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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970721013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897072101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897072101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-21
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Namentlich in zwei Punkten kann man von einer wohlwollenden Auslegung deS Gesetzes reden, nämlich bei der oft sehr zweifelhaften Frage, unter welchen Voraussetzungen ein einem Arbeiter zugestoßener Unfall als ein zur Entschädigung berechtigender „Unfall bei dem Betriebe" anzusehen ist, und zweitens bei der Frage, nach welchen Grundsätzen die Höhe der Unfallrente bemessen wird. In nachstehenden Zeilen soll erörtert werden, wieweit die Grenzen des Begriffs „Betriebsunfall" gesteckt sind. Es liegt in der Ralur der Sache, daß ein Arbeiter, der wegen eines Betriebsunfalls eine Entschädigung beansprucht, in einem versicherten Betriebe beschäftigt sein und der Unfall, wenn auch nicht direkt durch seine Beschäftigung, so doch durch den Betrieb herbeigeführt sein muß. Mit dem in den letzten Worten liegenden Zugesiändniß, daß der Unfall nicht bei der Beschäftigung geschehen zu sein braucht, sondern daß es genügt, wenn überhaupt zwischen dem Unfall und dem Betriebe ein ur sächlicher Zusammenhang, sei eü ein unmittelbarer oder auch nur ein mittelbarer, besteht, ist die Bahn bereits bezeichnet, auf der sich die Rechtsprechung des Reichs-Versicherungsamts bewegt. Das Gesetz giebt dem Arbeiter einen Anspruch auf Entschädigung auch dann, wenn der Unfall durch eigene Schuld des Arbeiters herbeigesührt ist. Gerade dies ist der große Fortschritt gegenüber dem Haftpflichtgesetz von 187 l, welches noch den einen Grundpfeiler unserer ganzen Rechts ordnung bildenden Satz durchführen wollte, daß Jemand für einen Schaden, den er sich durch eigene Schuld zugezogen bat, einen Andern nicht ersatzpflichtig machen kann. So gewiß dieser Satz als Grundsatz anfrechterhalten werden muß, so hat ib» unser Unfallversicherungsgesetz dennoch aus taktischen Gründen fallen lassen, weil nämlich die Frage, ob ein Unfall durch ein Verschulden der einen oder andern Seite herbeigesührt sei, zu den häßlichsten, verbitterndsten Auseinandersetzungen geführt hat. Selbst ein grobes Verschulden beraubt einen Verletzten jetzt nicht des An spruchs auf Entschädigung, sondern nur vorsätzliche Herbeiführung. In der Weiterentwickelung dieses Gedankens deS Gesekgebers hat das NeichS-VersicheruugSamt Unfälle, welche die Arbeiter Mittwoch den bei Spielereien oder Neckereien mit den Mitarbeitern m der Betriebsstätte erleiden — zum Beispiel als ein Arbeiter anläßlich einer solchen Neckerei in eine zur Betriebsanlage gehörige, nicht ausreichend geschützte Kalkgrube gefallen war — als entschädigungSpflichtige Betriebsunfälle an gesehen. Unfälle durch Schlägereien haben ver schiedene Beurtheilungen erfahren, je nachdem man einen Zusammenhang mit den Betriebsgefahren annahm oder nicht. Solcher Zusammenhang ist angenommen bei einem Arbeiter, der bei einer Schlägerei unweit einer im Gang be findlichen Dampfmaschine hinsiel und dabei mit dem rlrm in dieselbe gerieth, nicht aber bei einem Arbeiter, der beim Ringen mit einem andern Arbeiter durch Fallen auf den Boden einen Beinbruch erlitt. Eine vorsätzlich von einem Mitarbeiter zugesügteKörperverletzung ist nicht als Betriebsunfall anzuseben, wenn der Streit in persönlichen Verhältnissen seinen Grund hatte, wohl aber dann, wenn die Veranlassung dazu Meinungs verschiedenheiten über die Einrichtungen rc. des Betriebes, z. B. Verhinderung an einer Arbeit, Herausgabe eines Werkzeuges, Zurechtweisung durch den Polier oder einen sonstigen Aufseher, bildeten und zugleich die verletzende Handlung selbst sich als ein Ausfluß der Betriebsgefahr, z. B. Werfen in eine auf dem Fabrikgrundstück befindliche Grube, darstellt. Das ReichS- VersicherungSamt bat einen Anspruch auf Unfallrente selbst dann anerkannt, wenn der Arbeiter gegen daS ausdrückliche Verbot des Arbeitgebers eine Arbeit verrichtet und sich dadurch den Unfall zugezogen hat. Eine Entschädigung ist aber verweigert, wenn das Verbot die Grenze des Betriebes bezeichnen sollte, so daß der Arbeiter durch Uebertretung desselben zugleich aus dem Bereich des Betriebes hinaustritt. Letzteres ist z. B. angenommen bei dem Verbot der Benutzung eines Fahrstuhls. Vorausgesetzt wird jedoch immer, daß das Verbot nicht nur erlassen, sondern auch tatsächlich gehandhabt wird, also Zu widerhandlungen nicht geduldet werden. Werden sie geduldet, so gilt das Verbot nicht als vollwirksam, und der verletzte Arbeiter hat Anspruch auf Unfallentschädigung. ES genügt also, daß der Unfall bei der Beschäftigung im Betriebe geschehen ist, vorausgesetzt, daß die Be schäftigung im Betriebe, wenn auch nicht als alleinige, so doch als mitwirkende Ursache des Unfalls an zuseben ist. Letzterer Gesichtspunkt giebt den Ausschlag für die Zubilligung oder Ablehnung deS Ersatzanspruchs. Neben den Unfällen, welch« auS Anlaß der Beschäftigung im Be triebe geschehen, bilden nun aber eine Hauptgruppe die Unfälle, welche bei einer Thätigkeit oder einer Verrichtung in einem Betriebe geschehen. Wie weit erstreckt sich die Thätigkeit in dem Betrieb«? Das Reichsversicherunzsamt rechnet den Weg des Ar beiters von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte von dem Augen- 21. Juli 1897. blick an zu einer Thätigkeit im Betriebe, wo der Arbeiter die Arbeitsstätte betritt. So lange, bis er sie erreicht, be- rndet er sich im Gebiete seiner eigenen Wirthschaft, sobald er daS Fabrikgrundstück, das Ackerfeld oder den zu dem Stein bruch führenden Privatweg betritt, befindet er sich im Be reiche des Betriebes und ist wegen eines Unfalls, z. B. wegen eines Beinbruchs bei Glatteis oder in der Dunkelheit, ent schädigungsberechtigt. Etwas günstiger stehen sich die land- wirtbschaftlichen Feldarbeiter. Wenn sie, bevor sie zum Felde gehen, sich erst auf den Hof begeben, um noch irgend welche Arbeiten vorzunehmen oder Gerälhe zu holen, so ge hört der Weg vom Hofe zum Felde schon zum landwirth- schastlichen Betriebe. Die Thatsache, daß bei Glatteis Sand gestreut war, ist einflußlos, weil ein Verschulden des Be triebsunternehmers nicht die Voraussetzung der Haftpflicht ist; der Betriebsunternehmer würde sich durch Unterlassung dieser Maßregel nur seiner Berufsgenossenschaft gegenüber haftpflichtig machen, denn das Bestreuen der Wege bei Glatteis gehört zu der ihm obliegenden Unfallver hütung. — Ausgeschlossen sind die Entschädigungsansprüche jedoch für Unfälle, welche die Arbeiter während der Mittags oder sonstigen Arbeitspausen innerhalb der Betriebsstälte erleiden, wenn der Unfall in keinem Zusammenhänge mit den Gefahren des Betriebes steht. Ein Unfall, den ein Arbeiter unmittelbar nach Schluß der Arbeit auf der Be triebsstätte erleidet, während er sich wäscht oder umkleidet oder um auf einen andern Arbeiter zu warten oder um noch ein vergessenes Geräth herauszuholen, steht im Zusammen hang und berechtigt zu einer Entschädigung. Bei Reisen kommt es darauf an, ob sie für den Betrieb gemacht werden. Ein Betriebsunfall ist anerkannt bei einem jelbstversicherten Landwirtb, der auf einer Fahrt zum Verkauf seines Roggens verunglückte, bei einem Magazinverwalter einer Spinnerei, der im Auftrage der Direktion den Polizeibeamten behufs Aufsuchung der gestohlenen Gegen stände begleitete und in dem betreffenden Hause in einen offenen Keller stürzte, bei einem Unfall auf einem Gange zur Steuerbehörde für einen Brauerelangestellten, bei einem Arbeiter, der seinem Meister eine auf den Betrieb bezügliche Depesche ins WirthShaus brachte, bei Monteuren auf den Reisen von und zu auswärtigen Montagen. Ein Betriebs unfall würde nicht vorliegen, wenn die Geschäftsreise oder der Geschästsweg unterbrochen und zum Zweck einer Privat besorgung ein Nebenweg gemacht wird. Wenn der auf der Reise befindliche Beamte oder Arbeiter unterwegs in einem WirthShause einkehrt und durch unvorsichtiges Handeln der dort befindlichen Personen einen Unfall erleidet, so ist dies nicht als eine Betriebsgefahr, sondern als eine Gefahr deö gemeinen Lebens aufgefaßt, welcher jeder Besucher eines 91. Jahrgang. Wirthsauses ohne Rücksicht auf seine besondere Berufsthätig- keit gleichmäßig ausgesetzt sei. Von dem Grundsätze, daß der Arbeiter eine Entschädigung nicht erhält, wenn seine Thätigkeit im Interesse seiner eigenen Wirthschaft erfolgt, z. B. wenn ein Zimmer mann, der nur in dem unteren Stockwerk eines Baues zu arbeiten hat, in die oberen Stockwerke steigt, um sich dort Abfallholz zu sammeln, oder wenn eine Arbeiterin in einer Wäschefabrik nach Schluß der Arbeit dort dem Verbote zuwider ihre eigene Wäsche reinigt, macht das Reichs- VersicherungSamt immer dann eine Ausnahme, wenn die Thätigkeit zugleich, wenn auch nur entfernt, dem Interesse des Betriebes gedient hat. So ist einem Steinbrucksarbeiter, der sür sich eine an der oberen Kante des Steinbruchs befind liche Wurzel ausrodete und bierbei abslürzte, eine Rente zn- gesprochen worden, weil der Wnrzelstucken ohnehin bald im Interesse deö Steinbruchs hätte entfernt werden müssen; einem Brauerei-Factor, dem erlaubt war, Abends mit dem Brauereifuhrwerk nach Hause zu fahren, ist gleichfalls die Unfallrente zugesprochen, weil er während des Auf- und Abladcns von Bierfässern durch den Kutscher die Pferde hielt. Tie bloße Möglichkeit, daß der Arbeiter auf dem Wege zu oder von der Arbeit Gelegenheit gefunden haben könnte, im Interesse Les Betriebes thätig zu werden, ist jedoch nicht für ausreichend angesehen, uni einen Zusammen hang des Weges mit dein Betriebe herzustellen. Hiermit wollen wir die Auslese von principiell bedeu tenden Entscheidungen deS Reichsversicherungsamts schließen. Wer das Endziel der Unfallversicherung billigt, wird den dem ReichSversichernngsaint von einem Blatte gemachten Vorwurf, daß es seine Entscheidungen nicht, wie ein Gericht, nach festen Grundsätzen, sondern nach Wohl wollen treffe, mißbilligen, vielmehr berücksichtigen, daß auf diesem neuen Gebiete der Rechtsprechung der Ausbau der obigen völlig klaren Grundsätze nur allmählich erfolgen kann. Deutsches Reich. -o- Berlin, 20. Juli. Die bündlerische „Deutsche Tageszeitung" ist das einzige Organ, das für die bekannte Eingabe des Bundes der Laudwirthe um Sperrung der Grenzen gegen ausländisches Brodgetreide eintritt. Die Regierungspresse schweigt noch; die klerikale „Germania" nennt den Antrag „in der gegenwärtigen innerpolitischen Situation ein Unternehmen, das nahezu an Tollheit grenzt"; die konservative Presse schätzt den agitatorischen Werth der Eingabe. Unter diesem Gesichtspunkt würdigt auch vornehmlich Pfarrer Die Untersuchung der Pest. Der deutschen Pestcommission in Ostindien ist eS gelungen, bereits in der ersten Halste ihres dortigen Aufenthaltes über den Verlauf der Epidemie, über das anatomische und klinische Verhalten der Pest und über dir Eigenschaften deS Krankheitserregers ein umfangreiches Ma terial zu sammeln, welches die Unterlagen für die richtige Beurtheilung des Wesens der Krankheit, ihrer Verbreitungs weise und der Maßregeln zu ihrer Bekämpfung zu geben im Stande ist. Nach den letzten vom Mai und Juni datirten Berichten war damals die Thätigkeit der Commission haupt sächlich auf die Lösung der Fragen gerichtet, wie lange der Krankheitskeim der Pest sich außerhalb deS menschlichen Körpers infectionsfähig zu erhalten vermöge, in welcher Weise sich verschiedene Thierarten der Krankheit gegenüber verhalten und welcher Werth einigen BehandlungS- bezw. Vorbeugungsmethoden (Dersin'sche Serumbehandlung, Haff- kine'sche Präventivimpfung) beizumrssen sei. Die Ergebnisse der zahlreichen nach diesen Richtungen angestellten Versuche und Ermittelungen lassen sich, wie folgt, zusammenfassen: Der Pestbacillus zeigt außerhalb deS mensch lichen Körpers oder desjenigen gewisser Tbiere eine bemerkenSwerthe Hinfälligkeit. Reinkulturen von Pestbacillen verschiedenen Ursprungs und Alters, in flüssigen oder auf festen Nährsubstraten gewachsen, zeigten sich nach einer 15 Minuten andauernden Erwärmung auf 70» C. sämmtlick abgestorben. Bei 80 o C genügten schon 5 Minuten zur Sterilisirung. Eine bis zu 100 o C. erhitzte und sofort untersuchte Aufschwemmung enthielt keine lebenden Pestbacillen mehr. Sublimat in der Verdünnung von 1:1000 tödtete die Bacillen sofort. Ein Gehalt von 1 v. H. Carbol säure oder 1 v. H. Lysol genügte binnen 10 Minuten zur Ab- tödtung der Keime. Bei einem Gehalt von 3 v. H. Schmierseife bezw. von 1 v.H. Chlorkalk enthielten die Aufschwemmuimen nach 5 Minuten noch virulente Keime, nach 30 bezw. 15 Minuten waren sie steril. Sterilisirte Fäces, mit Pestbacillen reichlich insicirt und dann zu gleichen Theilen mit der gebräuchlichen Kalkmilch versetzt, enthielten nach 30 Minuten noch virulente Bacillen, nach 1 Stunde waren sie ebenfalls steril. UeberauS empfindlich erwiesen sich die Pestbacillen gegen Mineralsäuren; so genügte die reine Schwefelsäure schon in der Verdünnung von 1 : 2000, um die m der Mischung befindlichen Pestkeime binnen 5 Minuten abzutödten. In direktem Sonnenlicht« starbrn dir Bacillen, in dünner Schicht an GlaSsplittern ein- getrochnet, schon binnen 1 Stunde ab. Bei einer Reihe von Versuchen zeigte pestbacillenhaltigeS Material, in verschiedener Weise auf Leinwand, Wolle, Seidenzeua und -säden, Gaze, Filterpapier, GlaSstücke, Erde und dergleichen gekrackt, unter verschiedenen Verhältnissen aufbewahrt und von Zeit zu Zeit auf seine Infektiosität untersucht, eine Lebensdauer von längsten» 8 bis 10, mehr fach nur von 2 bis 5 Tagen. In gewöhnlichem Leitungs wasser aufgeschwemmt, wurden die Pcstbacillen spätestens nach 3 Tagen, in sterilem Bilgewasser nach 5 Tagen, in sterilem Leitungswasser spätesten» nach 8 Tagen abgestorben gefunden. An der getrockneten Haut zweier an der Pest ver endeter Mäuse war in einem Falle schon am 4., in dem an deren am 6. Tage die Jnfectiosität erloschen. Pestpneu monisches Sputum, massenhaft Pestbacillen enthaltend und lüssig im ReagenSglase unter Watteverschluß im Eisschranke aufbewahrt, erwies sich zwar am 10. Tage nock infrctiöS, am 16. Tage aber nicht mehr. In allen diesen Versuchen haben ich die Pestbacillen als Organismen erwiesen, die ohne Zutritt des atmosphärischen Sauerstoffes nicht zu wachsen vermögen. Was die anTbieren hinsichtlich ihrer Empfäng- ichkeit gegen dieSeuche vorgenommenen Versuche anbelangt, so zeigten die zu den Versuchen benutzten Tauben, Hühner, Gänse und Schweine, welche mit Jnjectionen viru lenter concentrirter Pestbacillenaufschwemmungen behandelt, letztere zum Theil mit Pestratten gefüttert waren, überhaupt eine Reaction. Geimpfte oder injicirte Hunde reagirten fast gar nicht, bei Fütterung mit Reinculturen blieb ein VersuchS- hund gesund, ein anderer erkrankte leicht, ohne daß sich in den Drüsenschwellungen Pestbacillen gefunden hätte». Injicirte >ezw. geimpfte Katzen erkrankten für kurze Zeit fieberhaft, bec der einen kam es zu einer örtlichen Absccßbildung, der Eiter aber war steril. Etwas empfindlicher der Impfung >ezw. Injektion gegenüber verhielten sich Schafe und Ziegen; bei den ersteren erhielt der Absceßeiter zahlreiche Pest bacillen, bei den lehteren keine, Kühe reagirten mit hohem Fieber und starken örtlichen Erscheinungen; der Absceßeiter war auch hier frei von Pestbacillen. Geringere ReactionS- erscheinungen zeigten die zu den Versuchen verwendeten Pferde. Sämmtliche VersuchSthiere sind, soweit sie überhaupt er krankten, vollständig genesen. Hervorznheben ist, daß bei diesen Thierversuchen die Jnfectionsart eine so intensive war, wie sie unter natürlichen Verhältnissen nicht vorkommt. Eine Ratte, welche sich in der Freiheit insicirt batte, enthielt in ihrem Körper eine sehr große Menge von Pestbacillen. Ueber- haupt erwiesen sich die Ratten, wie spätere Untersuchungen er gaben, hinsichtlich ihrer Empfänglichkeit für die Pest hochgradig empfindlich. Einfache Impfungen mit den geringsten Mengen einer Cultur oder Berührung der äußeren Schleimhäute init Culturmasse oder Fütterung mit kleinsten Mengen von Pestcultur genügten, um bei ihnen ausnahmslos tödtliche Pest zu erzeugen. Da diese Thiere in der Freiheit bekanntlich die Cadaver ihrer (an der Pest) verendeten Genossen anzunagen pflegen, so erklärt eS sich, daß sich die Seuche unter ihnen rasch auSbreiten und den ganzen Rattenbestand eines OrteS vernichten muß, daß aber auch durch die Vermittelung der Ratten die Pestkeime von einem Hause in da» andere versckleppt und auf Menschen übertragen werden können. In der Thal wurde in dem stark befallenen nördlichen Theile der Stadt Damaon (s. u.) in Zahlreichen Häusern kranke und todte, späterhin aber überhaupt keine Ratten mehr gesehen, da sie vermuthlich alle von der Seuche hingerafft waren. Die Bewohner waren hier von dem Zusammenhang der Ratten- und Menschrnpest so überzeugt, daß manche schon ihre Häuser verließen, sobald sie eine todte Ratte fanden; in dem südlichen, von der Pest verschonten Theile der Stadt wurde von einer Rattenpest nicht« bemerkt. Schweine, Hunde, Katzen und andere HauSthiere sollen dort überhaupt verschont geblieben sein. BemerkrnSwerth erscheint, daß Flöhe, welche von einem Rattencadaver abgesucht und zerquetscht auf eia Meerschweinchen verimpft wurden, dasselbe mit Pest inficirten. Zu den Versuchen über die Fragen der künstlichen Immunität gegen Pest und di« Verwendbarkeit des von hochimmunisirten Thieren gewonnenen Serums zu Schutz- und Heilzwecken wurden auS- chließlich Affen benutzt; eS stellte sich hierbei heraus, daß die zur Verwendung gelangten grauen Affen (Zemuvpitbecus entellus) ebenso wie die Ratten für die Pestinfection außer ordentlich und in weit höherem Grade als die braunen Affen (Llucacus ruäiutus) empfänglich sind. Sehr viel wirksamer als die Injektion unter die Haut erwies ich die Injektion in die Bauchhöhle. Diejenigen Affen, velche eine subcutane Impfung ober Jnjection über- tanden haben, besitzen einen hohen Grad von Im munität, sie vertragen nunmehr die Jnjection einer verhältnißmäßig großen Menge einer Pestcultur (etwa 2 mg) ohne merkliche Krankheitserscheinnngen. Um braune Affen durch Fütterung mit Pestbacillen zu inficiren, bedurfte es j iemlich großer Mengen von Cultur; geringe Mengen wirkten nicht mehr inficirend, verschafften aber auch keine Immunität. Zur künstlichen Jmmunisirung kann man nur bei wenig empfänglichen Thieren lebende und vollvirulentc Culturen benutzen; eS erwies sich nöthig, mit abgelödteten Culturen zu operiren, welchen, wie die anzestellten Versuche und auch rüher schon die Haffkine'schen Schutzimpfungen bewiesen haben, eine mehr oder weniger hohe Schutzwirkung zukommt. Die Letztere wird aber durch alle stärker wirkenden Agentien, wie Siedehitze, geschädigt; um die Bakterien sicher zu tödten, ohne die Schutzkrast auszuheben, zeigte sich die einstündige Behandlung der Cultur mit einer Temperatur von 65° am vortheilhaftesten. Die Immunität tritt nicht sofort ein, sondern nach einem gewissen Zeitraum (etwa vom 5. bis 7. Tage an); sie hat auch nicht einen so hohen Grad wie diejenige, welche durch Jnfection mit lebenden Culturen er worben wird. Ueber ihre Dauer konnten Versuche nicht an gestellt werden, da dieselben viele Monate beansprucht haben würden. Aus den geschilderten und anderen Versuchen, welche freilich noch vielfach der Wiederholung und Prüfung bedürfen, ließ sich vorläufig entnehmen, daß, um mit tobten Culturen künftig zu immunisiren, Culturen von ungeschwächter Virulenz zu verwenden sind, welche in der erwähnten Weise abgetövlet wurden. Die Höhe der natürlichen Immunität, wie sie durch Uebersteheu der Pestkrankheit erlangt wird, läßt sich einstweilen nur durch Nachimpfungen mit lebenden Pestbacillen erreichen. Die tobten Pestculturen wurden ferner noch benutzt, um zu erfahren, ob die Pestbakterien, ähnlich wie die Cholera- und Typhusbakterien, ein specisischeS Gift enthalten. Die nach dieser Richtung hin angestellten Ver suche ergaben, daß die Giftwirkung vollvirulenter Pest- culturen, wenigstens unter den hier gewählten Versuchs bedingungen, sehr gering ist. Was die Serumversuche betrifft, so war die Zeit zu kurz, um selbst Thiere so hoch zu immunisiren, daß ihr Serum zu Versuchs zwecken geeignet gewesen wäre. Es wurde daher durch Ver mittelung de« vr. Hersiu im Institut Pasteur in Paris hergestelltcs Serum angcwendet. Bei den Versuchen mit diesem Serum ließ sich schon nach einigen Tagen auS einem besonders charakteristischen Verhalten der Haut an der Stelle, wo dir Nachinjection mit lebenden Pestbakterien gemacht war (größere oder geringere Infiltration), auf den Wirkungswerth de» vorher injicirten Pestserums schließen. Unter Benutzung dieses Kennzeichens für die Schutzkrast deS Serums wurde ver sucht, braune Affen durch eine vorhergehende Jnjection von Serum gegen die tödtliche Wirkung einer 24 Stunden später folgenden Jnjection mit lebenden Pestbacillen zu schützen. Es 'teilte sich bierbei heraus, daß bei Anwendung eines relativ frischen starken) Serums die braunen Assen, welche mit 10,5 und 3 ccm dieses Serums vorbehandelt waren, die subcutane Jnjection von etwa 2 i»8 Pestcultur, ohne zu erkranken, ertrugen, während 1 ccm nicht mehr genügte. Für die höher empfind lichen grauen Affen war aber auck dieses starke Serum in der Dosis von 10 cem gänzlich ohne Wirkung; sie starben infolge der Nachimpfung ebenso schnell wie die unbehandelten Thiere. Die Dauer der Schutzkrast erstreckte sich bei Len verwendeten Versuchsthieren auf höchstens acht Tage. Die unter Benutzung starken Serums unternommenen Hcilversuche mit Serum ließen erkennen, daß dasselbe unzweifelhaft Heil wirkungen besitzt, wenn dies auch selbstverständlich nur in Bezug auf die Thiere gilt, an denen diese Versuche angestellt sind. Ob ähnliche Wirkungen auch beim Menschen zu er zielen sind, kann, wie die Beobachtungen an den ähnlich wie diese empfindlichen grauen Affen lehren, nicht obne Weiteres geschlossen werden, sondern muß Lurch Beobachtungen an pestkranken Menschen selbst ermittelt werden; bis jetzt sind bei diesen anscheinend meist nur die älteren, schwächeren Serumsorten angewendet worden. Von dem Leiter der Commission und einem Mitglieds derselben wurde am 18. Mai eine Reise nach der seit März stark von der Pest heimgesuchtcn portugiesischen Stadl Damaon unternommen. Die Krankheit ist daselbst fast voll ständig auf Len hauptsächlich von Fischern bewohnten nörd lichen Stadttheil beschränkt geblieben und bat in diesem Len vierten Theil der Bevölkerung hingerafft; in dem südlicken, durch einen Fluß getrennten Stadttheil sind nur 4, auf Jn fection in dem nördlichen Stadttheil beruhende Erkrankungen vorgekommen. Bemcrkenswerth erscheint, daß unter den aus ihren verseuchten Häusern geflohenen und in Zelten rc. campirenden Einwohnern nur noch vereinzelte Pestfälle vor kamen, während in den inficirten Häusern Les nur zum Theil entvölkerten Stadtviertels die Pest in ungeschwächter Weise weiter hauste. Die Haffkine'schen Schutzimpfungen waren in Damaon an etwa 1400 Personen ausgeführt worden; eine Schutzwirkung des Verfahrens ließ sich unzweifelhaft erkennen, wenn auch der Schutz offenbar nur ein bedingter war, indem unter den Geimpften nicht wenige Pesterkrankungen (jedoch mit ausfallend mildem Verlaufe) vorkamen und sich nach weislich in etwa 20 Fällen nach der Impfung Pest mit töbt- lichem AuSgange entwickelte. Ein weiterer Ausflug wurde von dem Führer der Com mission in Begleitung zweier Mitglieder nach den Nordwest- provinzen, speciell in das Gebiet von Kumaon unternommen, wo eine rätbselhaste, von deu Eingeborenen Mahamari ge nannte Krankheit von Zeit zu Zeit austritt; höchst wahr scheinlich ist dieselbe mit der echten Beulenpest identisch. Daß es sich bei einer ebenfalls in Liesen Gegenden endemischen Rinderkrankheil nur um die echte Rinderpest handelt, wie sie in Europa und Afrika vorkommt, wurde durch eine Anzahl an Ort und Stelle angestellter Versuche festgestellt. Von einem andern Mitgliedc wurden vor der Abreise der Com mission, welche am 25. Juni erfolgt ist, noch Untersuchungen über Lepra in dem unweit Bombay gelegenen, etwa 350 Kranke enthaltenden Leprabeim Matunga vorgenommen. Mitte Juli ist die Pestcomniission mit AliSnabine ihres Führers, welcher sich von Indien in besonderer Mission nach Ostafrika l begeben hat, wieder in Europa «ingetroffen.
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