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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970813017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-13
- Monat1897-08
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M Li« Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr, dir Abend-?lusgabe Wochentags um 5 Uhr. Aedaclion und Lrvedition: IohaniieSgafie 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen ««öffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ott» Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), Aniversitütssrraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kntbarinenstr. ^1, part. und Söniq-vlah 7- Bezugs Preis In der Hauptexpedition oder den km Stadt« bezirk und den Vororten erdichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« ball» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: rieneljübrlich X 8.—. Direkte tägliche lidreuzbandirndung inS Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. MpMrrTageblatt Anzeiger. Ämlsbkatt des Äönigtichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rattzes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 13. August 1897. AnzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 g» spalten) 50^, vor den Familirnnachrichtr« (6g»jpaltru) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifsernsatz »ach höherem Tarif. Ertra-Vrilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l SO.—, mit Postbrförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Sr-e-itton zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in Seivtla, 91. Jahrgang. Der Niedergang des Dauernthums in Nusüand.*) Nachdruck verboten. Or. 0. 8. Die Zeit ist noch nicht lange vorüber, in der man in Rußland im Bauer noch den einstigen Retter der Gesellschaft, das Heil des Vaterlandes sah, auS dem diesem neue Wurzeln seiner Kraft entsprießen sollten. Der Bauer galt als das Urbild nationaler Gesundheit; ihm traute man alle jene Eigenschaften zu, die der so genannten Gesellschaft abbanden gekommen waren: un angekränkeltes Denken, feste Schaffenslust, nationales Empfinden, frohe Entwickelungsfähigkeit auf naiver Grund lage. Noch Alexander III., der den Verfall deS Adels mit eigenen Augen verfolgt hatte, theilte wenigstens in den ersten Jahren seiner Regierung diese allgemein verbreitete Bauernschwärmerei und hat oftmals seinen Gefüblen für diesen Stand in Worten und Thaten lebhaften Ausdruck verliehen. Jetzt ist selbst unter den Nationalrussen dieser Glaube an den Zukunftsberuf der Bauern so ziemlich dahin geschwunden, nachdem es von Jahr zu Jahr deutlicher hervor getreten ist, daß der „Verlumpung" — so nennt es ein Russe —, die den Adel erfaßt hat, auch der Bauernstand zum Opfer gefallen ist. Wenn der Niedergang des russischen Bauerntbums auf die Aushebung der Leibeigenschaft zurückgefübrt wird, so ge schieht das nicht nur von reaktionären Leuten, die für die große Thal des Zar-Befreiers kein Verständniß zu gewinnen vermochten, sondern cs können sich auch Diejenigen der be dauerlichen Tbatsache nickt verschließen, die dem gewaltigen Act ihre volle Bewunderung zollen. Die ungeheuere Um wälzung, die er hervorgerufen, traf den Bauer ganz unvor bereitet. Er, der bis dahin knapp als Individuum angesehen wurde, sondern nur als „Seele" im Vermögensregister seines Herrn zählte, war mit einem Schlage ein Rechtssubjecl ge worden. Für diese Freiheit fehlte ihm, der bisher nie für sich selbst gehandelt hatte, dessen gesammtes Leben in allen seinen Richtungen von dem Gutsherrn bestimmt und geregelt war, jegliche Fähigkeit. Ein unbeholfenes Kind, ohne alle Selbstständigkeit und ohne allen Drang nach Selbstständigkeit, staunte er das seltsame Geschenk an, das ihm der Zar ge macht hatte und das darum gut sein mußte, obne seine Be deutung, seine Tragweite zu begreifen, den Wandel nur einigermaßen zu verstehen, den es in seine persönlichsten Ver hältnisse hineintragen sollte. Niemals an Freiheit der Be wegung gewöhnt, immer und in Allem geleitet, und nicht *) Angesichts der Leistungen der radical-agrarlschen Hebpresse jst der für jeden Unbefangenen überflüssige Hinweis am Platze, daß diese Schilderung des russischen Bauernthums in keiner Beziehung auf unser deutsches Bauernthum zutrisft. Die Redaction des „Leipz. Tagebl." geleitet an einem milden Gängelbande, sondern scharf im I Zügel gehalten und bedroht von der Knute, mußte der Bauer > naturgemäß das Gleichgewicht verlieren, nun er am Morgen erwachte und plötzlich frei umher gehen sollte. Ein Wunder, daß die Folgen ihn zunächst nur selbst trafen, daß sie nicht gleich für das ganze Land verhängnißvoll wurden! Der hochherzige Zar-Befreier batte geglaubt, mit seiner ruhmvollen Thal die niedergehaltenen und schlummernden Kräfte eines schaffensfrohen und starken Standes zum dauernden Segen des Reiches zu wecken. Sein Plan schlug fehl; die Bauern lernten nicht einseben, daß jeglicher Besitz, auch der geschenkte, erst erworben werden muß. Die Arbeit unter den Herren batte sie nicht sonderlich gedrückt; hätten sie dieselbe Mühe auf ihren eigenen Besitz verwendet, sie hätten sich wenigstens über Wasser halten können. Aber ohne Zwang vermochten sie nicht zu arbeiten, und nun sie sich selbst überlassen waren, gaben sie sich einem Freudentaumel hin. Die Regierung meinte, daß es ein kurzer und erklär licher Rausch sei, der überwunden werden und dem die Arbeit folgen würde. Sie täuschte sich. Es trat kein Er wachen ein; die Versumpfung machte von Jahr zu Jahr Fortschritte. In dem einen Dorfe blieb das Land halb brach liegen, in dem andern mergelte man es schnell aus, nur auf den Augenblick bedacht. Bald boten die Dörfer auch in den besten und fruchtbarsten Gegenden ein Bild trostlosester Armutb. Die Hütten verfielen, der Hausstand verwahrloste, die Bewohner, von tiefster Unzufriedenheit erfaßt, ergaben sich dem Trunk. Natürlich hielt sich manche Gemeinde besser; aber zu einem wirklichen Aufschwung wollte es nirgends kommen. Man muß zugestehen, daß bei der Bauernbefreiung zwei recht erhebliche Fehler gemacht wurden, die nur durch große persönliche Zähigkeit und ausgebildeten Gemeinsinn von den Bauern hätten wettgemacht werden können. Einmal wurde den Leuten bei der Landvertheilung zu wenig Acker gegeben; von dem Stückchen Land, das ihr zusiel, konnte sich eine Familie schlechterdings nicht ernähren. Der Bauer mußte deshalb auf Nebenerwerb denken. Das tbat er auch, aber vielfach in falscher Weise und zumeist erst dann, als es zu spät war. Die Großstadt, namentlich die Fabrikstadt, fing an, ihre Anziehungskraft auSzuüben. Die jungen Kräfte zogen in die Stadt als Dienstboten, Kutscher oder in die Fabrik. Mit der ausgeprägten Pietät, die dem Russen gegen seine Familie, namentlich seine Eltern, eigen ist, sandten diese Leute ihre sauer erworbenen Spargroschen in die Heimath, ins Dorf. Aber ost richteten sie nur Unglück damit an. Zu Hause hatten die Alten die Arbeit ganz aufgesteckt, oder die Männer batten sie völlig den thätigen und sittlich weniger zurückgegangenen Frauen überlassen, und wenn nun das baare Geld eintraf, so wurde in der Schänke dem Branntwein zugesprochen, bis Alles und noch mehr ver trunken war. Der zweite, nicht minder schlimme Fehler war der, daß das wenige Land, das dem Bauer bemessen war, nicht dem Individuum, sondern der Gemeinde zur Bebauung und Nutznießung zugetheilt wurde. Selbst die Anhänger dieses CommunrsystemS, das sich in der Theorie recht hübsch macht und zuerst im Auslande viel bewundert und viel gepriesen wurde, müssen zugestehen, daß cs für den russi schen Bauer außerordentlich verbängnißvoll geworden ist; es hat nur in ganz wenigen Fällen die praktische Probe bestanden. Fast überall wurde der strebsame und fleißige Bauer von der verlodderten Mehrbeil mit fortgerissen; Hab und Gut wurde gemeinsam verpraßt und vergeudet und dem Wucher das Thor geöffnet, der den Ruin gründlich beschleu nigte. Waldbrände, Rinderpest, Epidemien und andere Un- glückssckläge, denen die russischen Institutionen nur schwachen Widerstand entgegensetzen können, vereinigten sich unauf hörlich und stürzten ganze Gouvernements in Hungersnolh, gegen die es bei allem Wohlthätigkeilssinn der Reichen und trotz der redlichsten Bemühungen der Regierung keine wirk same und ausreichende Hilfe gab. Man nimmt an, daß von den achtzig Millionen Bauern zur Zeit etwa vierzehn Mil lionen unrettbar dem Elend anheimgefallen sind und daß sich diese Zahl um jährlich ungefähr 200 000 Köpfe steigert. Nur die angeborene Gutmülhigkeit, der nationale Leichtsinn und nicht zum Mindesten die fast zum Stumpfsiun auS- geartete Lethargie deS Bauern haben es bisher verhindert, daß sich die Bauernrevolten, die sich hier und da schon be ängstigend gellend gemacht, zu einer förmlichen Agrarrevo lution ausgewachsen haben. Die Bauern selbst, die vordem als Leibeigene nicht über ihr Kirchspiel binauszukommen pflegten, suchen ihr Heil jetzt in der Auswanderung. Ein geradezu leidenschaftlicher Wander trieb ist in Vie Leute gefahren, deren rübrende Heimathliebe sonst sprichwörtlich war. Mit aller Gewalt wollen sie fort von der Scholle, wo sie ihren Untergang wittern und wo Viele doch diesem Untergang vorbeugen könnten, hätten sie nur den Willen dazu und die nölhige Arbeitslust. Und von diesem Wandertriebe, der sich wie eine schlimme Epidemie mit unglaublicher Schnelligkeit weitergepsianzl hat, sind nicht nur Diejenigen befallen, die in Wahrheit darben, sondern die Un ruhe ist über den ganzen Stand gekommen, der plötzlich alle Seßhaftigkeit verloren zu baden scheint. Die Regierung sucht, da dem Fiscus durch die Auswanderung direct und indirekt Schaden zugcfügt wird, mit allen Mitteln diesem Drang enlgegenzutrelen, die Großgrundbesitzer, die dadurch in die schlimmste Gefahr geralhen, wenden Alles an, die ihnen so nolhwendigen Kräfte zurückzuhalten, aber die Bauern sind außer Rand und Band und ziehen davon. Seit Jahren ist Sibirien ein Land, dessen Name früher für den Russen einen unheimlichen Klang hatte, daS Ziel ihrer Sehnsucht. An der Bevölkerung dieses Landes mußte die Regierung, namentlich seit dem Bau der sibirischen Bahn, viel liegen, und sie bat deshalb die Ansiedelung der Bauern selbst in die Hand genommen. Sie gab ihnen nickt gerade eine reichliche Ausstattung, aber sie sorgte doch für die nolh- wendigsten Bedürfnisse und ließ eS besonders nickt an ter Leitung der gänzlich hilflosen Leute fehlen, so daß riese Ge legenheit batten, in der That ein neues Leben anzufangen. Aber zu schnell folgten ihnen gegen den Willen der Regierung Schaaren von Anderen nach. In jedem Jahre wurde die Auswanderung stärker. Vor ein paar Jahren waren es durchschnittlich 50 000 Köpfe, die nach Sibirien pilgerten, im vergangenen Jahre stieg die Zahl schon auf mehr denn 100 000. Ein Gesetz vom Jahre 1889 gestattete nur solchen Leuten die Auswanderung dorthin, die vorher die Ermäch tigung deS Ministers des Innern eingeholt und alle Steuer rückstande berichtigt hatten. Aber das Gesetz drang einfach nickt durch. Die Bauern rückten familienweise heimlich aus, scheuten sich nicht vor den schwierigsten und längsten Um wegen und blieben, wenn sie nickt weiter konnten, irgend wo wie die Schmeißfliegen liegen. Diejenigen, die an Ort und Stelle ankamen, waren natürlich von allen Mitteln entblößt und in Folge der ertragenen Qualen lange Zeit hindurch gar nickt arbeitsfähig. Aber die Mehrheit hätte auch kein tüchtiges Ansiekelungsmaterial abgegeben, selbst wenn sie unter besseren Verhältnissen eingetroffen wäre. Faulheit, Trunk sucht, Leichtsinn waren nicht zu Haus gelassen, und die Ent täuschung und Noth stellte sich alsbald auch hier ein. Man berechnet, daß 20 bis 30 v. H. dieser Auswanderer theilS in Sibirien zu Grunde geben, tbeils nach der Heimath abzc- sckoben werden, wo ihnen dasselbe Schicksal droht, wenn sie den Rückweg überhaupt aushalten. Selbstverständlich verfolgt die russische Regierung den Niedergang eines so großen und so national gesinnten Standes mit schwerem Herzen. Im Ganzen ist ihr aber der Vorwurf nicht zu ersparen, daß sie zu lange die Hände in den Sckooß gelegt und auf einen Umschwung obne ihre Hilfe vertraut bat. Seit Jahren tagen Commissionen über Commissionen, die sich mit der Bauernfrage beschäftigen, aber überS Sludiren kommen sie nicht hinaus. Eine neue Umtheilung des Landes, ein Begriff, der den Bauern immer noch vorschwcbt, ist wiederholt zurückgewiesen worden, obwohl selbst das europäische Rußland genügend Grund und Boden besitzt, um eine noch stärkere bäuerliche Bevölkerung zu er nähren. Aber freilich würde eine solche Umtheilung, so günstig sie auch ausfallen möchte, zu gleich traurigen Er gebnissen führen, so lange dem Bauern die sittliche Reife für seinen Beruf fehlt. Und die Erziehung hierzu ist nicht leicht und läßt sich auch nicht von heule zu morgen erzielen. FerriHeton. Erste Internationale Kunstausstellung in Dresden. VI. G Seit dem Erscheinen unseres letzten Berichtes, der die plastische Abtheilung behandelte, sind mehrere Wochen ver strichen. Inzwischen hat sich das Interesse deS heimischen und des auswärtigen Publikums für die Ausstellung nicht nur auf der alten Höhe erhalten, sondern noch gesteigert. Außer der eigenen Bedeutung der Ausstellung ist dies gewiß auch den überwiegend günstigen Beurtheilungen zu danken, welche sie in der auswärtigen Presse gefunden bat. Es hat sich den Vertretern der Fremden gegenüber bewiesen, daß die von dem Directorialassistenten am königl. Kupserstichcabinet, Or. Sponsel, mit ebenso großem journalistischen Geschick als gediegener Sackkenntniß verfaßten Vorberichte für die Presse die Erwartungen nicht zu hoch gespannt batten. Selbstver ständlich Hal es auch , an scharfen Angriffen nicht gefehlt und auch in Dresdner Kreisen nickt an dem ihnen ent sprechenden Echo. So hat z. B. die bekannte Agitations rede Anton von Werner's in gewissen Cirkeln lebhaften Bei fall gefunden, obwohl der große Jrrtbum, der ihm in seinem Eifer gerade betreffs der Dresdner Ausstellung untergelaufen ist, entschiedenes Mißtrauen an seiner Competenz wecken mußte. Der Redner hatte nämlich in der Bezeichnung dreier Nummern des Kataloges als Gemälde eine neue Unsitte ge ahndet und alsbald an den Pranger gestellt, nickt wissend, daß es dem Verfasser des Kataloges einfack unmöglich war, Bilder zu betiteln, die noch gar nicht einaetroffen waren. Immerhin ist der Beifall, den Werner's Rede hier und dort gefunden hat, als Symptom bemerkenSwerth; er zeigt einerseits, daß daS Publicum auch für den be rechtigten Kern der modernen Kunstbestrebungen noch nicht das volle Verständniß gewonnen hat, andererseits aber auch, daß die Modernen die Wichtigkeit einer engen Fühlung mit dem Volksempfinden bedeutend unterschätzt baden und daß zwischen Atelierkunst und Volkskunst eine tiefe Kluft besteht, die allerdings nur durch ein Entgegenkommen von beiden Seiten auSgcfüllt werden kann. Bis zu welchem Raffinement diese Atelierkunst gesteigert werden kann, dafür bietet die Gruppe der französischen Malerei, der wir uns nun zuwenden, einige höchst lehr reiche Beispiele. Um mit ihnen zu beginnen, verweilen wir zunächst bei den Bildern von Edgar DegaS. Wird man sich auch mit dem Portrait eines Mannes wegen seiner charakteristischen Schärfe und vielleicht auch noch mit der Dame mit dem Opernglas befreunden, obwohl dieses Bild kaum mehr ist als die Studie einer sehr nüchternen Toilette, so wird man doch bei den Pastellen desselben Malers Müde haben, ihnen Geschmack abzugewinnen. Die Farben sind in jener Misckmanier, jenem Wirrwarr von Tönen gehalten, daS zu keinem Gesammtlon zusammenflicßen will, die Modelle einer Dame nach dem Bade, einer Schauspielerin, die Ich die Haare ordnet, und zweier Balleteusen von einer er nüchternden Häßlichkeit, ohne jede Spur eines seelischen Aus druckes. Nicht so abstoßend im Object, aber wunderlich in der koloristischen Behandlung sind die Bilder von Eugen Carriöve, der über seine Figuren einen dichten Nebelschleier zu ziehen liebt, was wohl den Eindruck idealer Vergeistigung Hervorrusen soll, trotz der virtuosen Technik aber nur manirirt und leer wirkt. Dieser Technik der Nebeldämmerung Carrieve's verwandt ist die von la Gan dara'S Dame, die den Thee herein trägt, während seine Fardenstudie einer Dame in Roth auch dem normalen Auge Interesse zu gewähren vermag. Weit weniger räthselbaft, wenn auch von einem nickt mehr ganz gesunden SensitiviSmuS ist das Damenportrait: Allein von Aman-Jean. In der Gestalt dieser in einem Garten sitzenden Dame prägt sich träumerische Rübe, völlige Hingabe an einen Gedanken nicht nur in dem nervösen zarten Gesicht, sondern auch in der Haltung so lebendig auS, Laß eine den Beschauer zwingende Kraft von ihm ausgeht. Das interessante Bild hängt in dem kleinen Separatcabinet, das den hervorragendsten Pariser Meistern gewidmet ist. Zn der lieblichen Bretagnerin von Dagnan-Bouveret bat eS eine gefährliche Nachbarschaft; verbindet doch dieses Bild mit einer seltenen Frische, Durchsichtigkeit und Zartheit der Farben eine idyllische Auffassung, die einem berechtigten Empfinden der Mehrzahl der Beschauer entgegenkommt, obne sich künst lerisch etwas zu vergeben. Dieselbe sympathische Art spricht auS dem Miniaturportrait Dagnan-Bouverel'S: Mein Sohn Jean, während desselben Malers Christus in Gethsemane von Vielen übersehen wird, die bei dem üblichen Museums schritt nicht Muse haben, den feinen Kopf, der auS dem Dunkel deS Bildes fast Visionair hervorleuchtet, zu suchen. Durch eine verblüffende Technik fesseln Jean Boldini'S Pastell-Portrait Verdi'S und das Pastell: Rückkehr von der Oper, da- eine Dame noch im Tbeaierumhang, in graziöser, koketter Bewegung, offenbar noch voll von den Triumphen, die sie gefeiert bat, zeigt. Durch glänzende Technik frap- pirt auch Gustave Court oi's Portrait der Madame Gautreau, deren mehr interessantes als schöne- Profil auf einem Halse von marmorener Weiße rubt. Da auch daS Gewand in Weiß gehalten ist, hebt sich daS dunkle Auge nnd das röthliche Haar nur um so lebhafter hervor. Sicherheit und Keckheit des Entwurfes zeichnet die Studie zu dem Portrait deS Lord Dufferin von Benjamin- Constant aus. Sehr beachtenSwerib sind endlich noch in diesem Cabinet daS Portrait einer Dame und die Studie «ine- kleinen Mädchens in Blau, sowie die Vase mit Dablien von JacqucS Emile Blanche. Ein außerordentlich lebens volle« Bild ist daS Geständniß von Germain David- Nillet, daS die königl. Gemäldegalerie angekaufl hat. Dem riefen Eindruck deS in fieberhafter Spannung leuchtenden Gesichtes deS Arbeiters, der seiner ihm offenbar untreuen Frau ein Geständniß abpreffen möchte, kann man, sich lange nicht entziehen. Während auf diesen Mann alles Licht grell fällt, bleibt di« Frau ganz im Dunkel, rin Umstand, der die pein liche Wirkung der Situation mildert und Wohl richtiger in diesem Sinne als in einem symbolistischen auSgedeutet wird. Von den französischen Genrebildern der Ausstellung ist dieses wobl da- bedeutendste. Jedenfalls wird e- von dem raffinirt ge malten Bilde Walter Ma c-Owen's: Eine Magdalene, eine Mondaine, die im Kircbenstuhle neben ihrer Mutter betet, und von dem kühl berührenden Bilde desselben: Eine Geister geschichte in der Spinnstube, nicht übertroffen, weil ihnen geistige Tiefe fehlt. Cu;öre Lomont's im Zimmer Feder ball spielende, weiß gekleidete Mädchen sino ein koloristisches Meisterstück, während uns Moret's und Adolphe Bi net'S gute Samariter und Lucien Simon'S Ablaßzug in der Bretagne formell wie inhaltlich reckt wenig zu sagen haben. Sehr erfreuliche Leistungen weist die Gruppe der Franzosen auf dem Gebiete der Landschaft auf. Hier ist zunächst eine Landschaft des 1884 gestorbenen B a st i e n- Lepage zu nennen: Der Tümpel von Damvilliers, ein Bild, das durch die Sachlichkeit der Auffassung sich aus- zeicknet und doch eines poetischen Zaubers nicht entbehrt. Rafsaelli, dessen Kunst in Dresden zuerst durch eine Sonderausstellung in Arnold'S Salon bekannt geworden ist, ist mit drei Bildern vertreten, von denen die in blendendem Lichte gehaltene Ansicht von Notre Dame de Paris den Meister noch besser kennzeichnet als die ihm zur Seite hängenden prächtigen Blumensträuße. Ein intimes Bild ist das Pastell: Der alte Schloßbrunnen von Leon Lbermite. Ihm gegenüber finden wir zwei fein abgestimnite Landschaften von Victor Bienet, eine farbenkräftige Hcrbstlandschaft und eine Landschaft im Vorwinter in abendlichem Lichte, die durch die zarten Töne ungemein poetisch wirkt. Zu den Hellmalern pkrr exceUenee ist Claude Monet (nicht zu verwechseln mit Eduard Manet, dem Begründer der modernen Richtung in der französischen Malerei) zu zählen. Ungemein charakteristisch für seine Malweise, die vor Allem auf daS Studium von Lickt und Luft auSqebt, ist die FrüblingSlandschaft mit den langen Schatten der Baumstämme auf den hellgrünen Wiesen und das Bild der Seine bei Vetheuil, das den leise bewegten Fluß in einem bunten Meer von glitzernden, schimmernden Lichtern anfleuckten läßt. Nabe verwandt mit Monel'S Stil sind die Bilder von Camille Pisano. In engem Zusammenhang mit den biSber erwähnten Franzosen sind die in Paris lebenden Amerikaner zu nennen, die Harrison, Stewart, Melcher«, Werks, Mac Ewen, Hitchcok, Dannat, Bi-bi na, Brivgman. Die Bilder dieser Meister, deren Technik kaum einen Ein wand auskommen läßt, finden sich in der zweiten Halle link« vom Haupteingang vereinigt. Den Besuchern der königlichen Gemälde-Galerie ist der Name Harrison wohl bekannt. Ein dem dort bewahrten Bilde dieses Meisters im Sujet sehr ähnliches Bild von Stewart ist rin Cabinctstück dieser Halle, daS wegen seiner Kleinheit vielleicht übersehen wird: eine Nymphe, an einen Stamm gelehnt, in einem lausckiaen Waldinterieur, daS durch einen kleinen Weiber belebt wirb. Da« Spiel deS durch daS Laub der Bäume brechenden Sonnenlichte- aus dem juuafräulicken Körper ist niit ebenso viel Poesie wie Wahrheit festgehalten. Die heibe Frische der «celusl webt uns auS dem Bilde einer Vergnügungsyacht entgegen, deren Kiel die in dunklem Blau ausschäumenden Wogen zerschneidet. In dem bell strömenden Lickte liegt der Zauber des Bildes einer in Gedanken versunkenen jungen Dame im Garten. Von hohem poetischen Reize sind Harri son'« Teich im grünen Laubwald, da« Bild eine- Lanbse«- in der Dämmerung und zwei Marinebilder, die in ver schiedener Beleuchtung ein prächtiges, nach der Ferne bin verdämmerndes Farbenspiel ertheilen, wie es nur der Pinsel eines Meisters auf die Leinwand bannen kann. Orientbilder von hervorragender malerischer Feinheit sind die des Lord Edwin Werks. Die Beladung einer Caravane, Morgen stimmung in Persien und dem Bild mehrerer Reiter auf dem Wege nach Jspaban vermitteln uns den Zauber der orientalischen Landschaft, namentlich in der Schilderung der Luft und des Lichtes in ebenso fesselnder als überzeugender Weise. Gegenüber diesen Meisterwerken, von denen eines (die Beladung der Caravans mit der ersten Medaille aus gezeichnet worden ist, vermögen sich die kleineren Orient studien von Bridgman nur schwer zu behaupten. Mac Ewen stellt außer den bereits oben erwähnten Genrebildern noch zwei kleinere Actstudien aus. Zu den auf deutschen Ausstellungen wohl bekannten Amerikanern zählt Gari Melchers. Bon seinen fünf Bildern geben wir dem Portrait einer Dame im Reitkleiv vor Allem den Vor zug, weil es eine Zartheit und Weichheit der Farben aufweist, die aus der trockenen Nüchternheit, die zum Beispiel aus dem für die königliche Gemäldegalerie erworbenen Bilde eines SchiffSzimmermannes und aus dem großen Gruppen bild der in einem Zimmer sitzenden Lootsen uns entgegen tritt, woblthätig absticht. Durch einen idyllischen und einen leisen humoristischen Anflug ziehen uns die Bilder einer Mutter, die mit zwei Kindern auf einem Nachen heimkchrt, und eines Kindes mit der Lederpuppe (Gouache) an. Zu den von dem Publicum auf den ersten Blick leicht abgelebnten Werken zählen die von George Hitchcock. Namentlich ist es daS Mädchen im Tulpenbeet, das den Unwillen der Be schauer hervorruft, der nicht gemindert werden wird, wenn sie lesen, daß dieses Bild einst in der könig lichen Gemäldegalerie hängen soll. Dennoch weist dieses Bild eine Reihe koloristischer Feinheiten auf, die nach- zuempfinven vielleicht der oder jener sich durch die bectartige Anordnung der Tulpen allzu leicht bindern läßt. DaS zopfig geblumte Gewand de« Mädchens paßt reckt wohl zu der etwas steifen Umgebung; auch ist dem Gesicht deS Mädchens Liebreiz durchaus nicht ab- zusprecken. Leichter wird man sich mit dem durch die zweite Medaille ausgezeichneten Bilde der Flucht nach Egypten be freunden, das Maria mit dem JesuSknaben durch ein« von üppigem Blütbenflor strotzende Aue auf einer Eselin reitend zeigt. AIS Lichrstudie verdient vor Allem daS Herbstbild mit den ungemein zarten Lufttöncn Beachtung. Als ein Tbier- maler ersten Range- und zugleich als ein feinfühliger Beobachter von Licht - und Luftstimmungeu bewährt sich Henry Brrbing in feinen drei Bildern, ein Maler, dessen Portrait von William Daunot lebhaft interessirt. Ungemein duftig und zart und von intimem Reize der Stimmung sind die Landschaften von Inne- jun. ES ist hier nicht der Raum, die fesselnden Leistungen der Franzosen — und e« verbleibt deren noch weit über ein Dutzend — des Weiteren zu würdigen. Jedenfalls aber gehört die französische Abtheilung zu den interessantesten und zugleich erfreulichsten der Aus stellung.
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