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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970813026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081302
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-13
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SV08 Ächtungen aber blribeu, Äef AnhloUllo heftig: »Also, da- glauben Sie? Das wäre za möglich, wenn es bei einer einzigen Hinrichtung bliebe, aber Sie werden andere erleben und Sie werden um Gnade bitten müssen. Sie sind noch nicht am Ende. Jetzt ist die Reihe an Felix Faure, dieses Schw. . . muß daran glauben, grade wie Carnot." Ich brauche aus dem Ernst dieser letzten Worte nicht zu bestehen, aber ich behaupte deren volle Richtigkeit. Sie sind übrigens auf der Stelle an das Ministerium deS Innern nach Madrid telegraphirt worden, das sie ohne Zweifel nach Paris weiter telegraphirt haben wird. Unter allen Umständen war mir daran gelegen, Ihnen zu melden, um die Wachsamkeit Derjenigen anzuspornen, die in solchen Fällen und bei solchen Thatsachen und offen eingestandenen Perschwörungen einer hohen Verantwortung gerecht werden müssen." Der Untersuchungsrichter ist der Meinung, daß eine weitverzweigte Verschwörung vorliegt, welche sich über alle Staaten Europas auSbreitet. Angiolillo leugnet dies und verweigert darüber jede Auskunft. Er ist, wie der „Figaro" constatirt, allen Polizeibehörden Europas als ge fährlicher Anarchist bekannt, weshalb Niemand habe ver stehen können, daß die spanischen Polizei-Organe diesen Mann so lange in der Nahe CanovaS' geduldet haben. Der Festsetzung Englands im Sudan kommt die den englisch-egyptischen ExpevitionStruppen vor Kurzem geglückte Einnahme des strategisch wichtigen Punktes Abu-Hamed un gemein zu Statten. Abu-Hamed ist Kopsstation deS Wüsten- wegeS. Im Besitze dieser Position ist «ne nach dem Sudan vorrückende HeereSmacht unabhängig von dem Wasserstande deS Nil an den nur äußerst schwierig zu passirenden Katarakten Nr. 3 und 4, so daß der Vormarsch nach dem oberen Nil an getreten werden kann, wenn dem Höchstcommandirenden der richtige Zeitpunct für diese Bewegung gekommen dünkt. Der 5. und 6. Katarakt, zwischen Abu-Hamed und Berber, bezw. zwischen Berber und Khartum, könnten auch als Stromschnellen bezeichnet werden, jedenfalls bieten sie den leichten Stahlbooten von nur zwei Fuß Tiefgang, welche demnächst oberhalb deS 4. Kataraktes zu Wasser gebracht werden sollen, keine ernsteren Schwierigkeiten, und ebensowenig sind solche vom Feinde zu besorgen, da weder in Berber, noch Metemmeh, noch Omdurman Flußbefestigungen existiren, welche der englischen Nilflvttille den geringsten Widerstand rntgrgenzusetzen ver möchten. DaS anglo-egyptische ExpeditiooScommando ist gegebenenfalls mithin im Stande, Truppen rasch und in aller Stille von Punct zu Punct zu verschiffen, ohne daß sie von den Stromusern auS durch mahdistische Streitkräfte gehemmt werden können. Oberhalb Khartum« ist der Weiße Nil eia vergleichsweise träge dahinschleichender Wasserlauf, der auf einer Strecke von mehreren Hundert Meilen ein kaum merkbares Gefälle ausweist und der Schifffahrt nur hin und wieder in stark verkrauteten Stellen lästig wird. Da selbst die alten bau fälligen Dampfer, welche von den Mahdisten bei derEinnahme KbartumS erbeutet wurden, ohne sonderlicheBeschwerdea bis Bor und Lado flußaufwärts vorzudringen vermochten, so ist die Ueberwindung dieser Strecke für die neuerbauten englischen Stahlboote selbstverständlich eine Kleinigkeit. Einmal soweit vorgedrungen, wo eine neue Region der Stromschnellea beginnt, würde die englische Nil-Expedition schon in das Bereich der congostaatlichen Operatioueu gelangen und nicht mehr weit entfernt von den eigenen, aus dem Gebiet der großen Binnenseen vorgeschobenen Außenposten sein. Vorläufig sind das freilich alles nur Hypothesen. In London nimmt man an, daß General Kitchener bei Abu-Hamed oder doch spätestens bei Berber Halt machen werde. Au die Behutsamkeit in den Bewegungen der anglo-egyptischen Sudan - Expedition ist die Gestaltung der Dinge in Abessinien und der italienischen Machtsphäre am Rothen Meere von wesentlich mitbestimmendem Einfluß. Die egyptische Politik Englands hat mit der zunehmenden Gegnerschaft des NeguS zu rechnen, nachdem eS der bei Menelik gewesenen englischen Gesandtschaft nicht gelungen ist, dem ruifisch-französischen Einflüsse daS Gegenspiel zu halten. Rußland und Frankreich aber haben für die englischen Gelüste auf den Sudan keinerlei Sympathien übrig; ihre Freundschaft mit Abessinien entspringt der Erkenntniß von der außerordentlichen Bedeutung dieses Reiches als permanenter Flankendrohung der langgezogenen englischen Interessensphäre von der egyptische» Südgrenze bis in die Region der äquato rialen Binnenseen. Ein entscheidender Vorstoß gegen Omdur man und Khartum würde demnach die Erledigung der Vorfrage betreffs KassalaS bedingen, woran sich eventuell auch eine Auseinandersetzung mit den Derwischen Osman DigmaS schließen könnte. Wenn in diesemJahre noch dieBesetzungBerberS gelänge, so wäre damit dem dringenden Wunsche der eng lischen Handelswelt nach Wiedereröffnung der Karawanen straße Berber-Suakim Genüge geleistet, zumal da diese Straße einen integrirenden Bestandtheil der Handelscommunicationen nach und von dem Sudan bildet. Alles in Allem erscheint sonach die Genugthuung in England ob der Einnahme von Abu-Hamed wohl begreiflich. TiuUcheS SKI«. Berlin, 12. August. Im RrichShauShaltSetat ür 1898/99 wird der Einnahmrtitel, welcher die lieber- chüsfe auS früheren Jahren behandelt, mit wesentlich höherem Betrage als im laufenden Etat erscheinen. Eine ganze Reibe von EtatSjahren hindurch hat nun schon diese Position Einnahmen aufzuweisea gehabt, nachdem sie für einige Zeit aus dem Etat verschwunden war, die Schwankungen der einzelnen Jahresbeträge sind aber recht beträchtlich gewesen. So konnten im EtatSjahre 1894/95 unter dem in Rede stehenden Titel 4 Millionen in den Etat eingestellt werden, um im Jahre 1895/96 aus 1,3 Millionen zu fallen. Im Jahre 1895/96 stieg der Betrag auf 14,4 Millionen und fiH wieder im Jahre 1896/97 auf 7,4 Millionen. Im laufenden Etat konnte er auf 12,1 Millionen normirt werden, er wird im Etat für 1898/99 auf etwa 28,5 Millionen steigen. Obwohl die gesetzlich festgelezte Summe von 50 Millionen au» den lieber- schliffen deS Jahre» 1896/97 zur Verminderung der Reichs schulden verwendet worden sind, sind die Mehrerträgr der Zölle und Verbrauchssteuern, sowie der Betriebsverwaltungen überdiebetreffenden Etatsanschläge hinaus so bedeutend gewesen, daß ein Ueberschuß für die ReichScasse von 28,5 Millionen auf das Jahr verblieben ist. Die Ueberschüsse der einzelnen EtatSjahre werden stet« als Einnahmeposten in die Etat« der zweitfolgenden Jahre eingestellt. Der Ueberschuß von 1896/97 kommt demnach im Etat für 1898/99 zur Verrechnung. Eine kleine Aenderung in der Summe wird sicherlich noch durch di« Revision der Rechnungen herbeigeführt werden. Man darf aber als sicher annehmen, daß der Einnahmetitel betreffs der Ueberschüsse aus früheren Jahren im nächstjährigen Etat denjenigen für 1897/98 um rund 16»/r Millionen über steigen wird. * Berlin, 12. August. Die Anarchisten Berlins hatten zum 1. Maid. I., dem „Weltfeiertage", einen Ausflug geplant; die Gesinnungsgenossen waren aufgefordert worden, sich zu bestimmter Zeit aus dem Schlesischen Bahnhof« einzufinden. Etwa 80 Personen hatten sich eingestellt, als zwei Criminal- beamte, welche zur Ueberwachung der Anarchisten commandirt waren, an der Gruppe vorüberginge». Sie mußten sich allerlei höhnende Bemerkungen gefallen lassen; der Schlosser Paul Pawlowitsch, der bekannte Anarchist, lief ihnen einige Schritte nach, nahm sie genau in Augenschein und rief dann seinen Genossen zu: „Jawohl, eS sind welche vom Alexanderplatz!" Die Beamten verbaten sich dieses Benehmen und gingen weiter. Die Ausflügler begaben sich nach dem Bahnsteig, und ein Theil von ihnen, darunter Pawlowitsch, blickte, auf die Brüstung gestützt, in den Tunnel hinab. Dieser wurde gleich daraus von den Beamten durchschritten. Als Pawlowitsch ihrer ansichtig wurde, rief er ihnen in höhnischer Weise ein lautes „Aeh" entgegen. Er wurde jetzt aufgefordert, mit zur Wache zu gehen. Pawlowitsch tanzte vor den Be amten herum und soll dabei sich in verletzender Weise be nommen haben. Wegen dieses Benehmens, welches als grober Unfug angesehen wurde, erhielt Pawlowitsch eia Strafmandat in Höhe von dreißig Mark. Er be antragte richterliche Entscheidung; die Verhandlung vor dem Schöffengericht fand, daß das Verhalten des Angeklagten sich auch als öffentliche Beamtenbeleidigung kenn zeichne, erklärte sich für unzuständig und verwies die Sache an die Strafkammer. Gestern fand nun die Verhandlung vor der ersten Ferienstrafkammer des Landgerichts I statt. Der Angeklagte gab de» Thatbeftand zu, bestritt aber, daß darin eine Beleidigung zu finden sei; er habe sich nur einen „Ulk" mit den Beamten machen wollen. Der Staatsanwalt beantragte mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte wegen Aufreizung und Beleidigung mit einem Jahre Gefängniß vorbestraft worden ist, vier Wochen Gefängniß. Der Gerichtshof hielt schon den höhnischen Zuruf „Aeh" für eine Beleidigung und erkannte dieserhalb nach dem Anträge des Staatsanwalts. (Post.) — Bei der Abfahrt des zum Bahnbau nach Deutsch- Südwestafrika gehenden Detachements der Eisenbahn brigade am 9. d. M. war der Colonialdirector Freiherr von Richthofen mit dem LegationSrath von Buri auf dem Lehrter Bahnhof in Berlin anwesend, um das Com- mando zu verabschieden. Freiherr von Richthofen hatte, wie die „Schl. Z." berichtet, seinen Urlaub unterbrochen und war von der Insel Rügen eigens nach Berlin gekommen, um dem Leiter des CommandoS noch persönlich die letzten Weisungen zu geben. — Nach der klerikalen „Köln. VolkSztg." soll Herr von Bülow sehr wenig Lust haben, daS Staatssecretariat des Auswärtigen an Stelle deS Herrn v. Marschall dauernd zu übernehmen, er soll sich vielmehr noch immer mit der Hoff nung tragen, nach der Stellvertretungszeit auf seinen römischen Posten zurückkehren zu dürfen. (?) — Die königliche Akademie der Künste hat ihrem Ehrenmitgliede, dem Staatsminister v. 0r. Falk, Präsidenten deS Ober-LandeSgerichls zu Hamm, welcher am Dienstag seinen 70. Geburtstag feierte, ihren Glückwunsch in einer kalligraphisch auSgeführtrn Adresse dargebracht, vr. Falk gehört seit dem Februar deS Jahre» 1880 der königlichen Akademie al» Ehrenmitglied an. — Der Ferien-Strafsenat des KammergericktS hat die Bestimmung der Polizeiverordnung des Oberpräsidrnten der Provinz Brandenburg vom 5. Öctober 1896, wonach öffentliche Versammlungen am Charfreitag, am Bußtag und an dem dem Andenken der Verstorbenen ge widmeten Jahrestage überhaupt nicht stattfinden dürfen, für rechtSgiltig erklärt. — Der Berliner Stadtverordneten-Versammlung lag, wie schon kurz gemeldet, in ihrer heutigen außerordent lichen Sitzung der Antrag deS Magistrats vor, für die durch da» Unwetter diese» Sommers in Deutschland Geschädigten die Summe von 500 000 ans den Ersparnissen des letzten EtatSjahre» zu bewilligen. Die Versammlung ist über diesen Vorschlag weit hinausgegangen. Der stellvertretende Vor steher Michelet begründete einen von den Führern der ver schiedenen Gruppen unterzeichneten Antrag, angesichts der Verwüstungen, durch welche ganze Provinzen heimgesucht wurden, die UntrrstützungSsumme auf eine Million Mark zu bemessen. Der Antrag wurde ohne Debatte mit großer Mehrheit angenommen. — Der König von Siam trifft, von England via Ostende kommend, am 26. d. M. hier ein. Als Gast des Kaisers wird er aller Voraussicht nach in einem der Pots damer Schlösser Quartier nehmen. Am 29. bezieht sich der König nach Schwerin. Dorthin hat ihn der Herzog-Regent Johann Albrecht geladen, um, wie der „Loc.-Anz." berichtet, Revanche zu üben für die Gastfreundschaft, die der Herzog im Königöpalast zu Bangkok gefunden, als er auf seiner Weltreise Siam besuchte. Am 31. August wird der König nach Hamburg gehen und dann nach Esten reisen. Von dort gedenkt er Holland und Belgien zu besuchen. -'Kammergericht-rath Hadlich ist zum SenatSpräsidenten am Kammergericht ernannt worden. — Die Rfangliste der Beamten Ler deutschen Marine ist erschienen. * Hamburg, 12. August. Die „Hamburger Nachrichten" stellen „Wahlbetrachtungen" an und besprechen dabei die Umwerbung des Centrums durch die „Köln. Ztg." und die „Kreuzztg." Nichts berechtige zu der Behauptung, daß die vom Centrum dirigirte antinationale Reichstagsmehrheit nicht wesentlich geschwächt oder über wunden werden könne. Unumgängliche Voraussetzung für den Kampf sei eine mit deutlich erkennbarer Fahne voraus gehende Regierung; ohne eine solche werde allerdings die Wiederherstellung des alten Cartells oder eine ähnlich ge schloffene nationale Mehrheit unmöglich sein. * Grande«), 11. August. Mit welcher Dreistigkeit das Polenthum gegen das Deutschthum vorzugehen wagt, zeigt folgende Meldung deS „Geselligen" aus Mogilno: In einer Versammlung des hiesigen „Sokolvereins" wurde von dem Vorsitzenden angeordnet, daß Derjenige, welcher in der Versammlung ein deutsche« Wort spricht, für jedes Wort 5 Strafe zahlen solle. Wie das genannte Blatt mittheilt, ist diese Provokation deS DeutschthumS der Polizei angezeigt, und eö ist bereits Termin zur Vernehmung von Zeugen, welche deutsche Worte gesprochen und die angeordnete Strafe bezahlt haben, anberaumt worden. tb. Gotha, 12. August. In Folge eines LandtagsbeschluffeS ist jetzt ein eigener Fabrikinspector für daS Herzogthum Coburg-Gotha bestellt worden. Bisher wirkte der Fabrik inspector für das Großherzogthum Weimar als solcher auch für Coburg-Gotha. Nunmehr ist für letzteres der hier an sässige Chemiker vr. Ernst von Schwarz, zunächst probe weise, zum Fabrikinspector bestellt worden. * Dessau, 11. August. Verschiedene Veränderungen in der Besetzung höherer Beamtenstellen stehen nach der „M. Z." zum 1. Oktober bevor. An Stelle des in den Ruhestand tretenden Regierungspräsidenten vr. Walther wird der Geheime RegierungSrath Merten» den Vorsitz der Herzog!. Regierung übernehmen, während der jetzige Kreisdirector vr. Huhn in das Regierungscollegium eintreten wird. Die Leitung der hiesigen KreiSdirection soll in die Hände deS Regierungs-Assessors vr. Sachsenberg gelegt werden. * Esse», 11. August. Ueber die Ausschreitung eines Schutzmanns berichtet die „R.-W. Z.": Am Mittwoch Abend befand sich der Ingenieur F. mit seiner Frau auf dem Heimwege. An der Gasse, welche den Gänsemarkt mit der Kastantenallee verbindet, begegneten dem Ehepaar ein Untrrosficier und der Schutzmann P. in CIvil. Im Vorbeigehen beleidigte der Civilist die Frau des vorerwähnten Herrn ohne jede Veranlassung, worüber natürlich der Ehemann im Weitergehen sich entrüstet äußerte. Kaum hatte der Schutzmann diese Worte fallen gehört, al» er zurückeilte und den Begleiter der Dame ohne Weiteres mit seinem Eichrnstock über den Kopf schlug, daß diesem daS Blut über das Gesicht strömte. Der Ehemann flüchtete sich vor dem Wüthrrich in eine nahe gelegene Wirthschaft, in die ihm die Frau folgen wollte. Ehe die Dame jedoch dieses Vorhaben aus- sühren konnte, wurde sie von dem Schutzmann in Civil derart mit seinem Stock bearbeitet, daß sie ebenfalls blutüberströmt zu Boden stürzte. Hiermit nicht genug, hieb der brutale Mensch immer weiter auf die am Boden liegende lammernde Frau ein und zwar so lange, bis auf die Hilferufe der Mißhandelten Leut» zu ihrem Schutz herbeieiltrn, woraus der saubere Held das weite sachte. Glücklicher weis« wurde er aber noch rechtzeitig genug gesehen, um erkannt zu werden. Diese That, welcye an einer wehr losen Frau begangen wurde, die zudem in Kurzem einem Familien- «reigniß rntgegensieht, so daß der Vorfall für sie noch schwere Folgen nach sich ziehen dürfte, wurde von einem Menschen ausgeführt, der dazu bestimmt sein soll, die Bürger Essen- zu schützen. Merkwürdig ist, daß dieser als Schutzmann am Mittwoch Morgen auf dem hie sigen Bezirkscommando eine dreitägige Arreststrafe angetretrn hatte und trotzdem am Abend desselben Tages sich in der Stadt auf halten konnte. Die Untersuchung ist riugrleitet. Der Schutzmann, der den Namen Pörschke führt, ist heute Vormittag verhaftet und dem Amtsgerichte zugeführt worden. * Bau», 10. August. Nachdem die reichsdeutsche Professorenschaft unseren deutschen Stammesbrüdern in Oesterreich eine Sympathiekundgebung bereitet hatte, wurde auf Anregung der Burschenschaft Alemannia ein Gleiches auch von der Bonner Studentenschaft beschlossen unv außerdem die Anordnung getroffen, daß von einer von einer nationalen Feier übrig gebliebenen Geldsumme 250 Mark dem Agitationsausschuß der Deutschen in Böhmen übersandt werden sollen. Die Adresse lautet: „Liebe Stammesbrüder! Mit zorniger Entrüstung haben wir Reichsdeutschen von den schmachvollen Bedrückungen und Ver folgungen gelesen, die Ihr, mit denen uns tausendfache Bande des Blutes, der Sprache und einer gewaltigen ruhmvollen Geschichte verknüpfen, seit einiger Zeit in Eurem eigenen Mutterlande von einem fremden slawischen Stamme zu erdulden habt. Mit Begeisterung haben wir von dem endlich erfolgten Erwachen deutschen Stolzes und völkischen KampfeS- zornes vernommen, dir jetzt wie ein Sturmwind reinigend die Ostmarkgaue erfüllt. Auch bei uns im Reiche, wo man ein Vierteljahrhundert lang nur allzu gleichgiltig Euren Kämpfen gegenüberstand, beginnt eS endlich mit Macht zu tagen und die Erkenntniß vurchzubrechen von der Noth- wendigkeit engen Zusammenhaltens und Zusammenstreitens aller Deutschen in allen Landen, soweit die deutsche Zunge klingt. Insbesondere ist es die deutsche Studentenschaft, die wie immer, so auch jetzt in vorderster Reihe stehen will, wo eS gilt, nationale und ideale Güter zu vertheidigen, und nicht zum Wenigsten nehmen auch wir dies für uns in An spruch, die wir in Bonn am grünen Rhein auf Grenzwacht stehen nach Westen hin. Da wir aber auS einem unS zu gegangenen Aufruf ersehen, daß Ihr Euch in diesen Tagen der schweren Noth nicht mit bloßen Worten begnügen könnt, son dern daß Ihr auch dringend materieller Unterstützung in Eurem Kampfe bedürft, so hat die Bonner Studentenschaft be schlossen, Eurem AgitationSauSschuß einen, wenn auch be scheidenen Betrag zu übersenden, mit der Bitte, ibn nach Gutdünken zu völkischen Zwecken zu verbrauchen. Zugleich beauftragte sie uns, Euch den Ausdruck unserer herzlichsten Theilnahme zu übermitteln und Euch zu bitten, nicht zu er lahmen in Eurem Verzweiflungskampfe, sondern weiter auch für uns ein Bollwerk deutschen Wesens gegenüber dem Slawenthum zu sein. Hoch deutsches Volk und deutsches Land! Mit brüderlichem Gruß die Vertreterversammlung der Bonner studentischen Corporation«». I. A.: Die Burschen schaft Alemannia". * Wiesbaden, 12. August. Finanzminister Vr.v. Miquel unternahm gestern eine Wagenfahrt nach Mainz, wo er u. A. den Centralbahnhof, sowie die Neubauten in der Kaiserstraße besichtigte. Nach dem Abendessen kehrte er nach Wiesbaden zurück. (M. Z^) * Darmstadt, 12. August. Der Großherzog und die Großherzogin statteten der Kaiserin Friedrich auf Schloß Friedrichshof einen Besuch ab. Oesterreich-Ungarn. Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Bulgarien. * Wien, 12. August. Die „Wiener Abendpost" meldet, unsere Mittheilung bestätigend: Der diplomatische Agent und Generalconsul in Sofia Baron Call hat gestern der bulgarischen Regierung notificlrt, daß er im Auftrage des österreichisch-ungarischen Ministeriums des Aeußern einen Urlaub auf unbestimmte Zeit antrete und Legationssecretair Barons Höning mit der Gerenz der diplomatischen Agentie und des General- consulats betraut sei. Die „Wiener Abendpost" fügt hinzu, diese Verfügung finde darin ihre Begründung, daß der fürstlich bulza- rische Ministerpräsident Stoilow der Aufforderung, die im „Ber liner Localanzeiger" veröffentlichten verletzenden Aeußerungen gegen Oesterreich-Ungarn und das Kaiserhaus kategorisch und in osfieieller Form zu dementiren, binnen der hierfür festgesetzten Frist nicht entsprochen hat. Belgien» Interparlamentarische Friedenskonferenz. * Brüssel, 12. August. In der Schiedsgerichtsfrage hat die interparlamentarische FriedenSconferenz in Brüssel folgende Beschlüsse gefaßt: „Es ist wichtig, daß eine oder mehrere Regierungen die Initiative ergreifen, um sich mit anderen über die Errichtung eines ständigen Schiedsgerichtshofes zu verständigen. Der Con- greß wünscht den Abschluß eines ständigen schiedsrichterlichen Ver trage- zwischen England und den Bereinigten Staaten, zwischen Sein Leben hatte sich innerhalb der wuchtigen Schloß mauern abgespielt, eS war stets segensreich gewesen. Seine zweiundsiebzig Jahre waren immer und immer köstlich gewesen, Arbeit und Freude. DaS letzte Ende konnte nicht das Ganze in Frage stellen. DaS Schloß im feurigen Abendglanz, der in violette Tinten überging, war ihm eine Garantie. Renate hatte seine Bewegung bemerkt. Sie zuckte zu sammen, als sie nun den Ausdruck in seinen Zügen beobachtete. „Du verachtest mich, Onkel, weil ich TituS —". Ihre Worte erstarben in einem schluchzenden Laut. „Nein, mein Kind", sagte er ruhig, ohne ru zögern. „Der Impuls der Leidenschaft hat Dich «inen Augenblick über mannt. Nun Du aber die Gefahr kennst, kannst Du nicht mehr blind hineingerathen. AuS dem Fehl würde erst dann die Schuld." Sie gingen zusammen um den Schloßflügel bis zu dem Portal. Hier wollte Renate sich von dem Onkel trennen, aber er gab sie nicht frei. „Nein, nein, Du bleibst bei mir, mein liebe» Kind", sagte er mild, aber doch befehlend. „Ich nehme Dich mit zur Tante." „Ich möchte allein sein", bat Renate dumpf. „Um zu grübeln und Dich mit Vorwürfen zu überschütten, nicht wahr?" Er sah ihr mitleidig in« Antlitz. „DaS will ich eben vermeiden. ES kommt wirklich dabei nichts Anderes heraus als eine gänzliche Mutlosigkeit. Ein solcher Zustand bezwingt kein Herzklopfen. Du folgst mir." Renate'« Brust entrang sich «in klagender Laut. „Ja", antwortete sie dann und fügte bitter hinzu: „Ich habe doch kein Vertrauen zu mir . . . ." „Ach, Lothar, was ist da» für ein Elend", klagte die Gräfin, und eine Thräne rollte ihr über die Wangen, al» sie von der Sache erfuhr, und warum der Fürst nicht vor dem Diner bei ihr sich sehen ließ, „ach, Lothar, da» ist schrecklich. DaS kann ja gar nickt gut werden. Alle Harmonie ist verloren, wenn zerrissene Saite» so durch einander kreischen." „Sie können ergänzt werden", sagte er ruhig. Achtzehnte» Capitel. Der Fürst ließ sich weder mit seiner Gemahlin bei der Gräfin im Salon sehen, noch erschien er, al- die Diner- alocke durch da» Schloß ertönte. Er war, al» Graf Lothar und Renate ihn verlassen hatten, auf einem anderen Wege eilig dem Schlosse zu geschritten, aber nicht hineingegangen, sondern hatte sich direct nach den Psrrdeställen gewandt, sich seinen Rappen satteln lassen und war davongesprengt. Zuerst war e» ein wildes Jagen gewesen, grade wie seine Gedanken auch in ihm an Allem vorbeistürmten, was ihn sonst befriedigt und entzückt batte. Allmählich, wie das Pferd müde wurde und vom Galopp in den Trab über ging, ebbte eS auch in ihm ab, sein Blut wurde ruhiger und damit seine ganze Gefühls- und Gedankenarbeit. Und nun brachte der Fürst langsam in sich die Leiden schaft zum Schweigen; eine Stütze nach der andern entriß er ihr dadurch, daß er ihr die Pflicht und die Ehre des Mannes entgegenstellte und sie zwang, der Vernunft Stand zu halten. Ernst, Würde und ein harmonisches Leben, wiederholte er sich. Es mußte also auch hineinzubringen sein, wenn ein schwerer Jrrthum sich immer nebenher zog. E» mußte gehen, wenn man nur mit dem Jrrthum rechnete und ihm nichts aufzwingen wollte, hauptsächlich, wo er eine» anderen Men schen Glück bedeutete. Clariffa liebte ihn, freilick in ihrer eigenen Weise. Aber für sie hatte da» LiebeSglück keinen anderen Inhalt. Als er nach einigen Stunden sich zur Rückkehr in» Schloß anschickte, hatte er sich so weit zu einer Ruhe durchgekämpft, daß er eS wagen konnte, wieder vor seine Gattin zu treten Diese hatte indessen die Stunden in einer Angst um ihn verlebt, die sie vollständig erschöpft hatte. Zum ersten Male in ihrer Ehe war er fortgeritten, ohne daß sie wußte, wohin. Sie hatte beim Diner keinen Bissen über die Lippen gebrach» und nur immer lauschend gesessen, ob nicht draußen ein Pferd über den Kie» trabte. Die fieberhafte Spannung de» vergeblichen, ihr ganz ungewohnten Warten» hatte sie so ge quält, daß sie, al« der Diener meldete, der Fürst käme jetzt angeritten, sich vollständig erschöpft auf einen Divan legte und da» Gesicht in die Kiffen vergrub. Ein unterdrückte- Schluchzen zitterte durch ihre ganze Gestalt. Der Fürst hatte schon gehört, wie seine Frau sich über sein Ausbleiben geängstiat hatte, al» er zu ihr hrreiotrat. Er war beunruhigt darüber und schämte sich seine» Egois mus, der ihn mit keinem Gedanken an die Angst der einmal verwöhnten Frau batte denken lassen. Seine alte Liebe zu Clariffa wallte im Mitleid mit ihr auf und vertiefte sich zu Uberquellender Zärtlichkeit, al» er sie schluchzend auf dem Divan fand. „Clariffa!" rief er weich und bebend und beugte sich tief über sie hinab. Sie wandte das Gesicht ihm langsam zu und sah ihn vorwurfsvoll an. Alles in ihr unterlag noch der Nach empfindung der qualvollen letzten Stunden. Sie dachte wie immer nur an sich, nicht daß er Wohl durch irgend etwas zu diesem Fortbleiben hätte gezwungen werden können. „Du böser Mann denkst nur an Dich und mit keinem Gedanken daran, daß ich in Angst um Dick vergehe", schalt sie, ihn mit vorwurfsvollem Blick fest ansehend. Er kniete neben ihr nieder und schlang seinen Arm um sie. Alle« in ihm drängte nach einem Ausdruck der alten Liebe zu seiner Gattin, als müsse diese damit selbst wieder sein Herz einnehmen. Sie hatte recht, er hatte in diesen furchtbaren letzten Stunden nur an sich und nicht an sie gedacht. „Meine liebe, kleine Frau, ich weiß, ich habe viel an Dir gut zu machen." Die ganze innere Erschütterung bebte durch seine Stimme. Clariffa empfand doch, daß ibr Gatte sich in einem außer gewöhnlichen Zustande befand. WaS war denn vorgrkommen? Ein wenig neugierig war sie nun doch, zu erfahren, warum er so lange fortaeblieben war. Sie wischte sich mit ihrem Spitzentuch die Thränen aus den Augen, legte seine Hand unter ihre heißgewordene Wange und sagte bittend: „Nun beichte, TituS, wo bist Du gewesen?" „Frage mich lieber, warum ich mit mir selbst allein sein und ins Reine kommen mußte, mein Liebling", bat er so innig, so dringend, so voll Weichheit in Blick und Ton. In einem impulsiven Drange drückte er ihren braunen Kopf rn seine wogende Brust, küßte ihr duftende» Haar und ihre Stirn immer wieder und berauschte sich förmlich daran, ihren Herzschlag so dicht an dem (einigen zu füblen. Sie wurde durch sein Ungestüm, ängstlich. W^» war ge schehen, daß TituS so außer sich sein konnte? Er war ihr so fremd in dieser Erregung. Instinktiv wich sie davor zurück. „Willst Du mich anbören, willst Du versuchen, mich zu verstehen, ganz zn verstehen, wie e» nur das Weib meine» Herren» kann?" flüsterte er ihr in» Ohr und legte ihren Kopf auf die Kiffen zurück. „Ja, ja " Sie faltete die Hände über der Brust zusammen und schloß die Augen. Eine momentane Schwäcke befiel sie. So gräßlich war e» ihr, diesen Sturm im Innern ihres Mannes über sich ergehen zu lassen. Warum er ihr das anihat! „Ich werde Dich anhören", lispelte sie. „Bitte, sprich." Er hatte sie mit heißen Augen beobachtet. Ihm war eS nicht entgangen, wie sie sich zwang, den Ausdruck inneren ZurückweichenS zu unterdrücken, wie sie sich ergab in etwas Unabwendbares. Sein Herz zog sich zusammen in einem tiefen Wehgefühl. Er preßte seine Lippen aufeinander und sagte kein Wort. „So sprich doch", wiederholte Clariffa eigensinnig. Doch plötzlich hob sie die Arme und schlang sie um den Nacken des über sie gebeugten Gatten. Ihre Augen wurden feucht. „Ach, TituS, wenn Du kannst, schone mich. Laß. mir meine Unwissenheit. Ich finde mein Leben so namen los schön." Eine dunkle Röthe breitete sich über seine Stirn. „Laß mir meine Unwissenheit, ich finde mein Leben so schön", tönte eS ihm in den Ohren nach. Und er hatte den Muth gehabt, etwas Anderes von ihr zu wollen! — Er hatte ihn nicht mehr! Langsam löste er sich aus ihrer Umarmung und richtete sich auf. Wie fremd er sich plötzlich hier in dem Gemache fühlte. Er stand jetzt hochaufgerichtet und schaute sick um. Im Zimmer war nichts, wa« unschön wirkte, auch nichts in Form und Farbe» was unangenehm in die Gesammtheit bineinklang. Und doch auch nichts Sympathisches. Die tief blaue Karbe der Polster und Vorhänge sog daS Licht ein, ohne sie warm erscheinen zu lassen. Da- Ebenholz der Nahmen und Tischchen mit den eingelegten Goldlinien war künst erisch fein stylisirt, aber unsinnig hart in den Linien. Auchlwar nicht Luft und Licht in dem ganzen Raum, alle- gedämpft durch den schweren Sammet vor den Fenstern und die großen verschleierten Lampe». Er schritt über den Teppich, der jeden Schall verhinderte, an ein Fenster und schob den Vorhang zurück. — Er wußte, daß draußen Helle» Mondlicht über dem Parke lag. (Fortsetzung folgt.)
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