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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970703025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897070302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897070302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-03
- Monat1897-07
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderum,' vO.—, mit Poslbrförderung 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Riorge n-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Sonnabend den 3. Juli 1897. Der „General"-Postmeifter. . X. Im 17. Bande von Schlosser'S Weltgeschichte werden ie Zustände in Preußen in der Zeit nach Olmütz u. A. dahin charaktcrisirt: „Anstellung und Beförderung richtete sich auf allen Gebieten weit mehr nach der Willfährigkeit, mit welcher die Bewerber auf die Anschauungsweise der Partei (gemeint ist die konservative Partei) eingingen, als nach der Tüchtigkeit für das besondere Amt." An jene traurige Zeit Preußens erinnern die gegenwärtigen Zustände in mehr als einer Hinsicht. Man kann Wohl sagen, daß die Ernennung Podbielski'S der angeführten Charakterisirung entspricht. Die Zugehörig keit zur conservativen Partei ist vorhanden, aber von einer besonderen Tüchtigkeit für daS von ihm übernommene Amt weiß Niemand etwas zu berichten. Daß aber gerade die Postverwaltung eine Behörde ist, die ein hervorragendes Maß genauer technischer Kenntnisse beansprucht, besonders von dem obersten Leiter der Verwaltung, ist auch dem Laien ohne Weiteres einleuchtend. Was wird nun, da Niemand zu behaupten wagt, daß v. Podbielski die technischen Vorkenntnisse für sein Amt habe, von den Vertbeidigern seiner Ernennung als Ersatz für diesen Mangel angeführt? Da schreibt die „Post", v. Podbielski besitze besondere Fähigkeiten in Bezug auf Finanzverwaltung; die „Berliner Polit. Nachr." führen an, es gäbe ja doch in der Postverwaltung gegenwärtig zwar höchst tüchtige Beamte, aber keinen, der für einen Mann, wie Stephan, einen vollen Ersatz leisten könnte, und es sei ein Vortheil, wenn der Leiter einer Verwaltung außerhalb des bureaukratischen Ganges gestanden habe; die „Nordd. Allg. Ztg." meint, v. Podbielski bringe neue Gesichtspunkte mit, nothwendige Reformen ließen sich übrigens besser durch Neulinge, falls sie nur über das nöthige Quantum an Geist und Wissen verfügten, durchführen; die „Kreuzzeitung" erinnert daran, daß auch der landwirthschaftliche Minister Lucius ursprünglich Medi- ciner gewesen sei; ein anderes Blatt meint, die Ernennung Podbielski'S gemahne an das friedericianische Zeitalter; das „Kleine Journal", das der ohnehin schon wenig beneidenS- werthen preußischen Regierung in der letzten Zeit öfter zu Hilfe kommt, ist der Ansicht, daß ja das technische Element in der Postverwaltung so wie so eine reiche Entwickelung hinter sich habe, und daß es jetzt vornehmlich auf die sociale Organisation des großen Beamtenheeres der Postverwaltung an komme. Lord John Russell nannte im Jahre 1859 die Argumente süddeutscher ultramontaner Blätter für eine Betheiligung Deutschlands an dem Kriege Oesterreichs gegen Frankreich und Italien kurz und bündig „lov8 sottls" (albernes Zeug). Die im Vorstehenden angeführten Argumente legen die Ver suchung nahe, sie ebenso bündig abzufertigen. Es sei indeß auf Einiges eingegangen. Zugegeben, wiewohl wir bindende Beweise dafür nicht haben, daß Herr v. Podbielski tüchtig in der Finanzverwaltung ist, so würde gerade dieser Grund am allermeisten gegen seine Ernennung sprechen. Denn eS ist in dem letzten halben Jahrzehnt von allen Parteien oft genug beklagt worden, daß die Post schon jetzt viel zu viel Gewicht auf die finanzielle Seite, d. h. auf möglichst große Ueberschüsse lege, und daß darunter sowohl die technische Entwickelung der Post, wie die Entwickelung von Handel und Verkehr litten. Soll dies nun noch schlimmer werden? Das weitere Argument, daß man Herrn v. Podbielski Wohl nehmen könne, weil sich doch kein voller Ersatz für Stephan fände, ist geradezu kindisch. Es anführen, ist dasselbe, wie wenn ein wohlhabender Mann, der die ersehnte Million nicht erreichen kann, nun alles Geld in den Fluß würfe, um lieber gar nichts zu haben. Wir meinen, eS wäre eine Pflicht der Pietät gegen den so doch verdienten Stephan gewesen, wenn man einen möglichst guten Ersatz für ihn gesucht hätte; und wir meinen, daß eS auch wenig freundlich gegen sein Andenken ist, wenn man cs ausspricht, es sei ein Vortheil, daß der Leiter einer großen Verwaltung außerhalb des bureaukratischen Ganges gestanden habe; denn Stephan hat nicht außerhalb dieses Ganges gestanden, sondern ist in der Verwaltung empor gekommen. Trotzdem hat Stephan, zumal in der ersten Zeit seiner Leitung des deutschen PostwesenS, „neue Gesichtspunkte", wie sie jetzt die „N. A. Z." verlangt, in Fülle gehabt. Daß v. Podbielski sie habe, ist einstweilen eine leere Behauptung. Man kann bei einer so complicirten Maschinerie, wie es unser Verkehrswesen geworden ist, neue Gesichtspunkte überhaupt nur zur Geltung bringen, wenn man auf Grund der Kenntniß dieser Maschinerie beurtheilen kann, ob sie durchführbar sind. Sonst läuft man Gefahr, von dem ersten besten Postdirector, dem man die „neuen Gesichtspunkte" mittheilt, belächelt zu werden. Herr v. Podbielski mag wohl, wie die „N. A. Z." rühmt, ein Neuling von Geist und Wissen sein, aber hier kommt es nicht auf allgemeines Wissen, sondern auf gründ liche technische Vorkenntnisse an. Der Vergleich der „Kreuzzeitg." mit Herrn v. Lucius binkt völlig; denn Lucius hatte viele Jahre lang, bevor er LandwirthSschaftsminister wurde, drei große Güter bewirth- schaftet. Er war also Fachmann, während v. Podbielski in keinerlei Beziehung zum Postwesen gestanden hat. Ein anderer Vergleich hätte eigentlich der „Kreuzzeitung" näher liegen sollen, weil eS sich dabei auch um einen Militair bandelt, der in ein hohes Staatsamt berufen wurde: Caprivi. Man sollte meinen, daß doch gerade die „Kreuzztg." von den Erfahrungen, die man bei jenem Experimente gemacht hat, so wenig begeistert sein sollte, daß ihr daS neue Experiment recht bedenklich erscheinen müßte. Wenn weiter letzthin auf die friedericianische Tradition exemplificirt wurde, so haben wir auS dem Stephan'schen Werke über die Geschichte der preußischen Post dargethan, daß unter Friedrich dem Großen auch nicht ein einziger Generalpostmeister vorher Militair gewesen ist. Endlich zu der Ausführung, daß die sociale Organisation der Postverwaltung jetzt die Hauptsache sei, während man in der technischen Verwaltung ja bereits genügend weit vorwärts gekommen wäre. Das ist grund falsch. Bei der Schnelligkeit der Entwickelung des Verkehrs lebens und bei den fortwährenden neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Technik kann die Postverwaltung nur unter An spannung aller Kräfte es dahin bringen, gleichen Schritt zu halten und den Anforderungen des Verkehrs zu genügen. Bliebe die deutsche Postverwaltung regungslos ein halbes Jahrhundert in dem gegenwärtigen Zustande der Technik be harren, so würde sie im Jahre 1950 hinter der Postverwal- tung Patagoniens zurückslehen. In socialer Hinsicht sind freilich bei der Post mancherlei Schäden, aber wir glauben, daß zu der Mißstimmung der unteren Postbeamten über ihre socialen Verhältnisse nun noch die Verstimmung der höheren Beamten über die ihnen durch die Ernennung eines Militairs zu ihrem obersten Chef zugefügte Zurücksetzung hinzu treten wird. Ja, Herr v. Podbielski tritt sein Amt unter ungünstigen Umständen an. Seine ersten Schritte werden begleitet von der tiefen Verstimmung seiner Beamten, von dem Mißtrauen weiter Kreise des Volkes. Dieses Mißtrauen wird ihm in umfangreichem Maße voraussichtlich auch von der Volks vertretung entgegengebracht werden. Er wird daS Doppelte leisten müssen, wie ein Anderer, um die Verstimmung zu be siegen! Einstweilen aber ist diese Verstimmung vorhanden, vorhanden nicht nur in den Gebieten, die zur Verwaltung der Reichspost gehören, sondern auch in den beiden eximirtcn süddeutschenKönigreichen,in denen der Particularismus schon jetzt starke Wurzeln hat. „Gott sei Dank, daß wir keine Preußen sind", sagte letzthin der volkspartei liche Abg. Haußmann. Nun, von den süddeutschen Demo kraten ist man derartige Ausdrücke gewöhnt. Ein viel traurigeres Zeichen der Zeit aber ist es, daß die streng national gesinnte „Württ. Volkszeitg.", wie unser Stuttgarter Correspondent schon berichtete, zu diesem Aus spruche mit Recht nichts Anderes sagen kann als: „Ein böses Wort! Aber die Art und Weise, wie derzeit in Berlin auf den ererbten Schatz von DankeS- pflicht gegenPreußenunddieHohenzollern hinein gehaust wird, verschließt den zum Widerspruch bereiten Mund." DaS ist eben das Arge, daß die natio nalen Kreise in Süddeutschland wehrlos gemacht werden zum Kampfe gegen den Uebermuth von Demokratie und Klerisei. „Unsere Zeit steht im Zeichen des Verkehrs", wurde vor einigen Jahren gesagt. Ein schönes und ein zutreffendes Wort, aber wichtiger, als eine Wahrheit in eine knappe und gefällige Form zu kleiden, ist es, danach zu handeln. DaS geschieht aber nur, wenn man an die Spitze der dem Ver kehr dienenden Verwaltungen Männer setzt, deren bisherige Thätigkeit die Garantie giebt, daß sie ihren schweren Auf gaben gewachsen sein werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Juli. Daß mit den vom „Reichsanzeiger" veröffentlichten Er nennungen die „Erneuerung der Regierung" noch nicht abgeschlossen und daß insbesondere das längere Ausharren des Fürsten Hohenlohe auf seinem Posten höchst fraglich sei, ist die Ueberzeugung eines Jeden, der die Vorgeschichte dieser Erneuerung verfolgt hat. In dieser Ueberzeugung wird man bestärkt durch eine bereits durch den Telegraphen signalisirte, aber sehr mangelhaft wiedergegcbene, durch hochossiciösen Sperrdruck besonders hervorgehobene Notiz. Sie lautet: „Ein süddeutsches Blatt bringt unter dem Titel „Zur Militair- Strasproceßordnung" die Mittheilung, daß die in Berliner Blättern vertretene Annahme, das preußische Staatsministerium habe einen Beschluß über die Militair-Strafgerichtsordnung gefaßt, durch den die preußische Stimme jetzt schon sestgelegt wäre, irrig sei. Dem gegenüber sind wir in der Lage, festzustellen, daß das preußische Staats ministerium vor Kurzem einen Bericht an Se. Majestät den Kaiser erstattet hat, in welchem gewisse Modifikationen des Entwurfs in Vorschlag gebracht werden. Da eine kaiserliche Entscheidung bisher nicht erfolgt ist, so kann von einer Festlegung der preußischen Stimme allerdings noch nicht die Rede sein. Wir glauben aber versichern zu können, daß der Reichskanzler und Minister. Präsident keiner Fassung zustimmen wird, welche mit seiner im vorigen Jahre im Reichstage abgegebenen Erklärung unvereinbar wäre." Es ist sonnenklar, daß diese Notiz nicht veröffentlicht worden wäre, wenn es sich lediglich darum handelte, die Meldung Les süddeutschen Blattes in seltsamer Form zu bestätigen, und wenn es dem Verfasser nicht hauptsächlich darum zu thun wäre, fcstzustellen, daß bei den der Erneuerung der Regierung vorausgegangenen Besprechungen ein auch die Militairstraf- proceßordnung umfassendes Programm nicht erzielt, eine Uebereinstlmmung zwischen dem Kaiser und seinem ersten Nathgeber in dieser so überaus wichtigen Frage nicht berbeigeführt worden ist und Fürst Hohenlohe seinen Rücktritt für den voraussichtlichen Fall der DeSavouirung seines Versprechens durch den Kaiser in bestimmte Aussicht genommen hat. Die Notiz ist ein in voller Öffentlichkeit gestelltes Ultimatum des Fürsten Hohenlohe, dem wir ein ähnliches seit der Wiederaufrichtung des Reiches nickt an die Seite zu stellen wissen. Der Verfasser rechnet auch augenscheinlich gar nickt damit, daß es im Sinne des Fürsten werde beantwortet werden; wir auch nicht. Ueber die Vorgänge bei dem Besuche des Reichskanzlers und des künftigen Staatssecretairs v. Bülow in Friedrichs ruh wollen die „DreSd. Neuest. Nachr." aus besonders gut infvrmirter Quelle folgende „authentische" Mittheilung er halten haben: „Der Bestich des Fürsten Hohenlohe, der bereits am 19. Juni in Friedrichsruh angekündigt wurde, bedeutet eine entscheidende Wendung in der innern und äußern Politik. Es handelt sich darum, eine Form zu finden, den Rath des Altkanzlers wieder dauernd der Reichsregieruug zu sichern. Es wird an eine Stellung gedacht, ähnlich der, die Gras Moltke nach Rücktritt von dem Amte eines Generalstabschefs einnahm, als er zum Ehrenpräses der Landesvertheidigungs-Commission ernannt wurde." Es würde sich gar nicht verlohnen, auf diese aus den Fingern gesogene Meldung einzugehen, wenn sie nicht sogar der „Köln. Ztg." imponirt hatte. DeS „rheinischen Wclt- blatteS" und seiner trotz aller Vorgänge der neueren Leit noch immer gläubigen Leser Haller muß darauf hingewiesen werden, daß der politische Rath des Altreichskanzlers, wenn er wirklich in Zukunft wieder gehört und befolgt werden sollte, doch zuerst hätte gehört und befolgt werden müssen bei der Wahl der neuen Männer, welche von jetzt ab Träger der Politik sein sollen. Und wie denkt man in FriedrichSruh über die Wahl des neuen „General"-Post- meisters? Die „Hamb. Nachr." geben darauf Antwort, indem sie an eine Auslassung der „Nordd. Allgem. Ztg." über Herrn v. Podbielski folgende Bemerkung knüpfen: „Wir finden diese Argumentation des ofsiciöscn Blattes doch etwas bedenklich. Ter Hinweis aus das Beispiel Englands und Frankreichs als vorgeschrittene Culturländer hat süc das deutsche Nallonalbewußtscin nichts Schmeichelhaftes; ec ent spricht auch mehr der demokratischen Auslassung vom Staate als der preußischen Tradition. Ferner haben wir nicht geglaubt, daß dem deutschen Postwesen und seiner hohen Entwickelung die Einrichtungen Englands und Frankreichs als Vorbild zu dienen hätten, oder daß es nach ihnen zu „corrigiren" wäre. Wenn endlich Sachverstand und fachmännische Erfahrenheit von dem norddeutschen Blatte für einen Fachminister eher als schädlich denn nützlich be- zeichnet und dem Laien bei Durchführung technischer Reformen mehr Chancen als der Fachautorität zugeschrieben werden, so erleben wir es vielleicht auch noch, daß das ofsiciöje Organ demnächst etwa einen vortragenden Rath aus demCultusministertum zum Reformator der Artillerie in Vorschlag bringt." Diese Offenbarung der „Uebcreinstimmunz" des Lenkers des alten CurseS mit dem Lenker des neuesten werden das Nllnny Trauner. 10) Roman von C. Schroeder. Nachdruck verboten. „Nur sachte, ich liefere Dir Beweise. Habe kürzlich erst über ihre Vergangenheit —" hier stieg dem Sprechenden das Blut in die Wangen, er stockte, um gleich darauf in trotzig herausforderndem Ton fortrusahren: „Erkundigungen ein- gezogen. Hatte ein gutes Recht, sollte ich meinen, mich für das Vorleben meiner Braut zu interessircn, hm! und so habe ich eS denn auS bester Quelle, daß Anna von Heübronn wohl in ihrer Kindheit die Armuth hat kennen gelernt, aber doch eine andere Art Armuth als die, von der Deine Veilchcnverkäuferin zu erzählen wußte. Der spielwüthige Vater hat, so scheint eS, seine Familie wiederholt an den Rand des Verderbens gebracht, Hal jedoch als einziger Sohn dcS alten Hellbronn immer noch eines gewissen CrediteS ge nossen —" „Bei Lebzeiten soll daS doch beißen", unterbrach ihn Franz in sarkastischem Ton. „Es hatte aber stark den An schein, daß der Vater des Kindes damals nicht mehr lebte." „Ganz richtig", beeilte sich Günther zu bestätigen, „er war gestorben, schon zwei Jahre vorher in Neapel, an der Cholera." „Ta siehst Du nun! Und die Mutter?" „Die hatte der Tod fast gleichzeitig mit ihm dahingerafft." Franz blickte betroffen, zuckte dann aber ungläubig die Achseln »nd meinte mit spöttischem Lächeln: „Es fehlt jetzt nur noch, daß Du mir die Versicherung giebst, Fräulein von Hellbronn sei niemals in Paris gewesen!" „Das kann ich nicht. Nein, sie war in Paris, und zwar merkwürdiger Weise genau zu der Zeit, in die Dein Abenteuer fällt, aber — halt, triumphire nicht zu früh, sie befand sich in dem sicheren Gewahrsam eines klösterlich strengen Mädchcn- pensionate»." „Hm!" nickte Franz. „Also in Paris war sie doch? Nun, das genügt mir schon." „Du bist im Stande — ha, ha, ha! — zu glauben, sie habe Schlösser erbrochen, Mauern überstiegen, um spät AbendS auf dem Pont des ArtS eine Comödie aufzuführen!" „Nein, Freund, aber ich glaube, daß man Leute«, die Erkundigungen einziehen, neben einzelnen Körnchen Wahrheit mitunter manchen Mund voll Lügen zu schlucken giebt." „Franz, ich bitte mir auS —" „Findest Du etwas Ehrenrühriges darin, betrogen zu werden? Ich nicht, alter Junge, ich thue mir eher etwas zu Gute darauf, daß trotz tausend bitterer Erfahrungen mein Vertrauen zu der lieben Menschheit nicht schwinden will. Nun aber lass' eS gut sein! WaS kann uns der Streit nützen? An der Tbatsache, daß die Augen, die ich auf dem Pont deS ArtS geküßt, die mir wachend und schlafend gegen wärtig gewesen die Jahre hindurch, Anna von Hellbronn'S Augen sind, ändert er nichts — und leider Gottes auch nichts an der anderen Thatsache, daß mein Glück Dein Unglück ge worden ist, daß die Geliebte, von der Erinnerung überwältigt, von meiner Leidenschaft hingerissen, Dir ihr Herz entzogen hat, um eS mir wiederzuschenken." „Wiederzuschenkenl" kam es wie ein höhnendes Echo von deS Anderen Lippen. Franz vernahm eS nicht. Tief aufseufzend war er an daS Fenster getreten. „Welch ein Schicksal!" stieß er bitter bervor. „Welch eia raffinirt grausames Schicksal! Dem einen Freund ent wendet cs den theuersten Schatz, dem andern steckt eS ihn zu, hämisch flüsternd: „Nimm hin und genieße!" Als ob an einen ungetrübten Genuß noch zu denken wäre, nachdem —" Er brach ab und starrte stirnrunzelnd und düster durch die Scheiben. „Du meinst also wirklich, daß sie Dich liebt?" Secundenlang batte es in Günther'S Zügen gekämpft, dann hatte er die Frage kurz und schroff herausgestoßen. In maßlosem Erstaunen drehte Franz sich um. „Du zweifelst daran?" rief er auS, und als der Andere stumm blieb, „nach Allem, wa» Du in der vergangenen Nacht gesehen, kannst Du noch darann zweifeln?" „Ja!" antwortete Günther grollend. Der Maler schüttelte den Kopf, um seine Lippen zuckte e« — weit mehr mitleidig al« spöttisch, aber dem Grafen jagte eS das zornige Blut in die Stirn. Mit dem Fuß auf stampfend, wiederholte er, da« „Ja!" hinzufügenv: „Ich zweifle nicht nur daran, ich bin vom Gegentheil überzeugt!" „Güntber!" „Meinst Du vielleicht, auch ich sei Einer von Denen, die den Leuten Lügen zu schlucken geben,"' schrie der Gereizte. „Nicht doch — nickt doch!" beschwichtigte Flemming. „Ich meine nur, daß Zorn, Schmerz und Haß Dich ver blenden, Dich ungerecht machen. Denn — wenn es nicht allgewaltige Liebe war, WaS sie vom Pfade der Pflicht ab führte, wenn es nicht angstvoll zitternde Liebe war, WaS sie verleitete, mir gar ihr Verlöbniß zu verheimlichen — was war es dann?" „Ein Einfall — eine Laune — ein boshafter Streich!" „Güntber!" rief Franz jetzt in bebender Entrüstung. „So rächt sich kein edler Mensch!" „Ha, ha!" lachte der Andere höhnend auf. „Glaubst wohl, ick rede in den Tag hinein, hätte meine Beweise nicht? Hier, sieb her!" Er stieß die Hand in die Brust tasche und zerrte daraus einen Brief hervor. „Da — da! nimm und lies!" „Lass' mich!" entgegnete Franz unmutbig. „Schon der Anblick geschriebener Verleumdung macht mich" — er zuckte zusammen. Sein Auge batte unversehens die wohlbekannten Schriftzüge Anna von Hellbronn'S gestreift. Gedankenschnell batte er den Brief an sich gerissen und entfaltet. Halblaut begann er: „O! Güntber, Günther! Nachdem Du Dich so gut, so lieb, so vertrauensvoll gezeigt —" „Halt!" unterbrach ihn der Andere, „daS ist der Rechte nicht!" Und er machte Miene, sich de» Schreibens wieder zu bemächtigen. Franz aber wehrte ihm. „Auch dieser scheint mich an zugehen, ich sehe meinen Namen", erklärte er ungeduldig, und lautlos laS er weiter. Bei den Worten „Welch' ein Leben bereitet er sich und mir —" suchte sein Auge das Datum. Momentan ließ er dann da« Blatt sinken und musterte unter peinlich gerunzelten Brauen bervor die Gegenstände um ihn her. „Ich habe doch nicht etwa den Verstand verloren?" fragte sein unsicherer Blick. Allmählich, wie er weiter laü, entfärbte sich seine Wange. Als er vollendet batte, entschlüpfte das Papier laut raschelnd seinen Fingern und flatterte zu Boden. Nun stand er, den Oberkörper vorgebeugt, es mit den stieren Blicken wie mit Dolchen durchbohrend, bis eine Bewegung Günther'S den Bann brach und ihn in die Höhe fahren machte. „Es — eS ist keine Täuschung — keine Fälschung möglich?" brachte er stockend, in heiserem Tone hervor. „Keine", antwortete Günther dumpf. „Der Brief ist von ihr — gestern Morgen erhielt ich ihn." Secundenlang noch stand der Maler starr und regungs los wie ein Steinbild. Dann schoß ihm da» Blut siedend in die Stirn. Hastig hatte er sich nach dem Brief gebückt, sengend, vernichtend fuhren seine Blicke darüber hin. „Schlange! Doppelzüngige Schlange!" kam cs durch die zusaiiimengebissenen Zähne. „Hattest also von meiner Existenz noch nicht die allergeringste Ahnung, bis Dir der Großpapa den nunmehrigen Besitzer der Villa am See vorstellte." „Und daS ist nicht wahr?" schrie Günther, „sie hätte Deine Bekanntschaft bereits gemacht?" „Das will ich meinen! Die Kleinigkeit von zehn Jahren vorher, in Paris, auf dem Pont deS Arls." „In die verrückte Idee scheint er verrannt!" sagte des Grafen spöttisches Achselzucken. Ter Maler fuhr fort, den Brief mit verächtlich ge kräuselter Lippe zu coinmentireu: „Du hebst ganz erstaunt die Augen? — In der Tbat, ich kann Dir'S bezeugen! So erstaunt, als erblicktest Du einen phänomenale» Zwei füßler vom Mond hcrabgestiegen. Damals schon wollte mich eine innere Stimme warnen, aber ich bürte nicht darauf. Es ist die Schuld ter modernen weiblichen Erziehung, meinte ick, in der Verstellungskunst müssen sich die Mädcken von der Wiege an üben. Ha! und ich — der ich bei Deinem unerwarteten Anblick wie ein blöder Schuljunge stand, nicht Herr eines Wortes, einer Bewegung — ich erklärte mit untadelhafter Verbeugung — Pfui! Vchande über die Lügnerin!" Nicht länger im Stande, seine überschäumende Wutb zu bemeistern, ballte er daS Schriftstück zu einem Klumpen und schleuderte eS in daS offene Feuer. Es schien, als wolle Günther ihm nachstürzen, aber er «hat e« nicht. Stirnrunzelnd sah er eS in Rauch anfgeben, während Franz mit hastigen, ungleichen Schritten das Zimmer durchmaß. Plötzlich blieb er stehen. „Nach dem Briefe da halte ich sie jeder Falschheit fähig", sagte er, „doch daß sie mir Liebe geheuchelt haben soll, daS — fasse ich nicht! Es war bei der Sache so gar nichts zu ge winnen — ich bin ja kein reicher Gras." Ohne den zornigen Blick, den ibm die letzten Worte einlrugen, zu beachten, setzte er hinzu: „Bon wem hast Du'S?" „Von ihr selber!" „Ah so!" Der verächtliche Ton deS Ausrufes reizte den Andern. „Ich meine, in diesem Falle könntest Du ihr Glauben schenken",
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