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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970703014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897070301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897070301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-03
- Monat1897-07
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Rrclamen unter dem Redactioa-strich (4 g» spalten) SO/H, vor den Familirnnachrichte« (6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unferrm Preis- Verzeichntß. Tabellarifcher und Ziffernsatz uach höherem Tarij. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Moraen-AuSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. —-o»c--.— Annahmeschluß für Anzeigen: Abrnd-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Aujei-ea sind stets an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polt io Leipzig. 91. Jahrgang. Der Klerikalismus in Frankreich. Seit geraumer Zeit schon bat der Klerikalismus Schritt für Schritt in Frankreich an Boden gewonnen, da er e« klug verstand, sich mit den herrschenden gemäßigten republika nischen Parteien auf einen leidlichen Fuß zu stellen. Jetzt aber scheint eS, als ob er sich bereits so erstarkt fühle, um unter Uebergebung der regierenden Gruppen sich direct an das Volk wenden zu können. Es ist sehr zu beachten, daß gleichzeitig an mehreren Orten, in Nancy, Versailles und Brest, Kundgebungen zu Gunsten der Spaltung öffentlicher Processionen stattgefunden haben, Kundgebungen, die sogar zu heftigen Couflicten mit der Polizei geführt haben und ihr gerichtliches Nachspiel finden werden. Kaum in einem anderen Lande hat der Klerikalismus so ost einen Wandel seines Geschickes verspürt, wie in Frank reich im letzten Jahrhundert. Die erste Republik beseitigte bekanntlich in ihren Sturm- und Drangjahren die christliche Religion. Als dann die Republik konservativer und für den CäsariSmus Napoleons I. reif wird, wird die Religion wieder hergestellt. Napoleon I. kokettirt mit der Kirche, aber seine mächtige Faust hält sie im Zügel. Unter Ludwig XVIII. und Karl X. feiert dann die klerikale Neaction ihre Orgien. In derselben Stadt Paris, in der ein Menschenalter vorher Festzüge zu Ehren der „Gottheit der Vernunft" stattaefunden baden, finden Processionen statt, an denen Minister, Marschälle und die Armee sich betheiligen müssen. Unter dem liberalen Bürgerkönigthume und zur Zeit der 2. Republik sinkt die Mach: des Klerikalismus, um dann unter Napo leon III. und unter dem Schutze der bigotten Kaiserin Eugenie wieder zu steigen. Als nach dem Sturze Mac Mahon's Frankreich zur wirklichen Republik wird, tritt ein Tiefpunct der Macht der Klerikalen ein und die Gesetzgebung bemüht sich, dem Klerikalismus auf jede Weise Schranken zu setzen. Umsonst, denn nicht viel mehr als ein Jahrzehnt später be ginnt die klerikale Fluth wieder zu steigen. Unter dem Deck mantel der Bekehrung zum Republikanismus verstehen eS die Klerikalen, die gemäßigten Republikaner zu gewinnen, denen sie eine nicht unwillkommene Hilfe bei der Abwehr deö RadicaliSmus sind. Man kann nicht sagen, daß die Fluth des Klerikalismu« sckwn jetzt ihren höchsten Stand erreicht habe. Noch ist man in Frankreich nicht so weit, daß man wie in den 20er Jahren für den Einbruch in katholische Kirchen die Todesstrafe fest setzen dürfte. Aber wie damals dehnt sich der Einfluß der Jesuiten aus. Wie damals ist eS in der guten Gesellschaft Mode geworden, die Kinder, besonders die Töchter, in frommen Schulen erziehen zu lassen. Auf der neu erworbenen Insel Madagaskar herrschen die Jesuiten vollständig und es ist ihnen gelungen, den Protestantismus auf der Insel völlig zurückzudrängrn. Die Macht der Klerikalen auf die Bevöl kerung aber hat sich bei der Wahl des Abbs Gayraud gezeigt, wo die durchaus royalistischen Bauern und Fischer einen sich zur Republik bekennenden Pfarrer gegen einen strengen Royalisten wählten und damit bewiesen, daß ihnen die Kirche über die RegierungSform geht. Die Radikalen in Frankreich zeigten eine feine Nase, wenn sie gerade gegen die Wahl Gayraud's Sturm liefen und da durch bewiesen, daß ihnen die Wahl eines stricken Reactionairs lieber ist, als die eines sogenannten Republikaners klerikaler Gesinnnung. Sie haben ganz richtig erkannt, daß der RoyaliSmus eine viel geringere Gefahr für die Republik dar stellt, als der Klerikalismus. Sie sind deshalb sehr nervös gegenüber allen klerikalen Erscheinungen geworden. Sie haben die Regierung heftig getadelt, weil sie an der kirchlichen Feier zu Ehren der bei dem großen Brand unglücke vom 5. Mai Umgekommenen theilnahm, und sie haben ihrem Gesinnungsgenossen, dem Kammerpräsidenten Brisson, zugejubelt, als er auf die Tactlosigkeit des Paters Olivier bei der Feier in Notre-Dame in der Depulirtcn- kammer eine überscharfe Antwort gab. Sie haben eS damals durchzusetzen gewußt, daß diese Antwort in allen Gemeinden Frankreichs durch Anschlag bekannt gegeben wurde; aber die Betheiligung großer Volksmassen in mehreren Orten an Kundgebungen zu Gunsten von Processionen ist eine für die Radikalen wenig erfreuliche Antwort auf die Brisson'sche Kriegserklärung an den Klerikalismus. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß der Klerikalis mus gleichzeitig in den drei großen romanischen Staaten Frankreich, Spanien und Italien sich in der aufsteigenden Linie befindet. Die Fortschritte in Frankreich haben wir eben dargethan; in Spanien ist der kirchengegnerische Liberalis mus in vollständigem Zerfall begriffen, während andererseits der reactionaic-kirchliche Carlismus wieder drohend sein Haupt erhebt; in Italien endlich haben das Mißgeschick in Afrika und die schwierige wirthschastliche Lage dazu beigetragen, die Klerikalen wieder einen größeren Einfluß auf die breiten Volksmassen gewinnen zu lassen. Für Deutschland ist die Steigerung der Machr de4 KlerikaliSmuS in den romanischen Ländern keineswegs ohne Bedeutung. Denn der KlerikaliSmuS ist international und wenn er seine Basis in großen europäischen Ländern verstärkt, so saugt er daraus die Kraft, um auch in Deutschland seine Macht zu erweitern. Gerade jetzt steht die innere deutsche Politik vor der Frage, ob sie den bei uns schon über wiegenden Einfluß des Klerikalismus sich weiter steigern lassen, oder ob sie sich zum entschiedenen Kampfe gegen diese Macht aufraffen will. Ein Blick auf die romanischen Staaten zeigt, daß der Klerikalismus ähnlich wie der Socialismu- seine Fortschritte zum guten Theile den Fehlern der Regierung zu verdanken hat. Deutsches Reich. X. Berlin, 2. Juli. Die „Freisinnige Zeitung" deS Herrn Eugen Richter leistet sich in einer Notiz von 3 Zeilen eine Schamlosigkeit, die festgenagelt werden muß, einmal, weil sie vollständig an den Stil des berüchtigten Or. Sigl erinnert, und zweitens, weil sie sich gegen einen der ehr würdigsten Fürsten Deutschlands richtet. Das Blatt schreibt nämlich, der Besuch des Fürsten Hohenlohe bei Bis marck scheine diesen wieder hoffähig gemacht zu haben, denn der Großherzog von Weimar wolle den Fürsten besuchen. Es liegt darin natürlich die Unter stellung, daß der Großherzog zu feige gewesen wäre, sich dem Fürsten zu nähern, wenn dieser noch in Ungnade beim Kaiser gewesen wäre. ES sei nun zunächst fest gestellt, daß der Besuch deS Großherzogs in FriedrichSruh schon längst feststand, bevor bekannt war, daß der Reichs kanzler und Herr v. Bülow dem Fürsten einen Besuch ab statten würden. Es sei ferner daran erinnert, daß deutsche Fürsten es an sichtbaren Zeichen der Sympathie für den Fürsten Bismarck auch in )olchen Zeiten nicht haben fehlen lassen, wo die schlechten Beziehungen zwischen dem Kaiser und seinem ersten Kanzler offenkundig waren. ES ist eine schnöde Beleidigung der deutschen Fürsten überhaupt und des greisen GroßberzogS von Weimar, der eine solche Behand lung wahrlich nicht verdient, im Besonderen, den An schein zu erwecken, daß die deutschen Fürsten Sonne und Schatten genau so vertheilten, wie der Kaiser seinerseits jeweilig Sonne und Schatten zu vertheilen beliebt. Das haben sie nicht nöthig und das thun sie auch nicht. Im Anschluffe daran sei noch die charakteristische Aeußerung der „Germania" erwähnt, daß manche Leute den Besuch deS Fürsten Hohenlohe in FriedrichSruh für einen Gang nach Canossa ansähen. Diese Bemerkung ist natürlich ebenso geschm »cklo« wie unrichtig, aber das Eine sei doch gesagt, daß jedenfalls das deutsche Volk einen „Canossagang" des deutschen Kaiser« oder seine« ersten BeratherS zu Dem, der daS Reich geschaffen hat, sehr viel lieber sehen würde, als den „Canoffagang" eines deutschen Herrscher- nach Rom. Gerade weil der erstere „Canoffagang" — der „Germania" zu Liebe sei dieser Ausdruck gebraucht — die beste Gewähr gegen den Antritt des letzteren sein würde, ist man aus Seiten der Klerikalen so wenig erbaut von dem Besuche in FriedrichSruh. * Berlin, 2. Juli. Zur Ernennung der Generals von PodbielSki schreibt die „Köln. Z." u. A.: „Das freilich kann, ganz abgesehen von der Person des Generals v. PodbielSki, nicht verhehlt werden, daß weit über den Kreis der Post- und Telegraphenbeamten hinaus die Thatsache, daß nur ein Nichtfachmann, ein Außenstehender als Nachfolger v. Stephan's in Betracht kommen konnte, als mit dem Gedächtniß an den hochverdienten ersten deutschen Generalpostmeister schwer vereinbar empfunden werden wird. Wer Stephan ge« kannt hat — und der Kreis seiner Verehrer erstreckt sich ja durch alle deutschen Gaue —, der weiß, wie stolz er darauf war, daß er aus den kleinsten Anfängen durch eigene Kraft und Tüchtigkeit sich empor zu arbeiten vermocht hat bis zur höchsten Spitze, und daß er deshalb im Gedenken an seine eigene Laufbahn einen besonderen Stolz darein setzte, allen seinen tüchtigen und gebildeten Postbeamten das Gefühl und das Vertrauen beizubringen, daß sie den Feldmarschallstab, die Antwartschaft auf die höchsten Stellungen in der Post- und Telegraphenverwaltung mit sich trügen. Demgemäß hatte er der allgemein wissenschaftlichen Ausbildung der höheren Beamten neben der rein sachlichen und sprachlichen Entwicklung die höchste Bedeutung beigelegt, und des halb hatte er bei der Wahl aller höchsten Beamten stet» sorgfältig im Auge, daß sie nach jeder Hinsicht den weitgehendsten Anforde rungen entsprachen. Stephan selbst hatte mehrere hohe Be amte für seine etwaige Nachfolgeschaft längst ins Auge genommen. Jetzt, nach seinem am 8. April erfolgten Tode, wird ihm über das Grab hinaus bescheinigt, daß alle diese Mühen und Bestrebungen ergebnislos gewesen sind, daß unter allen Oberpost- directoren und Beamten der Centralstelle nicht ein einziger ist, der fähig wäre, die verantwortliche oberste Leitung zu übernehmen. Das ist um so trauriger, als allseitig die Ueberzeugung herrscht, daß die Post- und Telegraphenverwaltung, von kleinen Einzelheiten ab gesehen, im Großen und Ganzen so vorzüglich organisirt und so vortrefflich entwickelt ist, daß selbst eia weniger befähigter Leiter diese« Verkehrszweiges Mühe und Arbeit aufwendea müßte, um sie auS den geregelten Bahnen herauszubringen." Weiter sagt das rheinische Blatt: „Eine leitende Rolle hat er in der conservativen Fraction nicht gespielt. In der Deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft ist er Vor sitzender der Pferde-Abtheilung, wie er überhaupt al« tüch tiger Pfrrdekeaner sich besonders der Pferdezucht und dem Pferdesport zugrwandt hat." Der „Nationalztg." ist als Beweggrund für die Er nennung de- Herrn von PodbielSki angedeutet worden, daß als Nachfolger eines Mannes wie Stephan ein Beamter des Feuilleton. Die Dnus. Nachdruck verboten. Im äußersten Osten der alten Welt, etwa unter denselben Breitengraden, unler denen Rumänien liegt, haust eins der merkwürdigsten Völker der Erde, das der AinuS. Die Ainu« wohnen an den Küsten der Insel Beso und auf den japa nischen Kurilen (zusammen auch Hokkaido genannt), sowie in den südlichsten Theilen der Insel Sachalin und der Halbinsel Kamtschatka. Früher lag ihre Heimath weiter südlich, sie erstreckte sich im Jahre llO n. Cbr. (nach japanischen Quellen) bis in die südlichen Theile von Nipon, und noch im 7. Jahr hundert unserer Zeitrechnung saßen die AinuS auf dem ganzen, nördlich vom 38.<> n. Br. gelegenen Tbeil dieser Insel. Erst im 12. Jahrhundert gelang eS den Japanern, ganzNipon zu unterwerfen und die AinuS aufzureiben oder nach Norden zu verdrängen. Man findet allerlei Alterthümer, die den ursprünglichen Gebrauchs- und Wirtbschastsgegenständen der beutigen AinuS wesentlich gleichen, im ganzen japanischen Archipel, aber je weiter südlich sie auftreten, desto altrrtbüm- licher ist ibr TypuS, so daß sich der allmähliche Weg ihrer passiven Wanderung nach Norden deutlich aus ihnen erkennen läßt. Als 1875 ein Vertrag zwischen Rußland und Japan ab geschlossen worden war, nach dem alle bis dahin russisch« Kurilen an Japan abgetreten wurden, die Japaner aber alle ihre Ansprüche auf die Insel Sachalin aufgaben, kamen 841 AinuS nach Ueso und wurden in der Nähe von TsuiShikari bei Sapporo angesiedelt. Im Jahre 1884 vereinigte die japanische Regierung mit Rücksicht auf die Vereinfachung der Verwaltung alle AinuS, di« früher russische Untrrthanen gewesen Warrn, auf der Insel Schikotan, nordöstlich von Ueso. Die vordem von ihnen bewohnt gewesenen russischen Kurilrn sind menschenleer. Di« Ainu« gehören zu den Naturvölkern, die ihrer Zahl nach im Rückgänge begriffen sind, wenn auch in diesem Fall« in einem nur schwachen. Im Jahre 1804 wurde ibre Menge auf 22 271 Köpse geschätzt, 1892 aber nur noch auf 17 148, aber «S handelt sich hierbei eben nur um Schätzungen. Man kann ihre Abnahme und, im gewissen Umfange, ihre Ent artung auch noch an« einem anderen Umstande schließen: die blutigen Kriege und die häufigen Empörungen gegen die Japaner, unter denen dies« ost schwer litten, haben seit dem Ende de» vorigen Jahrhundert« völlig aufgebört. Die Energie, Kampflust und Kopfzahl der AinuS haben nach und nach immer mehr abgenommen, offenbar waren sie früher nicht da« friedfertige, lrnksame Völkchen von beute. Iemehr sich die japanische Cultur die Insel Aeso erobert, desto schwieriger wird der Lebenskampf für ;«nr Naturkinder: der Ertrag der Iagv geht zurück, und unter einer geordneten Verwaltung stehen die süße« Gewässer nicht mehr einem jeden Fischereilustigen und Fischereibedürftigen zu Gebote, sie werten vielmehk von staat-wegen verpachtet. Ein Naturvolk braucht, um sich den nöthigen Lebensunterhalt erwerben zu können, mehr al« den AinuS gegenwärtig zusteht, daher Haden sie Einschränkungen zu erdulden und sollten darauf bedacht sein, sich auf andere Weise die Fristung des Lebens zu ermöglichen wie ihre Vorfahren, dazu fehlt ihnen aber vorläufig noch das nöthige Verständniß, der kräftige Wille und die Lust an ge ordneter Arbeit. Indessen ist der japanische Gelehrte Kogami, auf dessen Angaben ich mich stütze, der Meinung, die AinuS seien nichts weniger als culturunfähig, schon gäbe es unter ihnen geschickte Schneider, Tischler, Zimmerleute und sonstige Handwerker, und es gäbe unter ihnen Groß- fischereibesitzer, die zahlreiche alnusche und selbst japanische Arbeiter beschäftigten. Die japanische Regierung lasse eS sich angelegen sein, den Ackerbau möglichst zu unterstützen und die elementare Schulbildung einzuführen, was tbeilweise bereits recht gut gelungen sei, denn die AinuS stünden, waS ihre geistigen Fähigkeiten anlangt, durchaus nicht unter dem Durchschnittsjapaner. Eine eigene Schrift haben die Ainus nie besessen, Wohl auch kein Bedürfniß danach gehabt, aber die japanische Sprache hat nach Angabe von Goodrich leicht Eingang bei ihnen gefunden, unv gegenwärtig verstehen die meisten Männer, aber auch Weiber und Kinder, wenigstens an der Ost- und Südküste, sich derselben izu bedienen, ja sie sollen anfangen, untereinander japanisch zu sprechen. Es giebt unter den AinuS einen doppelten Typus: einen reinen und einen dem mongolischen sich nähernden, der offenbar auS einer Vermischung hervorgegangen ist. Der echte ÄinuS- typuS ist von dem rem mongolischen soweit entfernt wie von dem europäischen, mit dem er in den Augen verschiedener Beobachter und Forscher eine entschiedene Ähnlichkeit haben soll. Die reinen AinuS sind in der Entwickelung ihrer Körperlichkeit durchaus nickt von der Natur vernachlässigt: sie sind kräftig und muskulös, mit breiter Brust, selten mager und noch seltener fett. Alle» in Allem machen sie einen viel stattlicheren und männlicheren Eindruck als die Japaner. Messungen von 81 Männern ergaben al« Durchschnitt-Höhe 1,567 m und von 69 Weibern 1,471 w. Die wahre Hautfarbe der AinuS bekommt man nickt allzu häufig zu sehen, denn e« sind großartige Schmutzfinken, die, so vertraut sie als ausgezeichnete Fischer auch sonst mit dem Wasser sein mögen, eine ausgesprochene Scheu haben, diese Flüssigkeit zu localen oder gar allgemeinen Waschungen zu benutzen. Zufolge der fast grenzenlosen Unreinlichkeit ver breiten sie, besonders in der warmen Jahreszeit, einen unerträg- licken Geruch um sich und sind Erkrankungen der Haut in hohem Maße au-geseyt. Nach meinen Gewährsmännern ist di« Hautfarbe der Ainu« Heller oder dunkler braun (wahr scheinlich nach geringerer oder größerer Entwickelung ihrer Schmutzkruste), häufig mit einem Stich ins Röthliche, oder grau, aber niemals weizengclb, wie bei so vielen mongolischen Völkerschaften. Die Weiber haben nickt jene frischen, rotben Wangen, die man unter den Japanerinnen, besonder« der niederen Stände, so häufig steht. Der GrsichtSauSdruck der männlichen Ainu« ist im Ganzen gutmüthig, ehrlich, männlich, angenehm und auch intelligent, bei den Weibern ist er meist schüchtern, oft sogar finster. Die GesicktSform der Männer ist meist breitoval, die des anderen Geschleckt« häufig ganz rund, und die Iockbogcn springen in der Regel vor und treten nur in einzelnen Fällen zurück. Stellung und Form der Augen sind mehr europäisch als mongolisck, namentlich verläuft di« Lidspalt« fast horizontal und nicht ab steigend zur Nasenwurzel. Ihre Größe ist mittelmäßig, die Farbe der Regenbogenhaut dunkelbraun. Die Wimpern sind sehr dicht und lang, und die ungemein starken und buschigen Augenbrauen sind bei den Männern meist in der Mitte ver wachsen. Die Männer haben in der Regel eine gut geformte, etwa« abgestumpfte Nase, aber die Gestalt der weiblichen läßt viel zu wünschen übrig. Die Ohrläppchen sind groß und nur selten angewachsen. Ihre wahre Gestalt wiro durch schwere, von Jugend auf von beiden Geschlechtern getragene Gehänge stark entstellt. Die Stirn ist ziemlich niedrig, der Mund nicht allzu klein, aber nicht gerade häßlich, mit mittel dicken, nicht aufgeworfenen Lippen. Die Zähne sind im All gemeinen sehr schön, sieben sehr regelmäßig, sind kräftig und massig, meist opak, selten durchscheinend und bei den Männern von gelber, bei den Weibern oft von weißer Farbe. Sie stehen senkrecht, und ihr Bestand ist fast ausnahms los ein sehr guter. Karies und andere Zahnkrank beiten sind so gut wie unbekannt. Die Abnutzung der Kau flächen fängt an, sich schon im 30. Lebensjahre bemerklich zu machen, stark tritt sie erst vom 40. an auf. Die Füße sind, sehr im Gegensätze zu denen der Japaner, groß und plump, und die große Zehe ist die längste. Die Hande sind plump, aber nicht besonder- groß, meist mit länglichen, selten mit breiten Nägeln. Berühmt sind die Ainu« schon seit langer Zeit durch die beträchtliche Entwickelung ihrer Behaarung. Schon im 17. Jahrhundert waren dunkle, unbestimmte, aber sehr aben teuerliche Nachrichten von behaarten und „geschwänzten" Menschen in dem ostasiatischen Archipel nach Europa durch die Holländer gebracht worden, und noch in diesem Jahrhundert schreibt ein Reisender, der die Kurilen besucht batte, der Anblick der Ainu« miiffe einen Fremden mit Entsetzen und Widerwillen erfüllen. „Esau selbst konnte kaum eine einem Pelze ähnlichere Haut haben als diese AinuS." Nun — ganz so schlimm ist die Sache denn doch nicht. Auck unter unseren Männern giebt eS Individuen, die nicht weniger behaart sind als die AinuS, unv mit dem Urtheil über den männ lichen Haarschmuck ist eS eine eigene, von der jeweiligen Moderichtung abhängige Sache. Jetzt läßt man sich meist den Bart in verschiedenster Form stehen und ihn wachsen, so gut er mag und kann, aber nock vor seckzig Jahren galt ein Bollbart für eine körperliche und moralische Häßlichkeit, um deren Entfernung sich sogar die hohe Obrigkeit, die damals dem Regieren und der Bevormundung de« beschränkten Unterthanenverstande« mit rührend väterlichem Eifer oblag, bekümmerte. Die Japaner nennen die AinuS, waü in der Sprache diese« Naturvolks „Menschen" bedeutet, MosinoS, die „All behaarten". Und in der Tbat sind unter den Ainu« schwach behaarte Individuen eine viel größere Ausnahme als bei den kaukasischen Völkern ungewöhnlich stark behaarte. Der gewaltige Haarwuchs gilt mit Reckt als die charak teristischste Eigenschaft jener merkwürdigen Menschen, die am eingehendsten vor einiger Zeit von dem erwähnten japanischen Gelehrten Kogami stnvirt worden ist. DaS Kopf haar ist arob und straff, seltener wellig, bei Männern unv älteren Weibern hängt eS meist wirr um da« Gefickt herum, denn seine Pflege entspricht durchaus der übrigen Hautpflege. Nur junge Frauenzimmer kämmen e« wenigsten« ab und zu, und bei ihnen erscheint e« bann glätter und viel hübscher; eingesalbt wird e- nie. Seine Farbe ist durchweg schwarz. Der sehr starke Bart wird voll getragen, erfreut sich zwar auch keiner besonderen Pflege, wird aber von seinem Besitzer sehr hock geschätzt. Kogami konnte die Leute durch Zureden bewegen, sich Kopfhaare abschneidea zu lasten, aber Barthaare wollten sie unter allen Umständen nicht opfern. „Der Bart", fährt Kogami fort, „ist wirklich eine Zierde diese« Volkes, um das jeder von uns (bekanntlich mit wenig Bartwuchs gesegneten) Japanern es beneidet." Auch sonst ist der Körper sehr stark behaart, und die Haare auf dem Rumpfe und den Gliedmaßen erreichen häufig eine Länge von 3—5 cm und stehen so dicht, daß sie die Haut völlig bedecken. Die Ent wickelung der allgemeinen Körperbehaarung beginnt erst mit dem 25. Lebensjahre und ist nach dem 40. am stärksten. Die Männer fangen dann auch an zu er grauen, die Weiber erst viel später. Kahlköpfigkeit ist außerordentlich selten, und wenn sie ja einmal vorkommt, ist Erbgrind (tkvu8) leicht als ihre Ursache zu erkennen. Das Tätowiren (Nutz genannt) ist bei den AinuS unter den Weibern allgemein, aber unter den Männern gar nicht Sitte. Die Stellen, an denen eS vorgenommen wird, sind zwischen den Augenbrauen, um den Mund herum und auf dem Vorderarm und den Handrücken. Die Tätowirung zwischen den Augenbrauen, wodurch diese auSsehen, al» ob sie wie bei den Männern in der Mitte zusammengewachsen wären, kommt nur selten vor, aber die um den Mund herum durfte, wenigsten« früher, bei einem AinuS-Weibe nicht fehlen, und es wurde streng auf sie gehalten, aber die jüngeren Generationen fangen an, davon Abstand zu nehmen. Be gonnen wurde mit ihr im 7. Lebensjahre, aber vollendet war ie erst im 15.; an Armen und Händen bryann man mit ibr päter und führte sie rascher zu Ende. Die Operation wird al« sehr schmerzhaft bezeichnet: man machte bei ihr feine, 1 em lange Einschnitte mit einem Messer in die Haut, die man darauf mit der Asche von Birkenrinde einrieb und mit der Abkochung der Rinde einer Eschenart auSwusch, um die Blutung zu stillen. Andere Farben sind nicht üblich und die Tätowirung erscheint schwärzlich-blau, wird aber mit den Jahren Heller. Die AinuS sind ein primitive- Jäger- und Fischervolk, und ihre Kunstfertigkeit ist eine sehr geringe, erst durch ihre Beziehungen zu fremden Völkern sind sie durch Erwerbung von allerlei Gerätben unv Werkzeugen aus der Steinzeit in die Eisenzeit versetzt worden. Ihre Kleidungen werden wesentlich au« dem Baste eines „at8" genannten Baumes (einer Birke oder Ulme) und aus Hirschfellen verfertigt. Ein Bastkittel reicht bis zu den Knien, ist von gelber Farbe mit Blau abgesetzt und beißt nach dem Baume, auS dessen Bast er hergestellt wurde, ..atsusi". Darüber wird ein auS Fell bestehendes, sackartiges Obergewand mit weiten Aermeln getragen. Im Sommer gehen die Ainu« barfuß und barhäuptig, aber im Winter tragen sie Stiefeln unv hohe Strümpfe von Tbierfellen und Mützen. Nur an hohen Festtagen pflegen sich ältere Herren eine scbada-vmps genannte Art von Krone ausrusetzen, die au« der Rinde des dortigen wilden Weines geflochten und mit Hobelspänen, Wcinranken und Bärenklauen verziert wird. Der Sinn für Putz gebt den AinuS keineswegs ab, und bei ganz besonder« festlichen Gelegenheiten pflegen sich die Männer mit abgelegten Garderobestücken japanischen Ursprung« zu
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