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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970817015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-17
- Monat1897-08
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Reclamrn unter dem RebactionSstrich (4g» spalten) 50vor den FamrUennachrichte» (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferusatz uach höherem Tarif. '< —> Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab eud-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. < Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol« la Leidlich ——— -- 91. Jahrgang. bayerisches. ReichStagSabgrordneter Domherr Vr. Schädler darf sich nicht in Pfaffenhofen sehen lassen. Es ist die« ein Haupt ort jenes Landtagswahlkreises, wo er sich demnächst einer Neuwahl zu unterziehen hat. Man hat ihm von dort „abgewinkt", und zwar nicht von baurrbündlerischer Seite, sondern aus dem Centrum heraus. Wie viele von den CentrumSleuten, dir ihn nicht zu sehen wünschten, nicht bauernbündlerisch wählen werden, weiß man nicht. Jeden falls geht die Opposition gegen Schädler nicht allein von Büudlern au«, denn, im Inaoldstädter EentrumSverein, der den Wahlkreis bisher beherrscht bat, tragt man sich mit dem Gedanken, einen anderen Candidaten aufzustellea — zehn Tage vor der Wahl. E« muß eiar heillose Verwirrung im dortigen CentrumSlagrr herrschen, zum Theil allerdings dadurch hervorgerufen, baß Schädler sich bisher „aus Mangel an Zeit" geweigert hatte, den Wahlkreis zu bereisen, oder wie sich eines der zu ihm stehenden Blättchen unglücklich genug auSgedrückt hat, zu „besichtigen". Man sagt sich nicht mit Unrecht, wer nicht auf acht Tage von Bamberg abkommen kann, um sich den Wählern zu zeigen, wird noch weniger in den sieben, acht Monaten, die eine bayerische Landtagssession zu dauern pflegt, sein Mandat ordnungsgemäß auSübrn können. Eins kommt dem Centrum zu Statten. Die Büudler haben noch keinen Can didaten bezeichnet. Genannt wurde vr. Kleitner, ehemals Mitglied und nunmehr erbitterter Gegner der CentrumS- fraction; er soll aber abgelehnt Haden. Daß Vr. Kleitner nunmehr der Bundesgenosse Sigl'S ist, darf als eine Merk würdigkeit bezeichnet werden. Es gab bi« vor Kurzem, auch als Kleitner längst mit den „Patrioten" verfeindet war, keine politische und menschliche Schlechtigkeit, die der „Vater lands"-Mana dem jetzigen BundeSdruder nicht nach gesagt hätte. Ein richtiger Rattenkönig von Un- und Halbwahrheiten, Widersprüchen und Dementis hat sich au« der bekannten Pfaffenhofener IndiScretion deS Herrn ReickStagS- und jetzt auch bayerischen Landtagsabgeordnrten vr„ Sigl entwickelt. Bei gewissen Parteien in lenem Lande scheinen überhaupt persönlicher Klatsch und Zwischenträger«» nneal- behrliche politische Waffen zu sein, und vielfach mit solchen hat man es in diesem Falle zu thun. Demnach soll der be kannte bauernbündlerische LandtagSabg. Vr. Ratzinger eS gewesen sein, der die Kunde weiter getragen hat, daß der Wunsch des Staatsministers Freiherr» von Crailsheim nach der Herstellung einer besonderen bayerischen Partei im Reichstag gehe. Zwischen vr. Ratzinger und Sigl besteht augenblicklich politische BundeSgenoffeaschaft, was nicht hindert, daß sich beide Söhne de« nieder bayerischen Landvolkes in früheren Zeiten mit nicht un bedenklichen Mitteln bekämpft haben. Der „Vaterland«"» Redacteur war demnach wohl da« Sprachrohr vr. Ratzin-er'S, al- er in Pfaffenhofen die bayerische ZukunstSparte» im Reichstag propaairte. Dabei deutete er bekanntlich noch aus eine höhere Persönlichkeit, und die späteren publicistischrn Hinweise auf Moskau und Kiel zeigten genau genug, wen er gemeint hatte. Herr Sigl, der sich damit eine- gelegeat- lichen ConnexeS mit dem künftigen Thronfolger, Prmzen Ludwig von Bayern, gerühmt haben wollte, scheint dann wieder beoraklich geworden zu sein. Wie er sich nachher mit komischer Emphase ausdrückt, kann ein Gentleman daS ihm Anvertraute nicht verrathen, — ja, dann hätte er nicht damit rer.ommiren sollen. Bei dem Wieverzusammentritt des baye rischen Landtage- am 27. September wird ohne Zweifel der Pfaffenhofer Zwischenfall zum Gegenstand einer Inter pellation gemacht werden, und dann können ja die Herren Ratzinger und Sigl darauf ihre Antwort geben. Einstweilen steht jedenfalls nur daS fest, daß Herr v. Crailsheim Herrn LandlagSabgeordneten Staatsanwalt Söldner gegenüber die Möglichkeit erörtert bat, wie Wohl eine Brücke zwischen dem Eentrum und dem Bauernbund geschlagen werden könne und wie die« im bayerischen StaatSintereffe gelegen sein würde. Weiter steht fest, daß demnächst Correspondenzen gepflogen wurden, sowohl zwischen den Münchener Centrumsführern und in Berlin weilenden Mitgliedern der Reichstagsfraction, wie zwischen EentrumSmitgliedrrn und Führern deS Bauern bunde«. Wenigstens rückt der fränkische Publicist des Bauern bundes, Memminger, jetzt damit Hera»«, daß auch er in diesem Briefwechsel eine Theilnehmerrolle gespielt habe. Doch will er den Gedanken einer Verschmelzung mit den bayerischen CentrumSabgeordneten behuf« Gründung einer gemeinsamen bayerischen Partei von vornherein abgewiesen haben. Die süd bayerischen Führer Gäch und Wieland Warrn jedenfalls nicht so rasch entschlossen. Erst am vorigen Sonntag folgten sie dem Beispiel Memminaer'S, und zwar offenbarten sie sich in einer Versammlung zu Pfreimd in der Oberpfalz, und lehnten — jetzt natürlich unter heftigen Angriffen auf daS Eentrum — die bayerische Partei der Söldner, Kleitner und Sigl auf das Ent schiedenste ab, weil diese Partei nothwendig zum Anschluß an die süddeutsche Dolkspartei dränge, man aber mit der „Frankfurter Iudendemokratie" nichts zu thun haben wolle. Hiervon ist in einer Erklärung, die Wieland in der„N. Fr. V." veröffentlicht, freilich nicht« gesagt. Vielleicht ist das aus Rücksicht auf Herrn vr. Sigl geschehen, der seinem bekannten leidenschaftlichen Antisemitismus allerdings einen kräftigen Stoß hat geben müssen, um etwas gemeinsam Süddeutsches gegen die vermeintliche preußische Bevormundung zu Stande bringen zu helfen. Daß diese Bevormundung eine Fabel ist, braucht nicht lang und breit dargelegt zu werden. Im BundeSrath sind die süddeutschen Interessen stet- auf das Sorg fältigste wahrgenommen worden, und speciell Bayern hat stet« eine über seine formelle Stimmenziffer bedeutend hin- auSreichende Rolle gespielt. Wenn aber die bayerischen Mitglieder der Cenlrumspartei im Reichstage sich vom „Reichsregenten" vr. Lieber in da- Schlepptau haben nehmen lassen, dann kann doch für diesen Erfolg deS nassauischen Mußpreußen die preußische Negierung nichts. Üm über bayerische Zukunft-Möglichkeiten noch rin Wort zu sagen, so hat «an e« bei dem Thronfolger dort möglicher weise mit etwa« „Kronprinzeupolitik" zu thuu. Prinz Ludwig ist selbst erfolgreicher Landwirth und erblickt mit Recht in einem aut fundirten Bauernstände eine Hauptstütze für Monarchie, Staat und Reich; andererseits ist er, wie verlautrt, auf die jetzige CentrumSfübrung in der bayerischen Kammer nicht zum Besten zu sprechen und soll überhaupt bei aller katholischen Kirchlichkeit von der politischen Rolle deS bayerischen Klerus wenig erbaut sein. An kiese Neigungen und Abneigungen de« künftigen Herrschers anknüpfend, scheinen sich Vie Herren v. Hertling und Graf Conrad Preysing per sönlichen Zukunftshoffnungen hingegeben und Herr Sigl sich etwas naiv eine künftige publicistische Rolle eingeredet zu habe«. Inwieweit der al« sehr klug bekannte 52 jährige Thron folger mit derartigen Möglichkeiten rechnet, kann dahingestellt bleibe». Dom Thron au« sieht man die Dinge herkömmlich ander- an, selbst wen» den Sigl'schen Aeußerungen in Pfaffen hofen wirklich mehr zu Gründe gelegen haben sollte, al- jener Hofbedientenklatsch, durch den der Herausgeber deS „Vater land" gelegentlich erfreut werden soll. Aeöer die Kündigung des deutsch-englischen Handelsvertrags äußert sich in wesentlicher Uebereinstimmung mit unseren Darlegungen Prof. vr. Hasse in den „Alld. Bl." u. A. wie folgt: „Wir sind durch die Kündigung de« deutsch-englischen Vertrage« nicht nur nicht überrascht, sondern wir sind ihret wegen auch keineswegs betrübt. ES ist geradezu ein Glück für unsere rathlosen und hilf losen Politiker, daß die Kündigung von englischer Seite er folgt ist. Denn erfolgen müssen hätte die Kündigung auch vom deutschen Intereffenstandpunct au«. Aber welche Meere von Tinte wären geflossen, um diese Nothwendigkeit dem deutschen Volke und seinen Vertretern in der Regierung und im Reichstage begreiflich zu machen! Man entschließt sich ja so schwer, einen kranken Zahn sich selbst auszuziehen, und ist schließlich ganz froh, wenn ihn der Arzt gewaltsam entfernt. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, hier den Nachweis zu führen, in welchem Umfange die ganze deutsche Volks- wirtbschaft, nicht nur Handel und Industrie, sondern auch die Landwirthschaft, an dem Handelsverkehr mit Altengland, seinen Colonien, Besitzungen und Schutzgebieten betheiligt ist. Im großen Ganzen ergiebt sich dieser Umfang auS nach stehenden Zahlen, welche beweisen, daß der fünfte Theil der Einfuhr und der Ausfuhr deS deutschen Zollvereins auf die britischen Gebiete entfällt. Der Antheil des britischen Reiches am auswärtigen Specialhandel des deutschen Zollvereins im Jahre 1895. Einfuhr: Ausfuhr: Werth in Vom Hundert Werth in Vom Hundert Millionen der Millionen der Mark. Einfuhr. Mark. Einfuhr. Großbritannien 578,4 13,6 Proc. 678,1 19,8 Proc. Brit.-Ostindien. 162,l 3,8 - 44,7 1,3 - - Australien 113,7 2.7 - 22,9 0,7 . Eapland . . . 17,1 0,4 - 13,0 0,4 . Brit.-Westindien 8,4 0,2 - 1,0 0,03 - - Nordamerika 2,1 0,1 - 16,3 0,5 - 881,8 20,8 Proc. 776,0 22,8 Proc. Ueberhaupt 4246,1 100,0 - 3424,0 100,0 - Für di« Landwirthschaft kommt es namentlich in Betracht, daß von der gesamnuen deutschen Ausfuhr an Kandis und Zucker in Broden auf Großbritannien 83,7 Proc. und auf Britisch-Ostindien 1,8 Proc. entfällt (neben 3,2 Proc. auf die Vereinigten Staaten vnn Nordamerika) und an Rohzucker auf Großbritannien 44,7 Proc. und Britisch-Nordamerika 2,6 Proc. (neben 65,2 Proc. auf die Vereinigten Staaten von Nordamerika). Wir möchten aber auf einen wesentlichen Unterschied der Lage deS deutschen Zollvereins und deS großbritannischen Mutterlandes aufmerksam machen, der bei geschickter und muthiger Haltung auf deutscher Seite zum Bor- theile Deutschlands ausschlagen muß. Dieser besteht darin, daß Deutschland nicht mehr in dem hoben Maße wie früher ein Zwischenhandelsland für den Verkehr Groß britanniens mit dem europäischen Osten und Norden ist, daß aber Großbritannien noch immer den Zwischen händler macht in einem großen Tbeile deS überseeischen deutschen Handels. DaS Erstere kann man, das Zweite muß man bedauern. Nun ergiebt eS sich aber auS der Handels- geschieht« und aus der Natur der Sache, daß unter handels politischen Kämpfen und kommerziellen Erschwerungen in erster Linie der Zwischenhandel leidet. England und Deutschland werden auch in Zukunft, wenn auch unter erschwerenden Umständen, daS von einander beziehen, waS sie selbst von einander brauchen und vortheilhaster von einander beziehen können, als von Dritten. Aber der Zwischenhandel verläßt indirrcte Wege, wenn diese schwieriger gangbar werden, selbst wenn sie auS alter Gewohnheit länger als nöthig festgehalken worden waren, und er sucht nun die kürzesten und unmittelbarsten Wege auf. In dieser Lage sind wir gegenüber England. Wir können froh sein, daß uns dieses selbst zwingt, uns von der englischen Handelsvermittelung immer mehr selbstständig zu machen und die Millionen selbst zu verdienen, die Eng lands Rbeder, Zwischenhändler und Banken noch immer am deutschen Ueberseehandel verdienen. Und England könnte in die Lage kommen, den heutige» handelspolitischen Schritt ebenso zu bereuen, wie sein Llacks in OermLnzr, wenn wir nur unsere Stärke, die sich aus der gewaltigen Entwickelung unserer Schifffahrt und unserer Industrie ergiebt, geschickt und zielbewußt verwerthen. Wir wollen unS heute einige Andeutungen in dieser Beziehung gestatten, ohne uns auf die Einzelheiten unserer Vorschläge festzulegen. Großbritannien stellt sich uns als ein Größerbritannien entgegen, als ein abgeschloffenes Wirtschaftsgebiet, dessen einzelne Tbeile sich unter einander bevorzugen wollen gegen über der übrigen nichtbritischen Welt. Dank der selbst mörderischen Politik unserer Colonialgegner können wir nicht unmittelbar Gleiches mit Gleichem vergelten, da unsere Schutzgebiete klein und noch belanglos sind. Aber wir können Großbritannien etwas entgegen stellen, was dieses nicht zu bieten vermag: ein große- festländisches Wirtschaftsgebiet in Gestalt eine« mittel europäischen Zollvereins. Belgien, dem ja auch englischerseits gekündigt worden ist, wird wahrscheinlich da« erste Land lein, das freiwillg oder gezwungen dem deutschen Zollverein beitritt. Wenn Großbritannien seinen Colonien und diese ihm Differenzialzölle einräumen, so können wir Gleiches auch nicht mit Erfolg thun. Denn unser Handelsverkehr mit unseren Schutzgebieten ist noch ohne großen Belang. Aber wir können, ohne so rücksichtslos zu sein wie Cromwell's Navigationsacte und ohne die Einfuhr fremder Maaren auf anderen Schiffen, als auf deutschen oder auf denen des Ursprungslandes ganz zu verbieten, dock diesen Verkehr mindestens mit einem Zuschlag belegen, einer surtaxe nach französischem Vorbilde, eine Maßregel, die zur Zeit fast nur England treffen würde. Eine unterschiedliche Behand lung der britischen Flagge selbst möchten wir aber nicht empfehlen, angesichts des Umstandes, daß die deutschen Schiffe bereits ähnlich den britiscken einen großen Theil de« fremden Zwischenhandels vermitteln. Die wichtigste Maßregel aber, die sich au- der Sachlage ergiebt, ist die baldigste Annahme eines neuen deutschen autonomen Zolltarifs mit überaus hohen Zollsätzen. Mit der Verabschiedung dieses Zolltarife« hätten wir ja noch einige Jahr« warten können, um dann aber der Sachlage von 1903 gewachsen zu sein. Jetzt zwingt nn« England, dieses schwierige Werk vielleicht mehr zu beschleunigen, als e» uns selbst lieb ist. Die Sacke muß aber und kann auch bald ge macht werden. Denn die Sckwierigkciten beginnen erst dann, wenn die von uns gewünschten hohen Sätze im Wege des Ab schlusses von Tarifverträgen mit England und später auch mit den anderen Ländern herabgesetzt werden sollen. Wenn dann die Sätze immer noch, wie bei dem Getreide und bei anderen lanvwirthsckaftlichen Erzeugnissen, eine den berechtigten Forderungen der Landwirthschaft entsprechende Höhe behalten sollen, so muß zunächst mit einer heule unerhörten «nd ungewohnten Höhe eingesetzt werden." Deutsches Reich. /X Berlin, 16. August. Bei den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über den Etat der Eisen- bahnverwaltung, speciell über die Einrichtungen deS Per sonenverkehr« waren in diesem Jahre namentlich zwei Wünsche bervorgetreten: zu allermeist der Wunsch nach besserer Beleuchtung der Wagen im Innern, so daß man ohne Gefahr für die Augen auck lesen könne; sodann be treffs der sogen. V-Züge der Wunsch nach besonderen Speisewagen, damit die Belästigung durch den Speise geruch im ganzen Zuge und durch das Serviren von Speisen in den einzelnen Abtheilen beseitigt werde. Die Eisenbahn verwaltung batte sich damals beiden Wünschen gegen über ablehnend verhalten. DaS Licht sei ja besser, als selbst Fs«illstsn. Erste internationale Kunstausstellung in Dres-eu. VH. iS Wie in der Plastik, so ist auch in der Malerei die belgifck-hvllLndifche Kunst, im Derhältniß zu der sonstigen Vertretung deS Auslandes in großer Uebrrmacht auf dem Platze erschienen. Wie bei der Betrachtung der Franzosen, so beginnen wir auck beute damit, unseren Leser« den Blick für daS wahrhaft Erfreuliche uud Große in der Abtheilung durch eine kurze Würdigung dessen, wa« uu« mehr künstlich als künstlerisch erscheint, frei zu macken. Die zwei Bilder von dem Belgier Henry de Group: Die Ret tung MoseS auS den Wassern und Zigeuner auf der Reise kennzeichnen sich auf den ersten Blick al« Versuche, durch eine kindliche Stilisirung, eine Häufung der Linien und ihrer Durchscknridungrn und durch grelle Farbeneffrcte den Eindruck der Originalität zu erwecken, zu der dem Maler wahrscheinlich sonst alle« Zeug fehlt. Die Ausschreitungen der Manier der Pointillisten vertritt der Brüsseler THSo van Rysselbrrghe in seinen drei Bildern, die al« Abschreckungs mittel lehrreich wirken. Da- lebensgroße Portrait einer Geigerin, in deren Haltung und Charakteristik sich eia großes Talent verräth, verliert durch die Manier, Farbrapunct neben Farbenpunct zu setzen, so sehr, daß man es nur mit Un willen betrachten kann. Dasselbe gilt von dem Eaual in Flandern, dessen Motiv den Vergleich mit einer weit »ehr gelungenen Landschaft eine« Dre«daer Maler«. Paul Baum, nahelegt. Eine seltsame Art, die Dinge zu schildern, hat auch William Degouve de Nuncaue«, dessen Pfauen und rothe« Hau« eine Vorliebe für künstlichen Archaismus zeigen, die wohl wenige zu theilra in der Lage sein werden. Die Manier begegnet sich mit dem Stil der Dekorationen de« Ballete« vom Struwelpeter. Auch Willy Schlobach wird wohl den Gedanken auf-eben müssen, dem Empfinden des Volke« näher zu kommen, so lange er in der unendlich nüchternen Weise malt, wie sein Bild einer im Flusse schwimmende» gepanzerten Tobten zeiat. Weit überzeugender, wenn auch im Gegenstände ab stoßend , ist sein Bild einer die Sinnlichkeit ver körpernden Frau. Franz Melcher'« Londoner Blumen mädchen, eine Parade fast verhungerter und verwelkter Fraueagestalten in öden, grauen Gewändern, dürfte jeden Besucher London« vor dem Versuch warnen, auf der Straße Blumen zu kaufen. Auch die Bilder von Eugöne LaermanS sind, obwohl sie große malerische Feinheiten aufweisen, nur geeignet, die in weiten Kreisen vorhandene Abneigung gegen moderne Kunst zu verstärken. LaermanS will ein Verkünder der Notb der geistige» und der physischen, der unterdrückten Industriesclaven sein, und er drückt diese Notb nicht nur in einem abstoßenden Aeußeren aus, da« ja vielleicht zugleich Wahr sein könnte, sondern er geht über die Wirklichkeit hinaus, bi« zur directen Entwürdigung der Massen zum stumpfen Heerdenthier. In dieser Auffassung malt er einen Zug von Streikenden halb an« der Vogelperspektive, ein Gewirr von Hüten und Mützen, Kopftüchern und sonstigen Kopf bedeckungen mit Figuren darunter. Abgesehen von der grauen Abeudbrlnrchtuug steht die Wirkung diese« Bilde allein auf dem Stoff«, gerade im Gegensatz zu der von dem Moderaea sonst mit gutem Rechte verfochtenen Anschauung, daß e« in der Kunst weniger auf da« Wa« al« auf da« Wie ankomme. Dasselbe gilt, wenn auch nicht in dem gleichen Maß«, von dem von d«r königl. Gemälde-Galerie erworbenen Bild«: Ein Abendgebet, da« Arbeiter, Arbeiterinnen und Kinder beim Aveläuteu an einem See, in der Hauptsache von hinten, zeigt. Iedenfall« hat di« Kunst in diesen Bildern, in denen sie vor Allem darauf au«ging, die Notb der Enterbten demonstrativ zu schildern, ihr eigentliche« Gebiet verlassen. Ein solches Stadium in der Entwickelung mag kunsthistorisch vielleicht interrffaut sei» und wir mochten diese- kunst- biftorisch« Interesse als maßgebend für den Ankauf diese« Bildes ansehen. Unter den belgischen Malern muß hier noch ein Mal Constantia M «uairr -euauat werden, dessen wir bri Be sprechung der plastischen Abtheilung bereits eingehend gedacht haben. Wie er, so ist auch Henry Luyten-Antwerpen ein Ver- herrlicher der Arbeit. DaS ungemein kräftig und in großem Zuge gehaltene Bild der Ziegelarbeiterinnea wirkt vor Allem durch die Art und Weise, wie sich die Figuren Plastisch vom Hintergrund lösen. Zu dem jeden Beschauer rasch aefangennehmenden Bildern der belgischen Gruppe zählt vor Allem Evariste Carpentirr'S Genrebild: Die große Schwester, eine reizende Scene auS dem Kinderleben, in der die älteste Schwester in Abwesenheit der Eltern an den kleinere» Geschwistern hausmütterliche Pflichten übt. So wohl daS stimmungsvolle Interieur als die einzelnen Figuren bekunden die Hand eines Meister». Un gemein fein beobachtet und von humoristischem Reiz ist da« mit der zweiten Medaille ausgezeichnete große Bild: DaS Rauchzimmer im Versorghau« der Greise. Die Köpfe der alten, zum Theil schon halb verwitterten Ge stalten blicken uns voll Behagen über den Genuß deS Rauchen» au« dem mit blauen Wölkchen geschwängerten Raume entgegen, eine Scene von intimster Stimmung. Der Urheber dieses Bildes ist Pierre Iacane« Dierckx in Ant werpen. Der behaglichen Ruhe dieses Bilde« gegenüber wirkt der Besuch eines geistlichen Herrn bei einem kranken Bauern von Alexander Struy« doppelt ergreifend. Es spricht aus dem Bilde, da« die Wirklichkeit in ihrer stillen Größe zu erfassen versteht, eine innige Empfindung, die e« jede- Eommentar« überbebt. Besonder« glänzend aber ist Belgien in Dre«den auf dem Gebiete der Landschaft und der Tbier- malerei vertreten. Ein Hellmaler von außerordentlichem Können und dabei von poetischem Sinne ist Emile Clau« - Ast4nr. Man darf sich aufrichtig freuen, sein stimmungs mächtige« Bild: Der Brückenkahn von AfsnS in den Besitz der königl. Gemälde-Galerie übergehen zu sehen, der e« rur dauernden Zierde gereichen wird. Die lichten, farbigen Töne eine« Morgen», der im Sonnenschein glänzende Fluß sind mit ungewöhnlicher Zartheit und Echtheit wieder gegeben. Dieselben Vorzüge darf man drei anderen Bildern de« Meister-: Novembermorgen, Februar, Heller Wintrrtag nachrühmen. Sie alle sind z. B. den Hell malereien Claude Monets weit überlegen. Bekannter als Emile Clau« ist Franz CourtenS-Brüfsel, dem man auf deutschen Ausstellungen deS Oefteren begegnet ist. Seine große Landschaft: Ende des Herbstes (l. Medaille) gehört wobl zu den bedeutendsten der ganzen Ausstellung, sowohl was Größe der Auffassung al« feine Abtönung der Farben- werthe und Perspective anlangt. Ein zweites Bild von Courten«: Die Ammen, daS von dem städtischen Museum in Magdeburg angekauft worden ist, fesselt durch den Versuch, eine Reihe bunter Farben zu einem einheitlichen Colorit zusammenznfassen. Die Ammen sind — um Irrungen vorzubeugen — zwei stattliche Ziegen, die eben von einer Frau gemolken werden sollen. Die Vereinigung von Thier- und Landschaftsmalerei ist da« Feld, auf dem sich Jean H. LSonard de Haas-Brüssel einen Namen von längst bewährtem Klang erworben bat. Er ist in Dresden mit zwei größeren Bildern vertreten, die seine alten Vorzüge aufweisen. Durch eine kräftige, in sich ab geschlossene Bildwirkung zeichnet sich der MarktStagmorgen im April von Fran« van Leemputten-Anlwerpen auS. Hier sind endlich noch als Landschafter von gediegenem Können Albert Baertson-Gand und Franz B inzS-Brüssel zu nennen. Fast ebenso zahlreich al« die Belgier sind die Hollander vertreten. Es würde zu weit führen, die Bilder alle hier zu besprechen, zumal ihre Meister in der Hauptsache bereit« in Deutschland wohlbekannt sind. Wir nennen hier G. H. Breitner (Japanerin, Souvenir de Montmartre), Fr. I. du Cbattel mit seiner poetischen Darstellung eines Teiche- im Walde, H. W. Jansen, Josef Israels mit seinem duftigen und poetischen Bilde einer im Schatten eine« BaumeS mit ibrem Kinde auSruhenden Frau, Willem und Jakob Mari«, I. H. van Mastenbroek mit einer Ansicht deS Hafens von Rotterdam, Hendrik Will. MeSdag, van der Waay, dessen Bild deS Zuge« der Professoren in die Aula besonder« fesselt, endlich WyS- müller und Pieter Ioselin de Jong mit seinen Mora spielenden Italienern. Im Vrrhäitniß zu den Franzosen, Belgiern und Hol«
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