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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970818023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-18
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Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stund« früher. Anzeige» find stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von L Polz tu Leipzig Mittwoch den 18. August 1897. 91. Jahrgang. der einen und will man dort „vor- ES wird jetzt bekanntlich daran erinnert, daß der Kaiser dem Fürsten Bismarck wegen seiner Verhandlung mit Windthorst im März 1890 besonder» darum gezürnt habe, weil er, der Kaiser, gehofft habe, den adligen Flügel des Zentrum» zu sich hinüberzuziehen und so die Partei zu spalten. Daß Versuche dieser Art angestellt wurden, ist wohl Der Monarchismus in Frankreich läßt wieder von sich hören. An demselben Tage, an dem ein Mitglied des Hauses Orleans sich in der Nähe von Paris mit dem Grafen von Turin schlug und dadurch zweifellos der orleani- stischen Sache in Frankreich förderlich war, Haden sowohl die orlcanistische, wie die bonapartistische Partei in Paris ihre Anhänger um sich geschaart. Der 15. August, als der Geburtstag Napoleon s I., ist bisher immer nur von den Bonaparlisten gefeiert worden, die Orleanisten haben aber nun einen schönen Vorwand gefunden, um an demselben Tage ihre Getreuen zu versammeln und dadurch den Concurrenten um den Thron von Frankreich die Spitze zu bieten. Dir Gattin d«S derzeitigen orleanistischen Prätendenten, bekanntlich eine habsburgische Prinzessin, führt nämlich unter Anderem auch den Vornamen Marie, und so wurde der 15. August, der Tag von Mariä Himmelfahrt, benutzt, um den im fernen Ungarn weilenden Prätendentcnpaare eine Huldigung darzu dringen. Vergleicht man die beiden Festlichkeiten, so muß man sagen, daß die bonapartistischeKundgebung beiWeitem imposanter war. Es nahmen gut 2000 Personen an dem Festessen Theil, und bis in die Nacht hinein strömten immer noch neue Theil- nehmer zu. Die gelegentlich deS Festessens gehaltenen Reden zeichneten sich durch eine leidenschaftliche Heftigkeit gegen die Republik auS. Der Hauptredner deS Festes, Baron Legoux, sagte, daS französische Volk verlange einen Mann, um von ihm gerettet zu werben. Wovon solle es gerettet werden? Von der erlogenen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der gegenwärtigen Republik. Denn die gegenwärtige Regie rung bestehe aus Banquerotteuren, Panamisten, Marktschreiern, Schuften und Dieben. Man sieht,daß der bonapartistische Redner kein Blatt vor den Mund nahm. Um das Volk für sich ein zufangen, geberden sich die Bonaparlisten als die eigentlichen Demokraten. Es war interessant, daß sämmtliche Redner das Plebiscit verlangten, als die alleinige Form, in der der Wille des Volkes unverfälscht zum Ausdruck kommen könne. Wir glauben, daß die Bonaparlisten allerdings mit dem PlebiScit weniger erfreuliche Erfahrungen machen würden, alS Napoleon III. Dir Orleanisten, deren Versammlung nur von etwa 500 Personen besucht war, hatten sich ebenfalls bemüht, ein demokratisches Mäntelchen umzubängen, indem sie hauptsächlich Handwerker und deren Frauen zur Tkeil- nabme an dem Feste eingeladen hatten. Diese kleinen Leute fühlten sich natürlich sehr geehrt, mit einer Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. August. Die Berliner Polizei hat soeben rin unbegreifliches Verhalten an den Tag gelegt. Sie hat eine von Anarchisten einberufene Volksversammlung geduldet und ungestört zu Ende führen lassen, in der die Ermordung CanovaS' ver herrlicht wurde. Auch eine Tellersammlung für die auS- gewiesenen spanischen Anarchisten blieb unbeanstandet. Ter Anarchist Landauer bekannte, er fühle sich unsagbar klein gegenüber einem Manne wie Angiollillo, und ein anderer Redner äußerte: „Der Attentäter Angiollillo bleibt für mich «in wahrer Menschen« freund, der aut Liebe zur Menschheit zum Mörder geworden ist. Die staatserhaltende Presse hat ibn schon als Verbrecher beschimpft, als kaum die Seele deS Herrn CanovaS die HimmelSpforte erreicht hatte. (Beifall und Heiterkeit.) Die Handlung des armen Genossen, der nun sein Leben für seinen Racheact lasten muß, begreife ich vollkommen. So lange die Gesellschaft brutale Mittel gegen die Anarchisten anwendet, kann sie nichts Andere» erwarten." Es wird von keiner Seite bestritten, daß die Polizei in der rechtlichen Lage war, diese Versammlung zu verbieten, das preußische Vereinsgesetz spricht sich zu klar darüber aus. Warum ist diese Maßregel unterblieben? Speculirt man etwa auf die Unkenntniß des Gesetzes an und der anderen Stelle stellen" können: „Solche Tinge müssen wir dulden, weil die Nationalliberalen uns die entsprechende Waffe gegen derartige gefährliche Ausschreitungen verweigert haben"? Es scheint fast so. Denn in Pommern, wo es sich um durchaus loyale Versammlungen handelte, hat man sich des Vereinsgesetzes nicht nur erinnert, sondern sogar in dasselbe zu Gunsten der konservativen Partei und zu Un gunsten deS Vereins „Nord-Ost" hineingelescn, was nicht darin steht. Es läßt sich also nicht behaupten, daß Herr v. d. Necke zu den Leuten gehört, die aus Passion Waffen sammeln, aber niemals Gebrauch von ihnen machen. Es wäre mehr als verwunderlich, wenn der preußische Landtag sich nicht auf daS Angelegentlichste nach den Gründen der Unter lassung der Berliner Polizei erkundigte. AuS Nürnberg wird übrigens von einem ähnlichen Beispiel polizeilicher Connkvenz berichtet, daS insofern noch merkwürdiger ist, als der Beschwerde führer unseres Wissens der Chef der localen Polizei ist. Dort bat nämlich der Bürgermeister v. Schuh im Magistrat Aufsehen erregende Angaben über den Mißbrauch der in Bayern so loyal gehandhabten Vereins-, Versammlung-- und Rede freiheit gemacht, indem er eine geradezu an Verrücktheit grenzende Hetzrede eines Socialdemokraten verlas und die Hilfe des Staatsanwaltes gegen derartige Menschen in An spruch nahm. Der betreffende Socialdemokral nannte jeden fleißigen Arbeiter einen dummen Kerl und forderte ohne Umschweife die Zuhörer zum Diebstahl auf. Die Aus drücke, deren sich der Redner hierbei bediente, waren so gemeiner Art, daß sie kaum wiederzugeben sind. Auch ein zweiter Redner sprach in ähnlichem Sinne. ES ist zu beachten, daß Herr v. Schuh das bayerische Vereinsgesetz für ausreichend erklärte, um solche Schändlich keilen hmtanzubalten. Auch die „Münchner Neuesten Nachr." bemerken zu diesem Fall, wie zu dem regelrechten Aufruhr Münchener Steinträger, über den wir unten berichten, die Gesetzgebung brauche nicht bemüht zu werden, wenn nur die vorhandenen Gesetze angewendet werden. zweifellos. DaS Centrum machte aber bekanntlich bei den Wahlen von 1893 den Gegencoup, einen erheb lichen Tdeil der adligen Mitglieder hinauSzuwerfen, um so einer Spaltung der Partei vorzubeugen. Die damals begonnene Radicalisirung des CentrumS scheint jetzt fortgesetzt werden zu sollen. Dafür spricht die heftige Abwehr der gesammten CenirumSpresse gegen ein Schreiben deS Grafen HoenSbroech, in welchem er nachträglich für die Vereinsgesetznovelle sich erklärt. Es ist interessant, bei dieser Gelegenheit zu sehen, welche Fortschritte die Demo- kratisirung der CentrumSprefse gemacht hat. Der „West fälische Merkur" war früher ein weit rechts stehendes klerikales Organ; jetzt betont eS dem Grasen HoenSbroech gegenüber die Nothwendiakeit der Wahrung der politischen Rechte und Freiheiten, selbst wenn materielle Vortbeile darüber verloren gehen sollten. Es versteht sich von selbst, daß „Germania" und „Köln. Volkszeitung" noch viel schärfer mit dem Grafen ins Gericht gehen. Fast scheint eS, als habe daS letzte Stündlein des Grafen als CentrumSabgeord- neten geschlagen, und wer weiß, ob bei den nächsten Wahlen nicht auch noch der eine ober andere der nur noch wenigen adligen CenlrumSabgeordneten einem radikaler gesinnten Parteigenossen Platz machen muß. Selbstverständlich wird durch die Radicalisirung des Centrums die Möglichkeit des Zusammengehens der Regierung mit dieser Partei erschwert. Anzahl von Grafen und Baronen zusammenzuspeisen, und sie waren besonders glücklich, als die Ebrendame der Herzogin Marie von Orleans im Namen ihrer Gebieterin die Versicherung abgab, daß diese ihre hauptsäch liche Fürsorge den Armen zuweuden wolle, wenn sie erst als Königin in Frankreich einzöge. Krebsten die bonapartistischen Redner mit ihrer demokratischen Gesinnung, so ging der orleanistische Hauptredner Höuault mit Patriotismus und Frömmigkeit hausiren. Er wies darauf bin, daß die Herzogin Marie nicht nur eine Habsburgerin sei, sondern auch eine Prin zessin von Lothringen, und pries dies als ein günstiges Zeichen, denn für die Orleanisten seien der Begriff der Lilie von Frankreich unk der „des Kreuzes von Lothringen" untrennbar mit einander verknüpft. Tie gegenwärtige Republik zieb der Redner des Mangels an Patriotismus und führte als Beispiel an, daß von ter Enthüllung eines Denkmals für den verdienten General Miribel die Vertreter der Regierung sich fernhielten nur aus kleinlicher Nachsucht, weil eine Tochter des Generals Hofdame der — Herzogin v.OrleanS geworden sei. Selbstverständ lich betonte der Redner im Gegensätze dazu die große Verehrung der orleanistischen Partei für die Armee, „die große Hoff nung Frankreichs". Tie Republik stelle den Parieigeist über die Vaterlandsliebe, bei den Orleanisten herrsche der Cultus der Armee, die Religion des Patriotismus. Ebenso selbst verständlich wurde der Prinz Heinrich v. Orleans auf daS Ueber- schwänglichste gefeiert, und die Anspielung auf diesen tapfer» jungen Mann erweckte die größte Begeisterung auf dem orleanistischen Festabende, der im Uebrigen ziemlich matt verlief. Ein französisches Lustspiel: kerälaanä le uoveur (Ferdi nand der Schwerenöther) handelt von einem jungen Manne, der wider Willen allerhand Schwerenötherstückchen ausführen muß. ES scheint fast, als habe dieses Stück den Fürsten von Bulgarien zum Vorbilde genommen. Der gute Fürst ist in seiner, sagen wir, Friedlichkeit, wenig geneigt zu wagehalsigen Streichen, aber der vulkanische Boden Bulgarien- nölbigl ibn anscheinend zu den tollsten Sprüngen, um auf seinem Thrönchen das Gleichgewicht zu behalten. Vor etwas mehr als einem Jahre las man mit Erstaunen, wie der Fürst in einem Toaste in Rußland sich als eifrigen Slawen bekannte und sagte, die abendländische Cultur sei mit ihm fertig und er mit ihr. Jetzt ist er auch mit dem Siawenthum fertig und verwandelt sich in einen Türken, weil er sich auch von Rußland keine Förderung mehr verspricht, sondern sein Heil einzig und allein iizi engen Anschluß an den Sultan sieht. Wahrscheinlich bat der König von Rumänien in Sinaia, wo er kürzlich den Besuch de- Fürsten erhielt, diesem deutlich durchblickcn lassen, daß auch er keine Lust habe, die bulgarische Zaun königpolitik zu unterstützen; wenigstens hat, wie jetzt herauS- ksmmt, Fürst Ferdinand erst in Sinaia seinen Plan, nach Konstantinopel zu gehen, gefaßt. Mit der Türkei sucht er jetzt zu erreichen, was er früher gegen sie nicht erreichen konnte. Mit einer Armee von „100 000 bulgarischen Helden" will er sich nicht mebr „drücken", und als stärkster Vasall keS Sultans glaubt er mehrBeachtuug zu finden und eine glänzendere Zukunft zu haben,wie als kleiner Fürst, der von den großen und kleinen Mächten Europa- dock nur überdieAckseln angesehen wird. Wir fürchten nur, daß ver Fürst auch damit, daß er sich dem Sultan in die Arme wirst, kein Glück haben wird, denn Abdul Hamid ist noch um ein gut Theil schlauer als er und verzichtet lieber auf einen so unzuverlässigen Bundesgenossen. Wenn Fürst Ferdinand aber sieht, daß er auch beim Sultan nicht auf Unterstützung rechnen darf, so wird er wohl schon den Schab von Persien oder den Emir von Afghanistan mit dem Angebot seiner Bundesgenossenschaft beglücken müssen. Seitdem Dscbewad Pascha auf Kreta angekommen ist, fließen die Nachrichten von dort ziemlich spärlich. Am Mon ¬ tag meldete der Trabt auS Kauea, daß der Lsterreickisch- ungarische Admiral im Namen der Admirale der Mächte eine dringende Aufforderung an die Aufständischen richtete, angesichts der Leiden der eingeschlossenen Mohammedaner in eine Erweiterung der internationalen Zone um Kandia herum zu willigen. Welche Antwort die Aufständischen hierauf ertheilt haben, ist noch nicht bekannt. Jetzt kommt aus London die Drahtmeldung, daß eine Ab- tbcilung von 24 Mann den Befehl erkalten habe, nach Kreta abzugeben, um die dortige britische Gebirgsbatterie zu ver stärken. Beide Nachrichten zeugen dafür, daß die Lage auf der Insel ernst ist, und ein brieflicher Bericht der „Kölnischen Zeitung" auS Kanea bestätigt dies. Darin heißt es, man glaube dort auf einem Pulverfasse zu sitzen. Die Torpedoboote der europäischen Kriegsschiffe bewachen die Küsten der Insel scharf und die fremden Truppen halten sich stets alarmbereit, um sich im gegebenen Augenblick auS der Stadt durck Haleppa nach Akrotiri zurückzuziehen, damit die Stadt bombardirt werden kann. Die Italiener haben bereits ihre Munition und Mundvorräthe nach der äußersten Spitze von Haleppa geschafft, und sämmtliche Osficiere sind von dem Obercommanko aufgefordert worden, ihre Habseligkeiten gepackt zu halten. Nachdem gar einige Consuln ibre Landsleute ernstlich haben warnen lassen, räumt und flüchtet Alles. In Kandia sind von Neuem blutige Streitigkeiten aus gebrochen, die einigen Christen das Leden kosteten. Mil jedem Tage werden die mohammedanischen Auswanderer in den Städten gefährlicher. ES kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß alle diese Erscheinungen mit der Ankunft Dschewad Paschas auf Kreta in Zusammenhang stehen. Er ist vom Sultan zwar nicht zum Vali, sondern nur zum Militair- comuiandanten ernannt worden, wodurch seiner officiellen Tkätigkeil engere Grenzen gezogen sind; dazu kommt, daß eie fremden Admirale und die Consuln darüber wachen, daß er die ihm gezogenen Schranken nicht überschreite. TaS bindert jedoch nickt, daß die mohammedanische Bevölkerung in rinem so hoben Wüdenlräger den neuen Vali erblickt, und dies trägt dazu bei, den Trotz der Mohammedaner und ihr Ver trauen auf ihre Sacke zu stärken. Zur Verwirklichung ter auf Kreta einzuführenden BerwaltungSreform bat Dschewad noch nicht einen Schritt gethan, und man darf sicher sein, daß er an dieses Werk nicht eher herantreten wird, als bi- die Friedensverbandlungen zu einem der Pforte genehm er scheinenden Ergebniß geführt baden. Wann aber werden die Friedensverhandlungen, die jetzt schon zwei Monate andauern, zu einem gedeihlichen Ende gelangen? Bis dahin kann sich die Lage auf Kreta sehr leicht so zuspitzen, daß die Mächte sich entschließen müssen, entweder größere Truppen nach der Insel zu entsenden oder wieder türkische Truppen kommen zu lassen. Deutsches Reich. Leipzig, 17. August. Der Landesverein der Hausbesitzer im Königreich Sachsen wird am 21. und 22. d. M. seine diesjährige Jahresversammlung in Meißen abhallen. Dieselbe gewinnt, abgesehen von anderen Puncten der reichhaltigen Tagesordnung, dadurch ein all gemeineres Interesse, daß die Stellung deS Vereins zu den sächsischen Landtagswahlen einer besonderen Erörterung unterzogen und ein entsprechendes Programm bestätigt werden soll. Dieses Programm, auf welches die LandtagS- candidaten verpflichtet werden sollen, enthält folgende Forderungen: 1) Die Staatsgrundsteuer ist eine Sonderbesteuerung, die ent weder ganz beseitigt oder wenigstens injoweit ermähigt werten muß, als der Staat selbst zu seinen eigenen Ausgaben derselben nicht bedarf; 2) bei einer demnächstigen Reform der staatlichen Steuern, bezwiehungSweise einer Ueberweisung der Staatsgrund- steuer an die Gemeinden, ist dafür zu sorgen, daß die Feuilleton» „Harmoniken". 19) Roman von A. Fischrr«Löhrr. Ille ReLte vortebaltea. DreiundzwanzigsteS Eapitel. Der Sommer war schon halb vergangen, und noch immer war Fürst Schwarzenburg nicht in Eberstein. Die Gräfin fühlte sich gekränkt, Graf Lothar schüttelte den Kopf über sein Ausbleiben und Renate lebte in täglich sich vermehrender innerer Unruhe dahin, die sie sogar auf das Kind übertrug. Die kleine Clarissa, die im kurzen Kleidchen die ersten Stehversuche machte, wurde fast fieberhaft lebendig. Schloß Eberstein hatte sich au» seiner Trauer berau-geschält; man war wieder gesellig geworden. Und doch feblte etwa- zum wirklichen frohen Genuß, etwa» Unausgesprochene», da» jedem Einzelnen um so fühlbarer wurde, als er sich bestrebte, nichts davon merken zu lassen. Die Frühlingsblumen, die mit der ersten Schnepfe an Renate gekommen waren, hatte man in Eberstein al-«in gute» Zeichen für de- Fürsten GemüthSzustand ausgenommen. Der Fürst hatte nach einigen Wochen noch einmal an den Grafen geschrieben, und seitdem war keine Nachricht mehr von ibm gekommen. Auch fiel e» Renate auf, daß Graf Feilath wie ver schollen war. Im Mai batte er bestimmt kommen wollen, al- sie ihm in Florenz zum Abschiede die Hand reichte. Er war in Schwarzenburg gewesen, al« der Fürst zuletzt geschrieben batte, um mit diesem auf die Jagd ^u gehen. E« war an einem bellen, schönen Morgen, al» sie, durch Traume geängstigt, früh erwachte. Die Stutzuhr auf dem Kaminsimse zeiate kaum sechs Uhr. Vom Nebenzimmer, da« nur durch eine PortiSrr von ihrem Schlafzimmer getrennt war, hörte sie daS Stimmchen be wachen Kinde-. Sie kleidete sich an und öffnete da- Fenster. Eine Fluth von Licht und Morgenfrische strömte zu ihr herein. Einen Augenblick blieb sie still sieben und blickte hinaus auf die vom Sonnenlichte Lberflutheten Bäume deS ParkeS. Dann ging sie in da- Kinderzimmer. Die Kleine lag zappelnd auf einem Kiffen vor der Kinder frau, die sie anarzogen hatte. Die Comtesse nahm daS Kind, da» bei ihrem Eintritt sofort mit den Aermchen nach ihr langte, auf ihren Arm und trug e» hinunter in den Park. Sie liebte e-, da» Kind im Freien umherzutragen, wenn der Thau noch an den Gräsern hing und die Luft so morgen frisch und staubfrei war. Sie behauptete, diese» Svnnen- und Luftbad wäre ihnen beiden bester al- alle Pflege. Die Kleine gedieh auch vortrefflich dabei, war rund und gesund und fröhlich wie ein Vögelchen. Renate war heute mit dem Kinde auf dem Arm« weit gewandert. ES hatte ihr durch häßliche Träume erregte- Herz be sänftigt. Ermüdet nahm sie zuletzt auf einer Bank Platz, die an dem breiten Hauptwege stand, der auch als Fabrweg benutzt wurde. Wie sie da saß und den Weg entlang blickte, wunderte sie sich, frische Wagenspuren darauf zu sehen. Sollte der Onkel schon auSgefahren sein? Da die Kleine nicht stillsitzen wollte und Renate noch zu müde war, um weiter zu gehen, pflückte sie einige Blätter von dem Unterholz», da- neben der Bank sproßte, und ließ da« Kind damit spielen. Sie paßte auf, daß «- nicht rin Blättchen in den Mund steckte, und darüber entging ihr, daß rin Wagen vom Walde in den Parkweg rinbog. Sie blickt« erst auf, al- da- Kind da- Köpfchen mit allen Zeichen der Aufmerksamkeit dem Wege zuwandte. Al- Renat« jetzt den Wagen endlich sah, hielt dieser nicht weit vou idr. Vom Bock herunter klettert« langsam rin Mann. E» fi«l ihr auf, daß die« recht steif und ungeschickt vor sich ging. Wer es nur sein mochte? Der Wagen war des Güterdirectors kleine» Cabriolet, aber der Director war eS nickt, der abstieg. Der Wagen fuhr, vom Kutscher gelenkt, weiter und kam an Renate vorbei. Das Kind schmiegte sich ängstlich an sie an. Sie selbst stand auf. Etwas unwillig über den Herrn, der näher kam und sie störte, obgleick für Fremde das Betreten des Parkes nicht gestattet war, blickte sie noch einmal zu ihm hin. Ihre Augen wurden starr. Sie fuhr mit der freien Hand darüber und blickte wieder hin, und nun war es ihr kein Zweifel mehr: der matt daherkommende Mann war Fürst Schwarzenburg. Sie machte ein paar Schritte ibm entgegen, aber sie schwankte selbst und mußte sieben bleiben. Eine unbeschreibliche Angst packte sie. „Renate I" rief nun der Fürst leise. Sie machte wieder ein paar Sckritte auf ihn zu und be merkte dabei, wie er mit seinen Händen nach einem Halt suchte, als fürchte er zu fallen. Er griff nach einem Baum stamme am Wegrande und lehnte sich daran. Jetzt kam Leben in sie hinein. Sie flog auf den Fürsten zu. „Um Gotte- willen, TituS, Sie sind krank!" Sie sah ihn mit tiefem Mitleid an. Mit der freien Hand haschte sie nach der seinigen, die schlaff herunterhina, und legte sie auf ihre Schulter. „Stützen Sie sich", bat sie ängstlich, „ich führ« Sie zur Bank." Er rang nach Worten. „E- ist nicht-. Die Nachtfahrt bat mich ermüdet." Stockend und abgebrochen kam e» über seine Lippen. „Ich komme direct von Wien." „Von Wien", wiederholte Renate, ohne zu wissen, waS sie sagte. Dann fuhr sie auf. „Aber Sie waren krank, und wir hier wußten nicht»." Er schwieg. Er wußte ja ganz genau, wie er au-sah. Unzählige Male hatte er sich in der Nacht im Schlafwagen in dem kleinen Spiegel betrachtet, um zu ergründen, ob man ihn wirklich erkennen würde mit seinen eingefallenen Wangen und den fiebernden Augen. Diese letzten vielen Wochen im Krankenbause zu Wien hatten ihn entstellt. Er wußte, er war nur noch ein Schatten jenes Mannes, den man in Eberstein gekannt hatte. Renate bat nun auch nicht länger. Sie hielt seine Hand auf ihrer Schulter fest und zog ibn zur naben Bank. „So", sagte sie dann aufathmend, „nun setzen Sie sich und ruhen sich aus. Erst dann sprechen wir Weiler." Sie setzte sich nun auch und nahm die Kleine in den Schooß. Wie schwer sie ihr geworden war! Ihr Arm zittert- ordentlich, al» der Fürst das Kind wortlos zu sich herüber« zog und eS küßte. Sie schaute ihm stumm zu. Es fiel ibr auf, daß seine Liebkosung für sein Kind etwa- Unsicheres an sich batte, als wäre er innerlich mit etwas ganz Anderem beschäftigt und suckle nack rinem Ausdruck dafür. Plötzlich schob er ihr da- Kind wieder zu und sagte mit einer heiseren Stimme: „War Graf Feilath bier?" „Nein", entgegnete sie zögernd. Die Frage muthele sie seltsam an. „Gott sei Dank!" Seine Stimme sank zum Flüstern herab, während er mit glanzlosen Blicken in den Park starrte. „Ich habe mich nicht mebr halten lassen, seitdem ich er- fahren hatte, daß JanoS geheilt und von Wien abgereisl sei. Wenn er hierbei gekommen wäre, Renate, und Sie . . .' Er biß sich auf die Lippen und wandte ibr da- Gesicht zu. Ein unheimliche-, irre-, flackerndes Feuer blitzte in seinen Augen auf. „Wenn ich ihn hier angetroffen hätte, diesmal würde ick ibn tvdtgeschossrn haben", fubr er leidenschaftlich erregt auf und wischte sich die fruchte Stirn trocken. Renate zitterte. Sich selbst zum Schutze drückte sie da- Kind an sich. DaS also war eS gewesen, weSbalb beide Männer wie verschollen gewesen waren: ein Duell zwischen den Jugend freunden, und Beide waren verwundet worden.
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