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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970804027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897080402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897080402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-04
- Monat1897-08
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N.", daß eS mit seiner Gegen überstellung nicht auf einen materiellen Beitrag von Seiten deS Kaisers gezielt habe: eine einfache Kundgebung wirke in den Zeiten großer Bedrängniß ost mehr als eine Gabe von 10 000 Der „Beobachter" schreibt darauf wörtlich: „Aber wollen die „Berl. Neueste Nachr." die ganze Wahrheit hören, was sich das schwäbische Volk sagte, so wollen wir dem Berliner Blatt in unserer traditionellen Offenheit auch diesen Ge fallen thun; der Schwabe sagte sich: dort in Paris bandelte sich's um die Opfer aus hocharistokratischen Kreisen, hier im schwäbischen Unterland nur um'S gewöhnliche Volk." Mit Recht haben die „Berl. N. N." hierauf entgegnet, daß der Beitrag deS Kaisers nicht den „Opfern aus aristokratischen Kreisen", sondern den Zwecken deS von diesen aristokratischen Kreisen veranstalteten BazarS, d. h., um in der Sprache des „Beobachters" zu reden: „dem gewöhnlichen Bolk" gegolten habe, nämlich den Armen von Paris, zu deren Unterstützung der Bazar bestimmt war. Bemerkungen wie die deS „Beobachters" sind um so bedauerlicher, als sie natürlich sofort ihren Weg ins Ausland finden. Gerade jetzt aber steht zu befürchten, daß ähnliche Aeußerungen anläßlich deS über Sachsen und Schlesien hereingebrochenen Unglücks von radikaler Seite gemacht werden, da bisher von einer Kundgebung oder einer Spende deS deutschen Kaisers nicht? bekannt geworden ist, während der König von Sachsen und der Kaiser von Oesterreich mit erheblichen Summen für die durch daS Unwetter Geschädigten in Sachsen bezw. in Oesterreich ein getreten sind. Um nun den Wirkungen radikaler Ge hässigkeiten vorzubeugen, scheint uns der Hinweis am Platze zu sein, daß Kaiser Wilhelm II. während seiner neunjährigen Regierungszeit wer weiß wie oft Beweise großer Hochherzigkeit und außerordentlicher Freigebigkeit gegeben hat. ES ist also völlig ausgeschlossen, daß er gegenüber den Unglücksfällen in Württemberg, Sachsen und Schlesien sein Herz verschließt. Vielmehr ist da» bisherige AitSbleiben einer kaiserlichen Kundgebung in Bezug auf das Unglück in Schlesien und Sachsen nur so zu erklären, daß der Monarch von der Stelle,die ihm über derartige Dinge Vortrag zu halten hat, nicht genügendunterrichtet worden ist.DieseStelle trifft allerdings eine nicht geringe Verantwortung; denn in der gegenwärtigen Zeit ist es wahrlich nicht gerathcn, der radikalen und parti- cularistischen Wühlarbeit daS Handwerkszeug zu liefern. Wir hoffen deshalb, recht bald von der Antheilnahme des Kaisers an dem schweren Geschick, von dem große Theile Deutsch lands befallen worden sind, zu hören und wir hoffen ferner, daß in Zukunft bei ähnlichen Anlässen, die ja leider immer wicderkehren, die betreffende verantwortliche Stelle den Kaiser ebenso rascb und gewissenhaft unterrichtet wie jüngst die deutsche Botschaft in Paris. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die Ausstellung einer antisemitischen Eondercandtdatlir im Wahlkreise Flens burg zu bedauern ist, weil dadurch die Möglichkeit eines dänischen Wahlsieges erhöht wird. Wenn wir noch einmal auf diesen Fall zurückkommen, so geschieht eS, weil der Führer der Antisemiten in Schleswig-Holstein, Graf Reventlow, eine Auffassung vertritt, die voraussichtlich grundsätzlich von den Antisemiten in ähnlichenFällen als eine ausreichende Begründung für ihre Sondercandidaturen angeführt werden wird. Graf Reventlow meint, daß seine Partei einen besonderen Anspruch auf den Wahlkreis habe, weil sie zuerst in die Wahlagitation eingetreten fei und Mühe und Kosten aufgewandt habe, während die anderen nationalen Parteien sich unthätig verhalten hätten. Diese Auffassung ist durchaus un zutreffend. Die Mittelparteien waren im Besitze des Wahlkreises und sie hatten es daher nicht nötbig, schon ein Jahr vor den Neuwahlen in die Agitation einzutreten. Wenn eine Partei schon darum einen wohl begründeten Anspruch auf einen Kreis hätte, weil sie zuerst in den Wahlkampf eintritt, so würde in Zukunft daS deutsche Volk überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommen, denn dann müßten alle Parteien, um bei dem Wettrennen nicht zu spät zu kommen, gleich nach den Wahlen in die Agitation für die nächsten Wahlen eintreten. Die Ausführungen des Grafen Reventlow können den wahren Grund nicht verdecken; es handelt sich hier, ebenso wie im Wahlkreise Westpriegnitz, um Mandatjagd der deutsch-socialen Partei. Durch diese rücksichtslose Befehdung des Besitzstandes anderer Parteien wird der Wahlkampf naturgemäß erbittert. Im Wahlkreise Westpriegnitz sind bereits derartige Anrempelungen zwischen Antisemiten und Conservativen vorgekommen, daß schon jetzt mit einem gerichtlichen Nachspiel gedroht wird. Die Folgen eines derartig erbitterten Kampfes sind, daß bei einer Stichwahl keine der Parteien für die andere einzutreten bereit ist. Sollte es bei der Wahl in Westpriegnitz zu einer Stichwahl zwischen dem konservativen Bewerber und dem fortschrittlichen Candidalen kommen, so dürfte sich die Richtig keit dieser Annahme erweisen. Der „Vorwärts" möchte unter den deutschen Arbeitern für die englischen Maschinenbauer, die zur Erzwingung der achtstündigen Arbeitszeit einen Streik beabsichtigen und zum Theil bereits begonnen haben, den Klingelbeutel herumgehen lassen. Eine Londoner Correspondcnz des Blattes beklagt es lebhaft, daß die große Mehrzahl der Arbeiter der Maschinen- und Schiffsbau-Industrie in England sich gegen die Arbeits niederlegung entschieden hat und daß die Angelegen- heit infolge dessen herzlich schlecht stünde. Jedenfalls würde der Kampf — insoweit er überhaupt ausgenommen — „sich lange hinziehen und große Opfer brauchen". In diesem Falle würde „auch materielle Unterstützung von Seiten der deutschen College» erwünscht und von großem Nutzen sein. Jeder solcher Beitrag würde aber schon jetzt als Ermunte rung hochgeschätzt werden". DaS glauben wir gern. Geld ist immer erwünscht und hochgeschätzt. Die Socialdemokraten sind die Letzten, die sich von dieser Bewcrthung ausschließen; selbst daS Opfer rineS kleinen PrincipS auf dem Altar Mammon scheuen sie nicht. Man hat dafür zahlreiche Beispiele auS social demokratischen Betrieben. Daß die englischen Socialisten die auch ihnen innewohnende Abneigung gegen Erzeugnisse mit deutschem Stempel nicht auf die Zwanzigmarkstücke ausdehnen, ist vollends nicht zu verwundern. Wir glauben aber, daß trotz der Fürsprache des „Vorwärts" auch die socialdemokratischen deutschen Maschinenbauer sich erinnern werden, daß die englischen „Brüder" während deS von ihnen angezettelten Hamburger Hafenstreiks kein Verständnis dafür gezeigt haben, baß Gelb „erwünscht und von großem Nutzen" sei —Anderen natürlich. Seit der Kündigung des deutsch-englischen Handels vertrages feiert die französische Presse den in Paris weilenden kanadischen CabinetS - Chef Lanrier überschwänglich. Beim vorgestrigen Festessen wurde haupt sächlich die StammeSgemeinschaft von Frankreich und Canada betont, und der Premier kielt eS für angezeigt, in seiner Rede den Verlust Elsaß-Lothringens zu bedauern. Die englische Botschaft in Paris be zeichnet die Rede als tactlos, wie man eS auch in London zwar nicht für auffallend findet, daß die Franzosen über die Kündigung des Vertrags mit Deutschland erfreut sind, den Jubel der französischen Presse hierüber aber für ent schieden voreilig hält. Ein Leitartikel der „Times" giebt ziemlich genau wieder, wie man über diesen Punkt denkt. Die Franzosen, so schreiben sie, hätten die Ueberschwänglichkeit ihrer Befriedigung über die Aussicht eines „ wirthschaftlich en Krieges" zwischen Großbritannien und Deutschland zügeln sollen, bis sie bessere Gründe für die Annahme hatten, daß solch ein Ereigniß unmittelbar bevorstehe. Nach den aus Deutschland vor liegenden Telegrammen hätten sie sich eine unangenehme Enttänschnng bereitet. Ihre unüberlegte Voreiligkeit lasse sich leicht erklären. Der Wunsch war der Vater des Gedankens. Sie glaubten, Frankreich würde von einem derartigen Kampfe Bortheil ziehen — vielleicht nach verschiedenen Richtungen hin. Glücklicherweise schienen die Deutschen, die gute Geschäfts leute seien, zu einer ganz andern Auffassung der Lage geneigt, als der, die man ihnen an der Seine zuschreibe. Die Deutschen nahmen im Ganzen die Kündigung deS alten Ver trages mit Gemüthsruhe hin und schienen zu Unterhandlungen über einen neuen bereit zu sein. Die Engländer ihrerseits seien bereit, ihnen ein billiges Entgegenkommen zu zeigen, und müßten hoffen, daß ihre Diplomatie nicht minder gewandt und kaltblütig sein werde, als die der Deutschen. An dieser Kaltblütigkeit mangelt cs dem französischen Volkscharakter, dem der Verstand regelmäßig mit dem Herzen durchgeht. Schon glaubten sie England und Deutschland handgemein und England mit ihnen im Bunde, und nun diese kalte Douche von London her! Das Ende ist wieder eine gründ liche Blamage, diesmal nach zwei Seiten hin. Ueber den gegenwärtigen Stand der griechisch-türkische» KrtcdenSvcrhnndtuttgcn erhält die mit der griechischen Re gierung in Fühlung stehende „Intern. Corr." solgende Mittbeilungen: Die Hoffnung auf einen baldigen Abschluß der Friedensverhandlungen ist dadurch wieder verringert worden, daß die Pforte, noch ehe die Grenzfrage ent schieden wurde, die Forderung von Garantien für die Zahlung der Kriegsentschädigung ausgestellt hat. In der Frage der strategischen Grenzfestsetzung bezw. der Räumung Thessaliens hatte der Sultan bisher nur den Bericht des Ministerrathes entgegengenommen, welcher auf der einen Seite die Vorschläge der Botschafter, auf der andern Seite die Gegenvorschläge des MmisterrathS enthält. Darauf versah der Sultan diesen Bericht mit dem Vermerk der Kenntnißnabme und sandte ihn TagS darauf dem Minister deS Aeußern Tcwfik Pascha, um über die endgiltige Fest stellung der Grenze mit den Botschaftern weiter zu ver handeln. Dieser Vorgang batte damals irrtümlicher Weise den Glauben erweckt, der Sultan habe bereits den Vorschlag der Botschafter in der Grenzfrage angenommen. Thatsächlich aber wurde (wofür die von der Pforte verlangte Abänderung einiger Punkte der Friedenspräliminarien nach dem angeblichen Abschluß der Verhandlungen spricht. D. Red.) die Verhand lung über die Frage völlig bei Seite gestellt, indem die Pforte an dir Botschafter die Anfrage betreffs Sicherstellung der Kriegsentschädigung richtete. Hierauf erklärte der d euts cke Botschafter, Deutschland könne in eine Erörterung dieser Frage nur dann eintreten, wenn zugleich die Be friedigung der alten Staatsgläubiger Griechenlands in die Verhandlungen einbezogen werde. Und dies sei nur durch die Einsetzung einer internationalen Finanz con tro le zu erreichen. Gegen diesen Vorschlag Deutsch lands machte besonders der englische Botschafter heftige Einwendungen. Er erklärte, England betrachte die Befriedigung der alten Gläubiger als eine Privatangelegenheit und müsse daher einer Einbeziehung dieser Frage in die Friedens verhandlungen entschieden widersprechen. Der deutsche Bot schafter antwortete darauf, daß auch seine Regierung eine Erschwerung dieser Verhandlungen keineswegs wünsche; sobald also Griechenland in der Lage sei, die Kriegs entschädigung ohne Hilfe der Großmächte zu zahlen, werde Deutschland eine Finanzcontrole nicht verlangen. So mit einigten sich die Botschafter dahin, zunächst von der griechi schen Negierung genaue Aufschlüsse über die Frage zu begehren, wie dieselbe die Kriegsentschädigung zu zahlen gedenke. Der griechische Minister des Aeußeren gab nun mehr am Sonntag den Gesandten der Großmächte etwa solgende Erklärung: Die früher angeknüpften Verhand lungen betreffs Aufnahme einer neuen Anleihe für die Kriegsentschädigung ohne Berücksichtigung der älteren Ver pflichtungen sind leider ergebnislos geblieben. Es liegt uns nur noch das Angebot des aus deutschen, französischen und englischen Banken bestehenden Syndikats vor, welches eine voll ständige internal iona le Verwaltuu aber griechischen Staats einnahmen zur Voraussetzung hat. Dieses Angebot ist für die gegenwärtige griechische Regierung unannehmbar. Sie wird sich daher an die inländischen griechischen Bankiers, sowie an die der auswärtigen Colonien wenden, nm diese zur Uebernabme der Anleihe für die Kriegsentschädigung zu veranlassen. Hat die Regiecung damit keinen Erfolg, so wird sie die Abgeordnetenkammer bezüglich der Annahme des Vor schlages des auswärtigen Finanzsyndikats befragen und, falls die Kammer, wie vorauszusehen ist, den Vorschlag ablehnt, ihre Demission einreichen. Es ist noch zu bemerken, daß in Konstantinopel gerade die englandfreundlichen Kreise die Türken mit dem Hinweis darauf zu verstimmen suchen, daß Deutschland durch die Forderung, zugleich auch die deutschen Gläubiger Griechenlands sicher zu stellen, der Türkei die erhoffte Kriegsentschädigung vorenthalten wolle. Dem Könige von Liam widmen die „Times" bei seinem Besuche England» einen Begrüßungsartikel, den er gut thun wird, zu beachten. DaS englische Blatt hebt hervor, daß der König den civilisatorischen Ausgaben, die er sich für sein Land gesteckt habe, nachgeben könne, weil durch den Vertrag vom Januar 1896, durch den bekanntlich England und Frank reich die Neutralität des mittleren Theiles von Siam garantirlen, Siam eine Periode der Ruhe vor sich babe. DaS Blatt bemerkt, es sage ausdrücklich eine Periode, denn der dauernde Bestand von Siam würde von dem Lande selbst abhängen. Nur wenn eS sich wirth- schaftlich und kulturell zu einem modernen Staatswesen ent wickele, könnte es darauf rechnen, unabhängig zu bleiben. Es soll gewiß nicht dem Könige gerathen werden, in den Be mühungen, sein Land zu civilisiren, nachzulassen, aber wir glauben, daß der Vorschlag der „Times" nicht ganz uneigennützig ist. Die Engländer möchten Wohl, daß Siam sich wirtkschattlich hebt, weil eS lohnender ist, das Huhn zu schlachten, wenn eS gemästet ist. „Harmoniken". 7j Roman vo« A. Fischer-Löher. «ll« R«tt« vortet-ltra. Hatte sie wirklich mit einer so selbstzufriedenen, unleben digen Liebe, wie die Clarissa'», und die dem Manne gefallen mußte nach dem, waS sie soeben gehört, um einen Preis gerungen? Jetzt war wenigstens alle Lust dazu von ihr gewichen. Sie warf den hellblonden Kopf in den Nacken und wandte sich von Clarissa ab. „Ich gehe rur Tante", sagte sie. „Ich will ihr sagen, daß ich heute Abend gern nach Hause fahren möchte. Ja wirklich, ich will e-, ich will heim. E» ist für Dich also gar kein Grund mehr vorhanden, ohnmächtig zu werden. Jetzt bleibst Du wohl hier sitzen?" Die Gefragte nickte zufrieden. Sie war gewiß mit Allem einverstanden und schon wieder mit ihren Träumereien beschäftigt und spann sich, umhüllt von Sonnengold, schrankenlos in ihre LiebeSseligkeit ein. Achte« Capitel. Renate gina durch die offenstehende Tbür von der Terrasse in den Gartensalon, schritt quer durch diesen und öffnete die Flüaelthür, die auf den Corridor hinausführte. Draußen hörte sie Stimmen. Gras Lothar und der Fürst kamen durch das Vestibül in den Corridor hinein. Sie fühlte keine Lust ru einem Gespräche mit den Herren. Sie schloß daher geräuschlos die Thür und trat zurück. Einige Minuten blieb sie wartend stehen. ES ließ sich nicht unterscheiden, wohin sich die beiden Herren draußen wandten. Die Flurmatten dämpften den Schall der Schritte. So entschloß sich Renate, zur Tante durch da« Musik zimmer und da« Bibliothekzimmer zu geben, an welche« sich die Gemächer der Gräfin anschloffen. Al» sie vor der Thür de« EmpsangSsalon« stand, zögerte sie wieder. Man sprach lebhaft darin. Der Onkel und der Fürst waren also auch hierher gegangen. Sie beschloß zu warten. Im Augenblick konnte sie mit ihrem Wunsche der Tante gegenüber nicht herauSkommen, und etwas Anderes hatte sie nicht hergeführt. Sie ging in daS Bibliothekzimmer zurück und nahm ein Buch in die Hand, daS auf dem großen Mitteltisch lag. Sie las den Titel: „Der Charakter" von Smiles. — Ah, daS war ein LiedlingSbuch der Tante. Sie hatte es seit vielen Tagen in ihrem Boudoir auf dem Kaminsims liegen gehabt. Renate hatte sich bis jetzt noch nie sehr an dem Werke erbaut, es war ihr zu einseitig schulmeisterlich gehalten. Sie blätterte auch heute mit wenig wirklichem Interesse darin, bis ihr ein Satz in die Augen fiel, rin arabisches Sprichwort: „Ein Feigenbaum, der einen Feigenbaum an sieht, wird fruchtbar." Sie las den Satz zweimal, dreimal. DaS Sprichwort konnte nichts Anderes auSdrücken wollen, als daß einander gleiche Wesen da« Beste in sich durch daS einfache Erkennen erzeugen können. Aber da« Erkennen wäre doch nicht so einfach, so bald e« sich um die Seele eines Menschen handelte? Wer kann auS ihr die gleichen, fördernden Eigenschaften berauSsehrn? Da« sollte wohl die Liebe können, aber sie irrte sich auch recht oft. ES wurde gehemmt, wa« sich erweitern wollte.... Indessen sagte der Graf Lotbar zu dem Fürsten: „Sie treten nun ganz in die Rechte meines SohneS. Mein Bruder, General Ebrrstein, verzichtet auf die Uebernahme deS Majorats, fall« er mich überleben sollte. Er will mit einer jährlichen Abfindungssumme zufrieden sein, deren Höhr ich feststellen soll. Ich wünsche nun von ganzem Herzen, daß Sir in mir und meiner Gemahlin Ihnen recht nahestehende Menschen sehen." Er streckte dem Fürsten seine Hand entgegen, in welche dieser die seinig« legte. Ein stummes, kurze« Anschauen folgte zwischen den beiden Männern, daS sie beide befriedigen mußte. In ihren Augen leuchtete e« auf. Dann fubr Graf Lotbar fort: „Schloß Ebrrstein wird nun hoffentlich Ihr Wohnsitz. Sie bleiben bei uns und unterstützen mich. Ich bedarf einer jungen Kraft an meiner Seite, und Sie leben sich in Ihr Erbe ein. Ich bin ja ein alter Mann." „Ich bleibe gern bier", gab der Fürst in warmem, auf richtigem Tone zur Antwort. „Ich liebe Eberstein nnd seine großen Aufgaben, und ich schätze mich glücklich, meine Kraft zur Verfügung stellen zu können." Graf Lothar hielt ihm wieder seine Hand hin und meinte: „Ich danke Ihnen in unser beider Namen, nicht wahr, Luisa?" „Wa- nun meine Nichte Renate betrifft, TituS, so sind Sie frei in jeder Hinsicht. Ich stehe von meinem Vorschläge ab, den das Mädchen ins Lächerliche gezogen hat." „Ja, ja", die Gräfin sagte es leise nnd wiegte bedauernd das Haupt. „ES tbut mir daS so leid. Es wäre Alles so einfach ge wesen. Renate ist doch einmal die letzte Eberstein. Warum negirt sie Alles? Man meinte e« nur gut mit ihr. Dabei hat sie Charakter. In ihrem Wesen überrascht mich zuweilen ein Zug von einfacher, vornehmer Größe. Sie ist nur schwierig zu behandeln." „Unstreitig ist Comtesse Renate mit vielen Vorzügen auSgestattet", klang ruhig deS Fürsten Entgegnung. „Ich habe versucht, mich ihr zu nähern. Sie ist hochbegabt und geistvoll..." Hier stockte er. „Es fehlt ihr am Einfachsten", warf Graf Lothar ein. „Sie weiß im Grunde nicht, was sie will. Sie ist hartnäckig hi» zur Verblendung aus kindischer Lust am Ungehorsam. Ich begreife, daß ein Mann, wie Sie, TituS, bei seiner künftigen Gemahlin andere Eigenschaften vorzieht." „Du bist ungerecht in Deinem Aerger über die Maskerade von neulich", lenkte die Gräfin ein. „Renate hat Gemüth, Ihr könnt eS mir glauben." „Ich rweifle nicht daran", gab der Fürst lebhafter zu. DaS Thema schien ihn sehr zu interessiren. „Leider sucht die Comtesse wenig Gefallen zu finden, und daS mit unverkennbarer Absicht." „Ein Frauenherz ist zuweilen schwer verständlich", sagte die Gräfin jetzt. „Allerdings nicht alle." Sie lachte leise auf. „Es giebt auch solche, die keine Mördergrube auS sich macken, und solche offene Herzen unterliegen weniger der Kritik, weil sie kein Geheimniß bieten. Die besseren sind sie darum nicht durchweg." Graf Lothar lachte auf. ...Mir scheint, Du möchtest Deine Nichte noch einmal an preisen! Laß eS nur. TituS müßte blind sein, wenn er ohne Ahnung geblieben wäre von dem tiefen Eindrücke, den er anderswo gemacht hat." „Ich weiß, ich weiß, ich habe auch Augen im Kopfe." Die Gräfin seufzte auf. Ihre milden, heiteren Züge bekamen etwa- Traurige«. DaS Berwandtschaftsgefühl in ihr war stärker als alle Ueber- legung, und das trieb sie zu dem Ausruf: „Schade bleibt es doch mit Renate!" Der Fürst neigte sich zu ihr. In sein Gesicht kam eine eigenartige Spannung, wie sie Jemand zeigt, der von einem Anderen eine bestimmte Er klärung wünscht. „Wenn eS Ihr heißer Wunsch ist, Frau Gräfin, werde ich meine Bewerbung um Comtesse Renate aufrecht erhalten." „Ach, Titus, Sie wollten?" rief sie sofort erfreut, besann sich jedoch in demselben Moment. „Nein, nein, ich darf Sie nicht bestimmen. Sie sollen nicht auf uns alte Leute Rück sicht nehmen, wo eS Ihr Herz gilt. Die Liebe darf allein den Ausschlag geben." Der Fürst schloß einige Sekunden die Augen. Die Liebe sollte den Ausschlag geben. DaS verstand sich ja von selbst. Liebte er Clarissa Falkenstein mit jener elementaren Ge walt, die ihm stets bei dem Gedanken an einen Leben-Kund vorgeschwebt hatte? Er erhob sich und sagte, daß er jetzt gleich seinen Vor gesetzten von seinem Entschlüsse, die diplomatische Carriöre ganz aufzugeben, benachrichtigen wolle. Graf Lothar dankte ihm noch einmal dafür und sagte dann, während der Fürst die Thür deS Musikzimmers öffnete: „Sie können eS mir nicht nachfühlen, wie wohltbuend für mich kinderlosen Mann der Gedanke ist, in meinem Erben einen Sohn gefunden zu haben. Meine Frau und ich sind zudem nicht verwöhnt durch die Liebe unserer nächsten Bluts verwandten, unserer Nichte Renate. Die Thatsache ist Ihnen nicht fremd." „Nein", bekannte der Fürst. „Comtesse Renate ist eine hochbegabte Dame, aber sie liebt eS, sich in Widerspruch mit dem zu setzen, WaS natürlich wäre." Renate, die durch die offenen Thüren jede« Wort in dem Bibliothekzimmer verstanden Hatte, trat kräftig auf, um die Sprechenden von ihrer Anwesenheit in Kenntnitz zu setzen. Sie ging sogar einige Schritte zur Thür, um durch ihr Dazwischenkommen die Unterhaltung zu unterbrechen. Da wurde auch schon die Salonthür geschloffen, und der Fürst kam in daS Musikzimmer. Er sah sofort durch die weite Tbüröffnung Renate in der Bibliothek stehen, wie sie auch ihn sah. Einen Augenblick blickten sie einander stumm an, dann ging der Fürst zu ihr.
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