Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970722025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897072202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897072202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-22
- Monat1897-07
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PretS A> der Hauptexpedition oder den dn Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aut» oobestellen ab geholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandseoduag tu» Ausland: monatlich A 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr,' di« Lbeud»AuSgabe Wochentag» um 5 Uhr. Redaction und Erpeditiou: JohanueSgafse 8. Die Expedition ist Wochentag» unnnterbroche» -rössqet vo» früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: ktt» Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), UuiversitätSskabe 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kotharineustr. 14, pari. >md KSnigSpla» 7. Abend-Ausgabe. KWMr.TaMlltt Anzeiger. Anttsvlatt des Äömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nottzei-Nintes der Ltadt Leipzig. AnzetgenPret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf^> Reklamen unter dem RedactionSstrich (4a» spalten) 50^, vor den Familirnnachrtchte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» vrrzrichniß. Tabellarischer und Zifferusap nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderun^ 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. -Sorge u»Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Berlag vou E. Polz in Leipzig. ^3 AW, Donnerstag den 22. Juli 1897. 81. JühlAMA. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Juli. Die Annahme, daß er die Eingabe des Borstandes des Bunde» der Landwirthe wegen der Grenzsperre bereits gekannt habe, als er seine Rede in Solingen hielt, scheint Herrn vr. v. Miquel unangenehm berührt zu haben; ver- muthlich ist eS auf eine von ihm ausgegangene Anregung zurückzuführen, daß das Organ des Bundes, die „Deutsche Tagesztg.", jetzt mittbeilt, die Eingabe trage zwar das Datum deS 13. Juli, weil sie an diesem Tage unterzeichnet worden sei, sie sei aber erst nachher vervielfältigt und einige Tage später den Herren Staatsministern übersandt worden. Jedenfalls ergiebt sich aus dieser Mittheilung, daß Herr v. Miquel am 15. Juli die Eingabe noch nicht gekannt haben kann. Vielleicht ist auf ihn auch die folgende Auslassung der „Berl. Polit. Nachr." zurückzuführen: „Darüber, daß der Namens des Bundes der Landwirthe gestellte Antrag, die Einfuhr von Getreide aus sechs Monate zu verbieten, mit den abgeschlossenen Handelsverträgen nicht ver einbar ist, besteht in der Presse aller politischen Parteien voll ständige Ueberein stimm un g. Ebenso darüber, daß schon aus diesem Grunde der Antrag für die Reichsregiernng nicht nur un annehmbar, sondern völlig indiscutabel ist. Voraussichtlich dürfte auch sehr bald in der bündigsten Form zur öffent lichen Kenntniß gebracht werden, daß die Reichsregierung genau auf demselben Standpuncte steht. Man hätte er warten sollen, daß die Antragsteller so gut wie die gesammte poli tische Presse die rechtliche Unzulässigkeit ihres Verlangens und damit die gänzliche Erfolglosigkeit ihres Schrittes hätten einsehen müssen, und es ist aus diesem Umstande be- reits bei der öffentlichen Erörterung der Schluß gezogen worden, daß bei dem Anträge gar nicht auf einen praktischen Erfolg gerechnet sei, sondern daß lediglich agitatorische Zwecke damit verfolgt würden. Es gelte, die Landwirthe, welche der Mißerfolg des Feldzugs gegen die Productenbörse kopf scheu zu machen drohte, durch ein neues kräftiges Zugmittel für den Bund der Landwirthe wieder festzumachen. Indem wir diese Auffassung rcgistriren, ohne sie uns anzueignen, möchten wir auf die Gefahren Hinweisen, welche Anträge von der Art des vorliegenden für die Landwirthschaft selbst und ihre berechtigten Interessen und Forderungen Hervorrufen. Sie n öthigen die Regierung zn einer ent schiedenen Ablehn ungund erschweren so ein gedeihliches Zusammen wirken derselben und der Vertreter landwirthjchastlicher Interessen zur Förderung derselben in den Grenzen des Staatswohls. Vor Allem aber drohen Forderungen der hier bezeichneten Art alle anderen Kreise unseres Volkes und zwar auch diejenigen, welche fest auf dem Boden des Schutzes der nationalen Arbeit stehen, zu einer geschlossenen Phalanx zur Abwehr gegen dieselben zu vereinigen und die Agrarier gänzlich zu isoliren. Ist aber einmal eine starke antiagrarische Strömung in den nicht an der Landwirthschaft unmittelbar bethciligtcn Kreisen des Volkes erzeugt, dann wird es ungemein schwer sein, auch die berechtigten Wünsche und Forderungen der Land- wirthschaft zu erfüllen. Manche Anzeichen sprechen dasür, daß die Neigung zur Bildung eines solchen antiagrarischen Ringes bereits jetzt bedenklich zunimmt. Die rechten Freunde der Land wirthschaft werden dafür sorgen müssen, daß diese BewegLng nicht durch Anträge wie den auf Erlaß eines Einfuhrverbots auf Getreide noch weiter verstärkt wird." Schwerlich würden die „Berliner Politischen Nachrichten" eine bündige Zurückweisung der Eingabe durch die Reichs regierung mit solcher Bestimmtheit in Aussicht stellen, wenn sie durch die Thatsachen deSavouirt zu werden besorgen müßten. Ist, wie vermuthel werden darf, die vorstehende Auslassung nur ein Auszug aus der in Aussicht stehenden amtlichen Kundgebung, so trägt diese zugleich den Charakter einer eindringlichen Mahnung an die deutschen Land wirt he und an die conservativen Parteien, im Interesse der berechtigten Wünsche der Landwirthschaft der Leitung des Bundes der Landwirthe kräftig entgegcnzutreten, um zu verhüten, daß diese mit „unzulässigen" und „in- diseutabeln" Forderungen eine starke antiagrarische Strömung erzeuge und dadurch ein gedeihliches Zusammenwirken der Regierungen und der nationalen Parteien einerseits und der Vertreter landwirthschaftlicher Interessen andererseits er heblich erschwere. Bei dem Togo-Abkomme« ist Deutschland offenbar schlecht gefahren. Die Regierung läßt die Angelegenheit publicistisch so behandeln, wie eS unter dem neuen Eurs immer geschehen ist, wenn er sich bewußt war, bei Verhandlungen mit fremden Mächten schlecht „abgeschnitlen" zu haben. Es werden nicht nur die regulären Beschwichtigungshofräthe in Action gesetzt, um mit Redensarten, die an dem Kern der Sache vorbei gehen, eine milde Stimmung zu erzeugen, sondern auch außer ordentliche, aä lioo herangezogcne Federn. Des letzteren Mittels hat man sich zum ersten Male vor der Ver öffentlichung des brillanten Zanzibar-Vertrags von 1890 bedient. Als wir vor einiger Zeil in einem Berliner Blatte die augenscheinlich aus dem Kreise der deutschen Unterhändler stammende „Information" lasen, von dem Togo-Abkommen wisse mau noch nichts, aber so viel sei gewiß, daß einige interessiere deutsche Personen Grund zu vollster Zufriedenheit haben würden, sanden wir es an der Zeit, unsere Hoffnung in Bezug auf den geographischen Inhalt des Vertrags — und auf den kommt es doch an — beträchtlich herabzuslimmen. Und jetzt, wo die „Vossische Zeitung" auf den Plan gerufen wird, um etwas für das Togo-Abkommen zu sagen, zweifeln wir nicht mehr, daß die schlimmen Befürchtungen, von denen die bereits mitgetheilte Eingabe der Abtbeilung Coblenz der deutschen Colonialgesellswast spricht, die sie aber noch nicht tb-ilen zu können erklärt, vollauf sich bewahrheiten werden. Man höre nur, was bas Berliner Fortschrittsblatt zu sagen hat: „Da den deutschen Ansprüchen französische gegenüberstanden, konnte ein Ab kommen nur erzielt werden, wenn jede Partei auf einen Theil ihrer Ansprüche verzichtete. Zu den deutschen Unterhändlern gehörte auch ein Nichtbeamter, Consul a. D. Vohsen, der aus seiner früheren consularischen Thätigkeit die Verhältnisse an der Goldküste kennt, zudem Mitglied des Colonialraths ist. Wenn trotz seiner praktischen Mitwirkung an den Pariser Verhandlungen der Verzicht auf Gurina — die Richtigkeit der bisherigen Mitteilungen vorausgesetzt — tatsächlich erfolgt ist, werden Gründe vorgelegen haben, die diesen Verzicht unvermeidlich machten." Kann man es sich bequemer machen? Ein Herr, der kein Beamter ist und aus äußeren Gründen eine Autorität sein könnte, war dabei, ergel ist das Erreichbare erreicht worden. Wir gehen über die seltene Bescheidenheit der Beamten hin weg, sich bereitwillig von dem „Nichtbeamten" in den Schatten stellen zu lassen. Aber wie würde die „Voss. Ztg." sich wohl vernehmen lassen, wenn nach der Erklärung des Zollkrieges an die Vereinigten Staaten die Freunde dieser Maßregel nichts weiter zu deren Begründung vorzubringen wüßten, als eine Berufung auf eine etwaige „Mitwirkung" des Herrn v. Thielmann, der die amerikanischen Verhältnisse in der That kennt? Die heutigen Verhältnisse, wohl gemerkt — denn seit Herr Vohsen an ver Goloküste gewesen, ist schon eine hübsche Zeit verflossen. Die „Voss. Ztg." würde sagen, gerade diese mehr als schwächliche Entschuldi gung sei ein Beweis der Fehlerhaftigkeit des Schrittes der Regierung. Da gefällt es unS beinahe besser, wenn andere Officiöse den Werth von Gurina auf einmal herabzusetzcn be ginnen. Die „Allg. Ztg." bemerkt freilich zu dieser Methode: „Also saure Trauben", sie hat aber wahrscheinlich Unrecht. Die Trauben hingen wohl nicht ^u hoch, aber unsere Füchse in Paris mögen sich auf das Springen weniger gut ver standen habe», als die französischen. Aber wir sind darob nicht ungehalten. In den siebziger Jahren schrieb der „Pester Lloyd" einmal, die Deutschen seien — seit sie ihren Platz an der Tafel der Völker beanspruchten — lange nicht mehr so liebenswürdig wie früher. Die Franzosen werden jetzt finden, daß diese Charakterverschlechterung, die wir wie so viele Uebel dem Fürsten Bismarck zuzuschreibeu haben, in der Rückbildung begriffen sei, daß wir wieder „liebenswürdig" seien. Und das ist schließlich die Hauptsache. In Euba spitzt sich Alles zu einer Entscheidung zu. Die Siege Weyler's stehen, wie es scheint, nur auf dem Papier, und sein drakonisches Regiment macht ihm auch noch die gutgesinnten Cubaner abspenstig. Es werden geradezu haarsträubende Dmge darüber mitgetheilt. So verfügte er u. A. die Aufhebung des Briefgeheimnisses, die Censur aller Telegramme, sowie die gänzliche Sperrung des Cabels nach Amerika. Den Zeitungscorrespondenten soll er die Berichte in die Feder dictiren, worauf dieselben diese Berichte mit ihrem Namen zu unterzeichnen und ihm zur Absendung zu übergeben haben. Unter Androhung der Füsilirung zwinge er die Corresponbenten, seine „angeblichen" Siege der Welt telegraphisch zu verkünden. Die Insurgenten kämen, ungehindert von den spanischen Truppen, nach Havannah, um sich täglich in den Vorstädten gegen Be zahlung mit Lebensmitteln zu versehen. Nach ihrem Abzug entsende General Weyler eine Compagnie seiner Sol daten, um jene Bewobner zu brandschatzen, welche den Insurgenten Lebensmittel verabfolgt haben. Für deren Schutz den Insurgenten gegenüber einzutreten, fühle er indeß nicht die geringste Veranlassung. Sogar die Correspondenz des deutschen Generalcousuls und seine Telegramme unter lägen der Censur Weyler's und würden von ihm befördert, oder auch nicht befördert. Was hiervon wahr ist und was auf Rechnung großer Antipathie gegen Weyler zu setzen ist, bleibe dahin gestellt, aber übereinstimmend wird gemeldet, Laß er gegen hundertfünfzig Kaufleute fest setzen und bestrafen ließ, weil sie an die Insurgenten Maaren verkauften. Von einer Beruhigung der Insel ist nichts zu spüren. Der heftige Kampf, den die Ab- theilnng Albergotti in der Sierra Madruga hatte, läßt deutlich erkennen, daß die stolz verkündete Beruhigung der Provinz Santa Clara unter gleichzeitiger Gewährung eines Generalpardons wiederum nur eine — sagen wir — Selbst täuschung Wevler's ist. Die Zunahme deS Aufstandes dort, in Matanzas und in Havanna — hier drang der Feind plündernd in den nur einige Kilometer von der Hauptstadt liegenden Ort Santa Maria del Rosario ein — wird durch den Zug des Generalgouverneurs nach dem Osten erklärt. Die Aufständischen unter Carrillo und dem Neger Maneses haben, dem Befehl von Maximo Gomez gehorchend, den Ab marsch größerer Truppenabtheilungen dazu benutzt, um ihrer seits nach Westen zu drängen und die dortige Gegend zu beun ruhigen. Das Manöver beruht angeblich auf einer Anordnung der New Dorker Junta, die immer neuen Stoff gebraucht, um das Interesse für die „cubanische Frage" wachzuhalten. Auch der Gesundheitszustand deS Heeres wird immer bedenk licher. Allein in Havannah liegen jetzt 10 000 Mann krank darnieder. Auch wird über die Landung von Expeditionen, die den Aufständischen neues Kriegsmaterial, darunter vor zügliche Repetirgewehre, zugeführt haben, geklagt. Die Ameri kaner benehmen sich nicht nur nicht mehr neutral, sondern unterstützen die Insurgenten in jeder Weise, damit ihnen Cuba als reife Frucht mühe- und kampflos in den Schoß fall^. Tausend Millionen Pesetas und 30 000 Mann hat Spanien bis jetzt umsonst geopfert. Bei einer solchen Sachlage ist es kein Wunder, wenn man auch in Spanien sich mit der radikalen Lösung der Frage beschäftigt. Der conservative Politiker Silvela, der eine „ehrliche" Partei gründen will, hat dieser Tage in seiner in BurgoS gehaltenen Rede die cubanische Frage behandelt und ihre Lösung in einer Weise vorgeschlagen, die bisher noch kein spanischer Politiker öffentlich in Erwägung zu ziehen wagte, wenn man ähn lichen Anschauungen in Privatgesprächen auch häufig genug begegnen mochte. Er meinte, daß der Aufstand, wenn die Cubaner, die Spanier bleiben wollen, sich entschlossen auf die Seite Spaniens stellen würden, trotz der Unter stützung, die die Vereinigten Staaten den Separatisten an gedeihen lassen, zusammenbrechen müßte. Wenn aber der Wunsch jener Cubaner, ein gemeinsames Vaterland zu be sitzen, mehr platonisch als wirklich sei, wenn sie alle Dpfer an Geld und Blut der Halbinsel überlassen, ohne selbst etwas zur dauernden Verbindung beizutragen, so sei der Augenblick gekommen, wo man sich ernstlich überlegen muffe, bis zu welchem Punct es angebracht sei, den Kampf zu verlängern. Mit andern Worten: Spanien muß auf die Colonie ver zichten, wenn es sie nur um den Preis des eigenen Ver derbens bewahren kann, wenn es, um sie zu bewahren, ge- nötbigt ist, sie zu verwüsten und dem eisernen Joche der Waffengewalt zu unterwerfen. Wenn sich auch alle Kenner der türkische« Verhältnisse und der Impulse des gegenwärtig in Mdiz herrschenden Systems beim Beginne der Friedensverhandlungen auf eine langwierige Arbeit und mannigfache Schwierigkeiten gefaßt machten, so sind ihre Befürchtungen durch den wirklichen Verlauf der Dinge doch noch übertroffen worden. Die Ursachen der letzten längeren Unterbrechung der Ver handlungen sind bereits angedeutet worden. Einer der türkischen Minister hatte dem Sultan einen Be richt über die angebliche Gutheißung der türkischen Forderungen von Seiten des französischen Botschafters erstattet. Trotzdem daß Herr Cambon gegenüber dem zu ihm entsandten türkischen Minister des Aeußern die betreffenden Angaben ent schieden bestritt und Tewfik Pascha bei seinen Besuchen bei allen übrigen Botschaftern „den Eindruck der vollen und festen Ueber- einstimmung aller Mächte" gewann, hielt man eS in Aildiz doch für gut, die bekannte Circularnote an die Mächte und außer dem directe Depeschen au die Staatsoberhäupter zn richten, um, wie auögesührl Wurde, der Stimmung der Opposition gegen die Räumung Thessaliens eine Genugthuung zu geben. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß damals in Aildiz aus uncontrolirbarer Ouelle auch das Gerücht entstanden war und Glauben gefunden hatte, daß auch Oesterreich-Ungarn und Deutschland die türkischen Forderungen bezüglich der PeneioS - Grenzlinie als berechtigt ansähen und sich nur aus OpportunitätSgründen der Haltung der übrigen Mächte anschlössen. Als nun die übereinstimmenden, durchaus ablehnenden Antworten der Souveräne und ihrer Cabinette in Konstantinopel eintrafen, war für einige Tage die den maßgebenden Impulsen gefügige türkische Opposition scheinbar lahmgelegt und stille geworden. Die Erklärungen, die der Minister des Aeußern in der BotschaftS-Reunion am 15. d. M. abgab, konnten den Eindruck wecken, daß die Grenzfrage im Principe gelöst sei und daß der Friedens schluß nach einigen Sitzungen werde erfolgen können. Unter Liesen Umständen mußte man von dem türkischen Versuche, die Opposition in der Grenzfrage in der ani 17. d. M. im österreichisch-ungarischen Botscbaftspalaiö abgehaltenen Sitzung fortzusetzcn, höchst unangenehm berührt werden. Daß die Sitzung diesmal bei dem Doyen der Bot schafter und nicht wie gewöhnlich in Tophane stattfand, hatte Feuilleton. Nanny Trauner. 26j Roman von C. Schroeder. Nachdruck verboten. In ihrem Schlafzimmer aber wanderte Nanny ruhelos hin und her. „Damenbesuch?" stöhnte sie. „Ach! so viel ist gewiß, ein Dienstmädchen war eS nicht. Der Lampenschein glitt an einem seideglänzenden Kleide hinunter und flimmerte durch eine Spitzenhülle um ihren Kopf. Dann war sie so schlank, so fein gebaut — ich mußte gleich an Anna von Hellbronn denken. Der sähe eS auch schon ähnlich, so spät noch allein berumzustreichen und den Leuten neugierig inS Fenster zu blicken, aber — ach! Gott, sie ist ja nicht hier. Ziehen sie nicht immer erst Mitte Mai aufs Land — die Hellbronn? Warum sollten sie denn gerade in diesem Jahre? — Freilich, der Frühling ist merkwürdig voreilig und — wenn dem alten Manne vielleicht die Laune gekommen wäre —" XXI. Capitel. Der Oberförster war beute Morgen mit dem linken Fuß zuerst aus dem Bette gestiegen — wenigstens vermuthete dies Susanne, den» erstens hatte er (lächerlicherweise) ihren Kaffee schlecht gefunden, zweitens hatte er (wegen mangelhaft ge wichster Stiefel) den Friedrich sehr hart angelasscn, drittens war er mit der erklärten Absicht aus dem Hause gestampft, den saumseligen Holzfällern hinten im Tannenbühl einmal derbe den Tert zu lesen. Bis zum Tannenbübl nun war es Wohl eine Viertelstunde Weges, der Oberförster aber hatte noch keine hundert Schritte gethan, als plötzlich seine Nichte vor ihm auf tauchte. Die Wange war ihr vom raschen Gange in der Morgenluft sanft geröthet, auS ihrem Auge strahlte etwas wie Triumph. Merkwürdig, wie dieser Anblick den» Alten die finstere Laune erhellte. „I bewahre!" lachte er auf. „Da sitze ich eine Stunde über die Zeit am Kaffeetisch, ärgere mich über die kleine Schlafmütze, die nicht erscheinen will und — hier läuft sie nun im Walde herum!" „Onkelchen — denk' Dir —" „Na, komm' nur erst wieder zu Athen,." „Denk' Dir, sie sind da — sie sind wirklich schon da!" „Wer? Der Kuckuk und die Nachtigall?" „Ach nein, aber daS Parkthor stand offen und auS einem Fenster im Schlosse sah der alte Mann heraus!" „Der alte M—? Ach so! Der hochedle und großmächtige Herr von Hellbronn auf und zu Hellbronn. Ja, der ist allerdings in die Hallen seiner Väter eingezogen, und zwar vor vierzehn Tagen. Meinst, so eine gewichtige Nachricht wäre mir nicht zu Ohren gekommen?" „Schon vor vierzehn Tagen? Nun, dann war sie eS auch ganz gewiß, verlaß Dich darauf!" „Ä)er denn? WaS denn?" „Die Dame, die wir gestern Abend unter dem Fenster der Villa stehen sahen, war Anna von Hellbronn." „Ha ha ha! Glaubst Wohl gar, ich hätte dies bezweifelt?" „Onkel „Nein, so dumm bin ich doch nicht, Kleine. Zwei und zwei zusammenzufügen, das bringe ich noch fertig." Ein Ausdruck ernsten Vorwurfes zeigte sich in ihren Zügen. „Onkel," sagte sie, „wenn Du es nicht bezweifelst, wie durstest Du da von einem Stelldichein reden, von — von — er hat eS Dir doch damals deutlich genug gemacht, daß er sie haßt." „Damals, Kleine, ist schon ein bischen lange her und die Gefühle ändern sich. Wie die Liebe mitunter in Haß um- schläHt, so schlägt auch bisweilen der Haß in Liebe zurück." Sie starrte ihn an mit großen, verständnißlosen Augen. „Ja, siebst Du, Kind", fuhr er ein bischen zögernd fort, „eigentlich ist's kein hübscher Unterhaltungsgegenstand zwischen Dir und mir, aber damit Du endlich Dein überflüssiges Be dauern für den Professor loS wirst, will ich Dir'S nur sagen, daß er ein Liebesverhältniß mit dem Weibsbild vom Schloß unterhält." „Das ist nicht wahr!" Blitzschnell entfuhr eS ihr. Ihre Blicke sprühten Entrüstung. „Na, na, ich werde Dir doch nichts vorlügen!" brummte er. „Ich kann's und will's nicht glauben!" rief sie, und mit der Miene einer Richterin: „Von wem bast Du'S?" Der Alte kam sich vor wie ein Schulknabe, der angeklagt ist und zu seiner Entschuldigung nichts besonders Ruhmvolles vorzubringen weiß. „Hm!" machte er mit etwas verlegenem Achselzucken. „Ich pflege im Allgemeinen auf Frauenklalsch nicht viel zu geben, aber —" „Von wem, Onkel?!" „Na, beiß mir nur die Nase nicht ab! Es scheint, die entlassene Jungfer des Fräuleins hat's im Dorf herum getragen, daß ihre Gnädige eine Zeit lang Nacht für Nacht in den Garten hinabgestiegen sei, um den Professor Flemming zu empfangen." „Eine entlassene Jungfer!" Nanny stieß eS im verächt lichen Ton heraus, aber sie ward doch blaß — sehr blaß dabei. „Der wäre Verleumdung auS Rachsucht oder sonstigen unedlen Motiven zuzutrauen, meinst Du? Hm! meinetwegen, aber daß ich besagte Gnädige zu hochanständig hielte für solch' ein Verfahren, kann ich gerade nicht behaupten. Und dann — Manches, was diese Lisette aus der Schule schwatzt, klingt verteufelt plausibel!" „Lisette?" Nanny fuhr sich mit der Hand an die Schläfe, der Name wollte eine Erinnerung in ihr wecken. „Verteufelt plausibel", wiederholte der Oberförster und lachte in sich hinein. „Wie haben wir Beide — wie hat die ganze Welt sich den Kopf zerbrochen damals über den nächt lichen Mordanfall auf den berühmten Maler! Jungfer Lisette — ha ha! — weiß ihn zu erklären. Ist ja selbst so was wie 'ne Augenzeugin davon gewesen." Nanny'S Hand sank herab. „Augenzeugin?" stammelte sie. „Dafür war's zu dunkel, willst Du sagen? Na, Obrenzeugin jedenfalls. Ihre Herrin hatte sie ja freilich an'S Parkthor postirt gehabt, aber —" Jetzt, wie mit einem Schlage war die Erinnerung wach in Nanny. Schreckhaft deutlich horte sie eine athemlose Stimme flüstern. „In der Richtung deS SeeS, Lisette? Du hast doch recht gesehen? — Gut, Du bleibst hier — rührst Dich nicht vom Fleck, bis ich wiederkomme." „Was ist Dir, Kleine?" unterbrach sich der Oberförster, als er sie schwanken und nach einem Baumstämmchen Haschen sah, um sich zu stützen. „Nichts, Onkel --- gar nichts. Erzähle nur weiter!" „Nun, wie gesagt, die Kammerzofe hatte am Thore Schildwache stehen sollen, die Neugier aber hatte sie auf diesem Posten nicht allzulange belassen. Gar zu verlockend erregt waren die Stimmen der Liebenden an ihr Ohr ge drungen, näher gehuscht war sie und hatte dann deutlich alle die bitteren Dinge gehört, die der Maler seinem Schatze entgegenschleudert." „Die bitteren Dinge!" „Ja. Wundert Dich das? Von einem Liebeszwist wußtest Du selbst ja damals allerlei zu erzählen. Dir schwebte freilich eine Küchenfee vor und ein weggejagter Reitknecht, daß eS sich um so hohe Herrschaften handelte, ließest Du Dir nicht träumen." „Sie stritten sich also wirklich?" „Nach dem, was die Lisette behauptet, hat er kein gutes Haar an ihr gelassen, hat er ihr den Laufpaß und seine volle Verachtung mit auf den Weg gegeben. DaS noble Fräulein aber hat dagegen gebettelt, geweint und gewinselt und mitten in ihr Winseln hinein ist der Schuß gefallen, mit dem irgend ein verschmähter Anbeter sich und ihr hat WaS zu Liebe thun wollen". „Wer sagt daS?" „Ich denke mir'S nur. Ganz sauber ist ja der Wald nie von Grasaffen, denen sie den Kopf verdreht hat. Da wird einer im Hinterhalt gelegen, auS allen Poren Eifersucht ge schwitzt haben und —" „Onkel! Verzeih', daß ich Dich unterbreche, aber — wenn er so im Zorn von ihr geschieden ist damals, wie ist's dann möglich, daß er jetzt wieder —" „Bab! was sich lieb«, neckt sich, sagt daS Sprichwort." „Neckt sich? Freilich! Zankt sich auch wohl einmal recht schaffen, aber verachtet sich doch wohl nicht? — Onkel, wenn er sie verachtete und doch noch weiter liebte, dann wäre er ja selber — verächtlich!"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite