett hin. Jetzt sah sie — und jetzt war ihre Scheu wie wegaeweht. . . — . Der arme, arme Mann! Hilflos wie ein Kind lag er in den Kissen, den kranken Arm verbunden, die Lider geschloffen. Er schlief wohl? Nein, die Athemzüge waren nicht regel mäßig wie die eines Schlafenden — eben schien es auch, als bewege er die Lippen. Flüsterte er? Nanny schlich sich auf den Zehenspitzen bis an da Bett, beugte sich über ihn und horchte. — „Wasser!" hatte er geflüstert. Da wollte sie rasch hinuntcrlaufen, Susanne rufen und — Aber wozu den Dürstenden warten lassen? Dort auf dem Tischchen stand ja Vas gefüllte Wasserglas. Mit der einen Hand nahm sic es, mit der anderen hob sie dem Leidenden sanft das Haupt. Der that, ohne die matten Lider aufzuschlagen, einen Zug und sank, einen kaum vernehmbaren Dank murmelnd, zurück. Nun war er entschlummert und nun konnte Nanny, binter der rothen Bettgardine verborgen, das Antlitz ibrcS Reisegefährten vom vorigen Winter prüfend betrachten. Der dunkle Bart war ihr erinnerlick, allein die Züge — ob sie sich die Züge in jener aufgeregten Nacht gar nicht ordentlich an gesehen hatte? Das mochte wobl sein, denn, wenn sie sich recht besann, so hatte sie den hilfsbereiten Fremden, als er sich dann in Hellbronn noch einmal aus dem Coups gebeugt, einzig an dem Vollbart und der grauen, englischen Reise mütze wiedererkannt. Aber — merkwürdig! — was sie in ihrer Erinnerung wiederfand, genau so wiederfand, war die langfingerige Künstlerland mit den selten woklgesormten Nageln, die ihm da aus der Brust lag! Merkwürdig und räthselhaft zugleich! — denn es war nicht anzunebmen, daß Professor Flemming wie alle anderen vernünftigen Leute in jener bitterkalten Januarnackt Handschuhe getragen hatte? Mit einem Lächeln der Verwunderung auf den Lippen stahl fick Nanny zur Thür hinaus. XI. Capitel. Au- Nanny's Tagebuch. Den 28. August 1886. Der Onkel bat gut sagen: „Man schießt die Leute nicht durch den Arm todt." Da- war dock noch recht fraglich die Zeit her. Eine furchtbar bange Zeit! Man wagte nicht zn athmen, kaum auf den Zehenspitzen zu schleichen. Jetzt ist, wie Doctor Winter mein», die Gefahr vorüber und jetzt spiele ich Krankenwärterin — Nachmittags, während Susanne schläft. Der Onkel nickt mitunter durch di« offene Thür herein und brummt: „Arme« Kind! Die letzten schönen Sommer tage!" Al- ob e« mir nicht «ine Freude wäre und die beste Gelegeubeit noch dazu, seine dicken Winterstrümpfe fertig zu stricken!" In dem großen Lehnstuhl, neben dem verhangenen Fenster
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