01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970819011
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081901
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-19
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Neclameu unter dem Redactiousstrich (4 a» spalten) üO^j, vor den FamiUrnnachrichtr» (ggejpalteu) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zifferosatz nach höherem Taüj. Eptra-Beilagen (gefalzt), nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun- 60.—» mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Antigen: Abeud-Au-gabe: Bormittag- 10 Uhr. Marge n«AuSgabr: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig 91. Jahrgang. Das deutsche Heer — eine Pflegstätte der Trunksucht? In der „Internationalen Monat-schrift zur Bekämpfung der Trinksitten", Mai 1897, befindet sich ein Aufsatz, dem die Ueberfchrift gegeben ist: „DaS deutsche Heer, eine Pfleg stätte der Trunksucht". Hierzu wird der „Soz.-Eorr." von militairiscker Seite geschrieben: „Es ist für den Einzelnen außerordentlich schwer, sich ein Urtheil über das deutsche Heer zu bilden, wenn ihm nicht in einer bevorzugten Stellung Gelegenheit geboten ist, mit Truppengattungen aller ArmeecorvS in Berührung zu treten. Denn die Armee ist zu groß, die Verhältnisse in den einzelnen Ländern, ja in den einzelnen Regimentern sind zu verschieden, um nicht ohne Einfluß zu bleiben. Aber man wird in erster Linie geneigt sein, zu sagen: daS deutsche Heer geht au» dem deutschen Volke hervor, in dem verderbliche Trunkgewobn- heiten herrschen, und diesen Gewohnheiten muß man sich innerhalb des engen Truppenverbandes noch viel mehr unter werfen. Diese Behauptung bedarf einer Richtigstellung. Nach einer 30jährigcn Erfahrung kann ein einigermaßen selbstständiger Charakter sich jede Eigenart bewahren, die mit den allgemeinen militairischen Principien nicht im Widerspruch steht. Diese Principien verlangen durchaus nicht eine „Pflegung" der Triukgewohnheiken. Man kann sich nicht princpiell von den kameradschaftlichen Vereinigungen und Festlichkeiten ausschließen, aber man kann an ihnen theil» nehmen und sich dabei das Maß deS Trinken» Vorbehalten. In einzelnen Perioden, namentlich nach den großen Kriegen, mag hier und da zu viel getrunken worden sein, aber cS wurde dem auch wieder gesteuert, oder vielmehr, eS regulirte sich von selbst. Dir Gewohnheit de- ZutrinkenS war früher nicht allgemein in der Armee, sie ist nicht bloS in der Armee verbreitet, und hängt zusammen mit dem sich steigernden Consum starker Biere und dem Eindringen der namentlich an den Universitäten herrschenden Trinkgewohnbeiten in die Armee. Auch das Institut der Freiwilligen ist hier nicht ohne Ein fluß. Alles dies ist nicht zunächst der Armee in die Schuhe zu schieben; sie hat vielmehr ein Interesse daran, sich dagegen zu wehren. Vielfach gehen dir Klagen über da- viele Trinken von Freiwilligen, noch mehr von deren Däkkrn auS. E- mögen da Mißstände vorliegen, aber denen, die in falschem Ehrgeiz, einem vermeintlichen Herkommen entsprechend, sich im Trinken überbieten, kann das Verhalten Vieler entgegen gehalten werden, die, mit geringen Mitteln versehen, oder über eine größere Selbstständigkeit verfügend, sich einfach nach ihrer Decke strecken, gut durch ihre Militairzrit kommen, und die deshalb nicht über da- zu viele Trinken klagen. Von einer, den Einzelnen in seiner Freiheit behindernden „Pflegt oder Förderung des Trunk«" in der Armee kann nicht dre Rede sein. Wohl aber ist bekannt, daß schon unter Kaiser Wilhelm I. die Verabreichung von Kaffee statt deS Branntwein» in der Armee üblich geworden ist. Wie eS ja auch in dem Artikel gesagt wird, daß eine Vorschrift bestehe, bei den größeren Feloübungen die Feldflasche mit schwarzem Kaffee zu füllen. Meiner Erfahrung nach werden vor Antritt deS Märsche häufig die Feldflaschen revidirt, vorgefundener Branntwein wird einfach wragcschüttet, und in Wiederholungsfällen werden die Betroffenen di-ciplinarisch bestraft. Trunken heit im Dienst wird stet- bestraft und gilt nie al- straf mildernd. Auch Trunkenheit außer Dienst kann diS- ciplinariscb geahndet werden. Es walten also im Heere im dienstlichen Interesse nothwendige Bestrebungen ob, dem Trünke entgegen zu wirken, wie da- in Civilverhältnissen nicht stattsinden kann. Darauf weist auch ein in dem ungezogenen Hefte der „Internationalen Monats schrift" Seite 153 enthaltener Aufsatz hin, der eine Abhand lung de« Oberstabsarztes l)r. LeitenSdorfer behandelt: „DaS militairiscde Training auf physiologischer und praktischer Grundlage." Man ist bei der Oberleitung de- Heeres sicher lich nickt in Zweifel über die Bedeutung der Alkobolfrage für da« Heer, nur daß, wenn man sich mit dieser Frage be schäftigt, der leitende Grund und Gesichtspunkt nicht dir Mäßig keit, sondern die Leistung-fähiakeit der Truppen ist. Bezüglich der Aufgaben der Heere-Iritung herrschen in Civilkresten vielfach nicht zutreffende Vorstellungen. Se. kgl. Hoheit der Großberzog von Baden, dem jedenfalls hervor ragende Gelegenheit geworden ist, da- deutsche Herr zu beobachten, hat, wie ia dem Artikel hrrvorgehoben wird, die Militairzeit eine Schule für daS Leben genannt. Der Autor sagt selbst: man lerne beim Militair sich selbst und seine Fehler beobachten, man werde zur Selbstbeherrschung erzogen, man stäble seinen Körper, ja er spricht sogar von Vorbeugung der Raffrnverschlechterung. Alle- die- müßte ja seine Bedeutung verlterrn, wäre die Armee „eine Pflegstätte der Trunksucht". Welcher Art auch die erziehlichen Aufgaben der Commando- behörden seien, der Zweck derselben kann immer nur Stei gerung der kriegerischen Leistungsfähigkeit sein. Der Aufgaben in dieser Beziehung sind so viele, daß eS schwer ist, allen innerhalb der kurzen Dienstzeit zu genügen. Es kann nicht verlangt werden, ihnen weitere, dem erwähnten Zweck« fremde Aufgaben hinzuzufügrn. E- muß dahin gewirkt werden — und da» geschieht —, daß der Trunk nicht daS Interesse de- DienstrS irgendwie benachtheilige; aber es ist nicht die Auf gabe eine- Commandeur«, allen denen, die mit der Anlage oder der Neigung zum Trünke in die Armee treten, da- Trinken abzugewöhnen. Dagegen muß e» einem der Armee ferner Stehenden un benommen bleiben, feine jüngeren Mitbürger, die in der Armee dienen, auf die Schädlichkeit de« AlkobolgenusseS auf merksam zu machen und dadurch mit dahin zu wirken, daß dem Alkobolgenuß auch in diesen Kreisen möglichst gesteuert werde. Dem Urtheil de- Autor- gegenüber, daß die meisten Ver stöße gegen die Manneszucht Folgen deS Trünke- seien, kann ich, der ich während eine- Zeiträume» von 13 (eigentlich, die Abjutantenzeit mit eingerechnet, 25) Jahren Einsicht in Straf bücher gehabt, Strafdücher selbst geführt oder durchgesehen habe, die Versicherung geben, daß ich diese Beobachtung nicht gemacht habt. E» ist die» Wohl eine Folge der bestehenden dienstlichen und di-ciplinarischru Anordnungen in Bezug auf den Trunk." Äus Friedrichsruh berichtet di» „N. Fr. Pr." nach einrm Telegramm der „Magdrb. A." Nachstehende«: Di» hrutig»» Lonservattven kn Preußen charakterisirt Fürst Bt-marck wie folgt: „Di« Gerlach und S^ahl sind beut zu Tage nicht mehr anzntreffen, die hatten wirklich noch ihre Ideale vom conservatlven Staatswesen und gingen ihnen nach. Heut zu Tage hat Streberrt Alle- verdrängt. Der Line will Be- fördrrung in seinem Amt», man will doch nicht ewig Landrath bleiben. Der Andere wünscht eine höher» OrdenSclasse zu erhalten. Der Dritte erstrebt auf Wunsch seiner Frau Einladungen zu Hoffrstlichkeiten. Der Vierte möchte dem Avancement sein«» Sohne» sich förderlich erweisen, und so geht eS fort. Ich will nicht sagen, daß diese Charakteristik auf all» Tonskrvativrn im Lande zutrifft, ich habe mehr die Führ«» im Auge, welch« heut zu Tage «influß- reicher sind, al- sie e» jemal» waren. Uebrrhaupt muß man zwischen den einzelnen Mitgliedern, welche rin» Fraktion bilden, und der letzteren al» solcher unterscheiden. Do» ist so, wie e» da» bekannte Wort au-drückt, da» einmal «ia königlicher Herr ausgesprochen hat, al» er In kritischen Zeiten direkten Verkehr mit Parlamentariern gehabt hatte. Wenn man mit Einzeln»« spricht, ist e» jede-mal «in gauz vernünftiger Kerl, mit dem man sich verständigen kann »nd mit dem aus« zukommen ist; sowie sie aber zusammenkommen, sind e« Rackers. Sonst ist auch ein gewisser Neid «ine hervorstechende Eigenschaft meiner Standesgenoffen. Der Junker vt«l« haben mir «S ntrv»rztihen,daßich, derkleineVutöbisitzervonKniep- hof, vorwärt» gekommea bin, während sie da« bit«b«n, wa» st« waren. Eia guter Theil de» Declarantenthum- war seta»r Zeit darauf zurilckzuführen." Zu d«n neulich erwähnten postalischen ReminiScenzen de» Fürsten sind noch folgend« Nachträge zu machen: Der Fürst sprach von der Zeit, al» er noch preußischer Bundestogsgesandter in Frankfurt war, da sei es mit dem Briefgeheimniß auch eine solch« Lach« gewesen. Er hab« sein«» ausläadischrn Collegen, wenn sie ihm Briefe zur Mitbeftellung durch den preu» ßischni E»uri«r übergeb«» wollten, direkt abgerathen, es zu thun, da «r nur, wenn er persönlich mit den Briefschaften reiste, die aötbige Garantie übernehmen könnte. In anderen Ländern sei «S noch schlimmer gewesen, namentlich auch in Oesterreich. Ein österreichischer Minister, demgegenüber er sich einmal über die ersichtliche Verletzung eine- Briefes beschwert hatte, habe mit Bezug aus den betreffen- den Beamten, dem die Schuld dabei zugefallen sei, geantwortet: I, den ungeschickten Kerl müssen wir doch gleich wegjagen. In Rußland sei früher wenigstens die Oeffnung gewisser Briefe, bevor sie an den Adressaten gelangten, ganz selbstverständlich gewesen. Höchst charakteristisch dafür war, wa« der Fürst in dieser Hinsicht von einem der früheren Zaren erzählte. Dieser habe sich gelegentlich darüber beklagt, daß seine Vettern ia Deutschland in ihren Torre- spondenzen nach Rußland so viel Ungünstige- über ihn schrieben und dann hinzugefügt: „Damit ich es ja ganz gewiß erfahre, schicken sie ihre Briefe sogar durch die Post." In diesem Zusammenhänge kam dann der Fürst auf die Russen im Allgemeinen zu sprechen, auf ihre nationalen Tigenthümlichkelten, ihre Schwächen und ihre Vorzüge. Regelmäßig wiederholt der alte Kanzler dabei. Laß man auf da-, was die russische Presse schreibt, nicht so viel Gewicht legen dürfe; e» seien vorwiegend polnische und französische Einflüsse, dir dabei maßgebend seien. Beide Nationalitäten seien an Störung oder Verhinderung eines guten Verhältnisse«! zwischen Rußland und Deutschland gleich stark interessirt. Die Franzosen wirkten hauptsächlich durch di« Finanz kreise auf dir russische Press« ein, die Polen durch ihre größere journalistische Geschicklichkeit und durch ihre Begabung für politische Intrigurn. Der Russe selbst sei immer nur Russe, und zwar in jeder Hinsicht, auch in Sprache und Schrift sei Alle- consorm. Jeder Rüste spreche ein gute- Russisch, da- nämliche wie der Zar. Auch die Schrift sei ganz gleichmäßig. Ob man einen geschriebenen Bericht au- Sibirien oder von Odessa lese, r« sei immer genau dieselbe Au-druck-wrise und Schrift, letztere wie gestochen. Auch auf die deutschen Nationaleigenthümlichkriten kam die Rede. Der Fürst bemerkte unter Anderm, wir seien eigentlich immer noch eine Unterosficiersnation. Jeder sei auf die Tressen erpicht. Durchschnittlich habe jeder im öffentlichen Leben Stehende nur da- Maß von Selbstgefühl, da« seiner staatlichen Abstempelung, seinen staatlichen Rang» und OrdenSverhältnissen entspreche. Au-nahmen seien rühmlich, aber selten. Weiter führte der Fürst aus, daß die heutigen Parteien in Deutschland doch kaum noch da« vorhandene Bedürfniß deckten, weil die- vorwiegend wirthschaftlicher und social politischer Natur sei. Auch auf den neulichen Besuch de- Vorstandes des Bundes der Landwirthe kam dabei die Rede. Der Fürst bestätigte dabei, daß er seine Uebrrzeugung dahin resumirt habe, il kaut gue Ia leekeroks cks Ia kraetion soit intsräits. Wenn man etwas auf wirthschaftlichem Gebiete erreichen wolle, müsse man die politischen Unterschiede, die einstweilen nicht in Betracht kämen, zurück stellen für spätere Zeiten. Wenn der Landwirth etwas erreichen wolle, dürfe er den, der ihm zu helfen bereit sei, nicht erst fragen: Welcher politischen Fraktion gehörst Du sonst an? DaS müsse ihm zunächst egal sein; davon nach Neune, wie die Berliner sagen. Neulich kam die Rede bei Tisch» auch auf den Besuch von Nordserbädrra. Einer der Herren äußert» die Absicht, nach Borkum zu gehen. Der Fürst meinte, auf Borkum sei er nie gewesen, aber auf der benachbarten Insel Norderney, dort sei er auch einmal mit dem letzten Könige von Hannover zusammen- getroffen. Damal- wie bei anderen Gelegenheiten habe er LaS stete Bestreben des hohen Herrn wahrgenommen, sein Sehunvermögen thunlichst zu cachiren. ES sei ihm er innerlich, daß der König zum Beispiel mit ihm ausführlich über die Toilette einer im Saal« anwesenden Dame gesprochen habe, die er natürlich nicht sehen konnte, die er sich aber vorher genau habe von feinem Adjutanten beschreiben lassen. Im Gespräche habe der König die Eigenthümlichkeit gehabt, Einem immer näher auf den Leib zu rücken. Man sei dann immer ge- nvthigt gewesen, sich allmählich rückwärts zu concentriren, bis man auf dieser Linie schließlich an irgend «in Hinderniß gestoßen sei und nicht weiter gekonnt habe. Der König habe dann erst, wenn er beim weiteren Borschreiten die Fußspitzen seines Gegenüber« berührte, die Situation erfaßt und sich durch eine geschickte Wendung aus derselben hrrausgezogen. An der nämlicheu Frühstück-tafel kam da« Gespräch auf Alt- Berlin, der Fürst erzählte von allem Möglichen, unter Anderm auch von einer früheren dort sehr bekannten Persönlich keit, dem alten Theaterdirector Cerf. Das sei ein höchst merkwürdiger Herr gewesen. Geschriebenes habe er überhaupt nicht lesen können. Einmal sei ihm bei Tisch ein eiliger Brief übergeben worden, der sofort Antwort erheischt habe. Cerf habe ich die Aufschrift eine Weile besehen, daran wohl den Absender erkannt und dann den Brief seinem Nachbar init der Bemerkung übergeben: „Aha, der ist ja von dem komischen Kerl, dem ich kann seine Handschrift nicht lesen; sehen Sie doch mal nach, was er eigentlich von mir will. Im Anschlüsse hieran erzählte der Fürst folgende Anekdote von Cers: Ein Tischgast habe im Hause Cers's folgende- Räthsel ausgegeben: „Das Erste ist unser Wirth, daS Zweite ist der Name unserer Wirthin und das Ganze steht auf dem Tisch". Da sei Cerf doch indignirt gewesen, daß man an seiner eigenen Tafel derartige Räthsel auf gebe. Die Lösung sei ja ganz klar: Assiette, seine Frau hieß nämlich Jette, nnd waS da für ihn übrig bleibe (Aas). Dafür müsse er sich doch bedanken. In Folge seiner mangelhaften orthographischen Kenntnisse war ihm Las Fehlen des einen A ganz entgangen, worauf der Räthselgeber, der ungefähr eben so stark in der Orthographie war, ganz entrüstet erklärte, er habe nicht Assiette, sondern Terfiette (Serviette) gemeint. Deutsches Reich. * Leipzig, 18. August. Man schreibt uns: „Die nerven- ersckütternde Schilderung der für zahlreiche Reisende so schrecklich verlaufenen D-Zugsentgleisung bei Eschede auf der Hannover-Hamburgischen Bahn darf Niemand, der irgend wie Einfluß hat, nur mit Bedauern hinnehmen. E« ist viel mehr für ibn zur eigenen Abwehr und zur Vertheidigung seiner Angehörigen und Mitmenschen eine heilige Pflicht, daraus hinzuarbeilen, daß, soweit eS irgend möglich ist» solche Unfälle vermieden werden. Es ist bei zahlreichen Unfällen festgestellt worden, daß mangelnde Aufsicht oder mangelnde Aufmerksamkeit dir Veranlassung gewesen ist, und daß die Ursache solcher Nachlässigkeit vielfach in Ueberlastung oder in Verwendung von Persönlichkeiten im Dienste gelegen bat, deren geistige Spannkraft überhaupt nicht hinreichte, um sich der Größe der Verantwortlichkeit für ihre vielleicht an sich einfachen Tienstvcrrichtungcn voll bewußt zu werden. Hier ist die Verwendung nur zweifellos geeigneter Kräfte und ihre Benutzung ohne jede Ueberanstrengung lediglich eine Geldfrage. Es muß mit aller Energie daraus gedrungen werden, daß hier endlich allgemein ein gründlicher Wandel erfolgt. Die jenigen Beamten, von deren Dienst das Schicksal eines Eisenbahnruge» abhängt, müssen tüchtige, intelligente Personen sein, die man auch entsprechend zu bezahlen hat. Aber nicht nur da» Sparen an Löhnen, sondern auch Sparsamkeit in allen anderen Punkten, die irgendwie mit der Sicherheit de« Betriebe- in Verbindung stehen, muß auf das Aeußerste bekämpft werden. Der Nichtfachmann kann kirr direkt nickt viel thun. Es würde aber der Sache dadurch beizukommen sein, wenn durch ein besonderes Reichsgesetz für alle Beschädigungen durch Eisenbabnunfälle reichliche Entschädigungen zugedillizt würden. Die Angehörigen (Erbberechtigten) eine- durch Eisen bahn zu Tode gequetschten talentvollen jungen Mannes, dessen Ausbildung eine Summe von Mühe, Opferwilligkeit und Capital gekostet hat, erhalten nach dem jetzigen Reckte, wenn er nicht als Versorger qualificirt werden kann, keine Ent schädigung! Durch die Einführung der Entschädigung auch in solchen Fällen würde dem Bestreben, durch Ersparnisse an Lohn und sonstigen Ausgaben die BetriebSüberschüsse zu er höhen, ein wirksames Gegengewicht geboten werden. Wie oft schon haben bei Eisenbabnunfällen die Insassen von Wagen, die nicht durch Seitenthüren, sondern nur von vorn und hinten zugänglich sind, zu ihrem Entsetzen die Wahr nehmung gemacht, daß sie au« solchen Wagen nicht oder nicht schnell genug sich zu retten vermögen. Haben doch vor einigen Jahren die Insassen eines solchen Wagen« weil die allein als Ausgang vorhandenen Fenster vermöge der im Innern angebrachten eisernen Schutzstanzen gegen das Hinauslehnen das Herausklettern unmöglich machten, vor den Äugen der außen Befindlichen im Wagen, bevor Löschung ^eirrHetsiir» General Enrico Morozzo Della Nocca, ein Arenud Dtetvr Gmannel's s. Am 13. August d. I. ist rin Mann dabingeschieden, dessen Leben und Wirken eng verknüpft ist mit der Geschickte Italien« im letzten Jahrhundert und mit den blutigen Kämpfen, welche der Unabhängigkeit der apenninischen Halbinsel vorau-ginaen. Gleich dem damaligen deutschen Reiche eine vielköpfige Hydra, war auch Italien in viele kleine Fürstentbümer zersplittert, auf deren Thronen Angehörige der Habsburger und Verwandte de» ersten Napoleon saßen, welche da- Volk mit arausamer Härte regierten und da- Land in ruchloser Habgier au-sauaten. Revolutionen Warrn an der Tage«ordnung, überall gabrte es im Lande, und der Unwille de» Volke» that sich in Ver schwörungen und allerlei Gebeimbündea kund, die mit Raub und Mord ungestraft ihr Wesen trieben. Nur in dem kleinen Piemont regierte rin angestammtes Herrscherbau«, und diesem drängten sich die Sympathien de- übrigen Lande» zu. Als Karl Albert 1849 nach den unglücklich«« Niederlagen bei Moutara und Novara verzweifelnd an dem Geschicke seine- Vaterlande« die Regierung aiederleate, um im fernen Portugal ren Rest seiner Tage zu beschließen, folgte ihm sein Sohn Victor Emanuel auf den Thron. Eine innige Freunv- schaft verband diesen mit Della Rocca; der schwer zu be handelnde, ost deftig« Monarch batte immer ein willige« Ohr für seinen Rath «nd schenkte ihm volle» Vertrauen nicht nur in militairischen Dingen, sondern auch in anderen Angelegenheiten, di« den U» Dalautuomo über seine Regierungs sorgen dinwegdalfen. Die zarte, immer kränkliche Königin Maria Adelaide starb im Jahre 1854. Lei einem Besuche, den Della Rocca mit Victor Emanuel bald darauf in Pari» und London macht« — di« beiden Großmächte hatten mit Piemont zum Schutze der Integrität der Türkei eine Alliance geschloffen — suchte dieKLnigin Victoria aus den König im Sinne einer zweiten Heirath rinzuwirken. E- war dabei von der Prinzessin Beatrix, der nachmaligen Großherzogin von Hessen, die Rede. Auch Napoleon drangt« Victor Emanuel zur Heirath und schlug eine deutsch« Prinzessin, die Tochter de- Prinzen Karl Anton von Hohenzollern, vor, welchrr damal- ia Düsseldorf eine Division commandirte. Obgleich Victor Emanuel wenig Lust zu einer »weiten Heirath hatte, ging er doch anscheinend auf die Pläne Napoleon'- rin und saavt» Della Rocca nach Düsseldorf mit dem Auftrage, sich in möglichst unauffälliarr Weise die Prinzessin anzusehea. Della Rocca erzählt ia seinen jüngst erschienenen Memoiren, wie es ibm gelang, bei einer Besichtigung de- Marstall» di» Austnrrksamkrit de- Prinzen zu erregen, der ihn in ein Gespräch zog und zur Tafel lud. Dort sab er di« jugendliche Prinzessin, aber sein Bericht über dieselbe muß koch wohl nicht so au-gefallen sein, um die Abneigung de- König- zu überwinden, denn auch au- dieser Projekt,rten Heirath wurde nickt». Im Jahre 1858 war Della Rocca GeneralstabSchef und der glorreiche Erfolg der verbündeten Truppen bei Solferino ist nicht zum Mindesten seiner strategischen Einsicht zu danken. Nach der Schlacht von S. Martino zeichnete ihn Victor Emanuel mit dem Band« de- Annunziata-Orden- au», der mit wenigen Ausnahmen nur für Souveraine bestimmt ist; Napoleon verlieb ibm den Großcordon der Ehrenlegion. Mehrmals bat Victor Emanuel Della Rocca auch zu be sonderen Missionen bei der französischen Regierung be nutzt, diese und der französisch-italienische Feldzug 1859 brachten ihn in vielfache perjönlichr Beziebungrn zu Napoleon. Della Rocca rübmt des Kaiser» klare« Urtheil, seine große Uebersickt und seinen schnellen Entschluß, und südrt dessen Mißgriffe und Irrthümer II Iabre später auf seinen schon damals kranken OrganiSmu« zurück. 1860 besetzte Della Rocca als Eommandant de- 5. EorpS Ancona, er zwang Eapua zur Uebergabe und übernahm auS den Händen Garibaldi'- das Militaireommando sämmtlicher neapolitanisch-sicilianischer Provinzen. Bei der Krönung des nachmaligen Kaisers Wilhelm I. in Königsberg vertrat Della Rocca als außerordentlicher Gesandter seinen Souverain. Auch diese Mission erforderte einen besonderen diplomatischen Tact, da Preußen damals das Königreich Italien noch nicht anerkannt batte. Unaufgeklärt bi» heute ist e«, wie weit Della Rocca im Iabre 1866 für die Niederlage von Custozza die Ver antwortung trägt. Della Rocca fübrte da- dritte CorpS wäbrend der Ministerpräsident La Marmora auS eigener Machtvollkommenheit den Posten de- Generalstabschefs, um den Jener sich beworben, an sich gerissen batte. Eifer süchteleien zwischen Beiden — schon ein Jahr vorder batte der König durch ein Machtwort «in Duell zwischen ihnen verhindert — ließen eS zu keiner einheitlichen Führung kommen, unklare Befehle und mißverstandene Dispositionen verursachten einen strategischen Fehler nack dem anderen und zwangen die Italiener, die schönen Gefilde am Mincio, auf denen sich sckon so oft die Waffen der Völker in blutigem Kampfe gemessen hatten, den Oesterreichrrn zu überlassen. Dennoch gingen aus diesem Kriege di« Besiegten als die Sieger hervor. Oesterreichs Stellung in Italien war un haltbar geworden, der berechtigte Schrei deS Volke« nach einem einigen Staate in seinen natürlichen Grenzen ließ sich nicht mehr unterdrücken, Oesterreich« Truppen mußten die so tapfer vertbeidigten Stellungen räumen, Venedig kam durch Celsivn an Napoleon, der es nach erfolgter Volksabstimmung an Italien ablrat. Im Iabre 1870, nachdem dir französischen Trupp»« auS Nom zurückgezogen worden, auch diese- dem vereinigten Königreiche einverleibt war und sich endlich die Losung „ein freie» Italien von den Alpen bi- zur Adria" erfüllt hatte, legte Della Rocca die Waffe, mit der er seinen Königen ein balbeS Jahrhundert gedient hatte, nieder und zog sich in« Privatleben zurück. Der älteste Veteran der italienischen Armee — er hat erst kürzlich fein 90. Lebensjahr vollendet — wird mit ibm zu Grabe getragen. Schon sterbend — wenige Stunden bevor er die Augen schloß — schrieb er, wie der Telegraph berichtete, noch ein Telegramm an König Humbert nieder, daS diesen der Treue deS Generals bis in den Tod versicherte- So stirbt rin echter Soldat. L.
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