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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970708021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897070802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897070802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-08
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Gröbere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunz; 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. —»«s—v-»— Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. -ftorge n - Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 343. Donnerstag den 8. Juli 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juli. Die „Norddeutsche Allgem. Ztg." hat dieser Tage die „Schwarzseher" mit der Behauptung zu beruhigen ge sucht, eS liege kein Anzeichen vor, daß Vie „neue Aera" andere Ziele verfolgen werde, als sie bisher von der StaatS- regierung verfolgt wurden. Nun, zu den Zeichen der Zeit gehört jedenfalls die Tonart, welche die unter der Verantwortung der conservativen Parteileitung erscheinende „Eonscrvative (Korrespondenz" anschlägt, in der die Wünsche und Hoffnungen der Parteiführer zum AuSdrucke gelangen. Dieses Organ erwirbt sich daS Verdienst, klar und deutlich zu zeigen, waS von einem conservativen Parteiregiment, wie eS angestrebt wird, die anderen Parteien ohne Ausnahme zu erwarten haben. Die „Cons. Corr." schreibt, nachdem sie selbst scharfe Kritik an dem zurückzetretenen Minister von Boetticher geübt, über die Bedenken, die in der Presse gegen die Ernennung des Generallieutenants v. Podbielski zum StaatSsecretair des Reichspostamts laut geworden sind: solche Kritiken grenzten „insofern an MajestätSbeleidigung, als die Blätter, die sich dergleichen anmaßen, die Urtheilskraft Sv. Majestät des Kaisers anzweifcln". DaS „grenzen" beruhigt uns nicht und wird Niemand beruhigen, der weiß, wie die Herren v. Manteuffel, v. Puttkamer und Graf Lim burg-Stirum die politischen Reckte Anderer, ihnen nicht Gefolgschaft Leistender schätzen. Aus dem „grenzen" wird ein „sind" werden, sobald man noch etwas weiter ist, und die Staatsanwälte werden sich danach zu richten haben. Was die Gerichte anlangt, so hat daS Vertrauen nach dieser Richtung, in Preußen wenigstens, schon eine Erschütterung erfahren. Man erinnert sich, daß der Vorsitzende einer Berliner Strafkammer, der in einer Majestätsbcleidigungssacke ein freisprechendes Urtheil gefällt hatte, wider allen Brauch ungefragt an einen Civilsenat versetzt und dadurch zur Einreichung seines Abschiedsgesuches veranlaßt worden ist. An der Auf forderung der „Conservat. Correspond.", die politische Kritik durch die Gerichte mundtodt zu machen, ist poli tisch das Beachtenswertheste das Sicherheitsgefühl, daS sie verräib. Wenn man die Anzweifelung der Zu länglichkeit eines Ministers oder StaatssecretairS als strafbare Anzweifelung der Urtheilskraft deS Monarchen anzusehen bat, so ist es die konservative Partei, die durch ihre Presse und ihre Redner die strafrechtlich nicht un bemakeltste Vergangenheit hat. Sie hat nach der soeben vom osficiösen Parteiorgan bekundeten Auffassung in den letzten fünf Jahren die Urtheilskraft deS Monarchen nicht etwa angezweifelt, sondern geleugnet in der „Kritik" über den Grafen Caprivi and Herrn v. Marschall, Minister, die nicht nur von dem jetzigen Kaiser in ihre Aemter berufen waren, sondern auch -m Sinne deS Kaisers gerade diejenige Politik machten, >ie von den Conservativen am schärfsten kritisirt worden ist. So verdankt z. B. der zweite Reichskanzler seinen Grasen titel notorisch dem Zustandebringen der Handelsverträge. Wenn die neueste conservative Jurisprudenz von 1892 bis in das laufende Jahr hinein die herrschende gewesen wäre, so hätten sich die deutschen Gefängnisse mit konservativen Publicisten und Rednern füllen müssen, und mehr noch als dem verehrungswürdigen Publicum in der conservativen Welt hätte dem hohen Avel unfreiwillige Zurückgezogenheit geblüht. Herr v.Diest, der bekanntlich seine „Majestätsbeleidigungen" in außerordentlich unehrerbietige Form gekleidet hatte, wäre gewiß nicht unter drei Jahren davongekommen und Herr v. Ploetz hätte da- Sonnenlicht überhaupt nicht zu sehen gekriegt. Da diese Herren und ihre Freunde auch künftighin gewiß nicht eingesperrt werden wollen, so müssen sie, wenn sie nun mit einer Gesetzesauslegung hervortreten, die jede Kritik vom Kaiser in Staatsämter berufener Persönlichkeiten, sowie jeder politischen Maßnahme ausschließt, sich zu der Hoffnung berechtigt halten, durch eine allen ihren Wünschen entsprechende Leitung der Staatsgeschäfte jeder Nothwendigkeit zur Opposition enthoben zu werden. Daß die Conservativen ihre Doktrin zum ersten Male auf Herrn v. Podbielski appliciren, ist bezeichnend, denn dieser neue StaatSsecretair ist völlig einer der Ihrigen. Anderen, denen man die Deckung ihrer Person durch die Person deS Monarchen gönnt, wird wohl mit gutem Grunde entgegengesehen. Und deshalb ist die Aufforderung der „Cons. Corr." bitter ernst zu nehmen. Waö sie zu bedeuten hat, braucht nicht mehr auSeinandergesetzt zu werden. Es genügt, hervorzuheben, daß ein Ausdruck des Bedauerns über die Entlassung des Fürsten BiSmarck als Anzweifelung der Urtheilskraft des Kaisers ebenso strafbar wäre, wie das Eintreten für Panzerschiffe in einem Zritpuncte, wo die Vermehrung der Kreuzer vom Monarchen für dringlicher erachtet wird. Es ist mit einem Wort der Zustand orientalischen Des potismus, nach dem die conservative Parteileitung als einem von unserer Gesetzgebung verlangten begehrt, und das Element, welches jene Parteileitung bildet, „die kleine, aber mächtige Partei", ist seit dem Tode Friedrich Wilhelm's IV. niemals auch nur annähernd so mächtig gewesen, wie heute. Das Vereinsgesetz der preußischen Regierung, das eine Be handlung der bürgerlichen Parteien ückiscrotiou vorsah, ist todt. Wäre eS am Leben, so würde die SinneSoffenbarung der Partei des Herrn von der Necke und der zahllosen Putt kamer einen zwingenden Grund bilden, eS umzubringen. Nachdem die „Nordd. Allg. Ztg" angekündigt hatte, es werde demnächst eine Kundgebung der rheinisch-west fälischen Großindustrie zu Gunsten der Annahme der preußischen Vereinsgcsctznovcllc durch das Abgeordneten haus nach den Beschlüssen des Herrenhauses erfolgen, hat am Montag in Düsseldorf der Vorstand der nord westlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl-Industriellen einstimmig eine solche Kund gebung beschlossen. Wie groß die Zahl der Versammelten war und welcher politischen Richtung diese angehörten, wird in dem Berichte der „Berl. Pol. N." nickt gesagt; mit um so größerem Nachdrucke wird betont, daß der Vor sitzende des „Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund" versichert habe, „der ge- sammte Kohlenbergbau theile das Verlangen nach Annahme des Vereinsgesetzes, das jetzt als ein wesentlich abgesckwächtes Socialistengesetz zu bezeichnen sei". Jedenfalls ist es sehr begreiflich, daß besonders die Vertreter der Eisen- und der Koblenindustrie daS Fallenlassen deS alten Reichs- SocialistenaesetzeS schmerzlich empfinden und als einen schweren Fehler beklagen, der auf irgend eine Weise wieder gut gemacht werden müsse. Aber kein Fehler wird durch einen zweiten gut gemacht. Und ein solcher würde es sein, wenn die preußische Vereinsgesetznovelle nach den Be schlüssen desHerrenhauseS vom Abgeordnetenhause angenommen würde. Allerdings würden die socialdemokratischen unv anarchi stischen Versammlungen, die den Vertretern der Eisen- und der Kohlenindustrie im rheinisch-westfälischen Industriegebiete das Leben und Arbeiten sehr sauer machen, mit Hilfe eines solchen Gesetzes ganz wesentlich eingeschränkt werden können, aber je größer diese Einschränkung sein würde, um so energischer würde die socialdemokratischr Agitation in der Presse werden, die von dem Gesetze nicht betroffen wird und nicht betroffen werden kann, da daS Reichspreßgesetz durch einzelstaatliche Gesetze nicht abzuändern ist. Und diese Verstärkung der socialdemokratischen und anarchistischen Preßagitation würde nicht nur daS rheinisch-westfälische Industriegebiet, sondern das ganze deutsche Reich treffen, am aller schlimmsten und schwersten diejenigen Einzelstaaten, in denen die politische Gesammtrichtung der Volksvertretung die Be folgung des preußischen Beispiels unmöglich macht. Standen nicht solche Folgen in Aussicht, so würde dock gewiß der Baler des allen Socialistengesetzes, Fürst Bismarck, seine Stimme nachdrücklickst zu Gunsten der vom Herrenhause der Vereinsgesetznovelle gegebenen Fassung erheben. Aber gerade er, den die rheinisch-westfälischen Eisen- und Kohlenindustriellen so hoch zu verehren vorgeben, läßt in den „Hamburger Nachrichten" nachdrücklich vor der Beschreitung dieses Weges warnen und immer und immer wieder darauf Hinweisen, daß der im Reiche durch den Verzicht auf das Socialistengesetz gemachte Fehler nur durch die Reichsgesetzgebung wieder gut gemacht werden könne. Immer und immer wieder fordert er den BundeSrath auf, mit dem Entwürfe eines neuen Socialistengesetzes vor den Reichstag zu treten und diesen, wenn er versagt, auf zulösen. Daß die in Düsseldorf versammelt gewesenen Herren mit ihrem Rathe nicht den des Fürsten Bismarck, sondern den der conservativen Parteien unterstützen, führt zu der Vermuthung, daß sie weniger biSmarckisch, als partei-conser- vativ sind und mehr eine parteipolitische Absicht verfolgen, als nach einem wirksamen Mittel zur Austilgung der Wurzel des Uebels trachten. Wie wenig übrigens gerade die con servative Partei Anlaß hätte, sich jetzt so eifrig für ein preußisches Socialistengesetz ins Zeug zu werfen und dessen Gegner mit Vorwürfen zu überschütten, geht aus der Stellung hervor, die sie im Jahre 1892 auf dem Tivoli parteitage gegen Ausnahmegesetze nahm und an die jetzt die „Zeit" zur rechten Zeit erinnert. Auf diesem Parteitage wurde der Antrag gestellt, aus dem Entwürfe des Tivoli programms die Worte: „daß die Socialdemokratie mit den Machtmitteln deS Staates zu bekämpfen sei", zu streichen. Hierzu erklärte der conservative bayerische Landtagsabgeordnete Beckh: „Ich will Niemandem einen Vorwurf machen, der damals für das Socialistengesetz gestimmt hat. Aber jetzt soll man auch die Todten bei den Tobten lassen und nicht von neuen S o c i a l i st e n g e s e tz e n reden." Und Stöcker, damals noch Mitglied der conservativen NeichS- und Landtagsfraction, sagte: „Der seit Langem wieder zum ersten Male versammelte conservative Parteitag muß bestimmt erklären, daß er keine Ausnahme gesetze will. Nicht aus Oportunität, sondern aus Princip bin ich dafür, daß wir diese Worte streichen. Arbeiten wir immer an der Seele des Volkes! Dann brauchen wir kein Socialistengesetz." „Lebhafte Zustimmung" und „stürmische Zustimmung" verzeichnet der Bericht hinter den beiden Haupt sätzen. Sogar der vorsichtige Herr v. Rauchhaupt, seiner zeit Führer der Conservativen im preußischen Landtag, er klärte mit aller Bestimmtheit: „Streichen Sie, wenn und was Sie wollen. (Lebhafter Beifall.) Wir haben auch niemals das Socialistengesetz wieder gewollt." Niemand aus der Versammlung widersprach der Streichung, Niemand protestirte gegen die Deutung, die der Streichung beigelegt wurde. Einstimmig gelangte sie zur Annahme. Während der ersten Tage dieses Monats hat sich der italienische Senat mit dem Gesetzentwurf über die Unfall versicherung der Arbeiter beschäftigt. Es ist dies die schon so viel besprochene Vorlage, die seit 14 Jahren zwischen dem Handelsministerium, der Kammer und dem Senat hin und her wandert und trotz der verschiedenartigsten Ein kleidungen doch niemals daS Glück hatte, allen dreien gleich zeitig zu gefallen. Diesmal scheint cs ihr endlich gelingen zu sollen, Gnade vor den Augen aller gesetzgebenden Factoren zu finden, denn der Senat, der sie bis jetzt am wenigsten freundlich behandelt hatte, ist zu einer Einigung mit der Regierung über die wesentlichsten Streitpunkte gelangt. Das schwerste Hinderniß für die Annahme der Vorlage war dem Senat der Artikel 22, der von dem Fortbestehen der civilrechtlichen Verantwortlichkeit deS Arbeitgebers für die Folgen eines Unfalls bei der Arbeit auch nach der Durch führung der durch daS Gesetz aufgestellten Versicherungspflicht bandelt. Der Standpunkt der Großindustriellen, baß es ungerecht sei, ihnen zuerst gesetzlich die Kosten für die Ver sicherung der Arbeiter aufzubürden und sie dann der Möglichkeit bezw. Gewißheit auszusetzen, für jeden ein zelnen Unfall eines Arbeiters civilrechtlich noch zu einer besonderen Entschädigung verurtheilt zu werden, fand wie früher so auch diesmal im Senat eifrige Ver fechter. Es handelte sich also darum, eine Verständigung über die Grenzen dieser civilrechtlichen Verantwortlichkeit zu finden. Mit dem Senatsaussckuß hat sich der Handels minister Guicciarbini über eine Fassung geeinigt, nach welcher die civilrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers nur in den Fällen fortbestehen soll, wo der Arbeitgeber strafrechtlich wegen schwerer Verschuldung an dem Unfall verurtheilt worden ist. Diese Fassung genügte manchen Senatoren noch nicht, um den Arbertgeber wirksam zu schützen, und sie beantragten bei der Plenarberathung eine Abänderung, wonach die civilrechtliche Verantwortlichkeit nur bann bestehen solle, wenn dem Arbeitgeber ein äolus oder eine Nichtbeachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Sicher heitsmaßregeln nachzuweisen sei. Diese Aenderung wurde von der Mehrheit deS Senats abg« lehnt, dagegen wurde im Einverständniß mit der Negierung eine andere Ab- Lneerung gutgeheißen, nach welcher eine civilrechtliche Verant wortlichkeit des Arbeitgebers für die Folgen des Unfalls in zwei Fällen ausgeschlossen ist; nämlich erstens, wenn der Unfall ausschließlick der Unerfahrenheit oder Nachlässigkeit des Arbeiters zuzuschreiben ist, und zweitens, wenn der Fall so lag, daß eine strasrechliche Verfolgung deS Arbeitgebers nur auf Antrag erfolgen konnte. Die Regierung hofft, daß der Artikel 22 in dieser Fassung auch für die Beralhung in der Kammer keinen Stein des Anstoßes bilden werde, und daß sie endlich nach 14jährigen Bemühungen die Unfall versicherung gesetzlich einführen könne. Der Streik der Maschinenbauer in England nimmt einen ernsten Charakter an. Alle Mitglieder der „Verschmolzenen Gesellschaft der Maschinisten", der „Gesell schaft der Kesselmacker", der „Gesellschaft der Messing Finisher", der „Gesellschaft der Schmiede und Hämmerer", der „Londoner und Provinzial - Gesellschaft der Kupfer schmiede", der „Gesellschaft der Bohrer" und der „Ge sellschaft der Maschinenarbeiter" haben am vergangenen Sonnabend in den Maschinenanstalten der Firmen Humphreys L Tennant, Thornycroft, Middleton, Silver und Henley die Arbeit niedergelegt. Die Zahl der Streiker beträgt im Ganzen 4000 Mann. Nur ein Gewerkverein be- FerrrHatsn» Nanny Trauner. 14) Roman von E. Schroeder. Nachdruck verboten. Ob die Hand, die er ihrem Fuße bot, immer noch zitterte? Gewiß ist, sie strauchelte, als sie sich auf daS Pferd schwingen wollte, und wäre gestürzt, wenn er sie nicht in seinen Armen aufgefangen hätte. „Dank!" murmelte sie und hob die Finger, seine Be rührung abzustreifen, aber — er ließ sie nickt. „Anton!" rief sie empört. Dock er hielt sie wie in eisernen Klammern; glühend wehte sein Athem über ihre Stirn, und wie sie aufblickte und der flammenden Wildheit seiner Augen begegnete, da faßte die Todesangst ihr Herz. Einen verzweifelten Versuch machte sie, sich zu befreien, ihre ganze Körperkraft zusammennehmend, stemmte sie sich gegen den Entsetzlichen — eS half ihr nichts. Da warf sie den Kopf in den Nacken und stieß einen gellenden Hilferuf aus. Der verklang, und bevor sie ibm einen zweiten nachschicken konnte, schloffen Küsse ihren Mund — fürchterliche Küsse, unter denen sie in die Kniee brach, unter denen ihr die Sinne schwinden wollten, als der Zufall den alten Herrn von Hell bronn herbeiführte. Die Wuth gab dem Siebenzigjährigen die Hünenkraft wieder, die ihn in der Jugend ausgezeichnet hatte. Mit dem schweren Stiel von Anton'S eigener Peitsche schmetterte er ihn zu Boden, traf er ihn wieder, wieder und wieder. — Ein Wunder, daß der Unglückliche nicht todt auf dem Platze geblieben war; ein größere- Wunder, daß Anna von Hellbronn die Schmach überwunden hatte! Wenn ich sie mir vorstellte, von den Höchsten im Lande gefeiert, an gebetet, umworben und dann wieder in den Armen ihre» Reitknechtes — bi» in ihre eigene Seele hinein meinte ich ihr da nachfühlen zu können, WaS ihr Stolz gelitten haben mußte, und kaum faßlich schien mir'», daß sie neulich Abend sicheren Fuße» und bockerhobenen Haupte» über die Stelle hingeschritten war, an der sich da» Schreckliche zugetraaen hatte. Deutlich sah ich sie noch in dem duftig blauen Kleide, den Spitzen schleier auf den goldenen Haaren, da verwischte mir plötz lich etwa» da» Bild. Hatte der Kranke eine Bewegung gemacht, einen Laut auSgestoßen? Ich weiß es nicht. Sicher ist, ich schrak zu sammen, schlug die Augen auf und — das Blut gerann mir vor Grauen. Ich glaube ja nicht an Gespenster; nein, ich bin fest überzeugt, daß von den Spukgeschichten, mit denen mich an langen Winterabenden, wenn der Onkel fern ist und draußen der Wind beult, Susanne fesselt und foltert, keine einzige er wiesen ist und doch — und doch — so oft es Nachts in meinem Schlafzimmer kracht oder poltert, fahre ich blitzschnell mit meinem Kopf unter die Decke. Ich weiß, es sind nur die alten Dielen, die krachen, nur die Mäuse, die in der Wand herumpoltern, aber eS hilft mir nichts, ich liege da in Todesangst. Ich hatte vorhin meinen Stuhl so gestellt, daß er links von dem Himmelbett, dem Kranken durch die seitwärts herabfallende Damastaardine verborgen stand. Rechts vom Bett befand sich die Thür. Mein erster Blick fiel darauf. Obgleich e» finster geworden war im Zimmer, hob sie sich in ihren Umriffen doch noch erkennbar von der helleren Wand ab. Nun aber — und die» war daS Grauenhafte — hob sich von dem dunklen Hintergrund der Thür wieder etwa» ab und dieses Etwa» hatte menschliche Form, trug Frauen kleider; ich hätte darauf schwören mögen! Unbeweglich stand e» und starr und kalt wie ein Stein saß ick mit krampfhaft ineinander geflochtenen Fingern, da plötzlich beugte e» sich über daS Bett, so tief, daß eS den Schlummernden berühren mußte, und nun — ach! in der Erinnerung ist'» so lächerlich! — nun fiel mir etwa» Un mögliche» rin, von Vampyren, die nächtlicherweile au» den Grabern steigen, ihren Opfern daS Blut auSzusaugen und, bevor ich wußte, woher ich den Muth dazu genommen, hatte ich laut aufgeschrien. Da schnellte e» empor, floh der Thür zu und war lautlos hinter dieser verschwunden. Al» ich mit zitternden Fingern Licht gemacht, war Alles wie e» gewesen, nur der Kranke batte zum ersten Male die Kraft gefunden, sich im Bett aufzurichten, saß und starrte mit weit offenen^ entsetzten Augen nach der Tbür hin. Erst als ich sie fest in'» Schloß gezogen hatte, sank er in seine Kiffen zurück, verfiel in einen unruhigen Schlummer und in seine alten greulichen Schlangen- und Teufelepbantasien. Den 2. September. Die halbe Nackt ließ e» mich nicht schlafen, jetzt bei Hellem Tage könnte ich mich selbst leicht überreden, ick sei in meinem Lehnstuhl ringrnickt gewesen, habe die Erscheinung geträumt, sei mit einem Schrei in die Höhe gefahren, habe mit diesem Schrei auck den Kranken geweckt u. s. w. Aber Susanne leidet es nicht. Seit einer Woche, behauptet sie, habe der Professor nicht so schlecht geschlafen, wie vorige Nacht. Zwanzig Mal sei er aufgeweckt und jedes Mal sei sein un ruhiger Blick nach der Thür hingeflogen. Ob daS nicht überzeugend wirke? „Dann muß sich Jemand eingeschlichen haben", meine ich. „Es war ja leicht, die Thür stand offen." „Eingeschlichen?" wiederholte sie ungläubig. „Wer denn in aller Welt? Der Christi wollte ich's doch nicht gerathcn haben!" „Ach nein, die Christi war eS nicht; eine viel größere Person, vielleicht eine aus dem Dors!" „Na, hören Sie, Fräulein Nanny! Neugierig sind sie, die Frauenzimmer im Dorf und einfältig dazu, aber das eine auS lauter dummer Neugier durch den stockfinsteren Wald spaziert wäre, um bei nnS in die Fremdenstube hinaufzu steigen, wo sie nicht die Hand vor Augen mehr sehen konnte, das glaube ich denn doch nicht!" Im Grunde glaube ich eS auch nicht, allein daß Susanne ihr Repertoire von Gespenstergeschichten so ohne Weiteres um eine bereichert, darf ich als gebildete Person doch nicht zu geben, deshalb erbebe ich beim ersten Wort, mit dem sie auf diese Absicht hindeutet, Einspruch. „Ich bitte Sie, Susanne", sage ich, „Gespenster giebt eS ja nicht." „So?" fragt sie mit spöttischer Ueberlegenheit. „Können Sie'S beschwören, Fräulein?" „Beschwören freilich nicht, aber alle vernünftigen Leute —" „Bah! Was scheeren mich die vernünftigen Leute! Ich halte mich an die Bibel. Steht'S da nicht groß und breit zu lesen, daß die Hexe von Endor dem König Saul zu Ge fallen den Geist des Samuel heraufsteigen ließ?" Gegen die Hexe von Endor richte ich nichts aus, daS weiß ich au» Erfahrung, wage daher nur noch einzuwenden: „Nach Ihnen, Susanne, erscheinen Gespenster sonst ja immer in Weiß und geben wenigstens so viel Licht von sich, daß man sie deutlick sehen kann." „I bewahre! Da irre ich mich denn doch gewaltig, wie e« scheint. Susanne bat auck dunkle Gespenster auf ihrer Liste. Da ist z. B. die Jungfer von Hoheneck, eine kleine, alte Wirthschafterin, die bei Lebzeiten irgend etwas Ent setzliches au-geübt hat und nun schon seit hundert Jahren umgeht, in einem einfachen grauen Kleide, mit Filethand schuhen an den Fingern und einer bockgebauschten, weißen Haube auf dem Kopfe. Sie spukt in der Dämmerung auf den Treppen und in den Gängen, Nachts in den Schlafzimmern des Schlosses Hoheneck. Licht geht nicht von ihr auS, deutlich sehen kann man sie nur, wenn der Mond scheint, die meisten Leute begnügen sich, sie mit ihrem großen Schlüsselbund klappern zu hören u. s. w. u. s. w." XII. Capi tel. Der Kranke hatte vorgestern das Bett verlassen, war gestern auf ein Stündchen in den Garten hinabgestiezen und brachte heute den besten Theil deS Tages dort zu. Der Oberförster, der ihm vor dem Mittagessen eine Weile Ge sellschaft geleistet hatte, äußerte sich, während er seine Suppe löffelte, sehr befriedigt über den Gast. „Ein liebenswürdiger Mensch", meinte er, „läßt sich von seinem Ruhm auch nicht die Spur anmerken — eh, Kleine?" „Ich glaube es Dir", erwiderte Nanny ein bischen steif. Da sie die Augen nicht von ihrem Teller bob, konnte sie nicht sehen, wie schalkhaft die des Onkels zu ihr binüberblinzelten. „Glaubst eS mir", spottete er, „hütest Dich aber Wohl, Dich selbst davon zu überzeugen — WaS?" Und als sie schwieg: „Hör' mal, Nanny!" „Ja, -Onkel?" „Wir können den Mann nickt den lieben langen Nach mittag unter seiner Linde allein sitzen lasten, wir müssen Kaffee mit ihm trinken — anstandshalber!" „Das kannst Du ja tbun, Onkel," gestattete Nanny, sich nach ihrer Serviette bückend und mit leicht geröthetem Gesicht wieder auftauchend. „Kann ich ja — i da soll denn doch gleick —!" rief der Oberförster, niit beiden Fäusten auf den Tisch scklagend, während er sich das Lachen verbiß. „Und Du, Jungfer Naseweis?" „Ich habe seit vierzehn Ta,zen Schulmeisters Kleine nickt gesehen. Nun hat mir der Friedrich einen Korb voll Birnen gepflückt, die trage ich gleich nach Tisch hinüber." „Sieh einmal an! Birnen! Verwöhnst sie noch — die albernen Krabben." „Aber! Onkelchen —" „Na, meinetwegen mögen sie mir den Daum vollständig abessen. Aber ernstlich, Nanny, der Professor nimmt e» übel, wenn Du heute Nachmittag wieder nicht erscheinst."
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