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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.08.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189708228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970822
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970822
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-22
- Monat1897-08
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.08.1897
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Kroßere Schriften laut unserem Preis- vrrjtichniß. Tabellarischrr und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen«Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbeförderung ^il 70.—. Ilunahmeschluß fiir Anzeigen: Abeud»Ausgab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 426. Aus -er Woche. Die konservative Presse handelt geizen datz Herkommen und nicht gerade klug, wenn sie scharfe Kritik an vea zuletzt bekannt gewordenen Aeußerungen deS Fürsten BiSmarck dadurch übt, daß sie ausführt, der Altreichskanzler könne sich nicht so, wie gemeldet worden ist, über die konservativen Parteiführer ausgelassen haben. Seit Langem ist eS in der nationalen Presse üblich, Friedrich-ruher Aussprüche, selbst wenn sie nicht ganz bequem waren — und auch die Nationalliberalcn haben hin und wieder ein nicht angenehme- Wort zu hören be kommen — ohne Zeichen deS Gekränktseins hinzunehmen. Man war dabei nicht so sehr von der Abneigung aeleitet, sich in die schlechte Gesellschaft des CentrumS, der Social demokraten und deS Herrn Eugen Richter zu begeben, als von der, wenn nicht sofort, doch alsbald nach der Entlastung des Fürsten Bismarck gewonnenen Erkennlniß, daß der große Patriot durch Tadel immer nützte. Zn dreißigjährigem, ihm auch manches Mal von seinen ihn oft nicht ganz begreifenden Freunden er schwertem Wirken hat der unvergleichliche Staatsmann mit der Erfahrung daS Recht erworben, in der ihm angemessen scheinenden Form den Parteien nahezulegen, aus ihrer Ver- gangenheit Lehren für die Gegenwart und Zukunft ru ziehen. Zn reiner Absicht begangene Fehler auS diesem Munde als solche bezeichnet zu hören, kann nicht verletzen, von dem schlechten Gewissen freilich begreift man eS, wenn es gegen die Er gebnisse BiSmarck'scher Beobachtung und Gedankenarbeit sich aufdäumt. Die Verwahrungen der konservativen Zeitungen dürften auch kaum die im Sachsenwalde herrschende olympische Ruhe stören. Auf der andern Seite ist eS recht zweifelhaft, ob eS allen Genannten angenehm ist, wenn in Erinnerung gebracht wird, daß Graf Mirbach den Ministern vor geworfen, sie freuten sich über jede vernichtete Existenz, daß Herr v. Ploetz sich zu direkten Drohungen gegen die Krone verstiegen und daß diese Aeußerungen ein Echo bei deu Grafen Limburg-Stirum, Kanitz u. s. w. gefunden. Geschehen ist das ja, aber vielleicht hat Fürst BiSmarck in dem An drängen dieser „Fronde" nur ein neues Gewand für die Regungen de« Egoismus erkannt. Die Beweise seines „Sammeleifers", die Herr v. Miquel sogar während der Wiesbadener Badecur erbringt, haben, von einem vorgestern wiedergegebenen ziemlich groben Aus bruch einer Centrums-Correspondenz abgesehen, Vie Oeffent- lichkeit auch dann ziemlich kühl gelassen, als angedeutet wurde, der neue Vicepräsident de- Staatsministeriums habe in Camberg eigentlich das Projekt der „Kreuzzeitung" — eine konservativ-klerikale Allianz — betrieben. Diesen Plan, von den geschickten Händen eines Miquel unterstützt, würden wir für Preußen fürchten, im Reich hat er keine Aussicht auf Ver wirklichung. Und da die künftigen Reichstag-- und preußischen Landtagswahlen viel zu rasch aufeinanderfolgen, als daß das Centruin in der Zwischenzeit den rolhen Ueberwurf über der Zesuitenrobe mit emem andern vertauschen könnte, so besteht auch nicht die Gefahr einer neuen Zedlitz'schen Schulgesetz-Action, mit der die „Kreuz zeitung" die Ultramontanen zu locken versucht hat. Was Herr v. Miquel von Herrn Lieber wollen kann, daS ist Zweierlei. Ersten- die Mitwirkung bei einer gründlichen Finanzresorm, und dazu wird da- Centrum heute noch weniger geneigt und namentlich auch im Stande sein, als früher. Als der jüngste Versuch nach dieser Richtung gemacht wurde, waren zu Anfang der badische Centrumsmann Hug und der bayerische I)r. Schädler offenbar ernstlich bereit, im Interesse des heimischen Finanzwesens zu einer erklecklichen Neuordnung die Hand zu bieten. Seitdem sind die Dinge dahin gediehen, daß Schädler, obwohl er schon damals die Sache der Reform schließlich im Stich ließ, als zu „preußisch" dem Verlust seines Landtag-Mandats entgegensieht, und in Baden bat sich der gemäßigte und darum politisch kalt gestellte Dekan Lender wieder mit dem unversöhnlichen ReichSsrinde Pfarrer Wacker au-gesöhnt. DaS norddeutsche Centrum wird sich hüten, diese Zeichen der Zeit unbeachtet zu lasten, noch dazu in einer Angelegenheit, wo, wie in der Finanzreform, die süddeutsche Opposition ganz und gar seiner früheren Politik entspricht. Der andere Wunsch, den Herr v. Miquel an den vr. Lieber haben kann, betrifft die Flottenvermehrung. Auch hier Sonntag den wird das Centrum gerade so weit gehen, als eS mit seinem Parteiinteresse für vereinbar hält. ES ist unverkennbar, daß in kaufmännischen und industriellen Kreisen auch dieser Partei die Ueberzeugung von der dringenden Nothwendigkeit einer plan mäßigen Vermehrung unserer Kriegsschiffe Verbreitung ge wonnen hat. Diese Gruppen werden so viel Entgegen kommen finden, als eS die Rücksicht auf das andere, stärkere Element der Kleinbürger und Landleute, denen man einreden kann, daß nur die Hamburger, Bremer und Lübecker und allenfalls die Berliner etwas von der Flotte hätten, zu ge statten scheint. Da die letztere Weisheit auch von Kaplänen gepredigt wird, so ist wenig Hoffnung, daß die bessere Einsicht einer Minderheit sich beträchtliche Geltung verschaffen werde. Bei ruhiger, der Selbstbeherrschung nicht ermangelnder Führung der Marineangelegenheit ist jedoch ein allmählicher Umschwung im positiven Sinne zu erwarten. Nicht heute, nicht bei den nächsten Wahlen, aber vielleicht schon bald nach den nächsten Wahlen. Die Anzeichen einer leidenschaftslosen Betrachtung dieser wichtigen Aufgabe mehren sich. Die geänderte Zoll- und Colonialpolitik, zu der England sich anschickt, bleibt wobl nicht ganz ebne Einfluß auf die deutsche Beurtheilungsweise. Daß Herr Richter, obschon er mit Grund von den nächsten Wahlen günstige Ergebnisse für den nationalen Nihilismus erhofft, starke Gereiztheit in der Flottenangelegenbeit verräth und sich schon jetzt zur Production seines alten Rechenkunst stückchens bemüßigt sieht, ist kein schlechtes Symptom. Freilich die neueste Campagne des Führers der Volks partei gilt mehr der Thatsache, daß ein Berliner Organ der freisinnigen Vereinigung einige sachliche Artikel Uber die Marineangelegenheit veröffentlicht hat, als dieser selbst. Die freisinnige Vereinigung ist aber zur Zeit der spitzeste Dorn im Auge deS Herrn Richter. Nicht weil er die Wähler massen fürchtete, die die feindliche Schwester aufbringen könnte. Die „Vereinigung" besitzt mehr Mandate, als ihr nach ihrer Stärke im Lande, wenn das Wort Stärke bei ihr überhaupt zulässig ist, zukommt. Sie verdankt sie zum guten Theile Compromiffen zwischen National liberalen und Conservativen, die sich 1893 um die HeereSvorlage auf einen Mann auS dem Lager Rickert's in Wahlkreisen einigten, wo die „Vereinigung" nur durch ver einzelte Individuen vertreten ist. Die Selbstgefälligkeit, mit der Herr Pachnicke anderen Parteien gegenüber sich für bündnißfäbig bei den nächsten Wahlen giebt, erweckt nicht geringe Heiter keit, da man den Herrn als Köniz ohne Land nur zu gut kennt. Aber die freisinnige Vereinigung verwaltet den Wahl - fondS des „Schu tzverbandes gegen agrarische Ue berg riffe", und dieser bat unter allen Parteien und Interessenvertretungen daS größte Portemonnaie. Es sind nicht die Truppen, sondern die Subventionen, um was Herr Richter die abgesprengte freisinnige Gruppe beneidet. Die „Köln. Zlg." hat kürzlich die Geschichte eines bös artigen Falle- von militairischer Insubordination, der sich in Brest zugetragen, erzählt. DaS Kriegsgericht, das, wie die „Köln. Ztg." hinzufügte, bekanntlich in Frankreich öffentlich und mit Hinzuziehung von Vertheidigern verbandelt, sprach den Angeschuldigten frei. Aus diesem Nebensätze des rheinischen Blattes glaubt die „Kreuzztg." nun einen Strick für die Militairstrafproceßreform drehen zu können. Sie schreibt: „Ein hellere« Beispiel für die vollständige Unzulänglichkeit, ja schwerste Gefährdung jeder Zucht in der Armee durch Einführung der Oeffentlichkrit im Militairstrafvrrsahren, als hier vorgesührt wird, kann wohl kaum gefunden werden." Mit diesemTaschrnspirlerstückchen ist leichtfertig zu werden. Zm b ay eri schen Strafverfahren herrscht die Oefsentl>chkeit,und dort können auch Vertbeidiger zugezogen werden. Die Dis- ciplin der bayerischen Armee hat aber im Zähre 1892 aus dem Munde deS Kaisers, der sie befebligt hatte, unein geschränktes Lob erfahren. Deutschland ist eben nicht Frank reich, deutsche Soldaten sind eben nicht französische. Das Beispiel der „Kreuzztg." ist deshalb nichts weniger als „bell". Wir stellen mit ebensoviel Erstaunen als Genugthuung fest, daß die Berliner „Post" keinen Zusammenhang zwischen den Konstantinopeler Bombenattentaten und der Ab stimmung der Nationalliberalen über die Vereinsgesetz novelle behauptet oder auch nur angedeutet hat. 22. August 1897. Das Togo-Abkommen. Der Abteilung Koblenz ist auf ihren bekannten, in Sachen der Togofrage an den Vicepräsidenten der Deutschen Colonialgesellschast, Herrn Wirkt. Geh. Rath Sachse, ge richteten Antrag folgende, von der „Deutsch. Coloniaiztg." mitgetheilte Antwort zugegangen: „Der Abtheilung erwidere ich auf das die Togo«Uebereinkunft betreffende gefällige Schreiben vom 17. Juli, anschließend an meine vorläufige Mittheilung vom 24. desselben Monat-, ergebenst das Folgende: Das zwischen Delegirten der Deutschen und französischen Re» gierung in Paris getroffene Grenzabkommen ist bisher amtlich nicht veröffentlicht worden, weil die beiden Regierungen sich, wie es nach diplomatischem Brauche bei Staatsverträgen vielfach zu geschehen pflegt, bis zu einem gewissen Zeitpunkte zur Geheimhaltung gegen« seitig verpflichtet haben. Was über den Inhalt des Abkommens in französischen Zeitungen berichtet worden, entbehrt der Authenticität, ist ersichtlich unvollständig und giebt jedenfalls für die diesseitige Beurtheilung keinen ausreichenden Anhalt. Aus so unsichere Grund lagen hin aber eine Eingabe an den Herrn Reichskanzler zu richten, kann ich, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Präsidenten unserer Gesellschaft, Sr. Hoheit dem Herzoge Johann Albrecht zu Mecklen burg, nicht für rathsam erachten. Der Standpunkt, welchen die deutsche Colonialgesellschaft der Togo«Frage gegenüber einnimmt, sowie die Wünsche, welche sie in dieser Beziehung hegt, sind dem Herrn Reichskanzler in den Vor stellungen unseres Präsidiums vom 9. Oktober 1895, 12. December 1895, 11. December 1896 und 1. April 1897 (vergl. „Deutsche Colonialzeitung" Nr. 16 vom 17. April 1897) ausführlich dargelegt worden; Neues ließe sich dem kaum mehr hinzufügen. Wahrscheinlich mit Rücksicht auf die erwähnten Vorstellungen hat die kaiserliche Regierung sich bewogen gefunden, ein Mitglied unseres Ausschusses, welches zugleich Mitglied des Colonialrathes ist, als Delegirten an den Togo - Verhandlungen in Paris theilnehmen zu lassen. Schon dieser Umstand dürfte zu der Voraussetzung be« rechtigen, daß die von der Deutschen Colonialgesellschaft vertretenen Interessen bei den Pariser Verhandlungen nachdrücklich werden gewahrt worden sein, und daß das thatsächliche Ergebniß in wesentlichen Punkten rin anderes ist, als eS die französischen Blätter darzustellen bemüht sind. Inzwischen ist, amtlich ertheilter Auskunft zufolge, Las fragliche Uebereinkommen förmlich vollzogen worden, und zwar deutscherseits durch den kaiserlichen Gesandten in Paris. Nach einer mir weiter gewordenen vertraulichen Andeutung hat es jedoch von vornherein in der Absicht der Colonialverwaltung gelegen, dem Colonialrathe bei dessen nächstem Zujammentreten eingehende Mittheilungen über den Inhalt des Vertrages zu machen. Hiernach möchte es sich meines Erachtens empfehlen, weitere Schritte in dieser Angelegenheit bis dahin auszusetzen, wo der Wortlaut der Abmachungen zuverlässig bekannt sein wird. Immerhin werde ich nicht ermangeln, das Eingangs bezeichnete Schreiben der geehrten Abtheilung nebst dem damit zusammenhängenden sonstigen Schriftwechsel dem Ausschüsse in seiner nächsten Sitzung zur Be- rathung und Beschlußfassung vorzulegen. Mit ausgezeichneter Hochachtung ergebenst gez. Sachs e." Hoffentlich ist die „Voraussetzung", von der Herr Wirkl. Geh. Rath Sachse spricht, wirklich eine „berechtigte". Deutsches Reich. X. Berlin, 21. August. Für die Beurtheilung der Germanisirung der deutschen Ostmark ist die kürzlich erfolgte Zusammenstellung der bis zum Ende deS Jahres 1896 bewirkten Bildung von Ren tengütern sehr lehrreich. Zn dieser Zusammenstellung wird ziffernmäßig festgestelli, daß der den Generalcommissionen gemachte Vorwurf, ihre Thäligkeit stehe in einem diametralen Gegensätze zur Thätigkeit der Ansiedelungscommission, völlig be- 91. Jahrgang: rechtigt ist. Denn unter den angesiedelten Bauern befinden sich 4000 Deutsche und 2200 Slawen, darunter 2000 Polen. ES gehören also in Gegenden, in denen das Slawenthum ohnedies überwiegt, mehr als ein Drittel der Ansiedler der slavischen Race an. Noch bedenklicher wird die Sache vom konfessionellen Standpunkte aus. Es stehen 3400 Evangelischen etwa 2800 Katholiken gegenüber. Nimmt man an, daß der größte Theil der Slawen katholisch ist, so sind noch etwa 6—700 deutscher katholischer Ansiedler zu rechnen; eS steht nun leider fest, daß die deutschen Katholiken der Gefahr, polonisirt zu werden, viel weniger gefestet gegenüber stehen als die deutschen Protestanten, es hätte sich darum vielleicht empfohlen, die deutschen Ansiedler hier möglichst ausschließlich aus protestantischen Kreisen zu nehmen. Beiläufig sei zu den nie aufhörenden Paritätsklagen der Centrumspresse bemerkt, daß hier mit StaatShilfe mehr Katholiken angesiedelt worden sind, als es dem Verhältnisse zwischen Protestanten und Katholiken in Preußen und im Reiche entspricht. Was ferner die Zahl der Ansiedler betrifft, so will es doch recht wenig sagen, daß in einem halben Decennium nur 6000 Bauern angesiedelt werden konnten. Möglich, daß geleistet worden ist, waS geleistet werden konnte, aber wer die Rentengutsbildung für nützlich ansieht, weil dadurch die Seßhaftigkeit des Bauernstandes gefördert wird, wird sich angesichts dieser geringen Zahl von angesiedelten Bauern nicht der Erkennlniß verschließen, daß neben der staatlichen Ansiedelung die private einhergehen muß, wenn etwas Durchgreifendes geleistet werden soll. Q Berlin, 2l. August. Die Presse der freisinnigen Volkspartei muß nun einsehen, daß der Gedanke an ein „Marine - Septennat", dessen Widersinn wir vor Kurzem dargethan hatten, nicht aus amtlichen Kreisen stammte, sondern eine minder haltbare Tagesleistung der „Nordd. Allg. Ztg." selbst gewesen ist. Der Hoch sommer treibt ja in mannigfacher Hinsicht sonderbare Preß- blüthen; er hat eben auch diese zu verantworten. Jedenfalls ist unmittelbar, nachdem der neue Staatssecretair in das Reichs - Marine - Amt eingezogen, dafür gesorgt worden, daß die Septennatsblüthe völlig zerblättert wurde. DaS ist ja sehr unbequem für gewisse radikale Politiker, die hiermit bereits daS Land erregt, ja schon die Wahlparole für 1898 hiernach geprägt und ausgegeben batten („Wider den Absolutismus!"). Jetzt bat die radikale Presse etwas „Neues" entdeckt, womit uns die Marineverwaltung „überraschen" wolle. Bisher habe man Kreuzer nur verlangt für den überseeischen Dienst und als Ausklärungsschiffe für die Divisionen der heimischen Schlacht flotte; nun erfahre man, daß beabsichtigt sei, künftig besondere „Kreuzerdivisionen" für die heimische Schlachtflotte zu bilden u. s. w. Wir bedauern, auch diesem Agitationsmaterial den Werth einer überraschenden Neuigkeit absprecben zu müssen; ja, wir können den radikalen Streitern aus dem Zndirnst- baltungsplan von 1897/98 verrathen, daß eine Kreuzerdivision sogar schon formirt ist, sie besteht auS einem Panzerschiff II. Classe und je einem Kreuzer II. und III. Classe. Es ist weder neu, daß diese Division nur über ungenügendes Schiffs material verfügt, noch ist es ein Geheimniß, baß eine zweite solche Division formirt werden soll, um im heimischen und aus^ wärtigen Dienst, eventuell auch zur Entlastung der Schlacht flotte verwendet zu werden. Das Alles weiß man seit Jahr und Tag, und um die Bedürfnißfrage dieserhalb ist ja im Früh jahr schon ein erster Kampf entbrannt und einstweilen zu Un gunsten der Kreuzerflolle ausgetraden worden. Die Formirung einer zweiten Kreuzerdivision gehört auch keineswegs ins Be reich der uferlosen Flottenpläne, sondern sie sollte durch die in der Hollmann'schen Denkschrift vom 4. März geforderten sechs Panzerkreuzer I. Classe ermöglicht werden. Deren Bau war bekanntlich auf den Zeitraum von 6 Jahren vertheilt, so daß jedes Jahr ein neuer Kreuzer auf Stapel gelegt werden und die ganze Kreuzerflotle bis 1905 fertig gestellt sein sollte. Wer damals den Ausführungen der Sachverständigen über den Mangel jeglicher Offensivkrast unserer gegenwärtigen Kreuzcrflotte gefolgt ist, wird schlechterdings nicht verstehen, wie man eS jetzt als etwas überraschend Neues ausrufen kann, daß diese Osiensivkraft bergestellt, das heißt also, daß für zwei brauchbare Kreuzerdivisionen Sorge getragen werden soll. F-eeiN-ts«. Der letzte Napoleonslag. Bon Albin Geyer. NaLdruck «erboten. Die französische „Rbein-Armee" beging am 15. August im Jahre 1870 den NapoleonStag mit einem allgemeinen Rückzug. Von den am 6. bei Wörth und Spichern ge schlagenen französischen Armeekorps, die nach Süden abge drängt worden waren, erreichte da- erste am 15. daS Lager von ChalonS, da- fünfte befand sich auf dem Rückzüge eben dahin noch in der Gegend von Chaumont, von wo eS mit der Eisenbahn befördert wurde; das 2. Corp«, welche« ur sprünglich auch abgedrangt worden war, hatte doch wieder die Mosel gewonnen und befand sich schon bei Metz. Dort hatte sich Bazaine, nachdem ihm Napoleon auf dringende« Verlangen aus Pari« den Oberbefehl über die Armee übergeben hatte, erst in der Nacht auf den 14. zum Ab marsch nach Cbalon« entschlossen, denn er klebte mit seinen Gedanken an Metz, und da- wurde auch später sein Berbängniß. Napoleon befand sich damal-schon in Longeville le-Metz, und Bazaine schrieb ihm am IS. um 9 Uhr Abend« dahin: „Da der Feind sich un- zu nähern und unsere Be wegungen überwachen zu wollen scheint, so daß der Ueber- gang auf da« linke Moselufer einen für un« ungünstigen Kampf Hervorrufen könnte, so ist e« bester, ihn entweder in unseren Linien zu erwarten, oder ihn mit einem allgemeinen Vormarsch anzuareifen." Napoleon antwortete noch Abend« 11 Uhr darauf, rin Telegramm der Kaiserin thue dar, daß der Feind einen großen Werth darauf lege, wenn dir französiscde Armee den Uebergang auf das linke Ufer nicht mache. Umsomehr müsse man Alle- dafür thun, und wenn der Marschall glaube, einen Angriff unternehmen zu sollen, so dürfe dieser doch nickt so weit ausgedehnt werden, daß der Uebergang über die Mosel nachher unmöglich würde. Darauf ordnete der Marschall den Rückzug nach Verdun an und meldet« die« am 14. Mittags dem Kaiser. Bekanntlich War eS schon zu spät, die deutschen Armeen waren nahe und bereit- stark genug, um ibn aufzuhalten. Napoleon wohnte in Longeville im Hause des Obersten Hennocque. DaS 3. Corps (Decaön) sollte den Rückzug decken; infolge von allerlei Zeitverlust und Versäumnis ge schah eS, daß die letzte St^fel deS Corps noch auf ihrem Lagerplatze war, al« sie längst unter dem Schutz der Geschütze der Festung hätte sein sollen. Um 3 Ubr bemerkten die Preußen den Abmarsch der Franzosen und schritten sofort zum Angriff auf die Nachhut Drcaen'S, worauf die fran zösische Armee zum Tbeil den Abmarsch einstellte, und da- 4. Corp« über die Mosel zurückging, um dem 3. CorpS bei zustehen. So lange der Kampf dauerte, stand Napoleon, aus den Ellenbogen gestützt und in Gedanken versunken, am Fenster seines Zimmer«; er verfolgte unbeweglich den aufblitzenden Schein der platzenden Granaten. Gegen 8 Uhr trat der kaiserliche Prinz in- Zimmer, um seinem Vater gute Nacht zu wünschen. Ohne sich vom Fenster wegzurübren, rief ibn der Kaiser zu sich, und al« ihm der Prinz di« Stirn zum Kusse bot, brückte er ihn innig an die Brust. Zn diesem Augenblick verstärkt sich der Geschützdonner von den Fort«. „Sind wir Sieger'?" fragte der Prinz, indem er sich aufrichtete. „Ich hoffe eS", erwiderte Napoleon und schickte den Prinzen zur Ruhe. Er nahm seinen früheren Standpunkt am Fenster wieder ein. Bald daraus traf eine Depesche de« Marschalls Bazaine ein, welche die Worte enthielt: „Feind auf allen Punkten zurück geschlagen." Der Kaiser hatte dir Depesche hastig ergriffen, ein freudige- Lächeln erhellte seine Züge während de« Lesens, und zu dem Ordonnanzofficier gewendet, stieß er rasch die Worte hervor: „Sie sind der Uebrrbringer einer guten Nach richt, Dank, Dank!" Darauf begab er sich zur Ruhe. Einige Stunden später traf auch der Marschall rin lieber und über mit Staub bedeckt, denn er hatte auf dem Gesichtsfeld selbst eine Contusion erlitten, trat er mit seinem Adjutanten in da- Schlafzimmer, wo Napoleon, welcher den Kopf in ein blauseideneS Tuch gehüllt hatte, im Bette lag. Er streckte dem Marschall die Hand entgegen und sagte: „So haben Sie endlich den Dann gebrochen!" Bazaine setzte sich am Kopfende des Bettes nieder, und der Kaiser fragte: „Glauben Sie, daß eS morgen eine Schlackt geben wird?" — „Wobl kaum so viel, Sire." — „Schade! Es wäre gerade am 15. August, dem NapoleonStage; er hat mir seither stet« Glück gebracht." Der Morgen de« NapoleonStage« brach an. Der Kaiser war schon um 5 Ubr munter und war infolge der Nachricht vom vorigen Abend bei guter Stimmung, seine Haltung zeigte Frftche und Spannkraft. Der Prinz kam herein gesprungen, siel dem Vater um den Hals und rief: „Also ist c- wahr, wir haben sie geschlagen!" Er warf das Käppi in die Lust und brach in den Ruf au«: „ES lebe der Kaiser!" Bald darauf begab sich der Kaiser mit dem Prinzen, Beide in Uniform, in da« Lager. Die Soldaten waren mit dem Zufammenpacken ihrer Zelte beschäftigt und machten sich zum Abmarsch fertig. Sie begrüßten den Kaiser mit donnerndem: „Vivo 1'ewpereur l" Aber plötzlich kam eine unangenehme Ueber- raschung dazwischen: Kanonenschüsse ertönten und Granaten sausten ins Lager. Die unfreundlichen Grüße kamen vom rechten Moseluser, auf welchem die 6. Cavallerie-Division zur Sicherung deS Marsche- der 2. und 1. Armee nördlich gegen Metz vor geschoben worden war. Schon in der Nacht war festgestellt worden, daß die Franzosen daS rechte Ufer außerbalb der Festung geräumt zu haben schienen. Beim ersten Morgen grauen ging der Commandeur des 1. Brandenburgischen jllanen-RegimentS Nr. 3, Oberst Graf v. lx Gröben, mit zwei Schwadronen seines Regiments, einer Sckwadron des Brandenburgischen Kürassier-Regiments Nr. 6 und zwei Geschützen am linken Seilleufer vor, gelangte über Schloß Frescaty hinaus und ließ seine Spitze dis Montigny vor gehen. Man fand nicht- mehr vom Feind und traf nur auf verlassene Lagerplätze, unvollendete Befestigungen und im Bahnhöfe auf ansehnliche VerpflegungSvorräthe. Aber im Nordwesten, auf dem linken Moselufer zwischen Longeville und Moulins les Metz, war ein französisches Lager sichtbar, welches sich anscheinend noch in tiefster Morgenruhe befaud. Oberst v. d. Gröben ließ seine beiden Geschütze am Abhange bei Bradin Ferme abproyen und mit Granaten hinüberfeuern. Wem er damit am NapoleonStage eine so unerfreuliche Morgen gratulation abstattete, davon batte er begreilicherweise keine Ahnung. Al« französische Artillerie das Feuer zu erwidern begann, zog er sich ohne Verlust zurück. Seine Granaten warrn in da- Lager eingeschlagen und richteten eine ge waltige Verwirrung an. Eine Granate verwundet« in einem Zelte mehrere Officiere, eine andere tödtete einen Obersten in der Nähe des Prinzen. Der Kaiser, schon seit 1859 an Granatfeuer gewöhnt, zeigte sich unerschüttert, auch der Prinz bewahrte eine gute Haltung. Die Soldaten in ihrer Nähe gewannen bald ihre Ruhe wieder, aber weiterhin hatte sich
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