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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189707181
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970718
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-18
- Monat1897-07
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1897
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um Uhr. HE Abeud-Au-gabe Wochentag- um b Uhr. Ne-action un- ErpeLitto«: Johanne-gaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filialen: iktto Klemms Sorttm. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), L-ui- Lösche, Nathariuenstr. 14, Part, und AönigSplatz 7, Dezr-gS Preis W dtt Hauptexpedition oder den im Ktadt« b«»trk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgrholt: vierteljährlich ^44.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Han» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung i»S Au-land: monatlich 7.b0. Kip,;igrr Tagt!)lalt Anzeiger. Ämtsölalt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Notizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redaction-strich (4g»< spalten) 50^Z, vor den Familiennachrichten (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrajatz nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmetchlnk für Anzeigen: Ab end»Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 381. Sonntag den 18. Juli 1897. SI. Jahrgang. Aus der Woche. In dieser Woche wird also die liebe Seele deS preußi schen Verein-gesetzt- Rübe bekommen. Die „Leipziger Zeitung" behält Recht: die conservativen Bemühungen, „die Nationalliberalen zum wieder Rechten zu bringen", waren ver geblich. Die Sorge deS Blattes, „wo unter diesen Verhältnissen die Nationalliberalen endlich unterkommen werden", ist aber unnöthig. Die Nationalliberalen bleiben bei sich zu Hause und werden weder in conservativen, noch in frei sinnigen Zelten Herbergen. Die Conservatiren in Preußen sind zur Zeit verschwunden. Da- Organ des Bundes der Landwirthe thut etwas ganz Ueberflüssiges, wenn eS sagt, der Bund sei „keine Commandite der conservativen Firma", seine Führer stünden nicht in Lohn und Brod der Conservativen. Jedermann weiß, daß es — Brod natürlich im politischen Sinne genommen — umgekehrt ist. Der Bund beherrscht die Partei und deren Methode wird bei den nächsten Wahlen sich in nichts von der des Bundes unterscheiden. Wer da nicht mitthun will — ein Fall, in dem sich Wohl manche außerpreußische conservative Elemente befinden werden —, der bat Grund, sich die Frage nach seinem künftigen „Unterkommen" vorzulegen. Denn die Conservativen werden von Herrn v. Ploetz mit der Parole „Zollkrieg auf der ganzen Linie" in die Wahlbewegung ge- sührt werden. Und das ist doch auch nicht nach manches Conservativen Geschmack, mag er im Uebrigen so „conser- vativ" geartet sein, um es zu billigen, wenn die preußischen Parteigenossen aus den unglücklichen Berliner Verhältnissen Capital schlagen und die barte Notb des Reiches erhöben. Wenn die Nationalliberalen in Preußen wieder mit einer konservativen Partei rechnen sollen, so muß eine solche erst wieder geschaffen werden. Von dem politischen Gebilde, mit dem unsere Partei 1887 auch außerhalb Sachsens sich ver binden konnte, ist in Preußen wenigstens nicht mehr als der Name übrig geblieben. Hieran liegt es, daß die Entfernung zwischen Conservativen und Nationalliberalen weiter ist, als vordem; jene haben den alten Platz verlassen, während die nationalliberalen Grundanschauungen und nicht minder deren politische Methode die alten geblieben sind. Von einem „Zug nach links" innerhalb der nationalliberalen Partei ist keine Rede. Die Erscheinungen der neuesten Zeit haben nichts mit neuen Programmen zu tbun, sie wurzeln in der Unzufrieden heit mit den Besonderheiten des herrschenden Regiments und würden in den nationalen Bevölkerungsschickten ohne Zweifel auch zu Tage getreten sein, wenn man in Berlin „liberal" wäre. Sind doch auch — wir in Sachsen wenigstens machen diese Wahrnehmung — Conservative tief bekümmert über das planlose Umherfahren des Reichswagens. Die „neue Strömung" in der nationalliberalen Partei, von der die „Leipziger Zeitung" spricht, existirt nicht. Der Kampf gegen das VereinSgesctz wird geführt vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkte der Wahrung der Reichsverfassnng, sodann aber allerdings auch, weil eS als Pflicht erscheint, der sprung haften Politik der Negierung keinen Vorschub zu leisten. Und die plötzliche Einbringung der Vereinsgesetznovelle ist das Symptom einer solchen Politik. Das genannte Leipziger Blatt kann sich auch auf Niemand sonst als auf die „National- Zeitung" berufen, wenn es von Bestrebungen auf Gründung der „großen liberalen Partei" spricht. Aber nicht einmal dieser Hinweis ist berechtigt. Die „National-Zeitung" macht, und nicht erst seit gestern, die Politik der freisinnigen Bereinigung. Wenn sie dabei einerseits die alte Parteizugehörigkeit nicht ausdrücklich abschwört und andererseits Herrn Richter gnt zurcdet, so beobachtet sie damit eben nur die alte Taktik der freisinnigen Vereinigung, die unter dem Vorwande, „gemein same liberale Interessen" zu vertreten, von rechts und links Mandate zu ergattern sucht. Neuerdings haben sich diese Be mühungen erweitert, weil der freigebige „Schutzverband gegen agrarische Hebelgriffe" die Vereinigung „poussirt", und: Gut macht Muth. Muth allein aber gewinnt keine politischen Feld züge und ein Führer, der wie soeben Herr Rickert in Bürow deraussagt, es hänge mit seinem Temperament zusammen, wenn er im Reichstag häufig ausgclacht werde, ein solcher Führer hat nichts Schreckhaftes, selbst wenn er von^ Herrn Pachnicke und der „National-Zeitung" in die Schlacht geleitet wird. Die „Nordd. Allg. Ztg." ist witzig geworden. Die preußische Negierung hatte sich bekanntlich ausdrücklich ver pflichtet, etwaige ungünstige Wirkungen der Steuerreform auf das Wahlrecht zu beseitigen, sobald solche Wirkungen beobachtet seien. Dieser Wechsel ist fällig. Es ist eine geradezu lächerliche Verschiebung zu Gunsten der Neichen und Reichsten eingetreten. Das leugnet auch die „Nordd. Allg. Ztg." nicht. Sie sagt aber, „ein Termin für die Erfüllung der gemachten Zusage sei nicht gestellt worden". Also die Negierung will den dummen Dorfreufein im Abgeordnetenhause einen Schuld schein, zahlbar am „St. Nimmerleinstag", ausgestellt haben. Wie gesagt, sehr witzig. Aber kaum geeignet, den Respect vor den Regierenden zu erhöhen. Wenn es auch noch richtig sein sollte, was man erzählt, daß nämlich im Ministerium Mei nungsverschiedenheiten über die Angelegenheit ausgebrochen seien — Herr v. Miquel soll die Einlösung des Versprechens vor den nächsten Wahlen für nöthig erachren, Andere nicht —, dann hätte man auch schon einen schönen Beweis des Erstarkens der „nmgebildeten" Regierung. Die Theilnahme der Deutschen im Reiche für die Schick sale der österreichischen Volksgenossen ist in erfreulichem Wachöthum begriffen. Das Gegentheil wäre denn auch ein trauriges Zeugniß. Die „Kreuzzeilung" freilich nimmt jetzt offen Partei für den Grafen Badeni. Nach Eger, wo die von dem polnischen Geßler nach dreißigjäbrigemSchluminer wiedererweckten slawischen „Zaruckmänner" mit der alten Brutalität ihres Amtes gewaltet haben, fragt das Berliner Adelsblatt: „Was bat er (Badeni) denn so Böses gethan?" Blut ist dicker als Wasser. Vielleicht bewährt sich das Wort auch hier und sind eS die Wendenherzen ostelbischer Grund herren, die den Slawen Oesterreichs entgegenschlagen. Der preußische Cullusminister I)r. Bosse soll, als er die kürzlich in Wiesbaden gehaltene Rede des neuen Professors der Nationalökonomie Iw. Reinhold gelesen, fast vom Stuhle gefallen sein. Kein Wunder, denn die Programmrede des Mannes paßt nicht zu einem Negierungsprogramm, in dem die Vereinsgesetznovelle einen nickt unwesentlichen Bestandtheil bildet. Die Leiter der „Conserv. Corr." sollen nach dem ersten Schreck, den die Rede ihnen eingejagt, einen tiefen Erlcichtcrungsseufzer darüber ausgestoßen haben, daß ihr Wunsch, die abfällige Kritisirung jeder vom Kaiser in ein Amt gesetzten Persönlichkeit möge als Anzweiflung der Urtbeilskraft des Monarchen angesehen und demzufolge als Majestätsbcleidigung bestraft werden, noch nicht in Erfüllung gegangen ist. In das Gesellschaftsregister des Berliner Land gerichts I ist folgende Eintragung geschehen: „Ahlwardt L Co. mit dem Sitze zu Berlin, Friedrickslr. 235. Gesellschafter sind der minderjährige Erich Ahlwardt zu Groh-Lichterfelde und dec Gastwirth und Kaufmann Emil Bodek zu Berlin. Zur Vertretung dec Gesellschaft ist nur der p. Bodek berechtigt." Wie oft Wohl bat Herr Ablwardt 86nior in Volks versammlungen cs als „Judenkniff" gegeißelt, daß als Ge schäftsinhaber Frauen und Kinder bankerotter Geschäftsleute im Firmenregister eingetragen seien, während die Firma unverändert geblieben? Wie oft aber wird Herr Ahlwardt senior in Zukunft unter dem stürmischen Jubel seiner Zu hörer diesen „Judenknifs" noch geißeln? Eine Preisfrage ersten Ranges! Das Nationalfcst in Paris. 0. Paris, 15. Juli. Der große Tag, zu dem alljährlich eine Menge Sonder züge Tausende von Provinzlern in die Hauptstadt führen, während die vornehme Welt von Paris ihm mit Grausen zu entfliehen strebt, ist wieder einmal in der üblichen Weise ver lausen. Sckon vor vierzehn Tagen waren wieoer die blau- weiß-rotben Anschläge an den Mauern erschienen, in denen eine ehrbare Bürgerschaft ausgefordert wird, diesmal ihren Patrio tismus ganz besonders zu bethätigen und dem Feste so einen noch nie dagewesenen Glanz zu verleihen. Allein da die Regierung selbst seit einigen Jahren immer mehr von der UnterstützungSsnmme abstreicht, so darf sie sich nicht wundern, wenn die Bürger nun auch ihrerseits die Hand ein wenig auf den Geldbeutel drücken und sich nicht zu sehr an strengen. ES werden noch andere Gründe für die stetige Abnahme des Festesglanzes angegeben. So meint der „Gaulois", daß der indignirte Protest der Monarchisten gegen die Feier des 14. Juli für die Republikaner die eigent liche Würze des Festes gewesen sei und daß nach dem Wegfall des Protestes diese begonnen hätten, das Gericht unschmackhaft zu finden. Andere messen die Sckuld dem Umstande bei, daß das Fest gerade auf den Vorabend des Miethstermins fällt. Richtiger ist Wohl, daß die ewige Wiederholung desselben Programms das Interesse der Bevölkerung abgestumpft hat. Der Pariser sucht sich zwar am 14. Juli selbst nach Kräften zu amüsiren, beschränkt sich aber sonst auf das Herausstecken einiger billiger Fähnlein, die obendrein zuni Theil ein gar ehrwürdiges ausgedientes Aussehen haben. Voriges Jahr war das ewige Blau-Weiß-Roth der Fahnen und Wimpel durch die gelbe russische Kaiserfabne mit dem schwarzen Adler anmnthig unterbrochen worden, seitdem haben bekanntlich die Russen ihren Freunden eine ausführliche heraldische Belehrung über ihre Landesfarben zu Theil werben lassen, und nun geht'S wieder in einem eintönigen Blau-Weiß-Roth und Weiß-Blau- Rvlh. Nur ein großes Zahnheilinstitut habe ich in buntem Flaggcnsckmuck gesehen: die Fahnen aller Völker malerisch durck einander, den ganzen Dreibund mit einbegriffen. Es wird's Wohl Niemand gemerkt haben, sonst wehe dem unvorsichtigen Besitzer! In diesen Tagen gehen ja die Wogen deS Chauvinismus immer ein wenig höher, als sonst. Sein neuestes Erzeugnis sind die lurischen „Klagen der elsässischen Müller; Erinnerungen und Hoffnungen", die Einem überall für zwei Sous das Stück angeboren werden. Man weiß ja auch, daß alljährlich am 14. Juli Demonstrationen vor der Slalue der Straßburg staltfiuden. Vom Tagesprogramm sind die Freivorstellungen in den Theatern und die große Parade in Longchamp die Haupt nummern. Der Theater-EntbusiaSmus des Volkes ist geradezu rührend. Schon um sechs Uhr des Morgens kann man die Leutchen, mit Butterbröken und Weinflaschen wohl aus gerüstet, besonders vor der Oper und der Lomßäie trantzaiss sitzen sehen, und die Pforten erschließen sich dock erst kurz vor ein Uhr! Die Parade schenkt man sich gern, wenn man sie schon einmal gesehen hat. Mit Ausnahme der großen Cavallerie-Attacke ist der Anblick weit weniger malerisch, als bei unS, nur das Bild der riesigen erregten Menschenmenge ist beim Grand Prix noch viel glänzender. Vor Allein ist aber die Zeit so unglücklich gewählt: Nachmittags drei Uhr! Selbst seine Vergnügungen soll der Pariser nur im Schweiße seines Angesichts genießen. Und die Sonnengluth ließ gestern wahrlich nichts zu wünschen übrig! Weitaus der hübscheste Theil deS Festes sind die Nacht- bälle im Freien. An Hunderten von Straßenecken haben die Gastwirthe ihre Stühle und Tische bis weit auf den Fabrdamm vorgeschoben und in der Milte sind Mnsiklribünen aufgeschlagen worden. Zwischendurch walzen, unbekümmert um Staub und Hitze, fröhliche Pärchen. An einigen Stellen, wie vor der Oper und vor der Börse, geht's vornehmer zu. Da sind schöne Musik pavillons über Nacht entstanden und ziehen sich Guirlanden von elektrischen Glühlämpchen von Baum zu Baum, oder von Flaggenmast zu Flaggenmast. Die harmlose Ausgelassenheit der Pariser Kleinbürger läßt sich aber am besten in den engen Straßen der Vorstädte betrachten. Da geht's allerdings sehr ur sprünglich zu. Ein Geiger und ein etwas quiekender Flötist, das ist das ganze Orchester. Sie stehen auf Brettern, die man über ein paar alte Weinfässer gelegt hat. Von den Feuilleton. Die neue Spaltung des Saturn-Ringes. Von Leo Brenner, Director der Manora-Sternwarte in Lussinpiccolo. Nachdruck «erboten. Unter allen Wundern des Himmels, die uns das Fern rohr zugänglich macht, ist der Planet Saturn entschieden das großartigste. Es ist nämlich der einzige unS bekannte Himmelskörper, der von einem frei an ihm schwebenden, ungeheuer breiten, aber winzig dünnen Ringe umgeben ist. Aus diesem Grunde macht auch sein Anblick auf den Laien, der ibn zum ersten Male sieht, einen überwältigenden Ein druck, namentlich gegenwärtig, wo der Ning soweit geöffnet ist, daß die Kugel nickt mehr über ihn hinauSgeht. DaS Nätbsel dieses Ringes — oder, besser gesagt, Ring systems, denn gegenwärtig sieht man 5 Ringe — hat schon seit Erfindung deS Fernrohres die Astronomen beschäftigt. Galilei konnte sich nicht erklären, welche Gestalt Saturn eigentlich habe, weil jein kleines, nur etwa dreWgmal ver größerndes Fernrohr nicht im Stande war, den Ring deutlich zu zeigen. Er meinte daher (1610), der Planet besitze an den Seiten zwei kleine Sterne, die ihn nie verließen. Als er einige Jahre später diese beiden „Diener" (wie er sie nannte) nickt mehr sah, glaubte er an Sinnestäuschung und befaßte sich nicht mehr mit dem „Langsamwandelnden". So beißt nämlich der Saturn im Sanskrit, weil er so langsam wandelt, daß er 2'/, Jabre in jedem Sternbild verweilt. Hätte Galilei über ein besseres Fernrobr verfügt, so würde er bemerkt baden, daß die vermeintlichen „zwei Diener" nichts als die Ausläufer deS Ringes waren, soweit dieser über die Kugel binausragte, und daß ihre vermeintliche Un sichtbarkeit in späteren Jahren dadurch herbeigesührt wurde, Laß der Ring seine Kante zeigte, die ganz sckmal ist. Die Astronomen Hevel und Gassendi, die den Saturn 1636—1656 beobachteten, kamen auch aus keinen grünen Zweig, denn da sich die Weite, mithin da- Aussehen deS Ringe- jährlich ändert — infolge der sich stets ändernden Neigung der Ringebene zur Gesichtsebene — die Ringe selbst aber in ihren elenden Fernrohren den Henkeln einr« Suppentopfes ähnelten, waren jene Astronomen in der größten Verlegenheit, wie sie sich diese wechselnden Phänomene erklären sollten. Da nahm der große Astronom Christian HuyghenS die Sache in die Hand, indem er mit einem sebst- gefertigten und weit besseren Fernrohr beobachtete. Schon 1655 erkannte er die Ringform, aber erst vier Jahre später Wagte er e-, seine Entdeckung offen zu verkünden. Im Jahre 1675 entdeckte Cassini, der mit einem noch mächtigeren Fernrohre beobachten konnte, daß der Ring eigentlich doppelt sei, indem er eine dunkle Trennungsspalte! auf ibm wabrnabm. Diese Spalte heißt seither nach ihm die „Cassini-Trennung". Im Anfang dieses Jahrhunderts wurde die weitere Ent deckung gemacht, daß der äußere Ring ebenfalls durch eine sehr schmale Spalte in zwei Hälften getbeilt sei und diese Spalte nach ihrem Entdecker die „Encke-Tbeilung" genannt. Noch mehr Aufsehen erregte es 1850, als Bond und Lassell einen matten Ring entdeckten, der die Fortsetzung des inneren Hellen Ringes gegen die Saturn-Kugel zu bildete. Eigentlick war dieser dunkle Ring sckon zwölf Jahre zuvor von Galle gesehen, aber nicht weiter beachtet worden. Wegen seines schleierhaften Aussehens nannten ibn die Engländer „Crape-Ring". Sonst ist er als „Ring 6" bekannt, der äußere als „Ring und der mittlere, glänzendste, als „Ring L". Ein Jahr später ^1851) glaubte Struve auch im dunklen Ringe eine Spalte ähnlich der Cassini'schen zu sehen, wonach auch dieser doppelt gewesen wäre, doch konnte die Struve-Theilung später nicht wieder gesehen werden, außer 1884 von Niesten. Im abgelaufenen Jahre nun schrieb mir der französische Astronom Antoniadi, er glaube auf dem Ringe ö eine neue Theilung zu sehen, und bat mich, ich möge Nachsehen, ob daS richtig sei. Auf diese Nachricht bin stellte ich den Saturn ein und erkannte wirklich am ersten schönen Abend sofort die neue Spalte, die ich nach ihrem ersten Entdecker „Anto- niadi-Theilung" nannte. Später sah ich auch noch eine zweite, ebenfalls von Antoniadi vorher schon vermuthete Spalte auf dem Ringe L. Die Eigenthümerin unserer Sternwarte, Frau Manora, war nun sehr ärgerlich, daß ich nicht schon früher den Saturn eingestellt hatte, weil dann die Ehre der Entdeckung unserer Sternwarte zugefallen wäre, und da unser Fernrohr in Bezug auf Darstellung des Saturn keinen Rivalen bat, beschloß sic, bei jeder Gelegenheit nachzuseden, ob sich nicht irgendwo in den Ringen eine neue Theilung gebildet habe. Lange Zeit waren ihre Bemühungen erfolglos. Als sie aber Heuer den Saturn zum ersten Mal beobachtete, siel ihr sofort auf, daß sich der Ring 6 vom Ringe H vollständig abgetrennt habe und zwischen beiden jetzt eine schwarze, sehr deutliche nnd breite Trennungslinie sichtbar sei, wie sie vor her noch nie gesehen worden war. Ich nannte sie daher die „Manora-Tbeilung". Am 2. Juni d. I. ermöglichte es mir die gute Luft, mikrometrische Messungen anzustellen, die sich über das ganze Saturnsystem erstreckten und wobei es mir gelang, auch di« Breite der verschiedenen Spalten festzustellcn. Weitere Messungen in den folgenden Tagen bestätigten nur die ersten, und so läßt sich heute mit Sicherheit sagen, daß auf dem Ringsystem des Saturn in jüngster Zeit eine große und merkwürdige Veränderung vor sich gegangen ist: der dunkle Ring, der früher mit dem Helle» zusammenhing, und gewissermaßen dessen Verlängerung bildete, hat sich thatsäch- lich von ihm losgetrennt und ist bereits gegen 3500 km — was beiläufig dem Durchmesser unseres Mondes entspricht — von ihm entfernt!*) Gleichzeitig muß sich aber der dunkle Ring auch dem Planeten genähert haben, da er nach meinen Messungen seiner Oberfläche jetzt um etwa 7000 Icm näher ist, als nach den früheren Messungen anderer Astronomen! Soll man daraus schließen, daß der dunkle Ring nach und nach auf den Saturn niederstürzen wird? . . . Um dies zu beurtbeilen, ist es nothwendia, daß wir uns über die Beschaffenheit der Saturn-Ringe Klarheit ver schaffen, und vor Allem einen Begriff von der thatsächlichen Größe des ganzen Ningsystems bekommen. Da meine eigenen Messungen nock nichk abgeschlossen sind, will ich dabei dem Leser in runden Zahlen das Mittel aus den bisherigen Berechnungen bieten. Danach beträgt der Durchmesser der Saturn-Kugel am Aeqnator gegen 123 000 km, also fast das Zehnfache unserer Erde, und an den Polen — (wegen der starken Abplattung) — über IlO OOO km. Sind schon diese Zahlen ungeheuer im Verhältniß zu unserer Erde, so werden sie noch von der Ausdehnung des Ringsystems weit aus übertroffen. Man kann dessen äußeren Durchmesser auf 285 000 km, also seinen Umfang auf nahezu 900 000 km schätzen, während jener unserer Erde nur 40 000 beträgt! Wäre mithin eine Eisenbahn an den äußeren Saturn-Ning gelegt, nnd führe dort ein; 100 km in der Stunde zurück legende Locomotive unausgesetzt, so brauchte sie 375 Tage zur Rundreise, während sie auf unserer Erde schon in 16^/, Tagen mit der Umfahrung fertig wäre. Die Breite der beiden bellen Ringe zusammen kann auf 96 000 km, jene deS dunklen Ringes auf 42 000 km veranschlagt werden, der innere Umfang des letzteren aber auf 450 000 km. Wie man auS diesen Zahlen sieht, haben wir cs mit einem Ringe von kolossalen Ausdehnungen zu thun. Um so merkwürdiger ist dann der Umstand, daß seine Dicke im Ver hältnisse dazu nicht größer ist als jene eines Bogens Papier zu dessen Fläche! Der Ning ist so dünn, daß er sich der directen Messung ganz entzieht, ja selbst eine Augenschätzung unmöglich ist, weil er, wenn er uns seine Kante zeigt, für daS Auge vollständig unsichtbar wird! Nur aus seiner Masse, und unter der Voraussetzung, daß die Ringsubstanz mit der Saturn-Kugel gleiche Dichtigkeit habe, kann man schließen, daß der Ring etwa 25 km dick sei. Ein tüchtiger Fußgänger könnte also in 5 Stunden durch ihn durchgehen. Halten wir uns diese Verhältnisse vor Augen, so werden wir gleich die Unmöglichkeit begreifen, daß der Ring eine feste Masse sei, wie man früher glaubte. Auch flüssig oder zäh teigig kann er nickt sein, weil dies mit verschiedenen Be- obacktungcn und Naturgesetzen in Widerspruch steht. So bleibt also nur die Annahme der Maxwell-Hirn'schen Hypo these übrig, nach welcher der Ring aus einer Unmasse winziger *) Die Breite der Eassini-Spalte kann auf 4000, jene der Tucke- und der Antoniadi-Theilnng auf 700—900 km geschätzt werden. Körperchen zusammengesetzt ist, deren jedes seine eigene un abhängige Bewegung hat. Denn wäre dies anders, so könnte der Ring nicht bestehen, müßte zerreißen und auf den Saturn stürzen. Daß diese Hypothese der Wirklichkeit entspricht, wurde vor kurzer Zeit durch den amerikanischen Astronomen Keeler bewiesen, dem eS gelang, auf spektroskopischem Wege die Rotation des Saturn-Ringes festzustellen, wonach sich dessen innere Theile den Naturgesetzen gemäß viel schneller drehen als die äußeren. Somit ist es sicher, daß der Saturn-Ring, in der Nähe gesehen, unserem Nebel gleichen würde, der ja ebenfalls aus so winzigen, weil von einander getrennten Körperchen besteht. Unter dieser Voraussetzung werden wir die Spaltungen in den Ringen, sowie ihre verschiedene Helligkeit leichter be greifen. Nach der letzteren kann man vier Ringe von ver schiedener Dichte unterscheiden: der dickteste — weil der hellste — nimmt den Raum zwischen der Cassini-Spalte und der Antoniadi-Tbeilung ein; weniger dicht, weil weniger hell, und dann der äußere Ring, und der Rest des inneren zwischen Antoniadi- und Manora-Theilung. Am wenigsten dickt ist endlich der dunkle Ring, bei dem die einzelnen Körperchen, die ihn bilden, kaum so dicht beisammen sein können als jene unserer Dunstluft, durch die man z. B. noch Sterne ver schleiert sieht: denn eS hat sich herauSgestelll, daß man auch durch den Crape-Ring manchmal die Saturn-Kugel uns Sterne durchschimmern sieht. Unter solchen Verhältnissen kann eS aber nicht wundern, wenn durch die den Ring umkreisenden acht Saturn-Monde Störungen hervorgerufen werden, die sich unter Umständen auf die Ringe derart äußern, daß sie deren Bestandtheile vom Saturn zeitweilig wegzerren. Daß solche Störungen tbat- sächlich stattsinden, dafür spricht auch der Umstand, daß die schmalen Theilungen (Encke und Antoniadi) ost gar nicht, oft sehr deutlich, oft nur eine allein, sichtbar sind, während auch die Breite der Cassini-Spalte zu schwanken scheint. Bei der Entstehung der Manora-Theilung liegt aber die Sache etwas ander-. Meine Messungen haben nämlich ergeben, daß einer seits der belle Ring jetzt weiter von der Kugel entfernt ist als nach den früheren Messungen, während andererseits der dunkle Ring näher zur Kugel gerückt ist und zwar um etwa 7000 km. Wenn sich auch daS Weiterenlfernen des Hellen Ringes durck die Anziehung der Satelliten erklären läßt (nach meinen Messungen ist eS sicher, daß die Cassini- und die Antoniadi-Theilnng jetzt breiter sind als früher), so läßt sich doch das gleichzeitige Näherrückcn des dunklen Ringes nickt auf gleiche Weise erklären. Es muß also etwas Anderes dort geschehen sein — aber waS? — Vielleicht bringen meine Beobachtungen Licht in diese Sache und dann sollen die Leser wieder davon hören.
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