Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970705018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897070501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897070501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-05
- Monat1897-07
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS.PreiS Hauptexpedttlon oder den <m Stadl- bezirk mrd den Vororten errichteten AuS- aadrstelle» abgeholt: vierteljährlich ^14.50, bet zweimaliger ILglicher Zustellung in« haut 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteyährlich 6.—. Direkte tägliche Üreuzbandieuduug in« Ausland: mouallich 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, bi» Abeud-AuSgabe Wochentag» um b Uhr. Le-actio» und Expedition: JaharrneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrockn» -ebffurt von früh 8 bi» Abend» 7 lshr. Filialen: vtt» tklemm's Sortim. «Alfred Hahn), Universität-straßr 3 (Paulinum), Löst» Lösche, Katharinenstr. 44, part. uud Sönig-Platz 7. Morgen-Ausgabe. UchMr TagMM Anzeiger. Amtsblatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 338. Montag den 5. Juli 1897. Anzeigerr-Preis^ die 6 gespaltene Petitzeile L0 Reclameu unter dem RedactiouSstrich läga» spalten) bO/^r vor den FamiliennachrjLte» " (Sgespaltru) 40^. * Größere Schriften laut unserem Preis- Extra-Beilagen (gefalzt), nnr mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ao-gabe: vormittag» 10 Uhr. ! Margeu-AuSgab«: Nachmittag» »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« frnher. Anzeigen sind stet« an dir Expedition z» richte». , Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig > 91. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. E» ist in den letzten Tagen mehrfach darüber Beschwerde geführt worden, daß von den zur Zeit hier streikenden Maurern Bau- arbeiter, welche von auswärts hierherkommen, um hier in Arbeit zu treten, an den hiesigen Bahnhöfen und an den Zugängen zur Stadt abgefangen, belästigt und durch allerhand Einschüchterungen zur Umkehr bestimmt werden. Im Interesse der öffentlichen Ordnung ist ein solches Gebahren nicht weiter zu dulden und wird daher das Attsstellen und längere Verweilen der Streikenden aus den öffentlichen Straßen und in den Promenaden, namentlich in der Nähe der Bahnhöfe, soweit cS zu vorgcdachtcm Zwecke geschieht, hiermit ausdrücklich verboten. Zuwiderhandelnde haben, soweit nicht etwa im einzelnen Falle nach anderen Strafbestimmungen härtere Strafe einzutreten hat, Geldstrafe bis zu 60 Mark oder Haftstrahe bis zu 14 Tagen zu gewärtigen. Die Aufsichtsorgane sind zu unnachsichtlichem Einschreiten an- gewiesen. Leipzig, am 2. Juli 1897. Tas Polizeiamt der Stadt Leipzig. V.K.3334. Bretschneider. Vcrmiethuugcn. In folgenden der Stadtgemeinde Leipzig gehörigen Grundstücken sind einige Räume gegen viertel- bezw. halbjährliche Kündigung zu vermiethen: 1) Rcumarkt Rr. 11, ein Berkaussgewölbe für jährlich 600 ^l, 2) Brühl Nr. 57, eine Wohnung im 2. Obergeschoß, Vorderhaus, für jährlich 542 ./L, eine Wohnung im 1. Obergeschoß des linken Seiten gebäudes für jährlich 275 -6, 3) Gcrberstratze Nr. 57, eine größere Niederlage oder Werkstatt im Erdgeschoß des rechten Seitengebäudes. Die Miethräume unter 3) sind sofort, die unter 1) und 2) vom 1. October lfd. Js. ab zu vermiethen. Miethgesuche werden auf dem Rathhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 9 entgegengenommen. Leipzig, den 21. Juni 1897. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Hildebrandt. Versteigerung von 7 Bauplätzen in Leipzig-Gohlis. Die folgenden, der Stadtgemeinde gehörigen, an der Breiten felder, Dorotheen- und Magdeburger Straße in Leipzig-Gohlis gelegenen Bauplätze und zwar Nr. I. an der Dorotheenstraße von ca. 724,1 gm - II. - - Ecke der Dorotheen- und Breitenfelder Straße von ca. ' 638,6 « - III. - « Ecke der Magdeburger und Breitcnfelder Straße von ca. 638,6 - - IV. - - Magdeburger Straße von ca. 728,8 - « V. - - Magdeburger Straße von ca. 1798,8 - » VI. <» » Ecke der Magdeburger und Breitenfelder Straße von ca. 723,0 - - VII. - - Breitenselder Straße von ca. 868,0 - Flächengehalt sollen Donnerstag, den 8. Juli 18S7» von Vormittags 10 Uhr an im 1. Obergeschoß des alten Polizcianitsgebäudes, Reichsstraße Nr. 3, zum Verkauf versteigert werden. Der Bersteigerungstermin wird pünctlich zur angegebenen Stunde eröffnet und die Versteigerung bezüglich eines jeden der einzeln nach einander in obiger Reihenfolge auszubietenden Bauplätze geschlossen werden, wenn darauf nach dreimaligem Ausrufe kein weiteres Gebot mehr erfolgt. Die Versteigerungsbedingungen mit dem betreffenden Parcelli- rungsplane liegen aus. dem Rathhause, 1. Obergeschoß, zur Ein- sichtnahme aus. Exemplare davon können gegen Bezahlung einer Gebühr von 1 in der Sportelcasse I. in der Georgenhalle, Brühl 80, entnommen werden. Leipzig, den 26. Juni 1897. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Krumbiegel. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Geschäftsräume können in unserem Melde amte, Wächterstraße Nr. 5, am 6. dieses Monats in Abtheilung I, Buchstabe LI — 2 (für bleibende Einwohner), und in Abtheilung III (für Dienstboten), ferner am 7. dieses Monats in Abtheilung II (für Fremde), sowie am 8. nnd 0. dieses Monats in Abtheilung I, Buchstabe X — I- (für bleibende Einwohner) nur dringliche Geschäfte erledigt werden. Leipzig, am 3. Juli 1897. Tas Polizciamt der Stadt Leipzig. v. R. 3314. Bretschneider. H. Versteigerung. Mittwoch, den 7. Juli 1807, von Vormittag 10 Uhr an sollen im Versteigerungsraume des König!. Amtsgerichts hier 25 600 Cigarren versteigert werden. . Leipzig, am 3. Juli 1897. Ter Gerichtsvollzieher beim Aönigl. Amtsgerichte. Sekr. Trauer. Zur Geschichte der Leipziger Stiftungen. 1) Tas Willige oder Reiche Almosen und das Lazarcth (Krankenhaus zu S. Jakobi). Von vr. Heinrich Gefscken. Unser heutiges „Krankenhaus zu S. Jakobi" ist hervor gegangen aus der Vereinigung des sogenannten „Willigen" oder „Reichen Almosens" mit dem Lazareth. Von diesen beioen der öffentlichen Wohlfahrt gewidmeten Anstalten ist nur die ältere, das „Willige Almosen", als Stiftung im Rechtssinne entstauben. Schon im Jahre 1463 hatte HanS Stockart aus Mainz, der seit 1455 als MNnzmeister in Leipzig thätig war, dem Nathe der Stadt 12 alte Schock 14 Groschen jährlichen Zinses für 532 alte Schock Hauptsumme wicderkäuflich abgekauft und gleichzeitig be stimmt, daß diese Zinsen zu einem „willigen" d. h. freiwilligen Almosen für hausarme Leute') verwendet werden sollten. Der Rath genehmigte die Stiftung, über nahm deren Oberaufsicht und ernannte zu deren ersten Vor stehern Nickel Schumann und Konrad Critzelmor. In den Jahren 1464 bis 1469 wurde das Vermögen der neuen Stiftung verschiedentlich durch weitere Capitalanlagen beim Leipziger Rathe vermehrt»), doch scheint daS fromme Werk zunächst noch um seine Existenz gekämpft und festen Bestand erst gewonnen zu haben, nachdem der Rath von Leipzig am 7. Juni 1475 in Uebcreinstimmung mit dem Stifter genaue Vorschriften über die Verwaltung des Almosens erlassen hatte. Bürgermeister, Rathmannen und Geschworene der Stadt be kannten damals urkundlich, daß sie den hauSarmen Leuten des Willigen Almosens, dessen erster Anheber Hans Stockart gewesen sei, jährlich 10 Schock 24 Gr. der hohen Münze zu reichen schuldig seien. Unter dem diese Zinsen tragenden Capital seien 200 alte Schock inbegriffen, die Peter Schwabe, Münz meister in Colditz, geschenkt habe. Außerdem habe der Rath empfangen: am 4. Mai 1473 von Hans Stockart 300 und von Fritz Pfister 100 rh. sl. in Gold, die zusammen jährlich 20 fl. Zins trügen, darnach von Merten Römer, Bürger zu Zwickau und von Markus Möntzer zu Nürnberg 200 fl. für 10 fl. jährl. ZinseS, endlich am Tage dieser Urkunde wiederum von Hans Slockart 500 fl., durch die das Almosen um 25 fl. jährlicher Einnahme gebessert werde. In Summa seien nun mehr beim Leipziger Rathe 1706 rh. st. vom Vermögen des W. A. angelegt, die 86 fl. 4 Gr. Jahreszins trügen. Hiervon sollen 84 fl. zur Austheilung an hauSarme Leute verwendet werden, und zwar soll die Zahl der Empfänger bis zu weiterer Besserung auf 24 festgesetzt sein. Diesen 24 Personen soll jeden Sonntag zu S. Niklas von den Vorstehern der Stiftung ') Hansarme Leute sind Bedürftige, die im Gegensatz zu Obdach losen eigene Wohnung haben. Bgl. Grimm, Wörterbuch, unter dem Wort „Hausarm". ') L. U.-B. I, 297 fg. daS Almosen theils in Naturalien (Brod, Fleisch und Zu gemüse), theils in Geld gereicht werden, in der Fastenzeit tritt an die Stelle des Fleisches eine Portion Heringe. Der Rath übernimmt nochmals die Oberaufsicht der Stiftung und insbesondere die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß nur würdige Personen aus ihr unterstützt werden. Einem be sonderen Wnnsche Stockart's gemäß soll jährlich am Tage, wo der neue Rath sein Amt antritl, demselben eine Abschrift dieser Urkunde vorgelesen und er dadurch an seine über nommene Pflicht erinnert werden. Dafür soll dann aber auch an demselben Tage dem zurücktretenden Bürgermeister, dem Stadtschreiber und den sämmtlichen Mitgliedern deS neuen Rathes je ein halbes Stübchen Rhein- oder Franken wein ins HauS geschickt und zur Bestreitung der entstehenden Kosten der Ueberschuß von 2 fl. 4 Gr. benutzt werden, welcher nach Verwendung von 84 fl. für die Armen von den Zinsen der beim Rath angelegten Hauptsumme übrig bleibt.«) Die Hoffnung, welcher Rath und Stifter in obiger Urkunde Ausdruck gegeben hatten, daß das Willige Allmosen durch die öffentliche Fürsorge, der es unterstellt wurde, von Jahr zu Jahr gebessert werden möge, ging in Erfüllung. Die in ihrer Art vor der Reformation einzig dastehende, rein weltliche Stiftung HanS Stockart's Halle sich von vornherein lebhafter Sympathien von Seiten der wohlthätig gesinnten Leipziger Bürgerschaft zu erfreuen. Schon im Jahre 1480, also noch nicht 20 Jahre nach der ersten Gründung, wird dasselbe ohne Weiteres als daS „Reiche Almosen" bezeichnet^), dieser Name muß also damals eingebürgert gewesen sein und beweist, daß die Einkünfte und die entsprechenden Leistungen der frommen Anstalt bereits zu Ende deS 15. Jahrhunderts als recht erheblich betrachtet wurden. In der That haben wir denn auch aus keiner Zeit eine solche Fülle von Schenkungen und Stiftungen für das Willige Almosen, wie grade aus dem ersten Jahrhundert seines Bestehens. Meist bestehen diese Zuwendungen in der Gründung einer oder mehrerer neuer „Schüsseln", d h. in der Stiftung eines Capitals, dessen Zinsen zur Er richtung einer neuen Percipientenstelle dienen sollen. Hierbei wurden die Kosten einer Schüssel bis tief in das 16. Jahrhundert auf 5 fl. jährlich festgesetzt, denen bei dem üblichen Zinsfuß von 5 Proc. regelmäßig ein Stiftungscapital von 100 fl. ent sprach. Die älteste derartige Schüsselftistung stammt aus dem Jahre 1478 «), die jüngste aus dem Jahre 1602 «). Andere Stiftungen bemühten sich, den Speisezettel für die gesammten Schüsseln des Willigen Almosens zu verbessern. Vielfach aber waren die Zuwendungen reine Schenkungen, so daß cS den Vorstehern der frommen Anstalt vollkommen überlasten blieb, wie sie die erhaltenen Capitalicn am Besten zum Nutzen der Armen verwenden wollten. Die Verwaltung des Willigen Almosens erfolgte von Anfang an durch Deputirte des RatheS: Nickel Schumann und Konrad Critzelmor fanden wir bereits 1463 in dieser Stellung. Auch später blieb es ein freilich nicht immer streng durchgeführtes Princip, die Vorsteherschaft collegialisch durch zwei angesehene Bürger verwalten zu lassen; Rathsmitglieder zu deputiren, wurde erst seit der zweiten Hälfte deS 16. Jahr hunderts gebräuchlich. Die wöchentliche Austheilung geschah nach der Stistungsurkunde von 1463 „aus der Kammer auf der Ecken bei dem Salzgäßchen", 1475 aber bereits „zu Sankt Niklas", seit 1573 wird ein besonderes „Almosen- häuSlein" an der Nikolaikirche erwähnt.») Dabei ist eS dann bis zum Jahre 1704 geblieben, wo die Almosen- vertheilnng auf das neugegründete Almosenamt überging. Doch auch zu manchen mit seiner ursprünglichen Bestimmung nur mittelbar zusammenhängenden Zwecken mußte sich schon seit der zweiten Hälfte deS 16. Jahrhunderts das Willige Almosen benutzen lassen. Da ihm, spätestens seit 1563, die in den beiden Stadtkirchen zu S. Thomas und S. Nikolaus gesammelten sogenannten „Tafelgelder", d. h. die sonntäglichen Almosen der Kirchgänger, zugewiesen waren, so fiel ihm die Hauptlast der an arme Reisende, namentlich wegen ihres ') L. U.-B. I, 400 fg. «) ebd. 422. ») L. R.-B. 1466/89 fol. 29. ') Stisung des Johann Priesing. ') Rechn, de» Willigen Almosens seit 1573 und insbesondere von 1663. S. 15. evangelischen Glaubens Exilirte, an katholische und jüdische Convertiten, an Abgebrannte und Kranke gezahlten Unter stützungen zu. Seit 1578 hat daS Willige Almosen die Frau zu besolden, welche den Schülern zu S. Thomas das Bett gewand wäscht und flickt, seit 1606 werden den Thomas- schülern noch deS weiteren wöchentlich 12 Gr. Unterstützung gereicht, mehrfach muß HanS StockartS Stiftung einspringen, wenn eS den Schülern an Speisung gebricht. Ebenfalls im Jahre 1606 wird zuerst eine sehr bedeutende Apotheker rechnung erwähnt, die daS Reiche Almosen für die kranken ThomaSschüler bezahlt, dieselbe kehrt dann in der Folgezeit mit Regelmäßigkeit wieder und erreicht in Pestzeitea häufig eine ausfallende Höhe. Dem im Johannis- und Georgen- hoSpital im Jahre 1616 angestellten Arzt müssen laut Raths- beschluß jährlich 25 fl. vom Reichen Almosen gereicht werden. Im Jahr 1619 beschließen die Geistlichen von Leipzig einen Fonds zur Unterstützung ihrer Witwen zu gründen, sofort wird unsere Anstalt angewiesen, diesem „Witwen - Kasten" auf 10 Jahre je 25 fl. zuzuwenden, thatsächlich ist die Zahlung bis inS 19. Jahrhundert fortgesetzt worden. Seit 1632 wird auch der die Verwaltung führende Vorsteher mit jährlich 50 fl. besoldet. Dazu kommen eine Reihe kleinerer regelmäßiger Ausgaben. Frühzeitig wird den 10 Personen, welche die Tafeln bei Einsammlung de- Tafelgelde- halten, ein Paar Strümpfe als Douceur gegeben, später bekommen sie Geld. Für die Nicolaikirche werden vier Altaristro, die während der Communion „daS Tuch halten" und wöchentlich die Litanei singen, honorirt, der Küster ru St. Thomas erhält jährlich 2 fl. 18 Groschen, sein Famulus 12 Groschen für geringe Dienste, welche sie bei Abholung des Taselgeldes leisten, ebenso deS Küsters Famulus zu St. NicolauS, selbst der Bettelvogt bezieht regelmäßige Competeazen vom Reichen Almosen.«) Während aber alle diese im Laufe her Jahre der fromme" Anstalt zugemutheten und gewohnhert-mäßig länger od<r kürzer geleisteten Zahlungen nicht vermochten, ihren eigent lichen Charakter als einer Almosenstiftuug zu verändern, wurde hierfür eine im Jahre 1632 vom Rathe ergriffene Maß regel von einschneidendster Bedeutung. Damals nämlich gras- sirte wieder einmal, wie schon so oft vorher, in Leipzig die Pest. Die Mittel deS RatheS reichten bei den schweren ZM^ufteu des noch andauernden dreißigjährigen Kriege» zur Pflegender Kranken sowie zur Unterhaltung ihrer Wärter und Seel sorger nicht aus. Das GeorgenhoSpital aber, welche- seiner Bestimmung als Krankenhaus gemäß zunächst hatte helfend einlreten müssen, war im Jahr zuvor bei Belagerung der Stadt eingeäschert worden und in gänzlichen Vermögens verfall gerathen. In dieser Verlegenheit griff man zu dem bereits beliebten Ausweg, das Reiche Almosen heranzuriehen. Es fanden außerordentliche Sammlungen in den Kirchen statt; die Gemeinde wurde von der Kanzel au- fleißig er mahnt, ihre Hand aufzuthun, der Ertrag floß dem Willigen Almosen zu, dafür aber wurde demselben nunmehr ganz generell die Verpflichtung auferlegt, die im städtischen Lazareth liegenden Pestkranken zu versorgen, wie auch den Pestilenzial- pfarrer, den Barbierer und andere Diener zu unterhalten.«) Die ältesten Nachrichten über da- Leipziger Lazareth gehen zurück bis in da- Jahr 1548. Damals beschloß der Rath, ein PestilenzhauS zu bauen, und da- RathShanvel-buch der Jahre 1546/50 (Fol. 193) hat uns den genauen Vertrag ausbewahrt, der zu diesem Zwecke mit dem Zimmermann HanS Hacker abgeschlossen wurde. Wohin da» Haus zu stehen kommen sollte, ist allerdings nicht angegeben, wie denn auch in den Stadtcassenrechnungen dieses und der folgenden Jahre alle Nachweise über Ausgaben fehlen, die der Rath dock nothwendig für den Bau hätte machen müssen. So wird es denn im Jahre 1548 bei dem bloßen Plaue geblieben sein, und das ist um so wahrscheinlicher, als der Rath bereits im Jahre 1556 dem Baumeister Moritz Thommel die alte Flachswaage im Brühl für 400 fl. und gegen Abtretung eines Vorwerkes vor dem Grimmajschen Thor am Egelpfuhl verkauft, um auf dem letztgenannten Platz da» Prstileuz- «) Rechn. deS WA. der betreffenden Jahre. «) Rechn. deS Willigen Almosen von 1632. Fol. 19 und 43. Feuilleton. Die beiden Freunde. Novellette von Michel Triveley. Deutsch von Wilhelm Thal. Nachdruck verboten. I. Pierre Durand und Jacques Duval waren sozusagen zusammen erzogen worden. Kein Wunder, daß sie sich daher associirten, als der Augenblick, ein Geschäft zu gründen, gekommen war. DaS war in der Tbat eine glückliche Idee, denn daS HauS „Durand L Duval, Kurzwaaren, EngroS" erfreute sich bald einer großen Beliebtheit. Durand und Duval, die in ihrem Geschäftshause wohnten, gingen um sieben Ubr Morgens in ihr GeschäftSlocal, arbeiteten dort bis 7 Uhr Abends angestrengt, gaben den CommiS daS Beispiel des Fleißes, überwachten ihr Personal, und verschmähten es bei Gelegenheit auch nicht, die Kunden zu bedienen. Kaum leisteten sie sich gegen Mittag eine Stunde Ruhe und, wohlverstanden, nahmen sie zusammen ihre Mahl zeiten ein. Wie daS nur berechtigt war, so waren sie nie auf den Gedanken gekommen, einer ohne den andern inS Theater oder auf den Ball zu gehen. UebrigenS wäre eS auch keinem ihrer Bekannten jemals eingefallen, sie getrennt cinzuladen. Für ihre Freunde bilveten Pierre und JacqueS nur eine gemein same Firma; sie bildeten ein Hauswesen, daS man nicht trennen durste. So kamen die Einladungen nnd Mitthei- lungen meistens auf demselben Couvert; man setzte ganz un willkürlich „Herrn Durand und Herrn Duval" darauf, wie man etwa „Herrn Dupont nebst Frau Gemahlin" geschrieben hätte. II. Pierre und JacqueS — haben wir bereits gesagt, daß sie gleichaltrig waren? — gingen jetzt ins fünfunddreißigste Jahr und daS Leben, daS sie führten, schien sich auf ewige Zeiten fortzuspinncn, als eine Depesche aus Amerika das ruhige, gleichmäßige Dasein unterbrach. Ein Onkel, für den JacqueS einst eine aufrichtige Zärt lichkeit gehegt, war in New Jork krank geworden, und rief seinen Neffen zu sich. Pierre, dem JacqueS die Depesche vorgelesen, stieß einen Angstschrei auS: „Du willst also verreisen? — Halte Dich wenigsten- nicht zu lange da drüben auf", fügte er hinzu. „Denke, daß ich hier allein bin, und durch Deine Abwesenheit doppelte Arbeit habe ... auch kannst Du sicher sein, daß Du mich als den selben wiederfinden wirst wie vorher .. . dagegen wirst Du nothgedrungen allein auSgeheu, wirst Dich zerstreuen, wie Du kannst, und ..." Hier zitterte Pierre'S Stimme ein wenig: „Du wirst Dich vielleicht verheirathen wollen, und was sollte dann aus mir werden, wenn ich ohne meinen Jugend freund allein auf der Welt dastände?" „Aber ich denke ja gar nicht daran!" „Für den Augenblick gewiß nicht! ... Doch Du könntest daran denken! ... Ich habe schon manchmal Neigungen dieser Art bei Dir bemerkt. ... Bis jetzt hast Du, wohl aus Liebe zur Freiheit und vielleicht auch auS Rücksicht auf Deinen alten Freund, widerstanden ... doch wenn Du ein mal von mir fern bist ..." „Fürchte da- nicht, mein Freund! ... Ebenso wie Du habe ich keine Lust, mir eine Kette um den Hals zu legen.... Und was sollte dann aus unseren Piquetpartien und unseren schönen Abendspaziergängen werden? . . . Na, Muth, hab' keine Angst!" JacqueS packte seinen Koffer, bestellte einen Platz auf dem Packetdampfer und reiste noch an demselben Abend nach Havre ab, in Begleitung seines alten Freundes, der ihm bis auf den Quai das Geleite gab. III. Drei Monate ist JacqueS dort unten von seinem Onkel zurückgehalten worden, dessen Heilung auf sich bat warten lassen, und die beiden Freunde haben sich regelmäßig zweimal in der Woche geschrieben. In den Briefen JacqueS' standen reichliche Mittheilungen über seine Gesundheit, sein neues Leben und die so inter essanten Gewohnheiten des amerikanischen Volkes; er verab säumte niemals, im Laufe seines Briefwechsels seinem Freunde die genauesten Auskünfte über die Kurzwaaren- Jndustrie in der neuen Welt zu geben, ja, er rieth ihm sogar einige Reformen an, die sich in ihrem Geschäft anbringen ließen. Dagegen hatten die Briefe Pierre'S nach und nach an Länge und Interesse verloren, namentlich zuletzt hatte er nur kurz« BilletS von einigen Zeilen gesandt, gerade als hätte er Furcht gehabt, sich irgend ein Geheimniß entschlüpfen zu lassen. IV. „Komme heute Abend an. JacqueS." Als Pierre dieses Telegramm erhielt, ward er blaß und rief seine Frau herbei. „JacqueS kommt zurück und ich habe nie gewagt, ihm unsere Verheirathung mitzutheileu." „DaS ist wahr! ... Du fürchtest die Neckereien Deines Freundes! . . . Wenn ich denke, daß die Furcht vor seinem Spott Dich veranlaßt hat, mit der Hochzeit zu zögern." „Ja, ich gestehe eS ein", sagte Pierre lächelnd, „ich habe gezögert . . . doch nicht lange. . . Deine schönen Augen haben meine Unentschlossenheit schnell besiegt." Ein Kuß besiegelte den Satz, dann fuhr Pierre fort: „Der arme JacqueS! . . . DaS wird ihm einen Stich in» Herz geben! . . . Denke doch! Wir lebten stet» zu sammen! . . . Wenn ich denke, daß er unsere kleine Wohnung wird wieder beziehen wollen!" „Ja, aber bist Du denn nicht glücklich?" fragte Madame Durand lächelnd; „so von Deiner Frau verhätschelt zu werden ? Ja, ich möchte sogar sagen von zwei Frauen, denn meine Schwester wohnt ja bei uns. . ." „Gewiß! und ich bedaure nur da» eine. Dich nicht früher kennen gelernt zu habe» . . . Doch «- handelt sich in diesem Augenblick nicht um mich, sondern um JacqueS: wie soll ich ihm die Sache in geschickter Weise mittheilen?" ... „Nun, nur Muth! verlieren wir nicht den Kopf ... Es ist erst 2 Uhr; er kommt um 7 . . . Bis dahin haben wir Zeit, irgend ein Mittel zu suchen . . ." V. Jacques hatte sein Heim betreten; Pierre erwartete ihn und die beiden Freunde stürzten sich in die Arme. „Endlich sehe ich Dich wieder!" sagte JacqueS nach den ersten Händedrücken; „und nun wirst Du mir Dein seltsames Benehmen erklären . . . Wenn ich bedenke, daß Du in Deinen Briefen . . ." Doch rr sprach den Satz nicht auS, sein Blick war auf da- Jaquet Pierre'S gefallen, ein elegante- Jaquet, da- vv<
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite