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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970716012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897071601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897071601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-16
- Monat1897-07
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V*»«*Vre«- det ikaer tüglich« ZusteNuug 8.—. Errett töalickE In- Nu-1a»L: monatlich 7LV. DI» Wove-Au-guLe erschidit «« Uhr. di» Abend-AuSgabe Wochentag- um b Uhr. tledartiou «u- LrpedUiou: A-Hmmr-O-Gr 8. Di» Expedition ist Wochentags nnunterbroche« geöffnet von früh ö bis Abends ? Uhr. »o»p» » Fttiile«: ttto Klemm'- Larti». (Alfred Hahn), Aniversität-straße 3 (Paulinum), Louis Lösche. Katbarinenstr. ^4, prrt. und A-nis-pleG 7^ 357. Morgen-Ausgabe. —> »> ll. >cs»E."" WpMr.TlUMM Anzeiger. AmlsötaLk -es Hömgkiche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes ««- VEzei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Freitag den 16. Juli 18S7. >>MMSMWWWWVSSS»SWSSSSSeSS!I^L»SS»SSMSS»M»MM Anzeigeu.PretS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclamea unter dem RedactionSsirich (4gv- spalten) b0-^, vor den Familirnnachrichte» (6 gespalten) 40^. Größer, Schriften laut unserem Preis- verzeichaiß. Tabellarischer und Zffferasatz nach höherem Tarif. Srtrs-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung 6V.—, mit Postbesörderung 7V.—. A««shmeschluß für Ä uzrigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morge u-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen nud Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die tkxpeditiö» zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. SI. Jahrgang. Sammlung für einen FlotteumerbungsfonLs. Der kürzlich mitgethrilte Aufruf der Deutschen Colonial- aesrllschaft zur Sammluug nicht etwa für Schiffabauteu, sondern für einen Flottenwerbuug-foud-, der eS der Gesell schaft gestattet, in möglichst weiten Kreise», auch in denen der deutscheu Jugend, durch Wort und Schrift Berstäudniß für die Nothweudiakeit einer Flotteuvermehruna zu wecke», findet trotz seiner weisen Beschränkung selbst in einige« Blättern, die sonst für den Handelsstaud eintreteu, eine abfällige Kritik. Eine- derselben behauptet, daß die Anfichten über Deutschland» Beruf zur See selbst bei deu besten Freunden de- Vaterlandes sehr getheilt seren. Die- ist bei Freuudeu deS Vaterlandes, welche dem Wohl desselben auch Opfer, selbst pecuniärer Art, bringen würden, wohl nicht mehr zutreffend. Wenn auch in früheren Jahren, bei dem in Folge der Zerrissenheit unseres Vaterlandes unentwickelten Seehandel und dem damals nicht genügend vorhandenen Verstandniß seiner Bedeutung für den Staat, mancher gut deutsche Mann nicht klar genug darüber dachte, daß da- Meer mit seinen Schätzen Gemeingut aller Völker sei und daß jede- Volk sein Anrecht am freie» See verkehr habe, ja sogar in kleinmüthiger Weise die Deutsche» nicht unter die seefahrende» Völker rechnen wollte, so hat sich da- doch sehr geändert. Heute kennt jeder urtheilSfähig« Deutsche die volle Berechtigung seine- Vaterlandes am Wett bewerb zur See, er weiß, daß dir bedeutendste Seehandels- stadt de- Continent- von Europa deutsch »st, daß unsere Dampferlinien zu den größten und besten der Welt gehören und daß unser Seehandel mit seiner Handelsflotte der zweite der Welt geworden ist. Er weiß, daß wir in erster Linie diesen Aufschwung unserer durch Siege errungenen politischen Einigung und Machtstellungverdanken und daß wir dadurch und durch unfern Fleiß in den Besitz eine- Gute- gekommen sind, werth genug des Neides anderer Nationen. Ein jeder Vaterland-freund muß aber auS der Geschichte wissen, daß kein Staat seinen Wohlstand und seine Macht stellung behaupten kann, wenn er letzterer nicht allein zu Lande, sondern auch zur See gebührend Ausdruck geben kann, und daß man mit dem Besitz auch die Pflicht deS Schutze- desselben übernimmt. E» wäre eine schlimme WirthschaftSpolitik, wenn wir Aus- aabea zur Erhaltung und Stärkung einer dem Schutz unsere- Handel- angemessenen Seemacht scheuen würden, um später dafür mit Totalverlust deS Seehandel-, Volkselend und Herabsinken der Großmachtstellung zu büßen. Unsere Stammverwandten jenseits de« Canal- geben unS da« beste Beispiel, wie aut sich seit Äahrhuuderten bei ihnen der Aufwand für die Unterhaltung einer starken Seemacht gelohnt hat. Der Niedergang Holland-, da- in Übel an gebrachter Sparsamkeit im Frieden die Unterhaltung seiner einst mächtigen Flotte nicht fortsetzte, ist ebenso lehrreich. Die englische Redensart gegen falsche Sparsamkeit „penn^ vlss — vonnä toolisfi" ist unser« Handelsstaude doch Wohl bekannt. Ehe man durch neue Hetzworte wie Hunderte von Mil- lionen für neue Schiffe bedeuten Hunderte von Millionen neuer Steuern" und Lurch Hinweise auf eine möglicherweise erhöhte Viersteuer rc. da- Volk gegen die Erfüllung einer Selbsterhaltuogspflicht avfreizt, sollte man sich doch ein gehender mit dem Studium deS Einflusses der Seemacht auf die Geschichte und Geschicke der Völker befassen. Die Vor geschichte der Völker germanischer Abkunft kennt keine Ab neigung derselben gegen die Seefahrt. Die Vikingerfahrten, Li« Zuge der Angeln, Sachsen, Friesen und Normannen, die Zeiten der Hansaflotten und die Flotte deS Großen Kurfürsten sind Beispiele genug dafür, daß erst die durch Jahrhunderte langen inner» Zwist geschaffene Ohn macht deS früher v,ela«th«ilte» Deutschland- späteren Geschlechtern da« schwächliche MinderwerthigkeitSgefühl auch in Seefahrtsachen beigebracht hat. Letztere- und die Abneigung gegen jede Wellpolitik scheinen einen Theil deS Volkes derart zu beherrschen, daß er eS für erklärlich halten würde, wenn Deutschland bei Meinungs verschiedenheit«» gegen da« zur See frisch aufstrebende Japan bescheiden zurücktrrten müßte. Vorläufig wollen wir unS derartig trübe Bilder nicht vormachen, sondern nur wünschen, daß die geistigen Leiter eines TheilS deS deutschen Volke« sich an dem Selvstbewußtsriu und der Opferwilligkeit dieser Nation ein Beispiel nehmen. Die großen Gefahren aber, welche unserem Handel in Ostasien und im stillen Ocean durch diele neue Seemacht erwachsen können, wenn wir die Entwickelung der unsrigen in der unserm Interesse angemessenen Weise nach wie vor hemme», verkennen wir am wenigsten. Sodann wird in der erwähnten Kritik des Aufrufs der Eolonialgesellschaft die Ansicht ausgesprochen, die Flotten frage habe nicht die Bedeutung für die Nation, daß man ihr Fragen der inner» Politik, deS Partei- und Standes- hader- unterordue» müsse. Im Gegrntheil, nur durch Entgegenkommen aus diesen Gebieten sei eine günstige Stimmung für dre Marinefrage zu erreichen. Die Stärkung unserer Seemacht wird mehr als eine Lieb haberei der Regierung betrachtet, deren Begünstigung der Eolonialverei» durch seinen Aufruf bezwecke. Diese kurz sichtige Behandlung einer solchen Lebenofrage für unser Volk ,st leider bei uns nicht- Ungewöhnliche» und kann uns nur da- Beispiel unserer westlichen Nachbarn um so anerkennens- werther erscheinen lassen, welche ohne Rücksicht auf Partei gegensätze bei kleinerem Seehandel und schon starker See macht zetzt fast einstimmig za den größten Opfern für Stärkung und Vergrößerung der Flotte bereit sind. Auch die, gelinde gesagt, mindesten» einseitige Aburtheiluag der berechtiatea Ansicht, daß mau der Jugend schon in der Schule die Bedeutung der Seefahrt und der Seemacht klar machen solle, zeugt von keiner vorwärtSblickendrn Welt anschauung. Wir müssen in unserer Jugend gesunde Ansichten über diese wichtigsten Mittel zur Betheiliguna an den Gaben dieser Erde erwecken und hegen, damit wir im Volk später auf Ber- stäaduiß und Interesse für die Tragweite der Fragen de» Seehandel» und der Seemacht rechnen können. Es scheint ja für Biele so schwer zu sein, sich im reiserru Alter dazu aufzuschwiugen. Dafür, daß die Lehrer sich lediglich an That- fachen halten, Streitfrage» über die für bestimmte Zwecke geeignetsten Schiffstypen unberührt lassen und auf partei politisches Gebiet sich nicht verirren: dafür kann man die Lehrer sorgen lassen. Verstehen sie Geschichte zu lehren, ohne an politischen Klippen zu scheitern, so werden sie an solche auch nicht aurennen, wenn sie auf rein historischer Grundlage die Bedeutung deS Seehandel- und der Seemacht ihren Schülern darlegen. Ein konservativer Vorschlag zur Reform des Lundes der Landwirthe. Ein „alter Conservativer", der sich leider nicht nennt, veröffentlicht „nüchterne Betrachtungen über da« Wesen und Wirken des Bundes der Landwirthe-. (Verlag von A. Schulze, Berlin, Brandenburg-Straße 33.) Der Verfasser kritifirt den Bund laut der „N. A. Z." »um Theil recht anerkennend, gleichwohl macht er folgende Reformvorschläge: 1) Der Bund der Landwirthe muß sich darauf beschränken, eine reine Berufsorganisation darzustellrn. Ermuß sein Programm von darin enthaltenen politischen Forderungen säubern und davon abstehen, Nichtlandwirthe al» Mitglieder aufzunehmen. 2) Der Bund der Landwirthe muß sich auf das Strengste ent halten, in da- Getriebe der politische» Parteien «inzugreifen. Er darf seine Propaganda nur auf Berufsgenossen ausdehnen und an Wahlagitationen durch Einberufung besonderer Volksversamm lungen, durch Aufstellung besonderer Eandtdaten und durch Ver pflichtung befreundeter Mandatbewerber auf ein bestimmtes Formular sich nicht brtheiligrn. 8) Der Bund der Landwirthe muß seine Preßbeziehungen zu der „Deutschen Tag rS-Zettung" lösen und dir jourua- listische Einwirkung auf die Presse ausschließlich auf land Wirth- schaftltch« Frage« beschränken. Dafür muß der Bund di« seinem Ziele wohlgesinnt« Provinzialpresse durch Empfehlung»» und Inserat«, womöglich auch durch baar« Subventionen unterstützen, auch den Wahlcomitö» behuf» Unterstützung von Eandidaturen, die der landwirthschaftlichen Sach» Förderung versprechen, baare Geldmittel zuwenden. Zu solchen baarrn Subventionen ist der Bund au- dem Grunde sogar verpflichtet, weil dieselben nichts weiter sein würden al- »ine Restitution von Geldmitteln, die früher in die Lassen der agrarsr.undlichen Parteien geflossen sind, jetzt aber di» Sassen deS Bunde» füllen. 4) Die Bureankratie de- Sentralboreau» des Bundes ist herabzuminder». Eine Behörde hat die Lentral» keines- weg« darzustellen. Ueberflüssige Statistiken und Registraturen sind zu unterlassen. Dagegen ist auf Erreichung materieller Bor- theil« für die BundeSmitglieder besonderer Werth zu legen »ud sind dementsprechende Einrichtungen zu treffen. Demgemäß empfiehlt sich: u. Rege Förderung der laiidwirth- schaftlichen Genossenschaften, insbesondere der Ein- und Ver kaufs-, sowie der Kornlagerhäuser-Genossenschasten, Gründung von Spar- und Darlehnscassen; b. Gründung von HaftpflichtS- Lrrsicherungsvereinen, von Schutzvereinen gegen Vieh- und anderen Wucher sowie gegen Schwindel, dem so oft gerade der Landmann zum Opfer fällt; c. Rathertheilung in allen den Landwirthen wichtigen Fragen, wie in Grundbuchsachen, in Rechts- fragen, bei Au- und Verkäufen, bei Neueinrichtungen und Meliora tionen, Be- und Entwässerungen, Wegebautcn, Aufforstungen u. s. w. <t- Musterausstellung von neuen zweckmäßigen Maschinen und Geräthrn, Rathertheilung bei Anschaffung derselben; e. Errichtung eines besonderen Bauamts, das für die Mitglieder des Bunde» Entwürfe zu Neubauten oder Umbauten von landwirthschaftlichen Gebäuden zu liefern hat und in allen Bauangelegenheiten Rath ertheilt. 5) Organisation von Nachweisen für Gesinde und Arbeiter. 6) Ausbildung von Wanderlehrern behufs Nutzbarmachung der neuesten und besten Erfahrungen für die kleineren Landwirthe. 7) Förderung der Wohlfahrtspflege aus dem Lande in An schluß an den zu diesem Zwecke gegründeten „Ausschuß". Wenn der Bund der Landwirthe in diesem Sinne vorgcht, so wird er erst seinen Namen als „Bund" rechtfertigen und thatfächlich die landwirthschaftlichen Berussgenossen, große wie kleine, unzerreißbar aneinanderketten. Ein solche- Vorgehen wird auch die lärmende Agitation, die erst den Gegner auf den Plan ruft und sammelt, erübrigen. Nichts kittet fester zusammen als die sPflege gemein- samer materieller Interessen. Diese hat der Bund der Landwirthe sorgsam zu pflegen, und das soll und muß er auch so intensiv wie möglich thun. Für daS Ideelle sind di« politischen Parteien da, auf welche rin nach unseren Vorschlägen reorganisirter Bund zweifellos günstig und belebend wirken würde. Wir wiederholen: Der Bund der Landwirthe, der den Hanptnachdruck auf das Agitiren und ans Las Spielen einer politischen Rolle legt, wirkt auf daS Parteilcben zersetzend uad stört die Solidarität der Landwirthschaft. Der Bund aber, der, seinem Gründungsplan getreu, nur als Berufsorganisation und als Förderer der materiellen Interessen seiner Mitglieder thätig ist, wirkt zusauuneofasfeud und ihm gehört die Zukunft." Di« „Bureaukratie" deS Bundes und die BundeSprefse wird auf diese wohlmeinenden Rathschläge natürlich nichts Anderes antworten alö: öit ut est nut von sit! Deutsches Reich. * Leipzig, 15. Juli. Am 1. October tritt Herr Senats präsident I)r. v. Wolff, Excellenz, in den Ruhestand. Die nach gesuchte Pensiouirung ist ihm bewilligt worden. Den dadurch frei werdenden Vorsitz im dritten Strafsenat wird dem Vernehmen nach Herr ReichSgerichtSrath vr. Freiherr Feuilleton. nur Ein französischer Dichter. Die Zeiten, wo man sich in Deutschland einen Dichter : al- hageren Hungerleider mit langen Haaren vorstellen konnte, sind zwar vorüber, aber im Allgemeinen haben sich die Verhältnisse zu Gunsten der schönen Literatur nicht all zusehr verändert. Einige dramatische Dichter machen mit ,hrem Modeartikel noch Geld, die Anderen könnten, wenn sie auf da» Theater angewiesen wären, ruhig ver- Lungern. SucciS Productionen sind nicht» gegen dir Qualen eine» Poeten, der von Bühne zu Bühne läuft und seine Stücke anbringea möchte, dabei seine bürgerliche Stellung vernachlässigt, seine brodbringeade Arbeit sein läßt. Wer aber nicht da» Glück hat, einem der zwei mächtigen Berliner Theatrrageuten zu gefallen, der mag da» Stücke schreiben nur ruhig aufstecken, e» ist da- beste: mit den er hofften Lorbeeren kann er sich keine Suppe kochen und mit dem erwünschten Beifall de» Publicum» kein GlaS vier be zahlen. Von einigen blonder» gearteten, ideal angelegten Naturen abgesehen, ist e» unseren jüngere» Dichtern za auch weniger um Ruhm al» um Berühmtheit, weniger um Lorbeeren als um ein gute« Essen zu thun, und wenn sie sich hinsetzra «ud ei» Stück schreiben, so schwebt ihnen mindesten- al» Ideal eine« erfolgreichen Dramatiker» Gustav von Moser vor, der mehr al» eine Million mit seinen Werke» verdient hat. Wa- will aber unser trefflicher Moser gegen Henri Meilhac besagen, der mit der einen Hand «in« Stücke hinauSgab und mit der ander» da» Geld einstrich. Und wie viel Geld! Da e» sich heute immer nur nm Geld handelt, so muß Meilhac da» nachahmenSwertheft« Muller eine- Dichters fein, denn im Durchschnitt betrug fein Ein kommen jährlich 800 <X)0 Franc-, e- kamen aber auch Monate vor, wo er bi» zu 180 000 Franc- einstrich. Freilich, wer wohlgerählte neunzig Stück geschrieben hat, von denen der größte Tdeil in all« Sprache« übersetzt wurde vnd von denen di« Mehrzahl überall «»fiel, der hat bei der gesetzlich bestimmten TantiSme sich ei» so aut ««gelegte» Eap'tal erworben, daß er de» „Fürsten der Börse" nicht» nach- aiebt und au« eigener Erfahrung die Gefühle eine» gold klimpernden Eommrrzienrath« schildern kann. Der dick« gut« Mnlhac hätte da» gekonnt, aber ich glaube kau«, daß er e» gethan hat. Er kannte den Werth de» Geld«» zu wenig, um sich dessen zu fteuen, mrd er war zu sehr gewöhnt, verwötznt za werd«, al» »aß er viel ans die Scheine »er Baak von Frankreich gegeben hätte, wen» er st» nur hatte. Freilich hatte er sie nicht immer. Ai» er mit Zola znsammrn -ei Hachette al» vuchhandluagSeommi« arbeitet«, Vücher an» da» Regale» holte und sie sei«» Freund Eufik gab, damit dies» sie mit Papier Gummi, Federn uad Trat« zu einem schönen Packet zusammen»«»», da endigung seiner buchhändlerischen Laufbahn, lud er einmal nach einem Opernball einige Freunde und verschiedene Damen »um Souper «in. Al- es zum Zahlen kam, waren seine Taschen leer. Vergeben» stellte er sich dem Wirtb als „Monsieur Balin" vor; so zeichnete er im „Journal pour Rire," der Wirth glanbte daran nickt, genebmiflte dagegen Meilhac'S Ueberrock al- Pfand für seine Vemnächstige Zahlung. Aber mehrere Tage verstrichen; Meilhac erschien nicht, und so machte sich denn der Wirth nach der Redaction aus, wo er denn „unglücklicherweise für Meilhac" gerade auf den Chef deS Blattes, Philippen, stieß. Philipps» beglich fofort die Rechnung, da er aber in der- aleichen Angelegenheiten keinen Spaß verstand, entließ er sofort den leichtsinnigen Soupirrr. Meilhac nannte da» die „einzige Sünde seines Lebens" und bat, wenn Blum über ihn schreiben wollte, stets darüber um nachsichtige« Still schweigen. Merkwürdiger Weise befleißigte sich in seinem Aeußere« dieser große Bewunderer fein angezogener Damen keineswegs irgend welcher Sorgfalt. Als im Gymnase-Theater sein Stück: „I-e Mit Lis äe Nascariilo" gegeben wurde, nahm ihn der Director wegen seine» liderlicken und geradezu schmutzigen Aufputzes inS Gebet; ein dramatischer Schrift steller dürft nicht schlechter gekleidet sein, als die Schauspieler, die sein Werk aufführten. Meilhac begriff den Vorwurf, entschuldigte sich aber mit seinem vollständigen Geldmangel. Der Direktor streckte ihm darauf sofort 1000 FrcS. vor, und am nächsten Tag« war Meilhac wie umgewandrlt. Leider kam aber nach einer Woche wieder der alt« schmutzig« und bestaubte Meilhac zum Vorschein, der Direktor hatte die Bürste ver-essen. So wie Meilhac machen e» heut« noch unsere Genie», dieSftit» und jenseits de, Grenzen, nur mit dem Unterschied, daß ihr Genie Talmi ist, während das Meilhac'S zum min desten stark vergoldet war. Meilhac war sich dessen bewußt uad sein Aerger, sein Neid schienen erst keine Grenzen zu kennen, al» sein langjähriger Theilhaver im literarischen Fabrikgefchäfte, Halevy, die grüne goldgestickte Uniform der Akademie einige Jahre früher anzieben durfte, al- er. Endlich aber erschien auch er im Rahmen der vierzig Unsterb lichen. Er ward« Miigsi«v und bezw. Secretair der Akademie. Was Zola nach nicht vergönnt ist, ihm »en Verfasser von Tricoche und Eacoltt, Mamsell Ritouch,, Frou-Frou, Ll» camaracke, VSavrS, bla eoneive, d«S Teste» der Schönen Helena, Groß herzogin vvuGerolstein undLa,men,wurde e« gewLhrt und er war eit« auf seine Würde, di« er ebenso hoch hielt, wie seine Biblio thek Zwar hat Meilhac nicht viel allein gemacht, aber mit Ausnahme von Halevv ist er berühmter geworden, als alle feine Mitarbeiter, Gille, Blum, Ganderap, Albin u. A. Wie sie all« zusammen gearbeitet haben, wer di« Gedanken »ergab, wer di« AnSarboitung bosorgte, darüber herrscht noch Dunkel. Gemeiniglich nimmt mau an, daß er den Dialog macht«. Vielleicht ist e» anch »»gedreht der Fall gewesen. E, selbst gmg alle» Fragen über dieftn Punet sorgfältig an dern Wege, ,^'un parlant pou, l'autrs parlaat ä xsino, bat er wahrscheinlich auch nur im tiefsten Herzen seine Hu- kunftSpläae geschmiedet und nicht daran geglaubt, daß ernst in beiden Halbkugeln der Welt die Leute über seine Stücke lachen, sich bei fernen drolligen Einfällen amüflren und sich bei den nur zu oft gewagten Scenen daS Taschentuch vor die Augen halten würden. Denn wenn auch Meilhac nicht zu den Größen der Literaturgeschichte zählt, so gehört er irdeufall» zu denen, di« am meisten di« Welt amüsirt haben, di« da- Zwerchfell der sitzenden, nervösen Menschheit erschütterten und damit für ihren Theil für einen Act der Gesundheit ihrer Mitbürger sorgten. Krankheit verträgt das Lachen nicht und eine- der besten Heilmittel ist ein guter Witz. An Witzen hat eS einem Meilhac und feine» Mitarbeitern nicht gefehlt, nur scheint Meilhac selbst nicht «atigend gelacht zu haben, denn sonst wäre er nicht so unförmlich dick und unbe schreiblich bequem geworden. Ein Manu, der sich früh gegen 1V Uhr au» dem Bette schälen ließ, um sich sogleich auf da» Gopha zu legeu und zu lefeu, der jede» Weg scheute and höchstens frische Lust aus einer kurzen Spazierfahrt genoß, der sehr gut »Wirte, »och besser soupirte und jeden Abend in rauchigen Tingeltangel», iu muffigen Theatern oder in par fümieren Tanzsäle» verbrachte, der der Frauenwelt, besonder« der eleganten und nicht sehr zurückhaltenden, au-nehmend zu- aethan war,— daß solch em Mann e» ans ««Jahre bringen konnte, ist wirklich ei» Wunder. Machte den» aber Meilhac -ar nicht»? O gewiß, er arbeitet« täglich zwei Stunde», er spielt« zwei Stunden Billard m»d er spielt« zwei Stunde» Karte. Meilhac pflegte sehr langsam za arbeite». Er saß dabei au einem kleinen Tisch« und schrieb mit «iuer altmodische» Gänsefeder. Die Größe der Papirrbogen »ar genau berechnet, und er wußte, bi- auf eine Zeile, wieviel Papierboaeu er zu einem Acte brauchte. Die Jnsceniruug seiner Stücke wagte er nicht zu leite», wie die» Sardou versteht. Er war schüchtern von Natur und griff nicht gern in die Probe» «m. Wenn die Schauspieler ihre Sache schlecht machten, sagt« er e» ihnen Wohl und manckmal konat« er dabei recht grob werden. Aber anderseits war er nicht i» Stande, den Schauspielern anzu geben, wie sie Geste nnd Betonung ändern müßte», um e« besser zu macken. AI« feine Manuskript« hat er sorgfältig ausae hoben und hat sie do» hervorragende» Caricaturisten illnstrirra lasse». Gleich de» bekannt«» Possendick ter Gondinet entwarf «r gerade in den letzte» Monaten seines LebenS zahlreich« Pläne zu Stücke» »ad sonstige« literarische» Arbeiten. Je mehr sein« Kräft« »hnahmen, ums» rastloser arbeitete sei» Gehiru. Wrun er spielte, war er sehr abergläubisch. Verlor er einmal im Kartenspiel, so wurde er unleidlich und zänkisch, deu» er glaubte, daß er »an auch mit eine« neuen Stück P«ch haben werbe. Ja juugea Jahren war er Earieatur- zeichn« gewesen und davon hat er etwa» fein Leben lang behaUe», nicht »vu» Zeichner, sondern »ou der Earicatur. Al- er noch mit dem Stift arbeitete, e- war die- nach Be VoilL comment 86 tit la delle llelöne", so schrieb er einst unter eine Zeichnung, die er von sich und seinem Mitarbeiter entworfen; viel Aufklärung ist daraus nicht zu schöpfen. „D'antre parlnnt ü, peius", der Andere, der kaum spricht, ist er selbst. Er pflegte sich überhaupt über den Beruf eines dramatischen Schrift steller» nicht sehr optimistisch anSzudrücken. In jüngern Jahren verglich er dieftn Beruf mit einem Seidenrocke, der mit alten Fetzen gefüttert sei; und später, wenn sich ein Jüngerer bei ihm nach den Recepten seiner Bühnenerfolge erkundigte, hatte er für ihn Antworten im Sinne der Sbakespearrschen Clown» in Bereitschaft. Die Laufbahn — so drückte er sich ungefähr auS — ist schwierig; eS gehört dazu Talent nnd Erfolg; und zwar, um Talent zn besitzen, ist Erfolg immer noch daS beste, grade wie man in Paris lange behauptete, daß daS beste Mittel, ein Vermögen zu machen, darin bestehe, reich zu sein. Ob der Anfänger auS dieftn Worten große Ermutbigung bezogen, mag dabin- gestellt bleiben, lieber seine bleibenden Verdienste um die Bühne scheint noch kein abschließendes Urtbeil erlaubt. Ernest Blum stellt sie als eine Art von Revolution dar, insofern er daS konventionelle, operntextartiae, leichte Lustspiel mit wirk lichem Leben beseelt habe. In seinem „Reveillon" sprachen die zum Souper Geladenen zum ersten Male, wie cS unter lustigen Pariser Gesellen Mode war; bis dahin verlief ein solches Souper regelmäßig in der Art, daß einer der Gäste, wie in der Oper, sich erhob nnd ein Trinklied sang, worauf dann die Uebrigen einen Rundtanz verbrachen. In den Kreisen der alteren College» wurden denn auch die beiden Verfasser de» „Röveillon" wie formlose Eindringlinge an gesehen. In Deutschland werden seine Werke wohl noch länger als Casscnstücke und Lückenbüßer gespielt werden, aber auch weil sie Paraderollrn in sich bergen. Hortense Schneider, dir erste Belle Helöne, warf sich weinend am Sterbebette Meilhac'S nieder — die jetzt siebzigjährige Frau wußte, daß er ihr mit seinem Talente zu Ruhm und Geld verhalf, und Madame Nejane bat als die beste Frou-Frou wohl Recht gehabt, noch vor wenig Tagen ihrem ,.cfier Patron" Genesung zu wünschen. Sie kam nicht. Meilhac folgte den Ratbschiägen derAerzte nicht. „Ich bin sechs Monate lang krank gewesen. Da- ist wirklich all« Zeit, die ich der Krankheit widmen kann; und nunmehr babe ich daS Recht, zu leben wie alle Welt" — sagte er. Und das war sein Verderben. Vielleicht wäre er doch noch einmal gesund geworden, den Körper hatte er dazu. Aber er war zu be quem sich heilen zu lassen. Mit ihm ist ein Dichter dahingeaangen, dem wir Deutsche eine Stelle in unserem Pantheon nicht anweisen würden, der aber so vielen Menschen vergnügte Stunden bereitet hat, daß wir glaubten, ihm einige Worte widmen zu sollen, denn das Lachen verschwindet immer mehr! G H.
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