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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970820012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897082001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897082001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-20
- Monat1897-08
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August 1897. lUnzeigenPreiL die 6 gespaltene Petttzeite r0 Psg^ Reklamen unter demRedactionSstrich (4zv- spalten) 5O^z, vor den Famllieonachrichtea <6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzetchaiß. Tabellarischer und Ziffernsag nach höherem Tarif. Elktra-Vetlaaeu (gefalzt), nur mit der Morgen - Au-gab«, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschlvß fiir Än^eigen: Abead-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge n-An»gab«: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stund« früher. A»ei«ea find stets an di» Expedition zu richten. Lkuck und Verlag von L Pol« tn 2«ivzi«. S1. Jahrgang. In gewissen Kreisen rechnet man Weyen de« Einflüsse« der deutschen Einwanderung damit, daß Amerika im Falle von ernst» lichcn europäischen Verwickelungen stets für Deutschland rin besonderes Wohlwollen hegen und darthun werde. Da« sind Nebelbilder. Bei einem großen europäischen Kriege wird Amerika die übliche Stellung Englands einnebmen, da« beißt, neutral bleiben und im Uebrigen Schiffe, Waffen, Kanonen, Munition, Brodstoffe und alles Verkäufliche an den abgeben, der am meisten dafür bezahlt. Obgleich die deutschen Stimmgeber hierzulande numerisch sehr stark sind, so verstehen sie e« doch nicht, ihre Macht zur Geltung zu bringen, sie zersplittern sich durch innere Zwistigkeiten und Rechthaberei, ihr politischer Einfluß ist überschätzt. Eine kleine Besserung scheint übrigens jetzt in dem Ver halten der Deutschen «intrelen zu wollen, sie beginnen nämlich, sich politisch zu organisiren. So hat sich in Brooklyn eine Vereinigung gebildet, die den Namen „Deutsch-amerikanische Bürgerliga" führt und die zunächst bei den Communalwaklen ihr Gewicht in die Waagschale werfen will. Wenn dies Bei spiel Nachahmung findet, wenn die Deutschen überall da, wo sie ihrer Zahl nach auf eine gewisse Rolle einen berechtigten Anspruch haben, sich zusammenschließen und die anderen Parteien zwingen, mit ihnen Compromiffe einzugehen, so kann es nicht daran fehlen, daß sie bald, wenigstens in einer er heblichen Anzahl von Staaten der großen Republik eine be trächtliche politische Rolle spielen, die auch in der Besetzung einer erheblichen Anzahl Aemter durch Deutsche zum Ausdruck gebracht werden müßte. Dann wird den Jingo» wohl die Lust vergehen, die Deutschen vergewaltigen zu wollen. Kein Land der Erde hat so vorzügliches und so reichliches Material für Colonien als Deutschland, immer dichter wird die Bevölkerung, immer stärker der Druck nach außen. Muß Deutschland fortsahren, seine Kräfte für andere Nationen und andere Länder herzugeben? Deutsches Reich. * Leipzig, 19. August. Von welchem fanatischen Haß manche polnische Heißsporne gegen den Fürsten Bis marck erfüllt sind, lehrt folgendes Zwiegespräch, das wir der Nr. 95 der „Gazeta Oftrowska" entnehmen: „Der Tod und Bisio. (Spitzname für Bismarck). Tod: Ich wetze die Sense! Du siehst geängstigt aus, — vermuthest also wohl, an wen heut der «lies iras gekommen ist. Deine Ver worfenheit schadet der Welt. Bisio: Herr Les Lebens, ich bitte, flehe dich an, ich bin schon alt, bin unpaß. Reuevoll schlage ich an meine Brust. Laß' mich noch ein paar Jahre leben I Tod: Das Urtheil ist gefällt und unterschrieben. Für die Narben und Wunden, die du zugefügt hast: Marsch, zur Hölle, du gemeine, verbissene Hydra! Bisio: Ss geschehe, mit d«m Leben ist »« vorbei I Verzeih, verzeih, Volk der Piaste." Daß die polnischen Führer das nationale Gefühl des des deutschen Volkes jemals verletzen, stellen sie bekanntlich entrüstet in Abrede. K Berlin, 19. August. Es wird Niemandem als ein fremder Zug in dem Cbarakterbilde deS Herrn Sigl erscheinen, daß er seine Leser gegen die Betheiligung an den Spenden für die von Ueberschwemmungen heimgesuchten deutschen Gaue einzunebmen sucht. In den Schmutz dieser Seele verirrt sich niemals ein reiner Tropfen. Um im gewohnten Tone verbleiben zu können, ignorirt das „Bayerische Vaterland" die Thatsache, daß auch weite Gebiete Sachsens von den Verheerungen betroffen worden sind, eS spricht nur von den „Preußen, die noch niemals etwas für uns gethan und gegeben (!) haben." Obwohl der Aufruf des Münchner Local- hilsScomitss die Provinzen Ober- und Niederbayern unter den der Unterstützung bedürftigen Gebieten an erster Stelle nennt, stellt es Herr Sigl als zweifellos hin, daß der Löwen- antheil der Beträge außerhalb Bayerns vertheilt und die bayerischen Uebrrschwemmten „einiges, Schanden halber" be kommen würden. Dabei unterläßt der Brave nicht, die Katholiken auf die unter dem Aufruf stehenden Namen von „Protestanten und Juden" hinzuweisen, von den zum Aus schuß gehörenden Katholiken — die die Mehrzahl bilden — hebt er hingegen nur einen einzigen hervor und den nur, um eine abfällige Bemerkung an seine Person zu knüpfen. Man wird dieser Geschicklichkeit die gebührende Hochachtung nicht versagen. Berlin, 19. August. In dem vom Reichstag be schlossenen und vom Bundesrath bereit- acceptirten Gesetz über die Handwerksorganisation ist, soweit es sich um die Regelung des Lehrlingswesens und um Angelegenheiten der Gesellen handelt (Arbeitsnachweis, Herbergen, Fachunterricht rc), überall vorgesehen, daß die Arbeiter selbst milberatben und mit beschließen können. Es geschieht dies durch den bei der Innung, wie bei der Handwerkskammer obligatorischen Gesellen-Aus- schuß. Wenn schon von vornherein kein Zweifel war, daß auch diese Vertretung von Arbeiterinteressen zunächst und bis aus Weiteres der socialdemokratischen Tyrannei unterworfen sein würde, so findet sich heute hierzu die Bestätigung im „Vorwärts". Da wird förmlich decretirt, daß nicht die Ge sellen selbst sich ihren Gesellenausschuß wählen dürfen, sondern daß sie in Ausübung dieser Wahl lediglich die Vollzugsorgane für den von der Gewerkschaft ausgehenden Befehl sein sollen; und wer in der Gewerkschaft befiehlt, weiß man zur Genüge. Auch dort herrscht nicht etwa ein gesunder Gedanke der Selbst verwaltung und Jnteressenwahrnebmung, sondern daS parla mentarisch-politische Machtinteresse der socialen revolutionären Demokratie. Die Beschlagnahme der für den Gesellenausschuß zu vergebenden Mandate erfolgt von Seilen der Socialdemokraiie mit folgenden Worten: „Die Gewerkschaften werden also den Dingen ihre Aufmerksamkeit widmen müssen, um für die Interessen der Arbeiter durch die GeseUenauSfchüffe wirken zu können. Bei der Wahl dieser Körperschaften werden sie die Leitung und Führung übernehmen und für eine sachgemäße socialpolitisch geschulte Vertretung sorgen müssen." Wonach sich also die Gesellenschaft zu richten hat. Würde sie sich erdreisten, aus eigener Beurtheilung ihrer Interessen heraus die Vertreter zum Gesellenausschuß zu wählen, so müßt« denselben vom Srandpunct des „Vorwärts" aus der Werth einer sachgemäßen und socialpolitisch geschulten Ver tretung abgesprochen werden. Was darunter zu verstehen ist, weiß der Geselle von sich aus in der Beschränkung seines UntertbanenverstandeS überhaupt nicht; erst die Gewerkschaft, d. h. die socialdemokratische Vormundschaft, kann ihn darüber belehren. Allen Respect vor dieser Art von Freiheit, Gleich heit und — Brüderlichkeit! x. Berlin, 19. August. Immer wieder muß man bedauern, wie schlecht eS um die Einmütbigkeil auch unter den nationalen Parteien bestellt ist. So scheint besonders der Wahlkreis FlenSburg-Apenrade zu einem Zankapfel zwischen den Nationalliberalen und der Reichspartei werden zu sollen. Die „Post" nennt es einen „Exceß der Parleisucht", daß dem freiconservativen Candidaten für die nächsten Reichstags wahlen eine nationalliberale „Sondercandidatur" gegenüber gestellt werden solle. Einerlei, auf welchem Parleistandpuncte man sich befindet, man wird, wenn man die Sachlage objectiv prüft, sagen müssen, daß die Behauptung der „Post" die Tbatsachen auf den Kopf stellt. Der Wahlkreis Flensburg- Apenrade ist in den meisten Legislaturperioden nationalliberal vertreten gewesen, und er ist, was die Hauptsache ist, gegen wärtig naiionalliberal vertreten. Allerdings hat der gegen wärtige Vertreter eine Zeit lang die Absicht gehabt, nicht wieder zu candidjren, und die Aufstellung der freiconser- vativrn Caupidalur ist daraus zurückzusühren. Wenn aber beinahe noch ein volles Jahr vop den ReickstagS- wahlen und ehe noch für den neu ausgestellten Be werber eine erheblichere Agitation in die Wege geleitet worden Aus Amerika. -8.- Tt. LouiS, 8. August. Deutschland hat Millionen seiner Kinder nach Amerika geschickt, die Meisten waren schon geschult, in ihrem Berufe ausgebildet und mit mehr oder weniger Mitteln ausgerüstet. Sie und ihre Nachkommen sind politisch und im wirthschaft- lichen Sinne für Deutschland auf immer verloren, Amerika hatsiesich angeeignet ohne czuiä pro qnofürDeutschland. Der Deutsche ist Wohl der beste Colonist, er ist arbeitsam, treu, friedliebend, paßt sich schnell den neuen Verhältnissen an, hat Ausdauer und wird in jeder Beziehung ein guter Bürger des adoptirten Vaterlandes. Angesichts ver riesigen Colonialmacht Englands ist eS eine wirkliche Calamität, daß die herrlichen Kräfte Deutschlands im AuSlande total verloren gegangen sind und noch verloren gehen. Für die Ausgewanderten vor dem deutsch-französischen Kriege war Deutschland nur ein Traumideal, praktisch nicht greifbar, außerdem bot ihnen die neue Heimath so viel materielle Vortheile (ubi dcus ibi xatria), daß es kaum zu verwundern ist, wenn sie sich beinahe einstimmig als Bürger des neuen Vaterlanoes einreihen ließen. In der Neuzeit be kundet der deutsche Einwanderer mehr nationales Bewußtsein, die „Gedienten" machen unwillkürlich eine Bewegung nach dem Seitengewehr, wenn Deutschlands Ruhm und Ehre in Frage gezogen werden, während die Veteranen von 1870 mit blitzendem Auge die „Wacht" am Mississippiufer halten. Aber auch solch' loyale Treue hat für Deutschland kaum praktischen Werth, — allmählich werden die patriotischen Bande lockerer, im zweiten Geschlecht ist die deutsche Abkunft nur noch Tradition, selbst die Muttersprache ist schon im Vergessen. Das biscken Deutsch, was hier und da in den öffentlichen Schulen gelehrt wird, ist mehr eine Lockspeise, um damit den deutschen Slimmgeber für diese oder jene politische Partei zu gewinnen, es ist nicht ernstlich gemeint und wird nicht ernstlich durchgeführt. Die sogenannten deutschen Ge meinden, die sich der Erhaltung der deutschen Sprache und deutsch enGesinnung widmen, sind zu vereinzelt, um ins Gewicht zu fallen. Deutsche Theater werden Wohl hier und dort von enthusiastischen Patrioten ins Leben gerufen, ihre Existenz ist kurz, oder sie werden ausgehungert, denn die deutschen Nachkömmlinge haben gar kein Versländniß mehr für die deutsche Bühne, ihr Geschmack führt sie in die ameri kanischen Spectakelstücke oder in den Tingeltangel. Deutsche Zeitungen werden nur von Deutschgebvrenen gelesen, sie werden mit einander aussterben. Die Katholiken halten fest an ihren deutschen Schulen und Kirchen, werden dafür aber von den Irländern gehörig ge maßregelt, und da die Hauptwürdenträger der katholischen Kirche in Amerika meist irländischen Blutes sind, so hat der deutsche Klerus einen harten Stand, mit der Aussicht, nach und nach ganz in den Hintergrund gedrängt zu werden. Die lutherischen Gemeinden verdienen alles Lob für den Eifer, mit dem sie für das Teutschtbum einstehen, aber bas sind verlorene Posten, eS fehlt ihnen an Nachwuchs. Deutsche Gesang-, Turn- und Schützenvereine floriren Wohl in den größeren Städten, ihre Statuten mögen patrio tisch angehaucht sein, ihre Wirksamkeit reducirt sich gewöhn lich auf gemüthliche Kneiperei. Besucht man deutsche Club locale, so hört man gewiß mehr englisch als deutsch sprechen, namentlich unter den jüngeren Leuten, beim Karten- und Billardspiel wird englisch gezählt, gestritten und gelärmt. Im Familienleben sprechen die Eltern deutsch, die Kinder englisch; wie oft findet man Häuser, in denen die Eltern ibre Kinder deutsch ansprechen und alle Antworten englisch er halten. Natürlich kommt das in gebildeten Familien nicht vor, aber die Hauptmenge der Deutschen .Amerikas besteht aus Farmern, Handwerkern und Arbeitern, denen alle höhere Bildung abgebt. Die Eingewandcrten selbst bewahren ihr Deutschtbum mit mehr oder weniger Treue, ihre Kinder sind weniger als halbdeutsch und die Enkel sind Amerikaner in Sprache, Bildung, Charakter und Gesinnung. Ein Eldorado der Frauen. Nachdruck verbot««. Wer schon einige Jahrzehnte hinter sich hat, der wird sich erinnern, daß in seinen Jugendbüchern unendlich viel Grausames von den Menschenfressern auf Neueeland erzählt wurde. Die grell gemalten Bilder zeigen uns braupe hagere Gestalten mit fletschenden Zahnen, den Körper und daS Gefickt roth bemalt und die Hagre mit Federn und Blumen durchflochten zu einem Rade gethürmt. Lange Spieße, kurze Messer und längliche Schilde bildeten die einzige Bekleidung dieser in Naturalibus ihre KriegStänze anfführenden Wilden. Und bei welcher Gelegenheit! Um daS Feuer herum lagen die Ehegattinnen dieser angenehmen Schwerenöther und dicht dabei ein geknebeltes Bleichgesicht, in die Flammen stierend, von Todeöschauern erfüllt — denn eS sollte ja verspeist werden. Ja das waren die echten Kaunibalen aus der Südsee. Dann las man, daß die erste Mission 1814 auf Neusee land angelegt wurde, daß aber die Maori die Eindringlinge verfrühstückten und daß erst >840 die Insel eine selbstständige Cvlonie England- wurde. Dann folgten Empörungen und blutige Kriege, bi« Mitte der sechziger Jahre verbältniß- mäßig Ruhe eintrat. Seit dieser Zeit datirt der Aufschwung der Colonie. Eisenbahnen durchziehen heute das Land nach allen Richtungen, Häfen sind angelegt, der Handel, die Fabriktbätigkeit blüht, einige Universitäten, 1700 Schulen sorgen für die Bildung, Hospitäler, Arpienaustalteo für die Hilfsbedürftigen, 200 Zeitungen für die Politik und Unter haltung, eine liberale Actiengesetzgebung für die Gründer unter den 700 000 Einwohnern, von denen rund noch 40 000 Eingeborene sind, dir sich aber nur noch wenig von den Europäern und ihren Nachkommen unterscheiden. So ist daS Land beschaffen, daS jetzt ein Eldorado der Frauen ist, soweit sie nämlich der neuen Richtung der Gleichberechtigung mit den Männern huldigen, und daS sind auf Neuseeland wohl alle- Und warum ist eS ein Eldorado für die Frauen? Warum, weil in kurzen Worten daS Kaffeekränzchen ein überwundener Standpunkt ist, weil eS keine Gardinenpredigten mehr giebt, weil die weibliche Hand nicht mehr die Nadel, sondern die Feder, nickt den Besen, sondern daS Scepter führt. Nicht mehr am Kaffeetisch fallen die spitzen Reden, sondern im Parlament, nicht mehr mit Reden straft man bekneipte Ehe männer, sondern al» Richter und Scheriff mit Haft- und Geldstrafe. Seit vier Jahren haben die Frauen daS Stimm recht in der Colonie, und sie üben eS rücksichtslos auS. Im Jahre 1877, also vor zwanzig Jahren, begann ibre Herr schaft. Damals beschloß das Parlament zu Wellington, Wittwen und Fragen, deren Männer abwesend waren, zu den Wahlen des SchulrathS zuzulassen, und gestattete damit den Frauen Einfluß auf das UnlerrichtSwesen. Die Frauep scheinen sich in der Thqt um dasselbe ordentlich gekümmert zu haben, denn ihr Einfluß wuchs und wurde mächtig, sodaß wenige Jahre später eine Etappe weiter den Männern ver loren ging. Mit welchen Gefühlen müssen wohl manche Männer Pa» Ergrbniß einer Abstimmung im Parlament vernommen haben, das den Frauen da» Stimmrecht für die localen Körperschaften gab, die den Verkauf der Getränke zu überwachen haben? Welche Wehmulh hat wohl den Staats bürger ersaßt, der gern noch eins trank und immer noch eins, und von den 5000 in Deutschland geborenen Einwohnern dürste so mancher da« Lied von der alten Burschenherrlich' keit angestimmt haben. Genützt hat eS ihnen freilich nicht-. Aber die Frauen waren gescheckter als die Mauner, sie übten Nachsicht, ihr Regiment war zart, sie sahen über kleine Trunkenheiten und längere« Offenbalte» wohlmeinend hinweg. Freilich was da« ein« Freundlichkeit der kleinen sammetnen Kätzchen. Im Innern hatten sie etwas von den Maori angenommen, die auch erst einig: Zeil lang ihre europäischen Taselfreudcn aufschoben. Aber schließlich kam daS Fest doch, und von dem Menu wurde nicht abgegangen. Bei den Damen war es die Wahl in den Gememderalh. Die, die hinter dem Liqueur- oder Weinglas saßen, fühlten sich so glücklich, fühlten sich so dankbar gegen die weibliche Nachsicht in Trinkangelegenbeiten, waren wobl auck zufrieden mit der Controle des Stoffs aus seine Unverfälschtheit, daß sie gern ja sagten, und die, die nicht hinter dem Glase saßen, mußten zugesieben, daß sich die früheren wüsten Kneipver- hältniffe gebessert hatten Nun war das sogenannte stärkere Geschlecht mürbe gemacht und 1893 wurde den Frauen auch obne großen Widerstand das Wahlrecht zu den politischen Körperschaften bewilligt. Und der englische Gou verneur mit feinem schattenhaften Rechte des Einspruchs konnte schon aus Galanterie gegen seine Königin, die 56 Jahre ein großes Reich regierte, nicht nein fagen. So ist denn die Frau in Neuseeland mit dem Mqnn wahlberechtigt, und es interessant, zu sehen, wie sich hiS jetzt die Damen in der Politik gemacht haben. Da sind die Bewunderer de« weiblichen Geschlechts einig in der Anerkennung. Ein alter Neuseeländer, Hugh LuSk, entwirft eine entzückende Schilderung von ibrer Thätigkeit, und Jeder, der die moderne Wahlmawerei satt bat, den der Zank der Parteien anwidert, wird ibm^wenn er nickt übertreibt, zu- stimmen müssen. Seit die Frauen an den Wahlvorbereitungen Theil nehmen, schreibt er, ist der Ton in denselben ein anderer geworden. Schon die Anwesenheit der Daiyen, die in großer Zahl sich rinfinden, hat hingereickt, die Reden jU mäßigen und den Versammlungen mehr Würde zu verleihe». DaS geht jetzt so ruhig und nett zu, und wenn man bedenkt, daß noch unter den Männern eine große Anzahl ist, die nach Neuseeland einaewandert ist, um ibr Glück zu suche», und daß diese nicht au« dem besten Holze geschnitzt ist, so muß man den Erfolg mit Freuden anerkennen. Freilich ist, der gegenwärtig« Vertreter sich bestimmen läßt, wiederum zu candidiren, so ist e- doch ein starkes Stück, seine Can- dikatur als eine Sondercandidatur zu bezeichnen. Der Ab geordnete Jebsen hat stets eine so maßvolle Gesinnung be- thätigt, Laß auch ein Freiconservativer sich nicht wehe lbut, wenn er Liesen Bewerber unterstützt. Wenn aber die Can- didaturen Bunzen und Raab aufrecht erhalten werden, so kommt keiner von den drei Bewerbern auch nur in die Stich wahl. Wenn die Parteien, die, mögen sie sonst noch so sehr von einander abweichen, doch in wichtigen nationalen Fragen übereinstimmen, sich so weiter befehden, so werden die nächsten Wahlen ein erbauliches Resultat haben. (D Berlin, 19. August. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Zeitg." schreibt: „Der „Berliner Localanzeiger" (und die „Köln. Ztg." Red. d. „L. T.") mackt über einen angeblich bevorstehenden Wechsel auf den Botschaftcrpostcn zu Peters burg und London Mittbeilung, die er von wohlunterichteter Seite erfahren haben will. Wir sind ermächtigt, diese Mit- thrilung für gänzlich unbegründet zu erklären." (-) Berlin, 19. August. (Telegramm.) Der Reichs kanzler Kurst zu Hohenlohe wird, der „N. A. Z." zufolge, bis Anfang September auf seiner russichen Besitzung Werki sich aufhalten und alsdann sich nach Homburg zum Empfange des Königs von Italien begeben. (-) Berlin, 19. August. (Telegramm.) Der Bot schafter v. Bülow, der sich nach Wilhelmskühe begeben bat, gedenkt, wie die „N. A. Z." im Gegensätze zu andern Blättern meldet, morgen wieder in Berlin einzutreffen. D Berlin, 19. August. (Telegramm.) Durch eine CabinetSordre vom 18. August bestimmte der Kaiser, daß anläßlich des 25jäbrigen Regierungsjubiläums des Königs von Schwere« am 18. September eine Deputation, bestellend aus einem Admiral, einem Capitain zur See, einem Cor- vetlencapitain, einem Capitainlicutenant und einem Lieutenant zur See sich nach Stockbolin begeben soll. Als Vertreter des Kaisers wird Prinz Friedrich Leopold anwesend sein. — Vom 6. bi- 8. September tagt hier daS Institut colonial International unter dem Vorsitze des Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin. An ticien Beratbungen wird auch der Colonialdirector Frhr. v. Rickt- hofen theilnehmen. Als Schriftführer fungirt das Mitglied des ColonialrathcS Staatssecretair Die Be- rathungsgegenstände sind folgende: Die Arbeiterfrage; die Beschaffung von Colonialbeamten; jdie Protcctorate; die Landfrage und die finanziellen Beziehungen zwischen dem Mutterland« und den Colonien. — Der Verband der Handelsgärtner Deutsch lands hält am 27. August und folgende Tage in Hamburg seine 14. Jahresversammlung ab. Außer einer Reihe innerer Verbandsangelegenheiteu weist dir Tagesordnung verschiedene wichtige Verhandlungsgegenstände auf. Einen breiten Raum werden die Beratbungen über die Anstrebuug eines Schutz zolles bei her Einfuhr gärtnerischer Producte einnehmen. Ferner strebt der Verband gesetzliche Maßnahmen gegen die Ueberbandnahme der Maikäfer resp. Engerlinge, jowie der ungemein schädlichen Rosennäbfliege an. Das Katalog unwesen, die Gründung einer Sterbecaffe, sowie die Unter stützung von Hagelschlag und Unwetter betroffener College» bilden weitere Puucte der Tagesordnung. Der Verband zählt zur Zeit über 2700 Mitglieder und ist in stetiger Aus dehnung begriffen. — Die „Nat.-Ztg." meldet, daß der Privatdocent vr. Jastrow wegen seine- bekannten Streite« mit dem früheren Minister von Berlepsch von der philosophischen Faculliit der Universität Berlin s. Zt. einen scharfen Ver weis erhalten habe. — Gegen den jetzigen Prorector der technischen Hochschule Prof. Guido Hauck baden die Herausgeber der „Allgemeinen Deutschen Universitäts-Zeitung", Sanitätsrath Or. Konrad Küster und SchulamtScandidat Ernst Schultze, die Be leidigungsklage eingeleitet. Den Gegenstand der Klage darf man aber nicht vergessen, daß man solche Höflich keit den Damen gegenüber auch den wilden Söhnen der Golddistricte nachrühmt, eS muß noch abgewartet werden, wie lange die Anbetupg Stand hält. Denn was sonst noch von den weiblichen Stimmgebern verlautet, ist für sie nicht gerade schmeichelhaft. Ihr Lobredner sagt selbst, daß viele alte Ab geordnete von den Damen nicht wieder gewählt worden sind, daß diese sich iu politicis nicht von ihrem Kopfe, sondern von ihrem Herzen leiten ließen, und daß ein Mann, der fleckenlos ist, jedenfalls mebr Aussicht hat, gewählt zu werden, als ein Politiker, dessen Schild angehaucht ist. Das wäre etwas für die Verjüngung unserer europäischen Parlamente — ob es aber auch genügt, daß nur der Wandel des Mannes flecken los ist und nicht auch ein wenig Sympathie seiner Gestalt, seinem Gesicht und seiner Süßholzraspelei dabei entgegen gebracht wird? Wer weiß e?? Wer kann iy die Herzen sehen? So mancher polnische Veteran sieht seinen Platz von einem Neuling eingenommen, so manche Regierung hat sich wegen der HerzenSconcurrenz andern müssen. Ja, ja, eS ist eben nicht Alles beisammen. Und wenn die Neuseeländerinnen als Mütter betrachtet rur Urpk schreiten, sollten sie keine geheimen Wünsche für ihre Heranwachsenden Töchter haben, die in Lceanien wahrscheinlich ebenso gern einen Beamten oder einen öffentlich hervorragenden Mann wählen, wie ihre Antipoden in Europa? Mag eS nun sein, Wie e- will, klug sind die neusee ländischen Frauen dpch. Sie machen es jetzt in der Politik, wie vor Jahren in der Getränkecontrple. Sie sind liebens würdig und bleiben es so lange, big sie noch sine» Schritt weiter gehen können, bis sie ganz die Mehrheit haben. Und kann? WaS geht es uns hier an. Neuseeland liegt weit, und vorläufig beugf sich Jeder PV» uns unter seinen Privat pantoffel; bis zur Einführung ds- „allgemeinen Pantöffelchens" hat e- neck gute Wells. X.
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