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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970724019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897072401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897072401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-24
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Eine völlige Sicherheit für das Leben des Papstes und seiner Umgebung wäre damit allerdings nicht gegeben, aber diese absolute Sicherheit war auch zu den Zeiten deö weltlichen HerrscherthumS des Papstes nicht vorhanden, denn auch zu diesen Zeiten ist Rom wiederholt der Gegenstand eines feindlichen An griffs geworden. Im klebrigen würden die Gegner des König reiches Italien die Sicherheit des Papstes schon darum nach Möglichkeit respectiren, weil man Wohl als gewiß annehmen kann, daß im Falle eines unglücklichen Krieges das Papsttbum mit den Gegnern deS königlichen Italiens sympathisiren würde. Schließlich sei noch bemerkt, daß auch die Auffassung des italienischen klerikalen Blattes, Italien stehe vor der Möglichkeit eines Krieges, nicht als richtig anerkannt werden kann; der Umstand, daß zwischen Italien und Frankreich herzlichere Beziehungen angebahnt sind, macht die Wahr scheinlichkeit, daß Italien in absehbarer Zeit in einen Krieg werde verwickelt werden, zu einer sehr geringen. Das hat sich die „Voeo ckolla Veritü" und ihr Hintermann wohl auch selbst gesagt; die „Germania" ist gleichfalls nicht einsichtslos genug, um sich über die Haltlosigkeit der Moti- virung des italienischen Blattes zu täuschen. Wenn daS führende deutsche Centrumsblatt gleichwohl den von der „Voce ckolla Veritä" gemachten „Vorschlag zur Güte begierig aufgegriffen und mit dem Hinweise auf einen hochstehenden Urheber wärmstens empfohlen hat, so hat daS eben seinen Grund in den inneren Ver hältnissen und Nöthen der deutschen Centrumspartei. Wenn aber nun wirklich der Landshuter Katholiken tag für die Neutralisirung Roms sich begeistert und eine diese Maßregel fordernde Resolution beschließt, deren Verbreitung die klerikale Presse sich angelegen sein lassen muß: wie will dann die „Germania" ihre kürzlich den deutschen Pro fessoren wegen ihrer Kundgebung zu Gunsten der um ihre Nationalität kämpfenden Deutsch-Öc st erreich er erthrilte Mahnung rechtfertigen, sich nicht unberechtigter Weise in die äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates zu mischen? Den Unterzeichnern dieser Kundgebung ist eS nicht im Traum eingefallen, ihre Regierung zu einer Einmischung in innere Angelegenheiten Oesterreichs aufzu fordern; sie ermuthigen lediglich ihre Stammesgenossen in Oesterreich, auszuharren in einem mit gesetzlichen Mitteln geführten Kampfe gegen eine vom rechtlichen Standpunkte mindestens an echtbare, vom politischen Standpunkte für das Donaureich gefährliche Maßregel eines Ministers, der sich durch sie in Gegensatz zu den alten Traditionen der öster reichischen Politik gesetzt hat. Eine Aufforderung zur Neu tralitätserklärung Roms richtet sich dagegen, wenn sie mehr sein soll als eine Spiegelfechterei, an Mächte, die dem Königreiche Italien feindlich sind. Diese sollen veranlaßt werden, Italien mit mehr oder weniger unsanfter Gewalt zu einer politischen Selbstverstümmelung schlimmster Art zu zwingen. Ein Staat, besten Hauptstadt für neutral erklärt Die Neutralisirung Noms. Seitdem der „Culturkampf" vorüber ist oder wenigstens den Charakter eines stillen Wühlens auf der einen und eines nachgiebigen Beschwichtigens der Wühler auf der andern Seite angenommen hat, sind die Centrums führer darauf angewiesen, die in den Reihen ihrer Gefolgschaft emgerissene Zwietracht vor den Augen der Welt einigermaßen dadurch zu verdecken, daß sie das schon halb abgestorbene Iesuitengesetz zum Leben erwecken oder die „Nothwendigkeit" der Wiederherstellung der weltlichen Macht deS Papstes darthun und dadurch den ganzen ultramontanen Heerbann auf einige Stunden als eine „mächtige, nicht zu durchbrechende Phalanx" erscheinen lasten. Auch auf dem bevorstehenden Katholikentage in Landshut Werden diese alten Mittel in neuer Form in Anwendung gebracht werden, um die feindlichen Brüder, die gerade in Bayern einander so grimmig befehden, wenigstens in einer und der anderen Frage unter einen Hut zu bringen. Die „Voce äolla Veritä" hat denn auch bereits dafür gesorgt, daß das Thema der „unerhörten" Lage des Papstes in der klerikalen Presse wieder aufgewärmt und den Lesern ein geredet werde, wenn auch die Wiederherstellung der Weltlichen Macht des PapstthumS zur Zeit sich nicht ermöglichen lasse, so sei doch die Neutralitätserklärung der Stadt Rom «ne dringende, nicht aufzuschiebende Angelegenheit. Die „Germania", der nichts angenehmer sein konnte, als eine solche Vorbereitung auf den Landshuter Tag, deutete an, der Artikel deS römischen Blattes rühre keineswegs von einem gewöhnlichen Artikelschrriber her, sondern sei von einer höheren Stelle aus beeinflußt worden. In der ganzen klerikalen Presse Deutschlands, soweit sie nicht in den Kampfruf deS vr. Sigl „LoS vom volksverrätherischen Centrum l" einstimmt, hat man diesen Wink verstanden, und so find alle Vorbereitungen dafür getroffen, daß in Landshut ,,daS katholische Deutschland" nach schwerem Streite der Meinungen über innere deutsche Angelegenheiten sich einigen könne zu dem Rufe: „Die Neutralisirung RomS ist eine un erläßliche Forderung der Gerechtigkeit!" Wie „gerecht" diese Forderung ist, erhellt aus der Begründung, die das italienisch« klerikale Blatt ihr giebt. Es meint, daß der Papst auch von dem Königreiche Italien als Souverain anerkannt sei und daß deshalb sowohl er, wie die bei ihm beglaubigten Go- sandten der Mächte einen Anspruch auf Sicherheit im Falle eines Krieges, in den Italien verwickelt werden könnte, besäßen. Diese Sicherheit ließe sich nur durch die Erklärung RomS zu einer neutralen Stadt Herstellen. Dies könne ebenso geschehen, wie man Belgien und die Schweiz für neutral erklärt habe. Da die orientalischen Wirren die Möglichkeit eines europäischen Conflictes nahegerückt erscheinen ließen, so sei die Lösung der Frage in kürzester Frist geboten. Die Haltlosigkeit dieser Motivirung liegt auf der Hand. Allerdings ist der Papst durch da- italienische Garantiegesetz vom 9. Mai 1871 — daS, nebenbei bemerkt, von den Päpsten nicht anerkannt worden ist — als Souverain an erkannt, aber er ist nicht souverainer Herr in Rom, worden ist, ist kein selbstständiger Staat mehr; er steht unter Curatel. Auf friedlichem Wege ist also die Neutralisirung Noms ebensowenig herbeizuführen, wie die Wiederherstellung der weltlichen Macht deS PapstthumS. Wenn die „Germania" gleichwohl zu Kundgebungen für die Neutralisirung Noms anreizt, während sie die Unterzeichner der deutschen Professorenkundgebung zu Gunsten der Deutsch- Oesterreicher für eine unberechtigte Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates erklärt, so beweist dadurch das edle Blatt abermals, daß es eine gelehrige Schülerin der Jesuiten ist und nach dem Grundsätze „der Zweck heiligt das Mittel" unentwegt handelt. Deutsches Reich. * Leipzig, 23. Juli. Das „Wolff'sche Tel.-Bureau" verbreitet die befremdende Meldung, in der heutigen Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses habe der Vicepräsident des Staatsministeriums vr. v. Miquel auf eine Aeußerung des Abgeordneten Rickert erklärt, die Regierung habe über die Eingabe des Bundes der Landwirthe, betreffend das Verbot der Einfuhr ausländischen Getreides, einen Beschluß noch nicht gefaßt; er glaube aber, der Reichskanzler werde erklären muffen, daß die Handelsverträge die Genehmigung des Antrags völlig ausschließen. Wenn das richtig wäre, so müßte man annehmen, Herrn vr. v. Miquel sei bis zum heutigen Nachmittage die gestern Abend vom „Reichs anzeiger" veröffentlichte Erklärung unbekannt geblieben und diese sei mithin vom Reichskanzler oder seinem Stellvertreter ohne vorherige Rücksprache mit Herrn vr. von Miquel publicirt worden. Befremdend klingt die fernere Meldung, Herr vr. v. Miquel habe eS abgelehnt, die Eingabe für einen Unfug zu erklären, da er eine Politik der Sammlung verfolge und nicht dazu bei tragen werde, die Gegensätze zu verschärfen. Man sollte meinen, daß gerade «ine Politik der Sammlung dazu zwänge, auf daS Nachdrücklichste jede Forderung zurückzuweisen und zu verurtheilen, welche die Gegensätze zwischen den nationalen Parteien verschärft und willkommenstes Material für den Radicalismus zur Erzeugung von Unzufriedenheit und Miß trauen liefert. Berlin, 23. Juli. Mit der Verschärfung deS Natio nalitätenstreites in der Ostmark hat auch eine Erscheinung, die bisher ausschließlich unter wirthschaftlichen Gesichtspuncten betrachtet worden ist, einen bedeutsamen politischen Charakter erhalten: die Sachsengängcrei, die im Durchschnitt jahraus jahrein aus den Gebieten östlich der Oder nach zuverlässigen Schätzungen — absolut zutreffende Zahlen liegen darüber nicht vor — etwa 100 000 Menschen westwärts in Bewegung setzt. Reichlich ein Drittel davon entfällt auf Westpreußen und Posen, und zwar sind es die Polen, welche jahraus jahrein oder nach längerer Zeit fast durch weg zurückkehren, während das deutsche Element zumeist im Westen bleibt. Auf diese Weise erfährt die groß polnische Bewegung nicht nur eine erhebliche kulturelle Hebung, indem die Sachsengängerei den geistigen Horizont der Rück wanderer erweitert und ihren Geschäftssinn vermehrt; sie bedeutet auch eine erhebliche materielle Verstärkung des polnischen CapitalS. Von genauen Kennern der Verhält nisse der Sachsengängerei wird ein durchschnittlicher Lohn gewinn von 300—450 auf den Kopf gerechnet, wovon mindestens ein Drittel nach der Heimath wieder zurück genommen wird. Auf diese Weise kann alljährlich damit gerechnet werden, daß aus den westdeutschen Gebieten nach dem Osten von den polnischen „Sachsengängern" in vorsichtiger Schätzung etwa 8 Millionen Mark zurück geführt werden. Und dieser Betrag kommt unmittelbar und ausschließlich, da er meist zur Deckung der kleinen Lebens bedürfnisse dient, den polnischen Gewerbetreibenden zu Gute. Denn hinter den Sachsengängern steht die geschlossene groß polnische Agitation, der Klerus voran, und überwacht die Ausführung der Parole, daß der Pole nur bei dem Polen zu kaufen hat. Um so dringender erwächst auch in Rücksicht auf diese Erscheinung für den preußischen Staat die Auf gabe, durch eine kleinbäuerliche Besiedelung den deutschen Kern im Osten zu verstärken, und für die deutsche Be völkerung daselbst die Pflicht, von der polnischen Agitation zu lernen und sich auch materiell gegenseitig nach Möglich keit zu fördern. * Berlin, 23. Juli. Gegen den Würzburger Theologen Professor Schell mit seinem „KatholicismuS als Princip deS Fortschritts" ist jetzt ein Mitglied deS Würzburger Dom- capitelS literarisch ins Feld gerückt. Es ist der Dompfarrer vr. Braun mit einer Broschüre „Distinguo", die mit bischöflicher Druckerlaubniß in dem ultramontanen Verlage von Kirchheim zu Mainz erschienen ist. Die Schrift ist wenig erheblich; nach der Ansicht deS Verfassers hat selbst der Miß Vaughan - Humbug der katholischen Kirche nicht derart geschadet, wie die Schrift deS vr. Schell, der mit seltsam offenherziger Rüge als „nationalgesinnler Theologe" bezeichnet wird. Als Stilprobe aus der Schrift läßt sich noch mittheilen, daß nach der Ansicht deS Verfassers die katholische Kirche „die nothwendigen neuen Schuhe an fänglich nur zur Probe und auf kurze Strecken, die aus getretenen aber möglichst lange trägt". Ein den Spott direct herausforderndes Bild. Wenn der Würzburger Bischof Or. v. Stein der Schrift die Druckerlaubniß ertheilt hat, dann hat er natürlich nicht anders können; ihn deshalb damit für einverstanden zu erklären, besteht aber keine Ursache. Bemerkenswerth erscheint dabei auch, daß der neue Reichstagsabgeordnete Professor Frhr. v. Hertling in München jetzt lvieder die „Historisch-politischen Blätter" zu einem Aufsatz über „KatholicismuS und Wissenschaft" benutzt hat, der sich entschieden als Rückzugsgefecht nach den früheren kritischen Aeußerungen des Verfassers über die geistige Lage des deutschen KatholicismuS herauSstellt. Immerhin giebt Herr von Hertling das geringe Wohlwollen der kirchlichen Behörden für die theologischen Universitätsfacultäten und eine übertriebene Angst der Theologie vor der „emancipirten Wissenschaft" zu. Aber man scheint ihm in der Thal von parteiführender Seite die taktische Mißlichkeit derartiger öffentlicher Erörterungen in diesem Augenblicke klar und ihn damit mundtodt gemacht zu haben. (M. Z.) FaeerHstsn. Neues aus -er Technik. Bon Wilhelm Berdrow (Berlin). Nachdruck vtrbotk.n Hölzerne Kleider und papierne Gasröhren. — Steinkohle leitungen. — Die pennsylvanischen Culmbancs. — Aluminium- fahrrider. — Die magnetische Wünschelruthe. — Neue Ersin- dünge» der Holzbearbeitung. Da in neuerer Zeit der Nimmersatten Textilindustrie nahezu alle Hammelheerden, Baumwollplantagen und Flachs felder der Welt nicht mehr genügen wollen, so hat eine große Leipziger Spinnerei und Weberei, Claviez L Co., in dem Erschließen neuer Rohstoffe endlich einmal einen Griff inS Volle gethan, indem sie der Spinnmaschine nichts Geringeres als — unsere Wälder zum Fräße hinwerfen Will. Die neue Spinn- und Webmethode, die auf der diesjährigen Sächsischen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung zum ersten Mal vorgeführt wird, erzeugt auS 90Proc. Holz fasern und 10 Proc. Baumwolle einen drell- oder leinen artigen Stoff, der zur Herstellung von Tisch- und Hand tüchern. Anzügen rc. recht gut geeignet scheint, soweit man bei den ausgestellten Fabrikaten dem Auge und Gefühl trauen darf. Die ziemlich groben Fäden deS webfertigen Holz- gespinnsteS sind stark und ziemlich geschmeidig, ihre Verarbei tung — die Herstellung ist Geheimniß — auf drei fleißig klappernden Webstühlen ist genau dieselbe wie bei Woll- oder Baumwollgarnen. Holz und sein getreuester Trabant, Papier — wird eS in zehn Jahren noch etwas geben, was nicht auS ihnen angefertigt würde? Am Ende erlebt die leidende Land- tvirthschaft es noch eines TageS, daß die einzig lohnende Bodenkultur — die Beforstung ist, mit Papierfabriken und Webereien im Hintergründe. Wollte man eine Ver herrlichung deS Papiers als Universalstoffes schreiben, dieser ganze Artikel ginge dabei drauf, und ich wette, er würde »och gar nicht reichen. Aber hier sollen weder papierne Segel, noch Fußböden, weder Schiffe, noch Statuen auS Papier be schrieben werden, sondern nur eine einzige neue Anwendung deS vielseitigsten aller Stoffe, weil sie alle guten Eigenschaften deS Papier» in hohem Maße zur Geltung bringt und eine Zukunft zu besitzen scheint. ES ist die Röhrenfabrikation au» vielfachen, um einen festen Kern auf einander geleimten Schichten vou Papier, deren jede einzeln in Asphalt oder Theer gehärtet, gefestigt und gedichtet wird. Di« so hergesteüten Rohre lasse» sich leicht zu HAe-igy» Länge« verbinden, sie find d«a «bliche« guß eisernen Röhren an Dichtigkeit gleich, halten mindestens den- srjben Druck aus, zerbreche« nicht, sind billig und von er staunlicher Leichtigkeit. Die letztere Eigenschaft besonders empfiehlt sie für die neuerdings sehr oft vorkommenden Fälle, in denen zur Speisung von Motoren oder zur Beleuchtung bei vorübergehenden Gelegenheiten, zur Ballonfüllung u. s. w. provisorische Gasleitungen gelegt werden müssen. Sobald sich die Papierröhren ebenso gut zur Fortleitunz von Wasser eignen, was sicherlich bald erreicht werden wird, steht ihnen ein noch viel größeres Gebiet offen. Die Kraftübertragung durch Rohrleitungen, d. h. also im Grunde genommen nicht die Fernleitung einer Energie form, sondern des Trägers Energie, sei es Dampf, Gas oder Wasser, scheint neuerdings überhaupt wieder beliebter zu werden, besonders, seitdem durch die Mannesmannröhren- technik billige Leitungen von nahezu unbegrenzter Festigkeit leicht herbestellt werden können. Man hört in kurzen Zwischenräumen von Gas- uud Erdölleitungen, die sich an Lange und Leistungsfähigkeit immer mehr übertreffen. DaS Menschenmögliche an Kühnheit auf diesem Gebiete leistet aber ein kürzlich diScutirtcü amerikanisches Project, dessen Zweck die Verbilligung der Kohlentransporte zwischen den Gruben und Industricplätzen ist. Die Production der Kohlenzechen soll danach, so weit als möglich, gleich an Ort und Stelle vermahlen werden, was nach den neuesten Fortschritten der Kohlenmüllerei und bei den sehr niedrigen Kosten der Dampfkraft in Kohlcnbezirken keine Schwierigkeiten macht. Dann aber soll der mit Master zu Brei verarbeitete Kohlenstaub in große Rohrleitungen fließen und in diesen durch Pumpwerke, die etwa in Abständen von 40 üm anzulegen wären, auf beliebige Entfernungen gedrückt werden, womit man den Kohlentransport auf ein Zehntel der heu tigen Tarife verbilligen zu können glaubt. Am BerbrauchS- orte würde daS Product theilS in Gestalt von BriketS, theilS getrocknet in Kohlenstaubfeuerungen verbrannt werden. Die Eisenbahnen werden sich vor dieser ZukunftSconcurrenz einst weilen noch nicht so sehr fürchten, obwohl dem Plan ernstliche technische Schwierigkeiten kaum entgegenstehen. ES müßte denn sein, daß die Leitungen, ohnehin die kostspieligsten Glieder der geplanten Gründung, durch den fließenden Kohlenstaub so stark angegriffen würden, dak ihre Unterhaltung die Kosten deS Verfahrens übermäßig vertheuert. Noch auf andere Weise sind die amerikanischen Kohlen könige bestrebt, dem drohenden Wettbewerb zu begegnen, der seit einigen Jahren dir Elektricität, unterstützt von unerschöpflichen Wasserkräften, den Steinkohlen und dem Dampfe bereitet. Seit 80 Jahren haben sich in der Gegend der pennsylvanischen Grube« ungeheure Laaer unverkäufliche» Kohleuschutt» aufgehäuft, die «ach amtlichen Schätzungen etwa LV Proc. der gesammte« dortigen Förderung betrage« und nur deshalb unbenutzt bleiben, weil ihre geringe Korngröße nicht der Transportkosten lohnt. Jährlich ver mehren sich diese sogenanten Culmbancs um 25 Millionen Centner, und selbst den denkbar schlechtesten Heizeffect vor ausgesetzt, würden sie bei der Verbrennung doch jahraus, jahrein 140 000 Pferdekräfte garantiren. Damit könnte man selbst dem Niagara ganz gut die Spitze bieten, zumal große Dampsanlagen schwerlich mehr als die dortigen Turbinen bauten kosten werden, und die Kohlen ziemlich um nichts zu haben sind. Vielleicht wäre diese Idee, an deren Ausführung in den Vereinigten Staaten ernstlich gedacht wird, ebenso gut auf die Umgebung der deutschen Steinkohlenzechen an wendbar. Denkt man doch auch im Sächsischen Braunkohlen gebiet längst an eine elektrische Kraftanlage größten Stils. Das Schoßkind der Industrie des laufenden Jahrzehnts, die Fahrradtechnik, weist trotz der alljährlichen neuen Modelle, trotz Kuhhornlenkstauge, BambuSgestell rc. selten einen neuen, großen Fortschritt auf. Seit der Einführung der Hohlstahl- rahmen, der Kugellager und der PneumaticS, also seit zehn und fünf Jahren, hat keine große Erfindung den regelmäßigen Gang der Fahrradfabrikation merklich erschüttert. Jetzt aber soll daS, wie es scheint, geschehen. Ich würde von der jüngsten Neuerung, da sie mit dem viel gelobten und viel gelästerten Alu minium in Verbindung steht, noch gar nicht reden,wenn sich nicht das erste deutsche Fachblatt der Technik, „Dingler'S Journal", ihrer warm angenommen hätte. DaS Rad der Zukunft — d. b. bis wieder das Rad der dann folgenden Zukunft eS ablöst — soll also daS Romaniumfahrrad deS englischen Chemikers und Aluminiumtechnikers R. I. Roman sein. DaS mittels eines geheimgehaltenen metallurgischen ProceffeS aus Aluminium, Nickel und Wolfram zusammengesetzte Metall ist bei größerer Zähigkeit fast so hart und wieder- standSfähig wie Gußstahl, denn seine Druckfestigkeit, die schon in rohem, gegossenem Zustand 10 000 Kilogramm auf de» Quadratzoll beträgt, wächst nach dem Schmieden und Ziehen bis auf 22 000 Kilogramm. Fast alle Theile der Fahrräder, etwa die Achsen und Lagerschalen, sowie die Ahnräder der Kette ausgenommen, können mit Vortheil auS Romanium hergestellt werden, daS biegsamer al« Stahl und ebenso fest, aber viel leichter und rostbeständiger sein soll. Der Preisunterschied des Rohstoffes kommt weniger zur Geltung als man glauben sollte, da gerade bei Fahrrädern die Arbeit mit mindestens 90 Proc. am Preise theilnimmt. Dir erste englische Fahrradfabrik, Humber <L Co., Coventry, hat nicht allein viele Einzeltheilt, sondern auch zwei complete Räder bereits auS Romanium gebaut und ist mit dem Erfolg zufrieden. DaS Gewicht vermindert sich bei Tourenrädern etwa auk zwei Drittel, bei Rennmaschine« auf drei Viertel de» früheren, indem erster«, au» Romanium hergestellt, kau» 20, letztere l5 Pfund wiegen. Der Fahrradbau mit seinen rapide wachsenden An sprüchen an einen Stahl, den England sowohl wie Dcutsch- laud für diesen Zweck nur auS Schweden, beziehen, Hal infolgedessen auf den schwedischen Bergbau günstig ein gewirkt. Man nimmt alte, seit langer Zeit verlassene Gruben wieder in Betrieb und fahndet mittels deS Diamant bohrers eifrig auf neue Eisenlager. Oft mag dabei den Unternehmern, wenn sie viele Tausende in zwecklosen Bohrungen geopfert hatten, die alte Sehnsucht nach berg männischen Wünschelruthen wieder aufgestiegen sein, mit deren Hilfe man verborgene Erze aufzuspüren versuchte. Auch diesem Begehren ist die Erfindungsgabe deS Menschen jetzt durch einen kleinen Apparat des schwedischen Bergingenieurs P. A. CraelinS ein Stück näher gekommen. Um bei künftigen Tiefbohrungen nicht nur auf die weitere Um gebung deS Bohrloches Schlüsse zu ziehen, wird dieser Apparat, eine Art von ganz kleinem Compaß, inS Bohrloch hinabgesenkt, nachdem eine besonders präparirte Gallerte, die so leicht ist, daß sie die Bewegung der Nadel nicht aufzu halten vermag, vorher flüssig gemacht worden ist. Einige Zeit nach der Absenkung des Apparates erhärtet die Lösung, ohne übrigens an Durchsichtigkeit zu verlieren und hält nun die Nadel in der Stellung fest, die sie unten, beeinflußt von etwaigem Eisenerz-Vorkommen der Umgebung, angenommen hat. Der Rückschluß von der Abweichung der Magnetnadel auf die Natur der Gesteine ist dann Sache der die Bohrungs versuche leitenden Bergfachleute. Beim Holze, mit dem unsere Rundschau begann, soll sie auch enden. Wer hat nicht schon Beispiele der bewunderungS- werthen Fertigkeit im Bau von Specialmaschinen kennen ge lernt, die die amerikanischen Techniker besitzen? Sind doch unsere eigenen Maschinen der Holz- und Metallbearbeitung, sowie z. B. des Fahrradbaues großentheilS amerikanischen Ursprungs! Zu den besten Neuigkeiten in dieser Richtung gehört jedenfalls eine Maschine zur Kistenfabrikation, die in großen Export- und Versandtgeschäften bald ihre Rolle spielen dürfte. Durch mehrere Oeffnunzen werden der Maschine Bretter der verschiedenen Breiten und Stärken, die zur Anfertigung der Böden, Deckel und Seitenwände nöthig sind, zugeführt; alle- übrige verrichtet der Apparat selbst. Er schneidet die paffen den Längen ab, setzt sie rechtwinklig aneinander, ergreift passende Nägel, preßt sie ohne Hammerschlag rin und stößt unten die fertigen Kisten auS. Neuerdings werden sogar noch Vorrichtungen angebracht, die auch daS versandtmäßige Packen der Kisten ohne Menschenhand bewirken. Man hat dann nur die dazu bestimmten Maaren in einen weiten Trichter an der Maschine zu werfen. Bei solchen Erfindunaen fragt man sich unwillkürlich und nicht ohne Besorgnik: Wo wird i» 10 Jahre« die Grenze sei» »wische» der Arveit des Mensche» und der Maschine?
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