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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189706271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970627
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970627
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
- Tag1897-06-27
- Monat1897-06
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1897
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderuug 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Änzeizen: Abrnd-AuSgab«: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. Sonntag den 27. Juni 1897. 91. Jahrgang. Aus -er Woche. Die Weltgeschichte meint es gut mit dem deutschen Zeitung-leser. Sie hat ihm eine behagliche Sommerkrisis bescheert, nicht aufregend, WaS sich mit der Temperatur nicht vertrüge, aber auch nicht so eintönig, wie der stabile kritische Zustand der deutschen Politik, der am 15. Juni künftigen IahreS sein zehnjähriges Jubiläum feiern wird. Tie Zeitungen, die für die sommerliche Motion des Publikums zu sorgen sich zur ehrenvollen Ausgabe gesetzt haben, sie sind nicht zahlreich, aber emsig und verstehen ihr Geschäft ganz gut. Es fehlt nicht an Abwechslung und wie amüsant ist eS nicht, wenn «in Blatt, nachdem es eine hochwichtige Nachricht gebracht und drei Tage aufrecht erkalten bat, am vierten Tage mit kindlicher Schalkhaftigkeit der Leserwelt zulacht: „etsch, etsch, es war ja gar nicht war." „Nur beiter I" war der Wahlspruch der Oesterreicher in der Zeit um 1866 herum. Frei lich auf ihr« Phantasie können sich jene unterhaltsamen Journale nicht allzuviel rinbilden. Sie erfinden wenig; daS Meiste, waS sie berichten, ist der Reflex wirklicher Er scheinungen. Daß sie nicht immer ganz genau referiren, ist nicht ihre Schuld, da» liegt an der Flüchtigkeit der Er scheinungen. Jedoch keine Regel ohne Ausnahme. Manches ist von Dauer. So z. B. die Bacan; der Stelle des Neichspost- secretairS. Der Contre-Admiral Hollmann wollte sie nicht bekleiden und nun muß ein anderer nichtsachverständiger „Post-Caprivi" gesucht werden. ES eilt auch nicht; uns wenigstens ist bisher noch keine Klage über Störungen in der Briefbestellung zu Ohren gekommen. ES ist dem hastenden Zeitalter ganz gesund, wenn eS einmal Gelegenheit bekommt, sich in Geduld zu üben. Am Johannistag hat das preußische Herrenhaus be schlossen, durch eine Commission ein Ausnahme-Vere inS- gesetz für das Königreich Preußen sammt Hohcnzollern- Hechingen und den übrigen Exklaven anfertigen zu lassen. E« war sehr beiß an jenem Tage, so daß Herr v. d. Recke die bekannte „angenehme Temperatur" deS preußischen Oberhauses Wohl vermißt haben mag. Er sprach auch hier nicht zur Sache und gab nur die Erklärung ab, die Regierung wolle dankbar entgegennebmen, was das Herrenhaus ihr biete. Manche Zeitungen finden cs sonder bar, daß die Negierung nicht schon im Abgeordnetenhause den Zedlitz'schen Antrag als annehmbar bezeichnet habe. Sie fügen die Andeutung hinzu, eS liege ein plötzlicher Ent- schlicßungswechsel vor und dieser wiederum hänge mit der starken Malzhaltigkeil eines Bieres zusammen, das wenige Tage vor der Herrenbauösitzung bei dem Handelsminister von Regierenden und Regierten getrunken worden sei. Das sind natürlich niedrige Verdächtigungen. Die Gründe des Verhaltens deS Herrn v. d. Recke liegen klar zu Tage. Er wollte von dem Abgeordnetenhause nicht etwas erbitten, wovon er wußte, daß eS werde verweigert werden. Damit ist die Würde der Regierung anerkennenswcrther Weise gewahrt worben. Nun kann allerdings daS Herrenhaus für sick allein nichts geben, denn seine Be schlüsse sind ohne Zustimmung des anderen Hauses nichtig. Allein auf die Sache kommt es nicht an, sondern auf die Form. Ueberdieü wird die Arbeit ver ersten Kammer auch in materieller Hinsicht nicht umsonst gethan sein. Diese Körperschaft genießt ein so großes Ansehen in Preußen und darüber hinaus, daß ihr Votum den kühnen Plänen des Herrn v. d. Recke nur förderlich sein kann, zumal da auch Herr v. Stumm auf seine Seite getreten ist, ein erfahrener Mann, dem man folgen sollte, wenn er die alltäglichen revolutionären Wühlereien in der Presse ge ringer achtet, als die Agitation in überwachten Versamm lungen, und daS vom Abgeordnetenhaus« beschlossene Verbot der Theilnahme Minderjähriger an politischen Vereinen und Versammlungen leichten Herzens fallen läßt. DaS ist geschehen durch den Beschluß deS Herrenhauses. DaS Abgeordneten haus wird sich nach etwa vierWochen, nachdem die Erste Kammer die wiederholte Schiußabstimmung vorgenommen baden wird, noch einmal zu versammeln haben, um das ganze Gesetz kurzer Hand verschwinden zu lassen. Der Regierung bleibt alsdann freilich die Genugtuung, daß sie einen Geschäftsführer der socialdrmokratiscken Partei wegen Uebertretung des CoalitionS- VerboteS mit 30 oder gar mit 100 Geldstrafe belegen lasten kann — wenn sie ihn erwischt. Bisher ist daS ver gebens versucht worden. Im Herrenhause ist wieder einmal der alte Streit darüber auSgebrochen, wem die Beseitigung des SocialisteugeseyeS zuzuschreiben sei. Herr v. Stumm nannte die Nationalliberalen, die das bestellende Gesetz so gemildert hätten, daß die Cvnser- vativen eS nicht hätten annehmen mögen. Die Wahrheit ist, daß die Conservativen sekr gern der von den Nativnalliberalen mitbeschlossenen Abschaffung gewisser zweckwidriger Bestim mungen des Ausnahme-Gesetzes zugestimmt haben würden, wenn die Regierung sich einverstanden erklärt hätte. Die NegierungSverhältniffe hatten aber Ende Januar 1890, wo die Entscheidung fiel, bereits die Entwicklung genommen, die Mitte März desselben Jahres mit der Entlastung des Fürsten BiSmarck ihren Abschluß erhielt. Es ist ganz ungerecht fertigt, die Aufhebung deS Socialistengesetzes auf eine Partei zurückzusühren. Jedermann weiß, daß dem Fortbestand eines Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Social demokratie der Wille des Kaisers entgegenstand, der um jene Zeit dem StaatSrathe zurief: „Die Socialdemokratie überlasten Sie mir". Diese ReminiScenz ist für die Be- urtheilung von „Umsturz"-Dorlagen jedenfalls von größerem Werthe, als ungegründete Necriminationen von Partei zu Partei. Ueber die Wahl in Wiesbaden läßt Herr Richter natürlich schmetternde Jubelfanfaren erschallen, wenn er auch — und dies ist charakteristisch für den angeblich entschieden liberalen LehnSträger der Ultramontanen — daS Bedauern da über Nicht zu verhehlen vermag, daß eS gerade das Ccntrum gewesen ist, da- seine Partei in der Stichwahl zu bekämpfen hatte. Ein Nationalliberaler als Gegner wäre Herrn Richter lieber gewesen, waS für unS schmeichelhaft ist. Man muß übrigens sagen: seine wahre Natur hat er auch dem CenlrumSmanne gegenüber nicht verleugnet. ES sind die elendesten Mittel zur Discredilirung des Grafen Fugger gebraucht worden und Herr Richter hat ohne die geringste Anwandlung von Scham mitgethan. Alles, waS recht ist: im Puncte ordinärsten Tones sind die Socialdemokraten die Schüler des Freisinnsmannes gewesen und geblieben, ohne den Meister je ganz erreicht zu haben. Die Ueberlegenheit deS Herrn Richter hat sich niemals deut licher gezeigt, als eben jetzt, wo er einige, wie nicht zu be streiten, bedeutende Stichwahlerfolge aufzuweisen hat. Er lärmt und prahlt wie ein Bauernknecht, der in der Lotterie gewonnen hat. Deutsches Reich. ID Berlin, 26. Juni. In der socialdemokratischen Partei erobern die Akademiker immer mebr Terrain als Führer, zum großen Aerger der „Genossen mit der schwieligen Faust", wie u. a. die jüngsten Reichstagswahlen in Königs berg und Wiesbaden bewiesen haben, wo vr. Quarck, der noch im vorigen Jahre mehrfach als Genosse nicht anerkannt wurde, und der diesige, vordem als Socialdemokrat gar nicht ausgetretene Rechtsanwalt Haase candidirten. Auch an weiteren Beispielen für die Richtigkeit unserer Behaup tung fehlt es nicht. Im westhavelländischen Kreise verdrängte im vorigen Jabre der Extbeologe PöuS den Vergolder Ewald, in Dortmund der ehemalige Schulmeister vr. Lüt- genau den Bergarbeiter Ledmann und in Mainz vr. D a vi d den Tisckler Jost als ReichStagscandibaten. Ebenso ist eS bei der Parteipresse; auch dort verdrängen die Akademiker immer mehr die Handarbeiter. So sind seit Jahresfrist als Partei-Redacteure angestellt worden: Vr. Gottschalk in Königsberg, vr. Südekum in Leipzig, vr. Notbfelser in Hannover, vr. Erdmann in Köln, vr. Matz in Stettin, vr. David in Gießen und Simon Katzen st ein in Berlin, vr. Matz präsidirte übrigens im vergangenen Jahr einer in Rummelsburg bei Berlin ab- gebaltenen Versammlung socialistiscber Akademiker, die jetzt in Berlin in zwei Gruppen gespalten sind. Das Organ der einen Gruppe ist „Neuland" (Sitzredacteur der frühere Sattler Sassen bach), das der ankern die „Socialistischen Monatshefte" (Sitz- retacteur ehemaliger HandlungSgebilfe B. Heymann). Spiritus rector der ersteren Gruppe ist der Recktsanwalt WolfgangH eyne, dessen vor Kurzem öffentlich erfolgter Anschluß an die socialdemokratische Partei, für die er seit mehreren Jahren Processe geführt, einige Sensation erregte. Auch die Zahl der Aerzte, die größtentheils der guten CassenpraxiS wegen sich der Partei anschließen, ist sehr stattlich. — Der „Parlei- tbeoreliker" und Führer der Akademiker, Carl Kautsky, Redacleur der „Neuen Zeit", wird zum Oktober seinen Wohnsitz von Stuttgart nach Berlin verlegen, wo diese Zeit schrift auch erscheinen soll. Kautsky wird dann in der Lage sein, größeren Einfluß als bisher in der Partei zu gewinnen und die geistige Leitung an sich zu reißen, da der alte Lieb knecht abgewirtkschaftet hat und sich als Cbefrcdacteur des „Vorwärts" schwerlich über den nächsten Parteitag hinaus wird kalten können. Die größten Chancen, sein Nachfolger auf diesem Posten zu werden, Hal zweifellos Kautsky — wenn der allmächtige Parteisecretair Auer nicht fein Veto dagegen einlegt. * Berlin. 26. Juni. Der frühere Jesuit Graf HoenS- broech schreibt r „Tägl. R." unter Anderem: „Seit meinem^Ocuche mit der ultramontanen Kirche und dem Jesuitenorden bin ich in Hunderten von Briefen aus ultra montanen Kreisen in der pöbelhaftesten Weise beschimpft worden. Der Haß, der sich in Len Zuschriften aus den Kreisen, die die „christliche Liebe" in Erbpacht genommen haben, ausspricht, ist wahrhaft höllisch. Ich habe solche Briefe lange Zeit hindurch ruhig ins Feuer gesteckt; dann, al» selbst in den Aufschriften die be leidigendsten Ausdrücke vorkamen, wie „Erzieher", „religiöses Scheu sal" u. s. w., wandte ich mich an die Post, damit sic die Zustellung derartig beleidigender Briese und Karten verhindere, was sie liebens würdig veranlaßte. Heute werde ich durch Ihr Blatt einen dieser Briese der Oeffentlichkeit vorlegen, weil er handgreiflich zeigt, welcher Haß auf ultramontaner Seite gegen die evangelische Religion besteht, woher dieser Haß stammt undvon wem er geschürt wird. Der Brief, in flüssiger Handschrift und ohne jeden Schreib- oder Sprachfehler geschrieben, ist datirt: „Köln, den 17. Juni 1897." Die bezeichnendsten Stellen — einige allzu ge- meine Ausdrücke muß ich auslassen — lauten: „Schämst Du ge meiner, liederlicher Kerl Dich nicht; fürchtest Du schlechter Kerl nicht, laß die Erde sich austhue, um Dich gemeines, verleumderisches, schlechtes, giftiges, bösartiges Subject zu verschlingen? Wer von adligem Geschlecht und Gesinnung sein will, der muß auch adlig, d. h. nobel, edel in seinem Auftreten sein; Du aber bist ein nieder- trächtiger Schuft. Ich will Dir schlechten, liederlichen Kerl den Grund Deines Abfalls sagen. Wie Chateaubriand schreibt: es fällt Niemand vom katholischen Glauben ab, der nicht liederlich lebt. Jeder Katholik weiß, daß ebenso wie Luther und dir übrigen Reformatorensubjecte, nur di« Unzucht und Liederlichkeit Dich aus der Kirche getrieben hat. Du konntest wie Luther sagen: „Der Mensch kann nicht ohne Weiber- fleisch sein"; oder wie Luther anderswo sagt: „Ich brenne vor Fleijchesbegierde." Du niederträchtiger, gemeiner Schuft, Du branntest wie Luther vor heftiger Begierde nach Befriedigung Deiner scheuß lichen Gelüste. Du hast Dich in eine Secte hinein begeben, wo Du versunkener Kerl hinein passest, denn die Stifter der protestantischen Secte waren ebenso verkommene, liederliche, unzüchtige, verfaulte Subjecte, reif für den Strick, wie Du gemeiner Kerl. Wer im Schatten der katholischen Kirche leben will, der muß ein sittliche» Leben führen, und Alle, die LicS nicht wollen, treten aus und werden im öden, Alles in sich ausnehmenden, großen, stinkenden protestan tischen Sumpf versinken." Graf HoenSbroech bemerkt hierzu: „Inhaltlich ganz und wörtlich vielfach decken sich diese unflätdigen Schimpfereien mit gar manchen Schriften der Jesuiten gegen die evan gelische Kirche." * Berlin, 26. Juni. Ueber den angeblichen Nachfolger Stepban's theilt die „Freis. Z." Folgendes mit: Viktor von Podbielski wurde am 26. Februar 1814 zu Frank furt a. O. geboren. Er ist evangelisch, besuchte das Berliner Friedrich-Wilheliu-Gymnasiuin und war dann später im Cadetten- hause. Osficier war er zuerst im II. Ulanenregiment und im 9. Dragonerregiment und war daraus G»neralstabsosficier des 10. Armeecorvs. Tann commandirte er die Zieten-Husarrn in Rathenow und wurde als Commandeur der 84. Cavallerie-Brigade verabschiedet. Herr von Podbielski ist im Alter von 53 Jahren noch rin jugendlicher Staatspensionär gewesen. Er besitzt ein Rittergut zu Delm n im Kreise Westpricgnitz und wurde daielbst 1893 in den Reichstag gewählt. Podbielski war Mitglied der Budget commission und alü solches mehrfach Referent über den Militairetat. Zeitweilig führte er auch den Vorsitz in der Budgeteommission. Mit Fragen der Post- und Lelegraphenverwaltuug hat er sich indessen auch hier niemals beschäftigt, dagegen sungirte er tm Jabre 1896 al» Vorsitzender de- Commission für da» vörsengesetz. Podbielski deckt sich iu seinen politischen Auffassungen al» Mitglied der deutschconservativen Partei mit denjenigen des Abg. Freiherrn v. Manteuffel. Abgeordneter v. Podb-rlski hat die Oberleitung des Deutschen Ossicier-Bereins und der mit demselben zusammen hängenden Geschäfte. Neuerlich bat derselbe auch die Leitung der Genossenschaft zum Absatz vo» Maaren aus den deutschen Schutz gebieten übernommen. Auch präsidirt derselbe gegenwärtig dem Comitü für die Transvaal-Ausstellung am Kursürstendamm. Die „Nat.-Z." wirft die Frage auf, wer diese Ernennung gegenzeichnen werde: „Fürst Hohenlohe? Ober der ab gehende „Stellvertreter des Reichskanzlers"? Oder der dem- nächstige?" — Wer es auch sei, über den Eindruck, den diese odereine ähnliche Ernennung vor allen Dingen im Beamteu- thu m machen müßte, wird der Betreffende wohl unterrichtet werden. (-) Berlin, 26. Juni. (Telegramm.) An dem Fest mahle, welches der Kaiser anläßlich deS Regierungs-Jubiläums der Königin Victoria in Kiel giebt, nimmt auch Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe tbcil. (Dem „Berl. Tagebl." zufolge ist auch der Botschafter Graf Eulenburg unterwegs nach Kiel. Red. d. „L. T.") — In dem „wissenschaftlichen" Organ der Socialdemo kratie, „Neue Zeit", bespricht Ed. Bernstein in einem län geren Aussatze das Thema: „WaS die Socialdemokratie in Preußen bei der LandtagSwabl auSrichten kann." Der Verfasser tritt mit aller Entschiedenheit für die Betheiligung der Socialdemokratie an den preußischen Landtagswahlen ein, und zwar auf der ganzen Linie, auch wo eine eigene social demokratische Candidatur aussichtslos erscheint, unter aus drücklicher Unterstützung der bürgerlichen Demokratie in jeder Zm Äerbezimmer eines deutschen Königs. Boa Karl Schäfer. Nachdruck »«rbotrn. Wer mit der Arlbergbahn von Bregenz nach Innsbruck fährt, sieht von den Wagenfenstern au» die Naturschönheiten Borarlberg- und Tirol- in Fülle. Ueber die Wolken binau»- ragende, schneebedeckte Bergbäupter, schwindelnd Hobe Felswände, über welche Wildbäche al» schäumende Wasserfälle stürzen; wildromantische Thäler und düster gähnende Schluchten neben idyllisch an grünen Bergbängen gelegenen Dörfern mit schmucken Kirchen und Capellen fesseln den Blick. Die letzteren haben meist die schönste Lage mit der prachtvollsten Rundstcht. Feinsinnig hat daS fromme Tiroler Volk seine Gotte-- und Bethäuser an diejenigen Stellen gestellt, von denen aus man am besten die großartigen Naturwunder seiner Alpen- beimach überschauen kann. Im Anblicke der Gletscher sowohl, über welche die Sonnenlichter funkeln und blitzen, al ber blühenden Almen und lieblichen, im herrlichsten Grün prangenden Thalgründen werden die Herzen von selbst zur An dacht gestimmt. Ein Kirchlein jedoch steht nicht an so hervor ragendem Orte. Drunten im Thale, in grünen Baum wipfeln versteckt, ward eS erbaut. Wie ein Gebeimniß liegt eS da und schaut doch so freundlich au- den Zweigen hervor. Es ist die KönigScapelle bei der Station Imst. Warum das Kirchlein so beißt unv zu wessen Andenken eS erbaut wurde, erfährt der Fremde in dem 10 Minuten entfernten kleinen Dorfe Brennbichl. Dort ist an dem „Gasthofe des Mayr" zu lesen: „Hier starb König Friedrich August von Sachsen am 9. August 1854." — Die Inschrift wurde von patriotischen Sachsen angebracht. Der Mayr'scbe Gasthof war vor Erbauung der Arlbergbahn von Touristen und Fuhrwerken aller Gattung stark besucht. Nach Tiroler Art gebaut, ladet er schon durch sein freund liche- gefälliges Aeußere zur Einkehr ein. Dem Gast hof gegenüber, an der andern Seite der Dorsstraße, liegt der zum Mayr'schrn Besitzthum gehörige, mit Bäumen aller Art bepflanzte, große Grasarten, an den sich ein Erlenpark mit lauschigen Gängen und Ruhe plätzen anschließt. Inmitten diese- Garten- steht ein hübsches Landhaus, da- zur Aufnahme von Sommerfrischlern bestimmt ist. Gedeckte Veranden zieben sich um die Außenwände und geben dem Gebäude einen anheimelnden, malerischen An strich. Am Fuße de- mächtigen Tschirgant gelegen, vom wildschäumenden Inn umrauscht und von einer großartigen Alpenscenerie umgeben, bietet diese» idyllische Stück Tiroler Erde DaS, WaS ein Erholungsbedürftiger sucht: stärkende Bergluft, prächtige Aussicht, lohnende Spazierwege und wohlthuenden Gebiraöfrieden. Die Liebenswürdigkeit der WirthSleute erhöht diesen Eindruck. Seit dem 9. August 1854 birgt der Gasthof aber noch etwas andere- in sich, daS ihn au» den Reihen der zahlreichen Gasthäuser de- Innthals hrrvorhebt: da« Sterbezimmer de- in der Inschrift genannten sächsischen Königs. Der Gegensatz zwischen der da- Dorf Brennbichl um gebenden Pracht der Alpenwelt und der Trauer erweckenden Stille eine- Sterbezimmer» ist zwar groß, aber der Wanderer geht nicht vorüber. Die Gefahren, die einst einem König den Tod brachten, sind noch heute dieselben; sie umgeben den Alpensportler in hundertfacher Gestalt, au» Höhen unv Tiefen grinsen sie hervor und machen ibn bei all dem Blendenden, da» Tirol bietet, vertraut mit Unglück und Tod. Di« jähe Trauer, die damals da- sächsische König-Hau- und Sachsen getroffen, erweckt heute noch in jedem fühlenden Mensckengemüthe tiefe Tbeilnahme. Ein König verläßt den Prunk seiner stolzen Schlösser, will wie andere Menschen die Sehnsucht nach den Bergen stillen — und stirbt, fern von der Hrimath, nur von schlichten Landleuten umgeben, in niedrigem Gemache eine- Dorfwirtb-bause-I Seit diesem verhängnißvollen Tage sind beinahe dreiund vierzig Jabre verflossrn. Menschen sind gekommen und gegangen. Bölkergeschichtlicke Ereignisse und Umgestaltungen von größter Bedeutung sind emHetretrn — da- stille Sterberimmer deS deutschen Königs im „Gasthofe de» Mayr" iu Brennbichl liegt noch heute wie dazumal. Die wenigen Stühle, die zwei Commodea der kleine Tisch, da» Gemälde an der Wand (da» heilige Abendmahl darstelleud), der Spiegel, di« grünen Tapeten mit blauen Blumen, di« Borhänge, da» Bett, ja selbst die großen Blutflecken auf dem Kopfkissen sind — ob gleich abgeblaßt — noch dieselben. Der um Spiegel und Vorhänge geschlungene schwarze Flor ist eS auch. Pietätvoll hat die Wittwe de» verunglückten Königs und nach deren Ableben die sächsische Königsfamilie dieses Zimmer um den jährlichen Preis von drei- undsechzig Gulden für alle Zeiten mit der Bedingung gemietbet, daß Alles darin unverändert bleiben müsse. Der Mayr'schen Familie muß da- Lob ausgestellt werden, daß auch sie mit Pietät die durch die Hand deS Todes der Wehmuth anheimgegebenen Räume schützt und verwahrt. Es sei gestattet, über die letzte Reise de« König» von Sachsen und sein Unglück im Jahre 1854 Folgende« zu berichten. Wir folgen dabei den Aufzeichnungen des damaligen Priester» und Frühmeffrr» Alois Moriggl in Zirl, der den König am 7. und 8. August genannten Jahres al- Führer nach der Alpe Lisenz und von da über Kühetei nach Silz begleitete. Der Monarch war Ende Juli von Dresden abgereist und hatte sich nach München begeben, um die dortige Kunst- und Industrieausstellung in Augenschein zu nehmen. Nach einem Aufenthalte von zwei Tagen fuhr der König nach Possen- bofen, um die hohen Verwandten dort zu besuchen. Nack einem kurzen Aufenthalte in Possenhofen schlug er den Weg nach Tirol ein und traf — über Seefeld kommend — am 7. Auglist vor 10 Uhr Bormittag- in Zirl ein, wo er in der „Post" da» gewöhnliche Absteigequartier nahm. Es war bereit« der zehnte Besuch, den Sachsens König dem schönen Tirol abstattete, um dasselbe zu bereisen und kennen zu lernen. In seiner Begleitung befanden sich der Major und Flügelavjutant von Zezichwitz, rin Kammerdiener und zwei Bediente. Auf den Wunsch des König- schloß sich in Zirl der obengenannte dortige Priester Aloi» Moriggl den Reisenden an. Derselbe batte schon zwei Jahre vorder die Tour auf den Solstein mitgemacht. Auf der Jnnbrücke angelangt, wandte sick der bohr Herr um und betrachtete mit Wohlgefallen den stolzen Bergriesen, den er bereit» am 3. August 1852 erstiegen hatte. Damal» brachte er — auf der Spitze de« Solstein stehend — rin Hock auf drn rittrrlichrn Saisrr Franz Josrf I. au« und äußerte dann: „Ich habe Tirol allezeit lieb gehabt; allein durch seine Treue und Anhänglichkeit an seinen Monarchen und das Kaiserhaus im Jahre 1848 ist eS mir doppelt lieb und theuer geworden." Man wanderte rüstig weiter und erreichte bald auf dem kürzesten Wege über Ferklehnen in fünfviertel Stunden Oberperfuß. Der schattige Pfad durch den Wald ge fiel Friedrich August besonder-. Darauf wurde der „Tschaipen - Bichl" erstiegen, um von diesem Glanzpunkte aus die herrliche Aussicht in» Unterinnthal zu genießen. Nack weiteren fünfviertel Stunden wurde Sellrain er reicht, das einfache Mittagsmahl eingenommen und die Reise nach Gries fortgesetzt. Hier nöthigte ei» heftiger Regen die Gesellschaft, in dem ersten besten Bauernhause Unterkunft zu suchen, bis gegen fünf Uhr das Wetter auögetobt hatte. Von GrieS bis m die Alpe Lisenz rechnet man zwei gute Stunden. Auf dem Wege dahin, beim kleinen Weiler Rötz, befindet sich die berüchtigte Felsenabsitzung. Bis zur Hälfte hinauf ist der sonst so schöne Berg „FreihuL ganz locker. Wie Todtenköpfe sind Steine auf Steine, Felsenmassen auf Felsenmassen gelagert, bereit, jeden Augenblick in die Tiefe zu stürzen. Hunderte von Baumstämmen wurden in drei Jahren wie Schwefelhölzchcn zerschmettert. An der gefähr lichen Stelle kam man glücklich vorüber. In der Nabe des Weilers Praxmar sing es so stark zu regnen an, daß die Reisenden durch und durch naß erst gegen acht Uhr das Alpen- hauS erreichten. Der König setzte sich auf die Bank neben da« Kückrnfeuer, um sich zu wärmen. E» war ziemlich kalt. Unterdessen wurden die Zimmer gebeizt, während der Senne, ein echter Natursohn, sich anschickte, ein kräftiges Alpen- mu« zu kochen. Dabei fragte er den König, ob er auch Kühe habe, ob eS in Sachsen auch Alpen gebe u. s. w. Der Monarch beantwortete dies« naiven Fragen dem Natur menschen, für den eine Welt ohne Kühe und Alpen keinen Reiz zu haben schien, mit gewohnter Liebenswürdigkeit. Am nächsten Morgen la» der Priester Moriggl in der freundlichen HauScapelle die Messe und um 6 Uhr wurde nach eingenommenem Frühstück der Rückweg angetreten. Wäbrend der Nacht batte e« stark aeregnet und in der Näbe de- Alpenbause» geschneit. Da» Wetter heiterte sich jedoch auf, die Wolken verschwanden und die Bergspitzen kamen nach und nach zum Vorschein. Bon einem Fenster de» Alpen Hause» aus entwarf der König eine Skizze der herrlichen Ar
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