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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970720011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897072001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897072001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-20
- Monat1897-07
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Größere Schriften laut »nsrrem Preis« Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. „ Extra-Beilagen (gesalzt), nur nnt der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr- Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreigen find stets an die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polh 1» Leipzig 364. Dienstag den 20. Juli 1897. 91. Jahrgang. Die böhmischen Sprachenverordnungen. In unserer schnelllebigen und an politischen Ereignissen so überaus reichen Zeit kann eS nicht befremden, daß gar mancher Zeitungsleser, der die Berichte über die unter den Deutschen Oesterreichs herrschende tiese Bewegung infolge der böhmischen Sprachenvrrordnungen über gewaltige Protest versammlungen auf böhmischem und auf deutschem Boden und über Sympathiekundgebungen auS reichsdeutschen Kreisen an die bedrückten StammeSgenossen in Oesterreich liest, vergebens sein Gedächtnis anstrengt, um sich zurückzurufeu, waS er früher über den Inhalt und die Bedeutung dieser Ver ordnungen gelesen. Wir ersehen denn auch, daß an zahl reiche Zeitungen das Ersuchen gerichtet wird, den wesent lichen Inhalt der Verordnungen kurz zu recapituliren. Auch der „Köln. Ztg." sind solche Wünsche geäußert worden, und sie kommt ihnen in einer Weise nach, die zur Auffrischung des Gedächtnisses und als Grundlage für ein selbstständiges Urtheil sich trefflich eignet. An sie schließt sich daS Folgende im Wesentlichen an: Die erste Verordnung regelt den Gebrauch der Landes sprachen beiden böhmischen Behörden. Die GericktS- und staatsanwaltlichen Behörden, sowie die den Ministerien des Innern, der Finanzen, des Handels und deS Ackerbaues unterstehenden Behörden haben auf mündliches Anbringen oder schriftliche Eingaben in der in dem Anbringen oder der Eingabe gebrauchten Sprache zu antworten, die auch bei allen der Erledigung oder Entscheidung dieser Sache dienenden Amtshandlungen, Berathungen, Beschluß, fassungen rc. maßgebend ist. Ebenso sind protokollarische Erklärungen der Parteien und Zeugenaussagen in der Landes sprache aufzunehmen, in der sie abgegeben wurden. Bei Amtshandlungen, die nicht über Einschreiten einer Partei eingeleitct werden, sind nach Beschaffenheit deS Gegenstandes beide Landessprachen oder eine derselben anzuwenden; amt liche Bekanntmachungen, die zur allgemeinen Kenntniß im Lande bestimmt sind, ergehen in beiden Sprachen, die einzelne Bezirke oder Gemeinden betreffenden Bekanntmachungen in der dort üblichen Sprache. In strafrechtlichen Angelegenheiten sind die Anklageschrift und überhaupt die den Attgesckuldigteu betreffenden Anträge, Erkenntnisse und Amtshandlungen in der Sprache abzufafsen, deren er sich bedient hat. Grund sätzlich ist diese Sprache auch in der Hauptverbandlung, dem Verhandlungsprotokvll, den Vorträgen des StaatSanwaltS und des Verlheidigers, in der Berathung und Verkündigung von Erkenntnissen und Beschlüssen anzuwcnden, von aus nahmsweise» Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die Zusammensetzung der Geschworenenbank, abgesehen. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist das Protokoll in der Sprache der Verhandlung, wenn beide Parteien nicht dieselbe Sprache gebrauchen, in der der Klage zu führen. Letztere Sprache, nöthigenfalls beide Sprachen, hat auch das Gericht bei der mündlichen Verhandlung zwischen verschiedenredenden Parteien anzuwenden. Die Eintragungen in die öffentlichen Bücher und Register sind in der Sprache deS Ansuchens zu vollziehen. Bei den Cassen und Aemtern, die mit Geld gebahren, ist hinsichtlich der den Centralorganen zur Controle dienenden Cassenjournale u. s. w. Deutsch die anzuwendende Sprache. Dasselbe gilt für den inneren Dienstgang, die Mani pulation des Post- und TelcgraphendiensteS, die der Central leitung unmittelbar unterstehenden ärarischen industriellen Etablissements sowie für den gegenseitigen Verkehr der be treffenden Aemter und Organe. Der Verkehr mit autonomen Organen richtet sich nach deren Geschäftssprache. Die Dienst sprache der militairischen Behörden und der Gendarmerie wird durch die Verordnung unberührt gelassen. Die zweite Verordnung behandelt die von den Be amten in Böhmen geforderten Sprachkenntnisse. Die Beamten der oben aufgesübrten Behörden, dir nach dem 1. Juli 190l angestellt werden, haben die Kenntniß beider Landessprachen in Wort und Schrift nachzuweisrn und zu diesem Zwecke sich spätestens drei Jahre nach ihrem Dienst antritt einer Prüfung zu unterziehen. Im Civildienst an zustellenden Unterofficieren kann in besonderen Fällen der Nachweis der sprachlichen Eignung erlassen werden. Die Gründe dafür, daß die Deutschböhmen diesen Sprachen verordnungen gegenüber im Neichsrathe durch entschlossene Obstruction, außerhalb des Parlaments durch stürmische Kundgebungen ihren Widerstand an den Tag legten, sind hauptsächlich folgende. Ein Blick auf die ethnographische Karte Oesterreichs zeigt, daß sich an den an Deutschland stoßenden Grenzen ein breiter Streifen deutscher Bevölkerung hinzieht, während die übrigen Bezirke theils eine rein tschechische, lkeilS eine gemischte Bevölkerung aufweisen. Dem rein deutschen Gebiete hatte schon während der die Tschechen mit Zuckerbrot» lockenden Taaffe'schenWirthschaft die Stremayr'sche Sprachen verordnung aus dem Jahre 1880 einen drückenden Zwang auferlegt, indem sie für die politischen, die Gerichts- und staatsanwaltlichen Behörden die Doppelsprachigkeit vorschrieb. Sonach konnje in ausschließlich deutschen Gegenden ein tschechischer Schwärmer sich das Vergnügen machen, die Be hörden zum Amtiren in tschechischer Sprache zu zwingen. Die Folge davon war, daß in ihrer eigenen deutschen Heimalh die Deutschen sowohl aus der höhern, als der subalternen Justiz- Lausbahn hinauSzedrängt wurden, da sie die übrigens außer ordentlich schwere tschechische Sprache, die für sie weiter keinen sonderlichen Werth hatte, nicht beherrschten und, um ihr Amt in deutschen Gegenden gut auszufüllen, dem praktischen Be- dürfniß nach auch nicht zu beherrschen brauchten, während halbwegs gebildete Tschechen doch Deutsch lernen müssen. Das sachlich ungerechtfertigte, das Deutschthum schädigende Er forderniß der Doppelsprachigkeit ist nun jetzt noch auf die andern Staatsbeamten ausgedehnt worden. Außer andern Ver schärfungen, so der neu eingeführten Prüfung im Tschechischen, ist auch die bisher deutsche innere Dienstsprache insofern berührt, als neuerdings z. B. in Strafprocesscn die Erkennt nisse und Beschlüsse gegebenenfalls tschechisch zu berathen sind. Neben diesen schwerwiegenden sachlichen Gründen ist die Art und Weise, wie die Sprachenverorduungcn zu Stande kamen, für die Deutschen tiefverletzend. Gras Badeni, ein Pole, der die wilden Tschechen einfangen wollte, um mit ihnen eine Regierungsmehrheit zu bilden, pflog mit den tschechischen Führern Beratbungen über die deutsch-feind lichen Verordnungen und stellte dann plötzlich die Deutschen vor die fertige Thatsache. Selbst wenn er — WaS von namhaften Staatsrechtsledrern auf das Entschiedenste bestritten wird — zum Erlaß der Sprachenverordnung formal berechtigt gewesen wäre, der Sache nach war es weder klug noch billig, aus dem verwickelten böhmische Ausgleich diese eine höchst wichtige Frage den Tschechen zuliebe herausgreifen und durch einfache Verordnung, statt durch Gesetz zu regeln. Den triumphirenden Tschechen bedeuten die Sprachen verordnungen nur eine Etappe auf ihrem Vernichtungs zuge gegen das ihnen als Culturträger unver gleichlich überlegene Deutschthum, und deshalb schon müssen die Deutschen dagegen ankämpfen. Während man aber ihnen die Führung dieses Kampfes auf jede mögliche Weise erschwert, ihre Blätter confiscirt und ihre Versammlungen verbietet oder auflöst, gestattet man auf daS Bereitwilligste den Tschechen, die jede Bertheidigung der Deutschen als ein Majestätsverbrechen gegen das höchst problematische sogenannte böhmische Staatsrcchl ansehen, die brutalsten Kundgebungen und liefert dadurch den Beweis, daß die jetzige österreichische Regierung den Tschechen jeden Handlangerdienst bei den Versuchen zur Vernichtung des Deulsch- thums zu leisten bereit ist. Daß die Iesuitengeschöpfe, die das Deutschthum verunzieren, hinter den Tschechen herlausen, um die klerikale Schule zu ergattern, bedarf kaum der Er wähnung, wenn auch die anständigen Elemente deS von ihnen beherrschten Volkes sich allmählich auf ihr Deutschthum zu besinnen scheinen. Die Sympathien jedes reckten Reichs deutschen sind mit den Deulschböhmen. Sie durch Kund gebungen der Sympathie in dem ihnen ausgedrungenen Kampfe zu unterstützen, ist eine deutsch-nationale Pflicht, nicht aber eine unberechtigte Einmischung in die inneren An gelegenheiten eines anderen Staates. Sicherlich würde Gras Badeni nicht daran denken, Kundgebungen aus dem Aus lande zurückzuweisen, die ihm und seinen Schützlingen Er munterungen zu Theil werden ließen. Deutsches Reich. * Leipzig, 19. Juli. Im letzten Hefte der „Grenzboten" wird von einer Frau ein Aufsatz „Zur Frauenfrage" veröffentlicht, der die radicalen Emancipationsbestrebungen bekämpft. In dem Aufsatze wird nachgewiesen, daß die Frau noch recht viel zu thun hat, um auf den ihr eigenen Gebieten der Küche, Schneiderei rc. die Concurrenz der Männer auszuschließen, und daß die Zimperlichkeit un serer Mädchen vor Allem auS der Welt geschafft werden muß, damit sie gesunde Mütter, tüchtige Köchinnen, Schneiderinnen, Pflegerinnen, Landwirthinnen, Meyerinnen, Gärtnerinnen rc. werden. Am Schluffe heißt eS: Gebt unseren Töchtern eine tüchtige Facherziehung, richtet HauShaltungSschulen ein, lehrt Krankenpflege und alle Zweige, die mit dem Haushalt Zusammenhängen, und die auch außerhalb des Rahmens der Familie eine lohnende Thätigkeit bilden. Man wende nicht ein, daß es bei dem jetzigen Stande der Industrie vortheilhafter sei, „fertige Sachen" zu kaufen, daß man alles zum Leben Nöthige für billiges Geld fix und fertig erhalte. Das ist nicht war, wenn auch Bebel in seinem Buche „Die Frau" das goldene Zeitalter preist, wo die Frau es „nicht mehr nöthig hat", zu kochen (als ob Kochen nickt ein sehr plaisirliches Ge schäft wäre!). Die besteingerichtete Garküche wirb die Speisen immer noch ein gut Theil thcurer liefern, als sie im Haushalte hergestellt werden können, von der moralischen Seite natürlich ganz abgesehen. Wenn die Arbeiterfrauen rechnen oder überhaupt nur ernstlich denken könnten, so würden ihnen diese Phrasen wie viele andere gar nicht im- poniren Noch immer lohnt es sich, selbst zu nähen, im Hause Wäsche, Kleider rc. anfertigen zu lassen, Früchte und Gemüse selbst einzukochen, zu backen, zu wascken, zu plätten. Man muß eS nur ordentlich verstehen. Aber da sitzt der Haken! Unfern Mädchen wird nickt mehr von Jugend an die Zuverlässigkeit und Exaktheit eingebläut, die dazu gehört, und ohne tüchtige Anstrengung läßt sich daS Alles auch nicht lernen. Berlin, 19. Juli. Schlawe-Bütow-Nummels- burg, ein hinterpommerscher Wahlkreis, der zur Zeit im Reichstag durch den konservativen Abg. v. Massow ver treten ist und 1893 an 8592 conservative und 6541 frei- sinnig-volksparteiliche Stimmen auswies, ist von der Leitung der freisinnigen Vereinigung dazu ausersehen worden, in einem Wettkampf mit der freisinnigen Volkspartei den Beweis zu erbringen, welche von beiden Parteien die geeignetere sei, die Sache des Liberalismus zu führen. Zieht man die spaltenlanzen Berichte der „Freisinnigen Zeitung" heran, fo bleibt auch, wenn man den kräftigen Egoismus in Abrechnung bringt, der hier in allen Wahl fragen, bei denen die freisinnige Dolkspartei interessirt ist, entwickelt wird — immer doch nur ein Urtheil übrig, daß beide Theile nicht das Meisterstück politischer Klugheit in ihrem ganzem Verhalten ablegen. „Der Kampf gegen da« Iunkerthum" wird als alleinige Zukunftsparole von beiden Seiten aufgestellt, und dabei hier in einem hinterpommerschen Wahlkreise der geeignete Kampfplatz gesucht und gefunden, um sich vor den Conservative» gegenseitig ohne Noth unangenehme Dinge zu sagen. Zieht man dazu in Betracht, daß im Abgeordnetenhause gerade von derselben Seite die nationalliberalt Fraktion angegriffen wurde, als sie auf ihren Forderungen: Aufhebung des Ver bindungsverbots und Ausschluß der Minderjährigen bestand, und es ihr vor Allem zu danken war, daß" das liberale Bürgerthum von einer Beeinträchtigung der Versammlungs und Vereinsfreiheil verschont blieb — so kommen wir wieder zu dem Urtheil, das wir so oft ausgesprochen haben: daß die Zukunft des liberalen Gedankens in erster Linie in der Geschlossenheit und Unabhängigkeit der national liberalen Partei liegt, und daß diese, je näher die Wahlen rücken, um so mehr verpflichtet ist, sich innerlich zu festigen und die Organisation auszubauen, damit in der Stunde der Entscheidung alle nationalgesinnten, gemäßigten Kreise ein entscheidendes Wort mitzusprechen im Stande sind. L. Berlin, 19. Juli. (Privattelegramm.) Die „Charlottenb. Ztg." bringt in der Angelegenheit der Eingabe des Bundes der Landwirthe, betr. daS Verbot -er Einfuhr ausländischen Getreides, auf Grund bester Informationen die Meldung, daß die Eingabe von der Negierung a limine werde zurückgewiesen werden; denn' ihre Bewilligung setze einen Vertragsbruch voraus, und dazu könne sich keine deutsche Regierung, wie immer sie zusammengesetzt sein möge, verstehen. L. Berlin, 19. Juli. (Privattelegramm.) Die Eisenbahnverwaltung hat schon seit längerer Zeit dem „Ver bände der Eisenbahner Deutschlands" wegen seiner aus gesprochen socialdemokratischen Tendenzen ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Jetzt ist in den Eisenbahnwerkstätten eine Be kanntmachung angeschlagen worden, die den Beitritt zu diesem Verbände verbietet. — Die „Bank- und Handels-Zeitung", ein agrarisches Organ, läßt die bekannte Eingabe des Bundes der Landwirthe nur als Agitationsmittel(!) gelten. Im Uebrigen bestreitet sie, daß es sich hier um einen der „anderen schwerwiegenden Gründe" handele, aus denen der russische Handelsvertrag Einfuhrverbote für zulässig erklärt. Offenbar sei bei diesen Worten, wie sich schon aus den vorher aufgczählten Gründen (Rücksichten auf die Gesundheit, die Veterinärpolizci und die öffentliche Sicherheit) ergebe, nur an höhere Gewalt, also an Seuchen, Revolution, Krieg und dergleichen gedacht. Wollte die Regierung dagegen der Auslegung des Bundes der Landwirthe folgen, so würde sie die Vertragstreue Deutsch lands schwer compromittiren. Auch die thatsächlichen Angaben der Eingabe seien nicht haltbar und voller Widersprüche. Insbesondere sei es nicht wahr, daß große Bestände der Producenten im Jnlande vorhanden seien und ein flotter Import aus dem Auslande statt finde. In Berlin und Stettin seien in diesem Jahre die Vorräthe an Weizen um rund 500, die Roggenvorräthe um rund 9000 Tonnen geringer als im Borjahre. Die diesjährige Einfuhr beider Brod« flüchte sei geringer als in den vorausgegangenen beiden Jahren und auch die Getreidepreise seien höher als die der Vorjahre (Weizen jetzt 165 im Jahre 1896: 141,75, im Jahre 1895: 143, im Jahre 1894: 141,50, im Jahre 1893: 159,75; Roggen im Juli 1897: 120 .4, im Jahre 1896: 108, im Jahre 1894: 118). Nach alledem seien für dieses Jahr höhere Getreidepreise als im Vorjahre zu erwarten und die Behauptungen der Antragsteller sachlich nicht begründet. — Gegenüber der von uns erwähnten „Feststellung" der „Kreuzztg." in Sachen des Professors l)r. Reinhold fchreibt die „Magdb. Ztg.": „Diese „Feststellung" entspricht den Thatsachen nicht. Der Amtsgerichtsrath Reinhold ist von Wiesbaden nach Berlin ver setzt worden, weil er vom Minister vr. Bosse ausersehen wurde, an der Universität Vorlesungen über National-Ockonomie zu halten. Die Versetzung erfolgte lediglich, um dem Minister Bosse die Be rufung Neinhold's zu ermöglichen, vr. Reinhold hat auch nicht den Titel eines außerordentlichen Professors erhalten, sondern es ist, wie sich die „Kreuz-Zeitung" aus dem „Reichs- Anzeiger" vom 21. Juni überzeugen kann, „der Amtsgerichts- rath l)r. Karl Reinhold zu Wiesbaden zum außerordentlichen Pro fessor in der philosophischen Facultät der Friedrich - Wilhelms- FettsHeton» Eine Inselburg in Tirol. Bon I. E. Platter. (Nachdruck Veristen.) „Eine Tiroler Jnselburg?" so wird der Leser verwundert fragen — „Tirol, daS Land der Berge, hat ja keinerlei Großgewäffer, kaum einige kleine Seen, woher also die Insel mit der Burg darauf?" Und doch hat eS mit der Sache volle Richtigkeit. Bor Allem ist das Land Tirol durchaus nicht so arm an Alpenseen, nur sind dieselben im Allgemeinen nickt an den WeltverkehrSstraßen d» Eisenbahn zu finden, sondern sie liegen versteckt in den Seitenthälern, wo die hellklaren Wasser spiegel Augen Gottes gleich auS Wiesen- und WaldeSgrün zwischen den Felsen bervorblinken. Den Achensee kennt freilich alle Welt, ebenfo ist den Dolomiten-Fahrern das herrliche Bild bekannt, daS der DUrensee mit dem Riescngebilde deS Monte Cristallo dem Wanderer auf dem Wege nach Ampezzo zur Anschauung bringt. Der kleine Brennersee macht wenig Eindruck auf den Eisenbahn-Reisenden, die prachtvollen Seen von Obernberg dagegen verträumen unweit davon und den noch wrltentleaen ibr einsame- Dasein am Fuße deS mächtigen Tribulaun. Der Kälterer See an der Südgrenze Deutsch tirols spielt bei den Freunden edler Weine eine weit größere Rolle als in der Touristenwelt, und die Seen am Ursprung der Etsch, in deren Fluthen der Ortler sich spiegelt, warten ebenso auf die Erbauung der Eisenbahn, wie der idyllische Walchsre bei Kufstein oder die fischreichen Gewässer der Leutasch, von den Gletschers«» im Hochgebirge gar nickt zu sprechen, die gleich dem Salzsee im Innern deS Haller Berg werks wohl immer nur dem wirklich alpinen Touristen zu gänglich bleiben werden. Aber ganz abgesehen von all' diesen zahlreich in Berg und Thal zerstreuten Wasserbecken könnte besonders ein Gebiet im Tiroler Lande förmlich als eine Art Salzkammergut im engeren Sinne bezeichnet werden, nur mit dem Unterschiede, daß hier die Seen kleiner, dafür aber die Berge höher, die ganze Gebirgsumgebung großartiger sich präsentirt. Gemeint ist darunter der Grenzbezirk hüben und drüben am Fernpaß, wo in einem Umkreis von wenig Stunden fast ein Dutzend Seen in eine gigantische Alpenlandschaft gebettet erscheint. Der Plansee im Norden, knapp an der Grenze des Bayer landes, liegt schon mehr als 900 Meter über dem Meere, dann aber hebt sich die Landschaft gegen Süden bi» zu richtiger Alpenböhe, in welcher nun zu beiden Seiten der an sich schon interessanten Straße über den Fernpaß ein See über dem andern seine Wellen schlägt, bi» empor zum Seebcnsee an der Sonnenspitze und zum wilden Drachens«, der in einer Höhe von 1876 Meter über dem Meere gelegen ist. Hier finden wir nun auch die Inselburg, von der sich eine malerische Ruine bis in unsere Tage erhalten hat. Wenn der Wanderer von den bayerischen Königsschlössern her durch den stattlichen Markt Rurtte und an den von Jahr zu Jahr mehr besuchten Sommerfrischorten LermooS, Ehr wald und Biberwier, am malerisch gelegenen Weißensee und am Blindsee vorüber den 1210 m hoch gelegenen Fernpaß erreicht hat und nun, sei es auf dem alten Romerwege oder auf der neuen Kunststraße niedersteigt gegen Süden, so ge winnt er bald einen überwältigenden Ausblick auf Berg und Thal, der ihm wohl unvergeßlich bleibt für alle Zeit. Ringsum thronen die Häupter der wildzerrissenen Kalkalpen, die mäch tigen weißgrauen Wände glänzen und flimmern im Sonnen schein, in, leichten Winde sich wiegend knarren die Aeste der Fichten am Wege, und auS dunkler schlnchtartiger Tiefe leuckten die Wasserspiegel der Fernsteinseen, deren größere die Ruine der Sigmundsburg treuschützenv umfluthet. Südwestlich vom Ufer, knapp über dem See, klebt die alte verwitterte Fernsteinklause am Felsen, durch ihre zerfallenen Thore zog Jabrbunderte lang die Straße dahin. Auch diese Best« bat gleich der nördlich vom Fernpaß gelegenen Ehren berger Klaus« blutige Kämpfe gesehen. Besonder« im 18. Jahrhundert spielte sie eine bedeutende Rolle, indem hier beim Einfall deS Herzog» Moriz von Sachsen der Tiroler Landsturm unter dem „Feld- und HauSzeugmeister" HanS Gienger die nach Ueberrumpelung der Ehrenberger Klause landeinwärts stürmenden Heerhaufen anderthalb Tage lang aufhielt, wodurch der in Innsbruck weilende Kaiser Karl V. Gelegenheit erhielt, gegen den auf seine Gefangennahme gemünzten Handstreich des Sachsen-Herzogs Uber den Brenner in Sicherheit zu gelangen. Denselben Dienst als Straßensperre am Fernpaß hatte schon durch Jahrhunderte vorher die Burg auf dem wald bedeckten Seehügel im Thale versehen, bis sie dann später durch Verlegung des Fahrweges und Erbauung der festen, sturmbewehrten Klause oben am Bergt für kriegerische Zwecke überflüssig geworden. Da erhielt nun die alte Wasserveste eine andere Bestimmung, indem Herzog Sigmund der Münz reiche sie zu einem schönen Jagdschlösse umbauen ließ, in welchem dieser lebenslustige Tiroler Landesfürst gar häufig verweilte. Von da ab führte da- Schloß den Namen Sig mundsburg, gleich sechs anderen Besten und Edelsitzen im Lande, denen der Herzog seinen Namen verlieb. Im Jahre 1484 verschrieb der Fürst dir Sigmundsburg seiner zweiten Gemahlin Katharina, einer Tochter deS Herzogs Albrecht von Sachsen, als Morgengabe. Große Jagden wurden nun abgehalten in den Wäldern und Felsenschluchten am Fernpaß, auf den Wellen deS SeeS schaukelten sich die Luflgondeln de- Herzogs und oben im Schlosse tönte zu Zeiten Heller Becherklang im hellerleuchtrten Saale. Doch mit Sigmund'» Tode war all' die Herrlichkeit wie mit einem Schlage zu Ende, die Burg stand verlassen und sank im Laufe der Zeiten in Trümmer. Jahrhunderte mußten vergehen, bis wieder ein hochsinniger Fürst, und zwar diesmal vom Nachbarlande, dem Jnstlschlosse im Fernsteinsee auf einige Stunden sein Augenmerk zuwendete. Heute stebt von der Sigmundsburg nur mehr eine Ruine, die mau von der Straße auS in etwa zwanzig Minuten auch trockenen Fuße» erreiche» kann, indem jetzt auf der Nordost seite die Insel durch einen schmalen Erddamm mit dem Fest lande verbunden ist. Die Wege am Ufer und im Jnselwalbe ließ der gegenwärtige Besitzer Freiherr von Ziegler aus Bayern gut in Stand setzen und mit Ruhebänken versehen. Oben angelangt auf dem Schloßhügel Winken dem Wanderer zwischen den grünen Nadelbäumen die fast klafterdicken, ge borstenen Mauern entgegen, an deren Ecken noch mächtige Rundthürme etwa bis zur Höhe eines Stockwerkes erhalten sind. Auf der Ostseite erhebt sich ein schönes Polygon, an welchem die Oeffnungen zweier zierlichen Spitzbogen-Fenster im Zusammenhalt mit dem übrigen Mauerwerk darauf Hin weisen, daß hier die Schloßcapelle gestanden. Von den schönen Eck-Pfeilern auS Marmor und sonstig dekorativem Steinwerk sind nur mehr wenige Reste vorhanden, alles Uebrige liegt zum Theil unten im See, gar Vieles jedoch ist thalauSwärtö gewandert nach Nassereit und anderen Orten, wo die weißen Marmorblöcke aus den Fürstengemächern der Sigmundsburg als Sockel für die Grabkreuze der Bauersleute Verwendung fanden. Dafür ragen nun im Sckloßhofe die grünen Fichten auS dem grauweißen Schutt hervor bi« an die Ränder der Mauern, Vogelgezwitscher tönt auS den Zweigen, während sonst die feierliche Stille ringsumher nur durch den Ruf deS Kukuks vom Walde jenseits de- SeeS unter brochen wird. DaS Schönste jedoch bildet heute der Aus blick durch die leeren Fensterböblen der Mauern und Tbürme ans den See und die Berge, die sich ru einem herrlichen Kranze um die Inselruine zusammenfchließeo. Da grüßt im Süd-Osten der Hobe Wanneck-Gipfel majestätisch herab, an dessen Steilbängen zwei belle Bergbächlein caScadrn- artig niederstürzen. In nordöstlicher Richtung winkt die Sonnenspiye, während in Süd und Westen der Tscdirgant, die Alplesspiye und der Loreakops besonders hrrvorragen. Tief unten blinkt die spiegelglatte Wasserfläche in zauberhaft wechselnden Farbentönen, vom goldig schimmernden Gelbgrün übergebend zum weichen Smaragd, aus welchem an manchen Stellen graue Felsblöcke mit schlanken Fichtenbäumcken empor tauchen. Weiter den See entlang nimmt da» Wasser eine violett-dunkle Färbung an, um dann wieder im Schatten deS Waldes in einem gebeimnißvollen Blauschwarz mit der dunkeln Ufrrlandschaft sich zu verschmrlzen. Die« mag wohl
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