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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970715028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897071502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897071502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-15
- Monat1897-07
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I00.7S 101,- S 31, S4.— IOO.7S 'Udr. äo. 4o. <to. 4o. »«vr.O.I — 8»I»««. — ,ro. »tw! — >. S»ok I — d. L»n»I ISS,— ilk. a. L. d.Löro. Iel.-Sp. 'r.H <to. 8 !-ör«na . n. 6N. n.Sv.-I« Xolli, -2»N>. ..L.r. kl»n«0 ^or.-s. > Uv. krsasll '. a. 6d. L»NI» IripU, 8»d«Q. Soldrl >v<1iir.) dm.-k. -I-t.-k'. >.OI»d. to«-?. et.-8v. ll.u.V. !. v.-k. ^iod. .8. V4^so 184.— ISS,so ISS,so S4,— SIS.— 124,— 172^0 2S8 IIS,— soo,— 08,— IIS,so SS,— 124,7Ü dsa )omm j»ild r»<Ut r.k.0. lli»d Ion 183.70 186.20 155.70 ISI,SO 21, kiudir. 200.30 102,— 114.30 I4S.40 313 810,— IS0 AO . ISS,so int k.-kr.! 101,6S l»LS». 2SS,— -m SOS 30. Ludix. 17^— IS3.7S 118^70 SVS,S0 23S.S0 S7.40 n «<1.8 uU»n —, -e- oZ»N »r«o SS7 403 47S S4S SS 631, lt»n sä ILtr« ti»«I :d»«I »7 LS", 8m. gäl. >.-8. ösl. 123.— ISS.- SS,OS S8.70 IIS,öS 47,00 SLS »8,71 I,SS-I. 113,40 2ÜS,— ktslosiekelt. ' 478,— ör » s. »1. äwllls» — u««t«> 1001, «der »Zetlx. >üe I VS 8t«tie. 14^« 4et.> I02>« 10I. io. il« ir. InI. ki So >o>. kr. 10S,SO 58.50 104,40 101,— 52.50 57.50 62.60 55.60 87,SS »td. d. «Id <kn 0 t IIS,40 81,10 133.30 103,70 SS,40 S'>« s III d« nil 103,SO 126,80 ISO,30 128,30 oä. Im 236,— SS,SS 104.50 101,— 228,40 SIS,— 42SL0 7S,2Ü 133, - 575.55 267,— II4.7S 126.— 17SL0 SSL,SO 151.55 I»8,S0 ISS,70 551.50 230,60 556.55 67,SO III «d d. »d. ad »d. > »dl «r. Id. >d. i. kB ISS,SO 21S3S 213,2 . 2IS.8S w I. 86.10 SSO,SS 150.50 155.50 122.00 ssso ISS- 175.50 184,— 186,40 Ic>6,10 123,10 62.10 Ulli. Filiale«: Dtl« Klemm'» Sortim. «Alfred Hah«), llaiverfitätsstraße 3 (Paulinnm), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und KSnlgsplad 7. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, Li« Abend-Ausgabe Wochentags am ö Uhr. > vio < Redaktion und Expedition: Johannes,affe 8. Di« Expedition ist Wochentag« «n unterbrochen aeöffuet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. BezugS-PreiS Vr der Hauptexpedittoa oder den im Stadt» bertrk und den Vororten errichteten Au«- oabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung in« Han« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 8.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung tu« Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. Miprigcr Talstblalt Anzeiger. ÄmLsötatl des königlichen Land- nnd Äintsgerichles Leipzig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigeu-Prel- ^die 6 gespültem Petitzetle 20 Pfg. Rrclamen unter demRedaction«slrich (4g* spalten) 50^, vor den Familiennachnchtr» (ögejpalteo) 40/ij. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjah nach höherem Tarif. yptra-Beilagen (gesalzt), nur mit b«» Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderunp 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Änuahmeschluß für Anzeigen: Abeod-AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Viorgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Donnerstag den 15. Juli 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Juli. WSYrend dle deutschen demokratischen und die ultramon- tanen Blätter mit allem ihnen zu Gebote stehenden Scharf sinne die Frage erörtern, ob Freiherr v. Marschall ein Entlastungsgesuch eingereicht habe oder zur Einreichung eines solchen sich erst noch mehr nöthigcn lassen werde, wird sein vor läufiger Stellvertreter v. Bülow in das Amt deS Staats- secretairS de« Aeußeren an den Höfen der befreundeten Mächte bereits eingeführt. In Wien hat er eine längere Audienz beim Kaiser Franz Joseph gehabt und niit dem Grafen Goluchowski eine eingehende Unterredung geführt. Demnächst wird er unfern Kaiser nach St. Petersburg begleiten und dort mit dem Zaren und dem Leiter des Auswärtigen Amtes in Berührung kommen. Diese Reise wird dann von ganz besonderer Bedeutung sein, wenn Herr v. Bülow dem nächst, was wenigstens nicht unwahrscheinlich ist, berufen werden sollte, an die Stelle des Fürsten Hohenlohe als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident zu treten. Der Meldung der „Köln. Volksztg", der Kaiser habe jüngst in Kiel geäußert, er werde Wohl im Herbste auf die Mitwirkung des Fürsten verzichten müssen, wird allerdings wider sprochen; aber jedenfalls ist es sehr fraglich, ob der Fürst die Bürde seines Amtes, die um so schwerer auf ihm lastet, je häufiger er gezwungen ist, eine Politik zu ver treten, die nicht seine eigene ist, noch lange werde tragen wollen und können. In Rußland ist er wegen seiner persönlichen Beziehungen zu diesem Staate besonders beliebt und ange sehen; ist er doch durch seine Gattin Eingenthümer großer Besitzungen in Rußland. Herr v. Bülow kann also in Ruß land gar nicht besser eingeführt werden, als durch den gegen wärtigen Reichskanzler. Die Bedeutung des Maßes von persönlichem Vertrauen, das der Leiter der auswärtigen Angelegenheiten eines Staates bei dem Fürsten eines andern Staates genießt, darf gerade im Verkehr mit Rußland nicht unterschätzt werden. In den kritischen 80er Jahren war z. B. die außerordentliche persönliche Wertbschätzung, die Fürst Bismarck bei dem Zaren Alexander III. genoß, von hohem Werlhe für die Aufrechterhaltung guter Be ziehungen zwischen den benachbarten Kaiserreichen. Man erinnert sich, wie eS dem Fürsten BiSmarck in einer kurzen Unterredung gelang, den Verdacht, den Alexander III. in Folge niederträchtiger Intriguen gegen Deutichland gefaßt halte, zu beseitigen. Es ist ferner bekannt, daß, als mit dem Rücktritte des Fürsten Bismarck das Band persönlicher Be- zsthungen zwischen dem russischen Herrscher und dem leitenden Staatömanne zerrissen war, die Beziehungen zwischen Deutsch land und Rußland dadurch Schaden nahmen. Selbst der für Rußland so günstige Handelsvertrag, den Graf Caprivi und Frhr. v. Marschall aufs Eifrigste förderten, vermochte nicht, ein persönliches Interesse des russischen Herrschers für diese deutschen Staatsmänner zu erwecken. Hoffentlich wird es Herrn v. Bülow gelingen, sich das Zutrauen des Zaren zu erwerben. Wenn auch Deutschland, wie Fürst Bismarck gesagt hat, Niemandem nachläuft, so bat eS doch ein hohes Interesse an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu dem Nachbarreiche. Herr v. Bülow aber wird, wenn er, wie vorauszuseben, in den nächsten Jahren die auswärtigen Geschäfte des Reiches leitet, umsomehr auf das persönliche Zutrauen zu seiner Person und zu der Richtung der deut schen Politik angewiesen sein, als er, wenn die Erneuerung der Handelsverträge herannaht, Rußland gegenüber einen schwierigen Stand haben dürfte. Denn eine Revision deS Handelsvertrages in einem den Russen weniger günstigen Sinne, als ibn der letzthin abgeschlossene Handelsvertrag hatte, ist nach der in Deutschland herrschenden Stimmung sehr wahrscheinlich. Die Russen gehören aber nicht zu den Leuten, die materielle Vortheile aufzugeben oder verringert zu sehen geneigt sind, und deshalb wird der führende deutsche Staatsmann ein Hobes Maß persönlichen Einflusses einzusetzen zu können genölhigt sein, wenn er die berechtigten Forderungen Deutschlands durchsetzen und doch zugleich im Stande sein will, die guten politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern aufrecht zu erhalten. Wenn Herr von Bülow den Auftrag gehabt hätte, in Wien dem Kaiser Franz Joseph und dem Grafen Goluchowski die Stimmung zu schildern, die in Deutsch land der breitesten Schichten der Bevölkerung und der Presse in Folge der Vergewaltigungen des DeutschthumS in Oesterreich sich bemächtigt hat, so würde er trotz der Ge wandtheit, die ihm nachgerübmt wird, in nicht geringe Ver legenheit gekommen sei». Denn diese Stimmung hat eine Gereiztheit angenommen, deren Ausdruck für empfindliche Obren sich nicht eignet. Selbst Blätter, die noch vor Kurzen, auf die Aufrechterhaltung unseres freundschaftlichen Verhält nisses zu dem Donaustaale das größte Gewicht legen, sprechen nach den letzten Mißhandlungen des Bruderstammes jenseits des Erzgebirges ungcscheut davon, daß eine solche Politik den Werth unseres Bündnisses mit Oesterreich ernstlich in Frage stelle. So führt heute die „Magdeb. Ztg." in einem längeren Artikel aus: „Es ist sicher, daß die deutsche Reichsregierung aus den öster reichischen Verhältnissen ihre Schlüffe ziehen muß, ob sie die bis herige Reichspolitik fortsetzen will, deren Voraussetzung war, daß Oesterreich-Ungarn uns nutze, wie wir ihm. Oesterreich-Ungarn bedurfte eines Rückhalts und sogar eines Bündnisses für den Fall, daß Rußland aus der Balkanhalbinsel weitere Fortschritte mache. Wir bedurften seiner Hilfe für den Fall, daß Rußland und Frankreich sich gegen uns verbündeten. Allein ein solcher Fall würde mit dem Augenblick, da Deutschland den österreichisch, ungarischen Interessen aus der Balkanhalbinsel den Rücken kehrte, so gut wie unmöglich. Das deutsche Reich steht mit Ruß land in keinem Interessengegensatz, sobald eS sich ent- schließt, seine schützende Hand von den Angelegen- heilen Oesterreichs im Orient abzuziehen. Um diesen Preis können wir jeden Augenblick eine Lösung des russisch-französischen Bündnisse» erkaufen. Tie Jahre von 1856 bis 1871 zeigen, daß sich ein herzliches Ein vernehmen zwischen Rußland und Preußen-Deutschland mit dem größten Erfolge durchführen läßt. Wenn Deutschland trotzdem an dem Bündniß festhält, so liegt der Grund dafür in der Erwägung, daß daS Donau-Kaiserreich eine Vormauer gegen den slawischen Ansturm sein muß. Und zwar nicht blos gegen Krieg vom russischen Kaiserreich, sondern auch gegen die deutschfeindlichen Tendenzen seiner eigenen slawischen Stämme. Oesterreich hat sich gegen Rußland Deckung zu verschaffen gesucht, indem es seinen eigenen slawischen Stämmen die weitestgehenden Zugeständnisse machte. Es wollte ausgesprochenermaßen eiaen „austroslawischen" Patriotismus erzeugen. Das ist ihm aber nur bei den Polen gelungen, und zwar aus naheliegenden Gründen. Die Polen haben Galizien wie ein ihnen gehöriges Land in die Hände bekommen, und sie haben die ostgalizischen Ruthenen dabei geknebelt. Für sie ist der Panslawismus der Gottseibeiuns, denn er bringt Unterwerfung unter Rußland, dessen „milde" Hand die Brüder in Russisch-Polen kennen. Die Polen sind also natürliche Gegner Rußlands und daher austroslawische Patrioten selbst in dem Falle, daß ihnen keine Zugeständnisse gemocht weiden. Bei allen übrigen slawischen Völkerschaften, Tschechen, Slowaken, Ruthenen, Serben, Kroaten, Slowenen, ist der austroslawische Versuch aber völlig sehlgeschlagen trotz aller Zugeständnisse, die man ihnen gemacht hat. Im Gegen- theil, die am meisten verhätschelten Austroslawen, die Tschechen, sind immer eifrigere Panslawisten geworden und lieb äugeln mit Rußland. Die völlig eingeschüchterte öster reichische Regierung läßt ihnen nun immer mehr den Zügel schießen und giebt ihnen immer mehr deutsche oder vielmehr deutsch österreichische Interessen preis. Das ist sogar so weit gegangen, daß Badeni die Sprachenverordnung erlassen konnte, welche die Deutsch-Oesterreicher in den Berzweiflungskamps getrieben hat. Daß ein Herrscher über Oesterreich aus deutschem Stamm dies zu gelassen hat, ist wohl die schmerzlichste Erfahrung gewesen, die die Deutjchösterreichcr überhaupt zu machen gehabt haben. Sie bestätigt, was man auch sonst schon wußte, daß der Kaiser sich nur noch von seinem auswärtigen Minister, dem ganz ultramontanen polnischen Grafen Goluchowski, berathen läßt. Damit ist aber die Voraus setzung, daß Oesterreich eine Vormauer gegen daS Slawen- thum fei, gänzlich hinfällig geworden. Wenn Oesterreich selber seinen Arm leiht, um die Deutschen den Tschechen, Polen, Slowenen und Magyaren auszuliefern, dann hört für uns Reichsdeutsche daSJnteresse an den öfter- reichischen Lebensfragen auf der Balkanhalbinsel auf. Es hat doch wahrlich keinen Sinn, daß wir den immerhin bedenklichen Groll Rußlands auf uns laden, um die Sicherheit eines Reiches zu verbürgen, das die Lebensfragen von zehn Millionen Deutschen mißhandeln läßt. Wenn Oesterreich selber die Auslösung in Natiönchen erwägen kann: wir können sie noch viel leichter mit ansehen. Und wenn Oesterreich an der Lieb äugelei der Tschechen mit Rußland keinen Anstoß nimmt, so wird es ja wohl verschmerzen, wenn seine Deutschen Rückendeckung beim deutschen Reiche suchen. Es hatte einen Sinn, daß Deutschland Opfer für Oesterreich brachte, so lange dieses den zehn Millionen Deutschen Schutz gewährte, denn die letzteren konnten als eine Vormauer gegen den slawischen Ansturm ausgefaßt werden. Wenn Oesterreich selber aber sich aus einem Schirmherr» der Deutschen in einen Sturmbock gegen die Deutschen ver- wandelt, so hört daS deutsche Interesse an seinem Wohl- befinden auf. Seit Abschluß des Bündnisses mit Oesterreich hat sich Deutschlands militairische Macht um die Hälfte vergrößert. Oesterreich- Ungarn hat aber nichts NennenSwerthes gethan; es hat gnädigst dem deutschen Reiche erlaubt, die gewaltige Rüstung sammt allen Kosten auf sich zu nehmen, nm dem Donaureiche Schutz zu ver bürgen. Wir können zur Noth das österreichische Bündniß entbehren und, wenn wir unsere schützende Hand von der Balkanhalbinsel abziehen, jeden Augenblick die allerbesten Beziehungen zu Rußland haben. Das Bündniß mit einem das Deutsch- thum mit Füßen tretenden Oesterreich wird nicht mehr von der öffentlichen Meinung Deutschlands getragen. Und daraus wird, früher oder später, auch das osficielle Deutschland seine Schlüsse ziehen." In ähnlichem Sinne zu sprechen oder auch nur auf solche Stimmen binzuweisen, ist Herr v. Bülow gewiß nicht beauf tragt gewesen. Die deutsche Reichsregierüng ist auck nickt der Ansicht, daß Deutschland die Auflösung Oesterreichs in Natiönchen und ihre Folgen leicht zu ertragen vermöchte. Aber sie verhehlt sich auch nicht, daß getragen werden müßte, was nicht verhütet werden könnte. Zn Rathschlägen, die einer Einmischung in innere Angelegenheiten eines andern Staates gleichen würden, könnte man sich erst versteigen, wenn die innere österreichische Politik sichtbaren Einfluß ans die auswärtige zeigte. Kommen dem Grafen Goluchowski Auslassungen, wie die soeben citirte, vor Augen, so muß er selbst sich die Frage vorlegen, ob darin daS Symptom eines Einflusses der Badeni'schen Politik auf die auswärtigen Be ziehungen zu erblicken ist. ES vergeht kein Tag, ohne daß Unerfreuliches auS Ocstcrreich- Ungarn zu berichten wäre. Machen dem Grafen Badeni die un erhörten Sprachenverordnungen den verkeilten Kopf warm, so hat das Ministerium Banfsy unter der Rücksichtslosigkeit der Opposition schwer zu leiden. Bekanntlich Hal diese Oppo sition schon vor einigen Monaten erbitterte Obstruction an gekündigt, weil sie die Bestimmung, daß unter Umständen öffentliche Beleidigungen privater Personen durch die Presse dem Schwurgerichte entzogen werden sollten, nicht Gesetz werden lassen wollte; in Wirklichkeit will sie nur Krakebl machen, um die Popularität der Regierung zu erschüttern. Diese Obstruction treibt sie nun in einer so rücksichtslosen Weise, daß jede Möglichkeit, irgend einen Gesetzentwurf im Parlamente zn erledigen, ausgeschlossen erscheint, falls nicht die Hausordnung in ähnlicher Weise geändert wird, wie sie in England geändert worden ist, um der irischen Obstruction ein Ende zu bereiten. Einmal nämlich ist eS nicht eine frei heitliche Bestimmung, sondern eine völlig unsinnige Ein richtung, wenn in einem Parlamente nicht die Möglichkeit besteht, einer Debatte auf irgend welche Weise ein Ende zu bereiten, zweitens aber würde die Regierung wie in diesem Falle dann immer nachgeben müssen, denn die Oppo sition brauchte ja nur bei jedem Gesetze, da« ibr nicht paßt, dieselbe Tactik anzuwenben. DaS hieße daS parlamentarische Regiment, daS ja identisch ist mit der Herrschaft der Majorität, in sein Gegentheil um kehren und den Absolutismus der Minorität einführen. — Vom böhmischen Kriegsschauplätze wird ein an sich nicht welterschütterndes, aber sehr charakterischeS kleines Ereigniß gemeldet. Das Comitv der für den August beabsichtigten Tetschener Gewerbeausstellung soll den Statthalter gebeten haben, die Ausstellung doch nicht mit seinem Besuche zu be ehren, weil die Stimmung zu erregt sei. Man nennt das im gewöhnlichen Sprachgebrauche Jemanden ausladen, und daß dies dem höchsten Verwaltungsbeamten gegenüber geschieht, ist ein Sympton der tiefsten Verstimmung. Es erinnert an den Beschluß einiger preußischer Städte in den Conflictsjahren, bei dem Besuche von Mitgliedern deS Königshauses die Begrüßung und Aus schmückung zu unterlassen. Der Unterschied ist nur der, daß Preußen ein so festgefügter Staat war, daß er Jahre der Verstimmung zwischen Bevölkerung und Regierung wohl zu ertragen vermochte. Daß der österreichische Staat nicht in so günstiger Lage ist, daran ist wohl kein Zweifel. Feuilleton tlanny Trauner. 20s Roman von C. Schroeder. Nachdruck vtiroten. „Er war ein unverdorbener Mensch, lange merkte er nichts. Endlich einmal ertappte ich ihn auf einem erstaunten Blicke nach ihr hin. An dem Abend darauf warnte ich ihn. Aber ich kam noch zu früh. Erst begriff er gar nicht und als er begriffen hatte, gerieth er außer sich. Wie ich von einer solchen Dame so etwa« glauben könne, schrie er entrüstet. Die Hellbronn seien die vornehmste Familie weit und breit, hätten einst nicht nur Schloß und Park, sondern Wald und See, ja daS ganze Land besessen. Schämen sollte ich mich, sagte er, und um GotteSwillen keinen Menschen von meiner albernen Angst etwas merken lassen. Aber — ich ward die alberne Angst nicht los und wenn ich auch eine Weile den Mund hielt, endlich mußte ich doch wieder mit der Sprache heraus. Da nahm er'« anders auf — lachte, ward roth, lachte wieder, und sagte dann mit* so einem Schelmenblick, den er schon als Kind batte: „Erinnerst Du Dich nock, Mutter, wie Du mir noch Märchen erzähltest? Da war eines von einem Handwerksburschen, der schließlich König wurde. Na, bis zum König ist'« ein bischen hoch hin auf, aber — ha ha! — man weiß doch nie, waS au- dem Menschen noch werden kann!" Damit ging er zur Thür hinaus und draußen hörte ich ihn noch einmal lachen, so recht herzensfreudig. Ganz verdutzt war ich sitzen geblieben. „Er wird sich doch nicht einbilden —?" dachte ick. Und dann: „I bewahre, er hat dich nur ein bischen foppen wollen." Gleich darauf aber wieder: „Ja, wenn er nun wirklich der Narr wäre, sich'S einzubilden?" Und von einer plötzlichen Unruhe erfaßt, sprang ich auf und lief ihm nach bi« an die Hau-thiir. Da hatte er sich in den Sattel geschwungen, grüßte nur noch einmal herunter und ritt davon mit einem Ausdruck im Gesicht, als ob die Welt ihm gehörte. Ich kielt ihn mit den Augen, so lange ich konnte. Gott! den Jungen reiten zu sehen! DaS Herz schwoll mir in der Brust dabei und der Kopf war mir ganz voll von hoffärtigen Gedanken. Von Königen hatte er gesprochen — kein König konnte prächtiger zu Pferde sitzen! So schön und stattlich wie er war über ¬ haupt kein König! Mein Goldjunge! er mußte den Weibern ja in die Augen stechen und wenn er sich wirklich einbildete, daß — daß — so brauchte er darum gar nicht so unbedingt ein Narr zu sein, so konnte er seine guten Gründe dafür haben. Es gab noch Frauen, denen Rang und Stand nichts bedeutete neben der Liebe. Vielleicht daß sie so eine war, vielleicht. So träumte ich, Fräulein Nanny, und am nächsten Tage war da« Unglück schon geschehen! Die Leute trugen mir'S zu — die Leute — ha ha! Sonst war ihnen der Weg zu mir hinaus zu weit — kaum daß sich in Monaten Jemand blicken ließ! An dem Nachmittag batte ich das halbe Torf bei mir. Einer wußte noch mehr, Einer jammerte noch lauter als der Andere. Das Herz rissen sie mir in Stücke, den Kopf machten sie mir wüst und wild. „Wo ist der Anton?" schrie ich und als sie mir - nicht sagen konnten, stieß ich sie bei Seite und rannte fort wie eine Wahnsinnige, ihn zu suchen. Ich fand ihn nicht, aber gegen Abend, als ick todtmüde nach Hause kam, da stak ein Zettel in der Thürspalte. Mit Bleistift kaum lesbar stand darauf geschrieben: „Geschlagen, mit Füßen getreten wie ein Hund — so kann ich nicht weiter leben. Vergieb mir, Mutter!" DaS Herz stand mir still, schwarz ward mir'« vor den Augen, lang schlug ich auf den Boden hin. Wie ich wieder in die Höhe kam, Gott weiß eS. Ehe ich meine Sinne noch recht beisammen hatte, war ich schon auf dem Wege nach dem Schloß. Sie wollten eben Schlafen gehen, al« ich anlangte, aber hätten sie auch in den Betten gelegen, ich hätte sie schon herauSgeklopft. Der alte Martin versuchte, mir die Thür zu versperren, aber ich sah ihn so an, daß er's nicht wagte. Unmöglich könnte er mich dem gnädigen Herrn noch melden, stotterte er. Sei auch nicht nöthig, war meine Antwort, ich hätte oft genug geputzt und gescheuert in dem HauS, könnte mich so leicht in den Zimmern nicht irren. In seiner Studirstube saß der Alte. Sie stand vor ihm. Vielleicht, daß er ihr gerade den Tert laS, denn sie quetschte an ein paar Thränen, hatte aber doch noch eine hübsche Farbe in den Wangen. Da« ändert« sich, al« sie mich zu sehen bekam. Kreiveweiß wurde sie im Gesicht. Der Alte war wüthend in die Höhe gefahren, hatte eine Pistole von der Wand gerissen, die hielt er mir entgegen. „Nur zu", höhnte ich, „nach dem Sohn die Mutter!" Da legte er sie bei Seite und fragte mich barsch, waS ich in seinem HauS zu suchen hätte bei nachtschlafender Zeit. Ich sagte eS ihm — ja, Fräulein Nanny, ich sagte es ihm! Auf kein einzig Wort kann ich mich heute mehr be sinnen, aber es waren alles Worte, die der gerechte Gott mir eingab und sie trafen. Jawohl, ich sah's, innerlich wand und krümmte er sich, der „gnädige Herr" und plötzlich sprang er wie ein Rasender von seinem Stuhl in die Höhe und auf daS saubere Fräulein zu, das sich eben ganz sachte zur Thür hinausdrücken wollte. „Hiergeblieben!" schrie er und eS half ihr gar nichts, daß sie „Großpapa!" winselte und in die Kniee sank — an der Schulter packte, zerrte er sie zu mir hin. „Du hörst, WaS daS Weib bebauptet, jetzt vertheidige Dich!" herrschte er sie an nnd als sie vor Zähneklappen kein Wort herausbrackte, gerieth er in eine wahnsinnige Wutb. ,,Wa«? Du willst den Schandfleck auf Dir sitzen lassen?" brüllte er, holte mit der Hand auS und versetzte ihr einen Schlag an den Kopf, daß sie besinnungslos hinfiel. Dann mochte ihm die Zeugin unbeguem sein, denn er riß an der Schelle und befahl dem Martin, der hereingestürzk kam, er solle daS Frauenzimmer . . . hinauswerfen. Aber ich machte dem alten Manne die Mühe nicht, ich ging schon selber, hatte ja auch in dem stolzen Schloß nichts mehr zu thun." In heftiger Erregung hatte die Müllerin gesprochen, ein paarmal gegen den Schluß ihrer Red« halten ihre Augen triumphirend aufgeblitzt. Mit unendlicher Verachtung warf sie die letzten Worte hin, schwieg dann eine Weile und Hub müde, in klagendem Ton wieder an: „Daß ich todtkrank wurde, daß nichts mich am Leben hielt als die Nachricht, der Anton habe sich doch kein Leides angethan, sei nach Amerika auSgewandert — das wissen Sie, Fräulein Nanny. Gott — lieber Gott! wie ich seinen Entschluß segnete und wie schön die Zukunft mich wieder anlachte trotz alledem und alledem! Er ist jung, dachte ich, er wird ver gessen — er ist gewandt und geschickt in allen Dingen, er wird sein Glück macken — ein reicher Mann werden, sein« arme Mutter zu sich kommen lasten — Und nun? Ach Fräu lein Nanny! Fräulein Nanny!" Die Frau schlug beide Hände vor das Gesicht und brach in krampfhaftes Weinen aus. Nanny wartete, bis sie ruhiger geworden war, und fragte dann leise: „Wann kehrte er zurück, Frau Hartmann?" Die Müllerin ließ die Hande sinken. Scheu wandte sie den Blick nach Nanny hin, scheu wieder von ihr ab. „Vor — vor einigen Tagen!" preßte sie heraus. „Oder vor einigen Wochen", dachte Nanny, während ihr Auge den Revolver streifte, der auf dem Tisch liegen ge blieben war. „Arme Mutter!" Laut sagte sie: „Er hatte nicht erst geschrieben?" „Nack dem Brief, den Sie gelesen haben, Fräulein Nanny, keinen wieder. Deshalb traute ich meinen Augeu nicht, als er da plötzlich in der Thür stand — ich war gerade ein bischen eingenickt gewesen, müssen Sie wissen, meinte nun, ich träumte noch weiter. „Anton?" sagte ich so ganz leise vor mich bin und dann noch einmal lauter und wie ihn selber fragend: „Anton?" „Wer sollte es denn ander» sein?" antwortete er da in einem mürrischen Ton, den ich von früher Ker nicht au ihm kannte, aber ich horchte nicht lange auf den Ton, ich flog ihm an den Hals und war wie toll vor Freude. Daß er selbst sich so recht nicht mirfreute, sondern merk würdig steif und still blieb — das fiel mir hinterher erst auf und auch sein armes, verändertes Gesicht. Sie haben s ja gesehen, Fräulein Nanny. Keine Spur mehr von der alten Schönheit! Scharfe Züge, eingefallene Wangen und so etwas in den Augen — dag man immer weinen möchte. „Setz' Dich, mein armer Junge", sagte ich, meine Thränen zurückhaltend, so gut eS ging, „Du wirst niüde sein!" „Meinst Du, Du wärest eS nicht, wenn es Dick durch die halbe Welt gejagt bätte?" fuhr eS ihm scharf heraus. „Gewiß, mein Junge", nickte ich und schob ihm einen Stuhl hin. Dann trug ich ikm zu essen auf, WaS sich eben fand. Er ließ mich ruhig gewähren, aber er rührte keinen Bisten an, und als ich ibn nöthigen wollte, stieß er den Teller von sich, daß er auf den Boden klirrte. „Laß mich in Frieden", murrte er, schaffte sich für seine Ellbogen Raum, stützte den Kopf auf und schlief ein. Als er wieder auswachte, fragte er mich ganz freundlich: „Wie istS Dir ergangen, Mutter, die Zeit her?" und fing an zu erzählen von seiner Reise — ein paar spaßhafte Ge schichte», die mich zum Lachen gebracht hätten, wenn seine Augen nicht gewesen wären. Die hatten gar kein« reckte Ruhe, waren bald hier, bald da und fanden sich doch nicht ein einziges Mal nach meinem Gesicht bin. Als ich seinen letzten Brief erwähnte und die gute Stelle, von der er ge schrieben hatte, zog er auch gleich die Stirn wieder krauS. „Ja so", nickte er finster vor sich hin, „daS war die dritte nnd die allerbeste. Verdiente zwanzig Dollar- monatlich —
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