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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970811024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-11
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Ztg." mit- theilt, gedenken die in Baden bestehenden Orts gruppen der deutschen Friedensgesellschaften mit der, wie daS Blatt meint, sicher als berechtigt anzuerkennenden Forderung an den Landtag heranzutreten, „daß in dem Unterricht an den Volks- und Mittel» (höheren) Schulen alles chauvi nistische Beiwerk beseitigt und künftig die Geschichte des Krieges nur in ihren allgemeinen Umrissen, dagegen in ver stärktem Maße die Culturgeschichte der Völker gepflegt und die Geschichts- und Lesebücher einer sorgfältigen Prüfung und Sichtung des Stoffes in diesem Sinne unterzogen werden." Von der verruchten nationalliberalen badischen Kammer hofft die „Franks. Ztg." zwar nichts für diese Petition, aber sie räth den „Friedensfreunden", nach Württem berg zu gehen, wo die Parteiverhältnisse im Landtag so gelegen seien, „daß an einem gewissen Erfolg deS Vorgehens kaum zu zweifeln wäre". Also selbst hier, in der demo- kratiscken Kammer, nur ein „gewisser" Erfolg, und wahr scheinlich nur ein sehr „mäßiger", sintemalen auch in diesem Parlament die Schulmänner und Erzieher vertreten sind und Württemberg — nicht weit von der französischen Grenze liegt. Denn auf die Abstumpfung des zur Vcrtheidigung des Vater landes bereiten Sinnes läuft die Petition doch hinaus. Was die Herren — eS wäre interessant, zu wissen, wer und wie viel sie sind — Chauvinismus nennen, wird weder durch deutsche Lehrbücher noch durch deutsche Lehrer eingeflößt, aber die Jugend soll nicht wissen, wie Frankreich Jahrhunderte hindurch Deutschland periodisch mit Krieg überzogen und wie es hier gehaust hat, die badischen Knaben und Jünglinge insbesondere brauchen nicht mehr zu erfahren, wie die Geschichte lehrt, daß die Drohung, die im Juli 1870 der französische Gesandte in Karlsruhe und das französische Volk gegen Baden, gegen die badischen Frauen und Mädchen ansgestoßen, Verwirklichung gefunden hätte, wenn das französische Heer nicht an dem Betreten des deutschen Bodens gehindert worden wäre. I» Verlegen heit kämen freilich auch wohl die „Friedensfreund«", wenn sie die Frage beantworten müßten, ob die Verheerung der Pfalz, besonders die Einäscherung Heidelbergs, als „chauvinistisches Beiwerk" zu verschweigen oder als Denk mal der „Culturgeschickte" des französischen Volkes mil- zutheilen wäre. Auch die „demokratische" französische Ge schichtsschreibung läßt das Letztere als daS Richtigere erscheinen. Von erfolgten oder zu erwartenden Gegenleistungen der anderen Staaten, namentlich Frankreichs, ist in der Petition nicht die Rede. Und doch müssen die „Friedensfreunde" wissen, daß die französischen Lehrbücher in der Thal von Chauvinismus strotzen, daß sie förmlich darauf angelegt sind, der französischen Jugend einen nach kriegerischer Entladung gierigen Haß gegen Deutschland einzuimpfen. Selbst die Thatsachen der politischen Geographie werden falsch angegeben, um die Vorstellung eines heiligen Anspruches auf einen Eroberungskrieg gegen unser Vaterland zu befestigen. Dieses zweierlei Maß sind jedoch die deutschen Friedensfreunde gewohnt. Meidet doch selbst der so harmlose, aber allerdings nicht vaterlandslose Herr Rickert die Friedenskongresse, seit er in Rom erfahren mußte, daß diese Bewegung allen Völkern den Frieden bringen soll—außer Deutsch land. Dieses muß erst Elsaß-Lothringen, daS linke Rheinufer und ungezählte Milliarden hergegeben haben, ehe der Gedanke, es mit Krieg zu überziehen, allenfalls eine chauvinistischer genannt werden dürfte. Wahrscheinlich aber auch dann nickt. Als charakteristisch für einen Theil unserer Demokratie ist die badische Petition beachtenSwertb. Der alemannischen Jugend den kriegerischen Geist auSzutreiben, würde aber den „Friedens freunden" auch dann nicht gelingen, wenn sie die badische Schule beherrschten und dann — was noch sehr zu be zweifeln wäre — so viel Selbstüberwindung besäßen, der Schule die bekannten begeisterten Erzählungen von den Heldentbaten der Makkabäer vorzuenthalten. Einstweilen aber werden die Franzosenfreunke in kosmopolitischer Ver- larvung selbst in Württemberg nicht aus die Probe gestellt werden. Man wird den Knaben von Leonidas, dem Major Schill und von Sedan singen und sagen und sie an Uhland'S Schwä bischer Kunde sich ergötzen lassen, und die Jünglinge werden nach wie vor nicht auf Salomonis Hohes Lied und Heine's Romanzero, sondern auf die Ilias und das Nibelungenlied verwiesen werden. Die „Franks. Ztg." muß sich daS schon noch eine Weile gefallen lassen." Ueber die Ermordung Eanovas' schreibt heute die „Nat.-Lib. Corr." Folgendes: „Die Ermordung deS spanischen Ministerpräsidenten ist ein zu ernstes Ereizniß, als daß die Betrachtung darüber den subalternen Geistern überlassen werden dürfte, die seit drei Monaten die Lust mit ihrem Geschrei zu Gunsten der VereinSrechtSnovelle erfüllten. Auch die Regierung sollte unseres Erachtens ein Interesse daran haben, daß diese untergeordneten Werkzeuge einer über standenen Eintagspolitik endlich zur Ruhe kommen. Gewiß mahnt die anarchistische Unthat von Santa Agueda nicht nur den deutschen, sondern überhaupt den modernen Staat zur Erwägung der Frage, ob er in seinen Wohlfahrts und Rechtseinrichtungen pflichtmäßig fortgeschritten ist, um die Entartung der politischen Leidenschaften zurückzubalten, und ob er seine Sicherheit S ein ri chtungen so weit ent wickelt bat, um etwaige verbrecherische Anschläge rechtzeitig gewahr zu werden und vereiteln zu können. Das Letzter« ist in Deutschland vornehmlich die Aufgabe der einzel staatlichen Verwaltung, und wenn heute an das Wort des Vicepräsidenten deS Staatsministeriums vom 21. Juli erinnert wird: „Beuge vor!" — so drängt sich uns ein wesentlich anderer Gedanke auf, als ihn das hiesige freiconservative Organ zum Ausdruck bringt. Wir möchten den Chef der inneren Verwaltung fragen, ob er die für seine Vereinsrechtsnovelle vergeudete Zeit und Arbeitskraft nicht sehr viel besser darauf verwendet hätte, mit den Polizeipräsidenten in den größeren Städten über die Beschaffenheit und die dienstliche Anleitung ver SicberheitS- und Criminalpolizei sich zu beratben, damit für alle Fälle der Polizei kein Vorwurf verabsäumter Pflichten ge macht werden kann. Zum Mindesten erinnert daS Wort „Beuge vor!" daran, daß es zweckmäßiger sein wirb, in Preußen diesen Aufgaben deS Sicherheitsdienstes nachzugeben, als sich in Spekulationen zu verlieren, wie der abgetbancn VereinSrechtSnovelle eine Mehrheit zu verschaffen wäre. Ein Anderes ist eS dann, wie der moderne Staat in seinen Rechtseinrichtungen — vorbeugend und strafend — der revolutionären Propaganda entgegenwirkt. DaS ist im Bundes staat Sacke der Centralgewalt. Wieweit durch die Mord- that von Santa Agueda neue Gesichtspunkte gewonnen werden, sei eS zur Beurtheilung des Gegners, mit dem es der moderne Staat zu thun hat, oder zur Aufklärung über geeignete Ab wehrmittel, mag von den Untersuchungen abhängig bleiben, mit denen rur Zeit die Richter und die Polizeiorgane in Spanien beschäftigt sind. Bisher überwiegt der Einoruck, daß man eS mit einer Verkettung von Umständen zu thun bat, die in den Verhältnissen der romanischen Welt und im Charakter deS Romanen eigentbümlick begründet sind und so wenig mit den slawisch-nihilistischen wie mit den germa- nisch-communistiscken Bewegungen über denselben Kamm geschoren werden dürfen. Wie immer jedoch die verbündeten Regierungen aus dem neuen Errigniß neue Belehrungen empfangen, sie werden sich für alle Folgebetrachtunz gegen wärtig halten müssen, daß das Specialgesetz gegen die Socialdemokratie im Jahre 1890 an dem Widerspruch der Deulsckconservativen, das „Umsturzgesetz" von 1894/95 an dem klerikalen Uebermuth zu Falle gekommen ist." Zur Ankunst Kaiser Wilhelm'S II. bringt daS russische Martneorgan, der „Kotlin", an der Spitze seines Blattes in deutscher Sprache folgenden Willkommensgruß: Wir begrüßen Eure Majestät und alle Ihre Begleiter und rufen Ihnen von ganzem Herzen rin Willkommen zu. In der Person Eurer Majestät empfangen wir nicht nur den mächtigen Herrscher einer benachbarten befreundeten Großmacht, sondern auch den Obersten Kriegsherrn und Schöpfer einer Flotte, deren glänzende Vertreter gegenwärtig die Gewässer Kronstadts, der Wiege der russischen Flotte, mit ihrem Besuche beehren. Die Ankunft der deutschen EScadre ist ein neuer Sieg des Friedens. Die Nachbarstellung der beiden Großmächte — Deutschland und Rußland —, sowie die sie einigende Friedenspolitik bilden den Grundstein der freund schaftlichen Beziehungen, die stets zwischen un» bestanden haben, bestehen und bestehen werden. Der große Friedensstifter, unser hochseliger Kaiser Alexander III., sowie dessen würdiger Nachfolger, unser Herr und Kaiser Nikolai II., der Len Fußstapfen Seines Hohen Vater- folgt, haben der Welt bewiesen, welchen Werth sie auf Len Frieden legen. Eure Majestät theilen di« Ansichten unserer Monarchen. Selbst die Verstärkung der Armeen und der Flotten der beiden Großmächte Lienen der großen Aufgabe der Erhaltung de- Frieden-, Wir wasfnen un-, um den Frieden vrrtheidigen zu können und wetteifern mit einander in unserem Bestreben, den Frieden zu befestigen. 8i vis pncew, para bellum. Noch ein Mal: Willkommen, theure Gäste! Von ganzem Herzen wünschen wir, daß Euer Aufenthalt hier in Euch einen guten uud freundlichen Eindruck hinterlassen möge! Die herzliche, freundschaftliche Sprache, welche diesen Will kommensgruß der russischen Marine bemerkenswerlh macht, entspricht ganz dem warmen Tone des Trinkspruches des Zaren, der, wenn auch nicht so impulsiv wirkend und tempera mentvoll wie der Kaiser Wilbelm's, rock erheblich abstickl gegen den kühlen, ernüchternden Breslauer Toast. Aber nicht nur aus dem amtlichen Organ der kaiserlichen Marine spricht der unver kennbare erfreuliche Fortschritt in den Beziehungen der benach barten Herrscher und Nationen, auch für die russischenKameraven unserer Marinesoldaten und die Bevölkerung Petersburgs sind die Worte deS Zaren von den „guten Beziehungen", welche nicht blos zwischen beiden Herrscherhäusern bestehen, sondern auch „in so glücklicher Weise zwischen beiden benachbarten Reichen geschaffen worden sind", das Signal zu einem ent schieden alle Erwartungen übersteigenden herzlichen Empfang. „Deutsche und russische Matrosen zogen Arm in Arm durch die Straßen Petersburgs" und „in ihrer Begeisterung erbat die Volksmenge von den deutschen Officiere die Erlaubniß, sie nach russischer Sitte auf den Händen zu tragen". Je gehobener die Stimmung in Petersburg wird, um so un behaglicher fühlt man sich in Paris. Entweder sucht man der Kaiserbegegnung alle politische Bedeutung adzusprechen — das thut bekanntlich der officiöse „TempS", oder man giebt seiner Mißstimmung unverhohlen Ausdruck. DaS thut der „Matin", indem er schreibt: Da unser einziger Grund zu furchtbaren Rüstungen in der Hoff nung besteht, einst in Straßburg einzuziehen, und da Rußland nicht die mindeste Lust hat, die Waffen zu ergreifen, um uns in diesem Unternehmen zu unterstützen, da ferner alle Welt in Europa, und wir ebenso wie die anderen, sich vor dem Kriege fürchtet und nur zur Erhaltung des Friedens rüstet, so sind wir mit der russischen Allianz ebensogut des Friedens sicher wie ohne sie, und ist uns folglich dieselbe in der äußeren Politik von geringem Nutzen. Trotz dieser Erkenntniß wird man dock an der Seite Rußlands aushalten, denn die bessere Einsicht, daß der völligen Vereinzelung ein, wenn auch nicht großen Gewinn bringendes, Bündniß vorzuziehen sei, wird sehr bald den Pessimismus verdrängen, der heute auf Paris lastet. Eng land, der gemeinsame Gegner Rußlands und Frankreichs, läßt sich nur gemeinschaftlich in Schach halten und bekämpfen. Nachdem Fürst Ferdinand von Bulgarien am benach barten rumänischen Hofe einen Besuch abgestattet und dort seiner Würde gemäß, aber sehr kühl empfangen worden war — die Bukarester Presse begnügte sich mit trockener Wieder gabe des Empfangsprogramms, und der „Adeverul" brachte ein Portrait deS Coburgers direct unter dem Bilde Stam- bulow's auf dem Todtenbette mit den darauf liegenden abgehackten Händen dieses Opfers politischer Rachsucht —, ist er zu allgemeiner Ueberraschunanach Kon stan t in ope l gereist, angeblich um den Sultan aufs Neue seiner Vasallentreue zu ver sichern und dem Großherrn die Hände zu küssen. Noch ist man über den Zweck seiner Reise nicht ganz im Klaren, möglicher weise will der Fürst vom Sultan weitere Zugeständnisse in der bulgarisch-makedonischen Bischofs- und Schnlfrage erlangen. In Sofia geht das Gerücht, Ferdinand wolle das Vasallen- verbältniß abschütteln und bereits am 14. d. M., dem zehnten Jahrestag seiner Negierung, die Unabhängigkeit seiner Regierung proclamircn, sowie sich zum König auS- rusen lassen, und dazu möchte er sich der Zustimmung Abdul Hamid's versichern. Eine vermittelnde Combination, welche der Wahrheit am nächsten kommen dürfte, gebt dahin, daß in Bulgarien thatsächlich eine starke Strömung Oberwasser bekommen habe, welche die Unabhängig keit des Landes verlangt, daß der Fürst aber seine Zeil noch nicht gekommen crackte, da er unter der gegenwärtigen inter nationalen Constellation nickt glaube, daß die Mächte eine so radikale Acnderung im 8tatU8 quo der Balkanbalbinsel gestatten werten. Um nun die Bewegung im Lande znrückzudämmen, wolle der Fürst den Sultan über die Lage der Dinge aufklären und ihn bitten, die längst versprochenen, oben angedeutetea Con- cessionen endlich zu gewähren, andernfalls er sich nicht in der Lage sehe, das Drängen seines Volkes aufzubalten. Wahr scheinlich wird der Coburger auch wieder sein Lieblingsproject der Erklärung Makedoniens zu ciner autonomen Provinz unter dem Generalgouvernement des Fürsten dem Sultan plausibel zu machen versuchen. Allein der Zeitpunkt hierfür ist „Harmonieen". 13j Roman von A. Fischer-Löher. Alle Reckte Vorbehalten. „Ach, sieh einer an", sagte Renate leichthin, „ich hätte Niemand im Schlosse deS Erbarmen- für bedürftig gehalten." Sie saßen in dem Boudoir der Gräfin am Kamin, in dem Holze glühte. Es strömte keine fühlbare Wärme auS, nur einen leichten Hauch von erhitzter Luft. Die Fenster flügel standen weit auf. ES war um die Mittagszeit und draußen eine Luft, die warm und mit Feuchtigkeit durchtränkt war. Sie kam in schweren Wellen zum Fenster hinein und ließ die überwachte und ältere Dame leicht erschauern. Die dunkelgrüne Farbe der Polstermöbel sah bei dem grauen Himmel auch frostig auS wie die steifen Tischchen und Stühle und die Aquarelle an den Wänden. Im Sonnenschein oder durchwärmt nnd erhellt, hatte die- Gemach mit den NippeS aus der Jugend zeit der Gräfin viel würdige Stimmung. Heute ließ eS die Insassen eng zusammenrücken. Renate bemerkte daS Frösteln der Tante und schmiegte sich eng an sie. „Ich möchte Dich überreden, Dir Ruhe zu gönnen, spazieren zu fahren. Bitte, TituS, helfen Sie mir doch." Er streckte der Gräfin seine Hand hin. „Wie gern würde ich als Sohn hier einmal befehlen und einfach den Wagen um 2 Ubr bestellen, um mit Ihnen auSzufahren." Die Gräfin umfaßte beide mit einem innigen Blicke. Wie ehrlich die Sorge um sie auS beider Augen sie anschaute! So viel waren sie ihr geworden und doch nicht daS, wa» eigentlich hätte sein können! WaS wäre daS jetzt für ein Trost in aller Sorge und Noth. Auch für ihren Lothar! Und gar erst, wenn sie ihn verlieren sollte! So boten die Drei ein Bild innigster Zusammengehörig keit, als im anstoßenden Salon leichte Schritte über den Teppich huschten. Clarissa kam und machte der Tante Luisa einen Morgenbesuch. Der Fürst batte, al» er vorhin hierher kam, gehofft, seine Gattin bei der Gräfin anzutreffen, und war eigentlich nur geblieben, sie zu erwarten. Als sie jetzt in der Portiere «rschirn, kam si« doch drn Anderen im Moment wie eine Störung, als stände sie außer halb aller Interessen, die sie drei untereinander verband. „Ah, Clarissa, Du?" sagte dann der Fürst und stand rasch auf. Er ging ihr entgegen und bot ihr den Arm. Sie batte einen unzufriedenen Ausdruck, und in dem weißen Lodenkleid, daS sie trug, sah sie unvortheilbaft grau im Gesicht auS bei dem halben Lichte deS regenschweren Herbsttages. Sonst gaben ihr die weißen Falten vollere Formen, sie war überhaupt kräftiger geworden nach der Geburt deS KindeS, nicht mehr so schlank und ätherisch in der Gestalt. Sie ging an ihrem Gatten vorbei, ohne ihn anzusehen, oder gar seinen Arm zu berühren. Sie sagte nur: „Mir hattest Du versprochen, meinem Bruder und Graf Feilath abzuschrriben, daß sie kommen sollten. Jetzt kommen sie doch um drei Uhr." Dann küßte sie die Hand der Gräfin und erkundigte sich nach dem Patienten. „Besser, viel besser", berichtete diese. „Gott sei Dank. — Also Dein Bruder und der Freund haben sich angemeldet? — DaS ist für TituS und auch für Renate eine gute Unter brechung. Ihr werdet unten im großen Speisesaale diniren." Im Augenblick war sie ganz Hausfrau. „Ich finde diesen Besuch jetzt ganz überflüssig. Wir sind ja nickt dazu aufgelegt", erwiderte Clarissa eigensinnig. „Ich habe vergessen, abzuschreiben, verzeihe", mischte sich der Fürst in die Unterhaltung. Er stand noch in der Nähe der Portiöre, kam aber nun herüber und trat hinter den Sessel, auf den sich seine Frau gesetzt hatte. „Wie wäre eS, Clarissa, wenn wir die beiden Herren selbst von der Station abholten? Du hast Deinen Bruder seit vielen Wochen nicht gesehen, und Feilath ist mein bester Freund." „Wo denkst Du hin, Titus!" Sie fuhr ordentlich entsetzt auf. „Nun, und warum nicht?" fragte er etwa» schärfer. . „Von drei Uhr in Gesellschaft sein bis nach dem Diner?" Sie schüttelte sich förmlich vor Entsetzen. „DaS kann ich nicht, nein, gewiß nicht." „Mir zu Liebe, Liebling. Ich bitte Dich." Sein« Stimme hatte einen weichen, tief auS dem Gefühl hervordringenden Klang. Renate horchte mit geneigtem Kopfe bin. Sie empfand einen merkwürdigen Neid auf Clarissa, daß diese eine solche Bitt« erfüllen konnte, in sich aufquellen. Da sagte Clarissa weinerlich: „Quäle mich doch nicht, lieber Titus. Ich tbue ganz gewiß so viel wie ich kann. Beim Diner soll ich dock frisch und munter sein. Es wird auch regnen", bemerkte sie mit einem Blicke zum Fenster hin, „sieh nur, wie grau der Himmel ist." Alle sahen zum Himmel auf. Es war für Jeden eine Erleichterung, zu wissen, daß die eigenen und die Augen des Anderen nickt lästig dabei werden konnten. „Es regnet schon", sagte Renate, damit doch Einer in die schwüle Pause hineinsprach. „Nun wirst Du wohl auch nicht herauskommen, liebe Tante." „Ich habe eS mir überlegt. Ich fahre mit Ihnen, TituS, wenn wir etwas früher aufbrechen. Ich lerne dabei gleich Ihren Freund näher kennen, als bei einer kurzen Visite. Zum Diner soll Renate bei Euch sein. Ich bleibe bei meinem Kranken." Die Gräfin nickte dem Fürsten zu und fragte Clarissa, ob der Koch schon von dem Besuch benachrichtigt wäre. Renate übernahm es, die Rücksprache mit ibm zu halten, und da der Fürst beim Grafen Lothar seinen Morgenbesuch machen wollte, verließ er mit ihr zugleich das Boudoir. „Wollen Sie mir einen Gefallen thun?" bat er sie draußen, als sie sich von ihm trennte. Ihr fiel die Enttäuschung ein, die er kurz zuvor erfahren batte. Sie ließ ihre Augen warm auf ihm ruhen, al» sie entgegnete: „So sprechen Sie nur." „Ziehen Sie beute zum Diner einmal ein Weiße» Kleid an und stecken Sie eine Blume in den Gürtel. Sie glauben nicht, wie ich zu ihrem schimuurnden Haare daS Licht in Ihrer Gestalt vedmisse." Sie sagte nicht ja, noch nein, doch al» sie später am Arme de» Fürsten hinter dem Grafen Feilath unv der Fürstin zum Speisesaal schritt, dämpfte ihr Partner seine Stimme und meinte: „Sie sehen wie da« Märchen au», Renate. Die beste Wünschelruthe, die alle Tiefen und Schlösser öffnet, ist eine lichte Frauengestalt, die eine Bitte gewährt." „Ist Renate Eberstein noch frei?" fragte Jano» Feilath seinen Freund, als sie beide nach dem Diner im Rauchzimmer saßen. Sie batten seit einer Viertelstunde kein Wort gewechselt, sondern etwas träge und schläfrig in daS elektrische Licht geschaut. Der Gefragte richtete sich auS seiner zurückgelebnten Haltung auf und heftete seine dunklen Augen eindringlich auf den Sprecher. „O, Renate", sagte er langsam und brach dann ab. Nach einer Weile fragte er: „Wozu willst Tu das wissen, Janos?" „Kindliche Frage, alter Freund", lackte dieser auf. Dann sprang er auf und lief ein paar Mal über den dicken orientalischen Teppich. „Weil ich sie liebe, und weil ich sie mir erringen muß." „Du!" Titus Sckwarzenburg sagte das eine Wort so vor sich bin a!s den Anfang einer langen Gedankenkette, die er nun in sich abhaSpelte, während Graf Janos vor ihm bin und her lief und Cigarre und Rauchen vergaß. Er hatte etwas ungemein Sehniges in seiner Gestalt, die ibn — den Fürsten — noch überragte. Er hatte breite Schultern und auf seinem schlanken Halse einen ungewöhnlich scharf geschnittenen Kopf, mit dunklem Gesicht, in dem, überwölbt von einer stark entwickelten unteren Stirnpartie, die Augen, echte Magyaren angen, feurig blitzten. In der kleidsamen ungarischen Magnatentracht mußte er wie ein Reiterfürst aussehen. DaS liebten die Frauen. Warum auch nicht eine Renate Eberstein? Der Fürst strich daS bittere Lächeln mit der Hand von seinem Munde weg und war froh, daß in diesem Augenblicke sein Schwager, Graf Falkenstein, zu ihnen herein kam. Fünfzehntes Capitel. Die Genesung deS Grafen Lothar nahm einen sehr langsamen Verlauf. Alte Leute haben nickt» znzusetzen und müssen Schritt für Schritt zurückgewinnen, was sie an Lebenskraft brauchen. Al» er zum ersten Male sein Krankenzimmer verlassen konnte, wehten im Park schon wieder weiche FrüblingSlüfte. Er war, auf den Arm deS Fürsten gestützt, vom ersten Gang in den Park rurückgekehrt und saß nun auS- rubend im Gartensalon, dessen beide Thürea zur Terrasse weit aufstanden. Man sah über die mit blühenden Topfgewächsen ge schmückte Terrasse und über die lichtblaue Teichfläche, in dem sich daS leichte Federgewölk wie huschende Schatten spiegelte, hinein in den bellen, grünen rauschenden Park. Fürst Schwarzenburg lehnte an einer Thür, den Arm
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