Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970823018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897082301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897082301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-23
- Monat1897-08
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dir Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abciid-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. BezuflS-PrelS tu der Hauplexpedltion oder den lm Stadt. br»irk und den Bororten en-jchtetcn SluS. gavestellen abgeholt: vierteljährlich.Xt 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.50. Aedaction und Lrvedition: IohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geössnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: ktto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche. Aatharinenstr. 14, part. und ASnigsplah 7- Morgen-Ausgabe. MpMer TagMM Anzeiger. Ämtsvkatt des Königliche« Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. Anzeigeu'Prcrs die 6 gespaltene Petitzeile rrv Psg. Reclameu unter dem Redactiousstrich (Sa«« spalten) 50^, vor de» Famillennachrichte» (6 gespalten) 40/«z. Größere Schriften laut unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mih der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförd-rung 60.—, mit Postbcförderung X 70.—. —/ Ännahmeschluß für Ansitzen: Ab end-Ausgabe: Vormittags IE Uhr. Marge ».Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. > Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz iü Leipzi» 427. Montag den 23. August 1897. SI. Jahrgang. Amtlicher Theil. Konkursverfahren. Ueber den Nachlaß des Fabrikbesitzers vr. pkll. Adalbert Georg Karl Schmitter in Leipzig, Inhabers der Firma: Chemische Fabrik Markranstädt — vr. Schmitter — in Markranstädt und Verlegers der Deutschen Reiter-Zeitung in Leipzig, Mozartstraße 21, wird heute, am 7. August 1897, Vor- mittags II Uhr, das Konkursverfahren eröffnet. Herr Rechtsanwalt Schiefer hier wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 8. September 1897 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Ver- Walters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in 8 120 der Konkursordnung bezeichn neten Gegenstände auf de» 25. August 18S7, Bormittags 11 Uhr, und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 20. September 18S7, Vormittags 11 Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte, Zimmer 165, Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 6. September 1897 Anzeige zu machen. KöniglichrS Amtsgericht zu Leipzig, Abth. II', am 7. August 1897. Bekannt gemacht durch den Gcrichtsschreiber: I. V.: Exped. Leine, verpfl. Prot. Sparcasse in der Parochic Schönefeld zu Leipzig-Reudnitz, Greuzstratze Nr. Z. Während des Umbaues expedirt die Sparcasse neben«« im Verkaufsladen, Greuzstratze Nr. 1, Ecke der Dresdner Stratze. Leipzig.Reudnitz, 19. August 1897. Robert Liebert, Director. Die Sparcasse Paunsdorf expedirt täglich von 9 bis 12 Uhr und verzinst Einlagen mit drei und sechs Zehntel Procent. Hohnstein in der Zächfischen Schweiz und die neueröffnete Bahnlinie Schandau-Hohnstein. Ein Culturbild aus unserem engeren Vaterlande. Von A. Lingke. Nachdruck verboten. II. Die Llntiieula Huris äietiouis episcoxatus Msueasis vom Jahre 1346, welche die Eintheilung des BisthumS Meißen nach Archidiakonaten und ArchipreSbyteraten enthält, ist Wohl als die älteste bekannte Urkunde zu bezeichnen, die Hohn steins Erwähnung thut. Darnach war Iloeusteiu et Lebenitr ein unter dem kruepositus Luäissinensis stehendes Erzpriesterthum, in welches 10 Kirchen gekörten. Die politische Oberherrschaft über diesen erzpriesterlichen Sprengel halten die Könige von Böhmen. Die ersten Besitzer der geographisch mit dem Erzpriesterthum identischen Herrschaft Hohnstein sind nicht bekannt, auch die Zeit des Ausbaues des Schlosses läßt sich nicht bestimmen. Daß die Herren von Chlumen, Clomen oder Lohmen die ältesten Besitzer von Burg und Herrschaft gewesen seien, ist geschichtlich nicht erwiesen. Sicher dagegen ist, daß seit 1353 die Berken von der Dube auf der Burg Hohnstein seßhaft waren, denn in diesem Jahre ist ein Hincko (Heinrich) von der Duba Z>om Kaiser Karl IV. und Könige von Böhmen mit der Burg und Herrschaft Hohnstein belebnt worden, zu der außer den Städten Sebenitz, Nawstath (Neustadt) und Schando an die 40 Ortschaften und etwa 8 Rittersitze gehörten. Die Berken von der Dube waren ein kampflustiges Ge schlecht, das nicht blos mit seinen ritterlichen Nachbarn, sondern auch mit den sächsischen Fürsten oft in Fehde lag und die Straßen, die aus dem Meißnischen über Stolpen und Neu stadt, und die aus der Lausitz über Rumburg oder Zittau nach Böhmen führten, unsicher machte. Auch die bischöflichen Städte Äockrim (Stolpen) und Bischofswerda wurden oft von ihnen bedroht, so daß sich der Bischof von Meißen sogar dazu verstehen mußte, ihnen einen fünfjährigen Tribut von 40 Schock Groschen zu zahlen, damit sie seine Unterthanen in Ruhe ließen. Bis 1443 blieben die Berken im Besitz von Hohnstein. In diesem Jahre gelang es dem BischofJohann IV. von Meißen nach längerem Bemühen, die unruhigen Nachbarn in Güte zu entfernen, nachdem er den „älteren" Herren zum Hohnstein, Hincko Berke von der Duba vermocht hatte, sein Schloß Honstein an der Politz (Polenz) mit allen Zubehörungcn, Städten, Dörfern, Leuten, geistlichen und weltlichen Lehen, Mannen rc. den fürstlichen Brüdern, Kurfürst Friedrich den Sanftmüthigen und dem Herzog Wilhelm um 570 Schock Groschen und gegen Eintausch der Herrschaft Mühlberg an der Elbe zu überlassen. So kam Hohnstein in den Besitz der Wettiner, die ?S aber nur als Vasallen der Krone Böhmens in Lehn hatten und noch bis zum Jahre 1806 bei jedem Regentenwechsel in Böhmen einen neuen Lehnsbrief lösen mußten. Nachdem die Berken das Schloß verlassen hatten, wurde ein kurfürstlicher AmtShauptmann nach Hohnstein gesetzt und mit der Verwaltung der Herrschaft betraut. Jedoch blieb dieselbe, nachdem sie bei der Theilung Sachsens an die albertinische Linie gefallen war, nicht in unmittelbarem Besitz der Herzöge von Sachsen, sondern Georg der Bärtige be lehnte seinen Obermarschall Heinrich von Schleinitz damit. Dessen Söhne überließen im Jahre 1524 Hohnstein käuflich an Ernst von Schönburg den Jüngeren. 1543 vertauschten die Söhne Ernst von Schönburg's die Pflege Hohnstein mit Lohmen und Wehlen gegen das ihnen bequemer liegende Penig, Wechselburg und Zinneberg an den Herzog Moritz von Sachsen, und seit dieser Zeit sind die Pflegen Hohnstein mit Lohmen stets bei Sachsen geblieben, ist eine Besitzstands veränderung der Hohnsteiner Herrschaft nicht wieder vor gekommen. DaS Schloß Hohnstein gehört zu den reizendsten und kühnsten Bergschlössern der Sächsischen Schweiz. Auf einer jäh vorspringenden Bergzunge erbaut, hatte die Natur schon theilweise für die Befestigung desselben Sorge getragen, und auf jener Seite, wo es mit dem Bergrücken zusammenhängt, war durch tiefe Einschnitte und Gräben, soww überhaupt durch starke und feste Mauern und Schanzen der Zugang zum Schlosse erschwert und gehemmt. Auf drei Seiten ,st es von Abgründen umgeben. Durch eine steinerne Brücke hängt es mit der Stadt zusammen und wird in daS alte, mittlere und neue Schloß eingetheilt. DaS alte Schloß, welches durch eine eiserne Gitlerthür mit dem neuen in Verbindung steht, liegt fast ganz in Ruinen. Es sind nur noch ein alter Thurm, die alte Gewehr- und Rüstkammer, die Marter kammer und einige Gefängnisse übrig. Vor der nach der Stadt zu führenden Brücke befand sich ein freier Platz, der jetzige Markt, auf dem bis zum Jahre 1690 der Pranger stand und die Hinrichtungen der Delinquenten des Amts bezirks vollzogen wurden. Auf dem Platze vor der Brücke wurden — um ein Bild von der strengen Rechtspflege des 17. Jahrhunderts zu geben — hingerichtet: Am 28. April 1620 eine Magd aus Schandau, weil sie Feuer angelegt. Nach dem damals noch vielfach geltenden jus talionis hätte sie bei lebendigem Leibe verbrannt werden müssen, sie ward jedoch „als zur Gnade" mit dem Schwerte hingerichtet und ihr Leichnam hierauf verbrannt. Am 21. Februar 1623 wird ein Neustädter Bürger, der sein Weib erstochen hatte, enthauptet, -und am 20. Mai 1625 Georg Strubach, eben falls aus Neustadt, der in der Schlacht am weißen Berge mitgefochten und das „Beute machen erlernet", mit dem Schwerte gerichtet und darauf sein Körper aus das Rad gelegt. Eine Kindesmörderin aus Neustadt wurde den 2l. August 1615 in einem Sack am Hohnsteiner Mühlwehr ersäuft. So daß also im Laufe von 10 Jahren aqS dem kaum 1200 Seelen zählenden Städtchen Neustadt nicht weniger als 3 Personen mit dem Tove bestraft wurden. Auch im 18. Jahrhundert sind eine große Anzahl Hinrichtungen in Hohnstein vollzogen worden. Von: dreißigjährigen Kriege hatte Hohnstein trotz seiner wenig zugänglichen Lage viel zu leiden, wie überhaupt gerade die Sächsische Schweiz, da die Friedländischen Truppen in Böhmen gesammelt wurden, viel von den Kriegsvölkern Wallenstein's beunruhigt wurde, wenn auch die Zerstörungen und Brandschatzungen bei weitem nicht so schreckensvoll waren, als die der schwedischen Marodeure unter Führung des Feld marschalls Bansr. Im April des Jahres 1632 beginnen die Truppendurch züge. Wallenstein war nach Böhmen eingerückt, hatte Prag erobert und trieb die Sachsen aus dem Lande. Wallen- stein'sche Truppen folgten ihnen, bezogen „im Breitling", zwischen Stürza und Helmsdorf, ein Lager, und brandschatzten von hier die Umgegend. In Cunnersdorf setzten sich die Bauern zur Wehr, die Ehrenberger leisteten Succurs, und so kommt eS zum Handgemenge, bei dem 42 Bauern bis auf den Tod verwundet werden, mm 1. August 1632 wird „der Stolpen" überfallen, geplündert und an gezündet; Hohnstein wird ebenfalls zum Theil geplündert, die Besatzung stellt sich „aus Furcht des Feuers" nicht zur Wehr. Zu den Verheerungen deö Krieges kamen die Schrecknisse der Pest. Der jähe Tod überfiel Jung und Alt, hilflos lagen die Kranken in den Häusern, Vic Verstorbenen aber wollte Niemand begraben. 1633 und 1634 campirten die Wallenstein'schen Truppen bei Böhmisch - Kamnitz, um von hier aus fortgesetzt in das Gebiet deS Hohnsteiner Amtes einzusallen. „Die Neustadt" ist in jenen Jahren zwanzig Mal überfallen und geplündert worden. Alle Dorfbewohner flüchteten und trieben das Vieh in die Gehölze oder bargen es in den Gründen und Schluchten der Sächsischen Schweiz. Am 7. November 1633 wurde „die Sebnitz" vom kaiserlichen Fußvolke auSgepliändert und an gezündet, so daß mehr als die Hälfte der Gebäude bis auf den Grund niederbrannte. Hohnstein hätte sicher dasselbe Schicksal gehabt, wenn nicht die Besatzung des Schlosses den Bürgern zu Hilfe gekommen wäre und die kaiserlichen vertrieben hätte. Mittlerweile waren in den Lauf des Krieges tief ein greifende Ereignisse cingetreten. Wallenstein war zu Egcr ermordet und der 26 jährige Erzherzog Ferdinand zum Ober befehlshaber über das Heer ernannt worden. Ihm war Gras GallaS zur Seite gegeben. Diese Wendung der Dinge schien anfangs der so schwer leidenden Bcvölkenrng znm Segen zu sein, die feindlichen Soldaten verschwanden nach und nach ganz aus dem Amtsbezirk Hohnstein und die so übel be handelten Leute griffen wieder zu ihrem Berufe. Aber nur kurz sollte die Ruhe sein, schmerzlicher als je sollten die Be wohner Hohnsteins und ter benachbarten Ortschaften die Geißel des Krieges fühlen. Um die Osterzeit des Jahres 1637 kamen kaiserliche Völker unter Gallas in das Kirchspiel und brandschatzten die Gegend vom Grünen Donnerstag an „bis in, die vierle Woche und darüber", durchsuchten alle Steinklüjte und Gehölze und schleppten fort, was sie sanden. Wer sich auf die Straße oder ans das Feld hinauSwagte, wurde von den Gallas'schen Reitern angehallen, beraubt, mißhaudntr vW: gar getödtet. Infolge aller Lieser Ursachen brach eine große Theuerung aus. Der Roggen kostete 5 bis 6 Thaler, der geringste Barthafer 1'/? Thaler und wurde alles Getreide nur gegen baareS Geld verkauft. Aber die schrecklichste» Tage deS dreißigjährigen Krieges standen den armen Leuten noch bevor. Gustav Adolph war am 6. November 1632 bcc Lützen gefallen und Bernhard von Weimar, ferner die Feld herren Banör, Torstenson, Horn und Thurn hatten die HcereSleituug übernommen, um den Krieg, jeder ans eigene Faust, weiter zu führen. Dies war eS, waS den Chui- sürsten von Sachsen, der es mit seiner Fürstenwürde unver- Feuilleton. Mein erster Heirathsantrag. Humoreske von Rudolf Greinz. Nachdruck vkrboltn. Ich War dreißig Jahre alt geworden und hatte noch keinen einzigen Heirathsantrag gemacht. In Folge dessen feierte ich meinen dreißigsten Geburtstag auch nicht mit einer jiebenven Gattin, sondern in unserem Künstlerverein „Frei licht". Derselbe zählte unter seinen Mitgliedern nur zwei Ehemänner, die zum Gaudium für unS Uebrige stets vor Mitternacht auskniffen. Trotz alledem behagte mir die Junggesellen-Wirthschaft nicht sonderlich. Schien das Helle Tageslicht zu den hohen Fenstern meines Ateliers herein und ließ all den mehr oder weniger werthvollen Kram, den ich im Laufe der Jahre auf gespeichert hatte, eigenartig und cffectvoll hervortreten, dann dachte ich mir oft: Wäre gar nicht so übel, wenn eine zarte Frauenhand — die Hand deiner eigenen Frau — in all diesen Brocaten, Nippsachen, alten Teppichen, Waffen, seidenen Gewändern herumknistern würde. DaS würde unbedingt eine ganz neue Stimmung hineinbringen. Bald nach meinem vollendeten dritten Decennium be schloß ich, mir selbst in Gestalt einer Frühsommerreise ein Geschenk zu machen. Ich hatte zwei neue Bilder gut ver kauft, löste ein Rundreisebillet und begann meinen Koffer zu packen. Hier und dort würde eS Bekannte zu besuchen geben. Es konnte also ganz animirt werden. In daS Programm der Besuche war auch mein Freund vr. Felix Moll ausgenommen worden, der irgendwo in Thüringen als Assessor hauste und vor einem Jahr ge- heirathet hatte. Er schrieb, daß er den Himmel auf Erden und einen Erzengel zur Frau habe. Diese Musterehe wollte ich mir denn doch etwas näher ansehen. An einem sonnenhellen Junitag brachte eine Droschke mich und mein Gepäck auf den Münchener Centralbahnhof. Die Mitglieder des „Freilicht hatten sich zahlreich eingefunven. Einen feierlichen Abschied hatte ich mir jedoch verbeten, da der projectirte ChoruS: „Werst ihn hinaus! rc." bei dem regen Verkehr in der Abfahrtshalle sicher nur an erhebender Wirkung eingebüßt hätte. . . ES gab hier und dort Aufenthalt auf der Reise, bis ich endlich meinem Freund Felix immer näher rückte. Abends sollte ich nach dem Nest kommen. Noch etwa zwei Stunden Fahrt. Ich saß allein im Coups. Da stieg eine Dame ein. Donnerwetter! Bildhübsch! Ich war ihr mit Feuereifer bei der Bergung von einem Koffer, zwei Handtaschen, einer Plaidrolle und drei Hut schachteln bchülflick. DaS junge Mädchen war zu reizend! Reiches, braune« Haar, in zwei starken Zöpfen um den Kopf geflochten. Zwei muntere schelmische Augen. Farbe im Moment unbestimmbar. Im Kinn ein kleine« Grübchen. Meine schöne Reisegefährtin hatte mir gegenüber Platz genommen. Ich knüpfte sofort ein Gespräch an. Wir unter hielten unS prächtig. Ich gab ihr meine Visitenkarte. „Ach! Herr Fritz Rohrbach!" lächelte sie. „Ich habe von Ihren Bildern schon viel Rühmliches gelesen!" Dabei reichte sie mir die in feinem schwedischen Handschuh steckende zierliche Hand. Ich führte sie unwillkürlich an die Lippen. Sie entzog sie mir hastig und wurde über und über roth. Ich wollte sie nach ihrem Reiseziel fragen, wagte es aber nicht. Ich wäre unglücklich gewesen, wenn sie mir eine der nächsten Stationen genannt hatte. Lieber wollte ich mich in der glücklichen Illusion wiegen, daß die Fahrt mit ihr durch den lachenden, sonnenhellen Tag fortginze bis inS Unendliche. Auf Freund Felix batte ich augenblicklich ganz verzichtrt. Ich beschloß, an dem Nest sicher vorüber zu fahren, wenn meine holde Reisegefährtin mir nicht schon früher ent flohen wäre. Aber das durfte ja gar nicht sein! Bei allen Göttern! ich hatte mich plötzlich verliebt! DaS war das liebe Gesicht, das die zarte Hand, die sinnenden und doch so lebenslustigen Augen, die süße, melo dische Stimme und daS silberne, kindeSreine Lachen, welches ich mir so oft geträumt hatte — als den Inhalt meines Lebens. Und hier saß es mir gegenüber. Ich brauchte nur die Hand danach auszustrecken. Ja — wenn ich keinen Korb bekam! WaS sollte sie von mir denken, wenn ich jetzt plötzlich mit einem Heirathsantrag herauSrückte . . . mit meinem ersten Heiraths-ntrag! „Sie haben wohl eine weitere Reise vor?" fragte sie mich, nachdem sie mir erzählt hatte, daß sie sich auf einem kurzen Besuch bei Verwandten befunden habe. „Was ist Ihr heutiges Ziel?" „Ich habe eigentlich gar kein Ziel!" entgegnete ich. „Wenn man sich in so anziehender Gesellschaft befindet, dann verschwinden alle übrigen Ziele gegenüber dem einen, nur recht lange dieses Vergnügen zu genießen!" Sie wurde wieder roth. „Aber sie müssen sich doch ein Ziel gesteckt haben!" „Äch wollte heute einen alten Freund besuchen. ES ist im Grunde nur eine leicht verzeihliche Neugier, die mir den Gedanken eingab, Freund Felix Moll wiederzusehen. Der Gegenstand dieser Neugier ist die Frau meines Freundes!" „Die Frau? WaS Sie sagen! Das läßt tief blicken!" „Denken Sie nicht« zu Arges, verehrtes Fräulein! Ich kenne ja seine Frau noch gar nicht!" „Möchten sie aber kennen lernen?" „Man hat manchmal eine fixe Idee. Die Sache ist einfach die: Mein Freund Felix schrieb mir, wie unsagbar glücklich er verheirathet sei. Da ich selbst noch ledig bin, habe ich mich von diesem Glück überzeugen wollen —" „Das ist zu nett!" lackte sie. „Weil ich nicht recht daran glaube!" fügte ich hinzu. „Sie glauben nicht daran?" versetzte sie fast heftig. „Freund Felix war Zeitlebens ein anspruchsloser Mensch. Seine Frau soll ja vom Lande sein, da irgend woher in der Nähe von Buxtehude. Also jedenfalls beschränkte Er ziehung." „Aber Sie müssen Ihres Freundes Frau dock schon kennen gelernt haben", meinte sie belustigt. „Keine Spur!" versicherte ich. „Ich habe mir jedoch von dieser Mustergattin ein ganz genaues Bild in meiner Phantasie entworfen. Ziemlich rundlich und woblgenährt wird sie sein. Kocht gut. Hat wöchentlich regelmäßig den Scheuerteufel. Gesunde volle Backen, eine Nuance zu roth. Blaue Augen. Liebenswürdig im Umgang. Wahrscheinlich ein Jahr Pensionatsbildung. Bei rascher Bewegung — sonderlich lebhaft dürste sie übrigens nicht sein — ein chro nischer Küchengeruch. Etwas altmodischer Kleiderschnitt... Babyschürze. . ." „Sie haben aber wirklich eine lebhafte Phantasie!" unter brach sie mich lachend. „Glauben Sie also, daß alle Mädchen, die von da woher kommen, beschränkt sind?" „DaS will ich durchaus nicht gesagt haben!" versicherteich mit einem plötzlichen Erschrecken. Am Ende war sie auch von da woher . . . „Aber sehen Sie, mein Fräulein, wir Künstler haben eben ganz andere Ideale!" „Und ist es erlaubt, nach diesen Idealen zu fragen?" sprach sie und sah mir dabei in die Augen. Jetzt mußte es gewagt werden! das war die richtige An knüpfung. Sie war ja mein Ideal! „Verehrtes Fräulein!" begann ich doch etwas zaghaft. „Wie irgend eine große Idee meist nickt durch langes Nach denken geboren wird, sondern ein jähes Himmel-licht ist, das unsere ganze Seele erhellt, nach Gestaltung drängt, nimmer von uns Weichen will — so ergeht eS unS wahr scheinlich auch mit den Idealen unserer Liebe. Auf einmal begegnet unS ein Mädchen, daS mit einem Schlag unser Herz gefangen nimmt! Ich bin eine Künstlernatur, mein verehrtes Fräulein! Darum ist eS mir wahrscheinlich auch nicht beschicken, daß ich nach den gewöhnlichen Regeln um mein Glück freie. Ich habe in meinem Leben noch keinen Heirathsantrag gemacht. ES ist heute der erste. Denken Sie über mich, wie Sie wollen! Aber seien Sie davon über zeugt, daß eS mir Ernst ist, heiliger Ernst! Zürnen Sie mir nicht! ES ist tollkühn von mir. Ich weiß es. Sie sind eS und keine Andere, mit der ich unaussprechlich glücklich werden könnte! Darf ick wenigstens hoffen, daß unser heutiges Beisammensein nicht unser letztes sein wird? Darf ich Ihnen Gelegenheit geben, sich von der Ehrlichkeit meiner Absichten zu überzeugen?" Jetzt war er heraus — mein erster Heirathsantrag. Sie ließ mich ruhig auSrcden und schlug verwirrt die Augen nieder. Also war doch nicht Alle- verloren. Sie war nicht entrüstet aufgesprungen, batte nicht nach der Nothleine gegriffen . . . Jetzt galt eS noch daS Letzte — einen Knie fall — da kniete ich schon auf der Coco-matte deS CoupöS. Ich ergriff ihre Hand und drückte sie abermals an die Lippen. „Mein Fräulein", rief ich. „Entscheiden Sie! Ein einrigeS kleines Wort — nur der geringste Schimmer von Hoffnung!" „Um Gottes Willen, stehen Sie auf!" erhob sie fick hastig und entzog mir ihre Hand. Ich sprang empor und bemerkte, daß der Zug langsam in eine Station cinfuhr. Sie griff nach ihrem Koffer. „Sie werden doch nicht?" rief ich erschreckt. „Ich bin am Ziel!" „Dann bin ich auch am Ziel!" rief ich und riß meinen Koffer aus dem Netz oberhalb der Sitzbank. „EberSwald!" schrie der Schaffner zum Fenster herein. „Eine Minute!" „Donnerwetter! Eberswald!" rief ich. „Da ist ja Freund Felix daheim! Sie steigen also in Eberswald aus?" „Ja, ja!" entgegnete sie. „Eilen Sie! Wir haben nur eine Minute!" Ich belud mich mit ihrem Gepäck und eilte voraus aus dem Coupe. Sie hüpfte über das Trittbrett, ließ mich neben Koffer, Handtaschen und Hutschachteln stehen und eilte in die Arme eines Mannes, der rasch auf sie zukam. Das war ja Freund Felix! Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. Im nächsten Moment erblickte mich mein Freund und war mit einem Sprung an meiner Seite. Lange Um armung. „Du, sag' mal, wer ist denn die junge Dame, die so eben —", fragte ich in fieberhafter Aufregung. „Aber Junge, das ist ja meine Frau!" „Deine — Deine Frau?" — Ich glaubte, eS müsse mich augenblicklich der Schlag treffen. Mein Ideal war unter dessen zu unS getreten. „Sie sind Felix' Frau?" sagte ich mit der Miene eine- Ertrinkenden. „Wer denn sonst?" lachte sie. DaS war Felix' Frau .... Pensionatsbildung . . . chronischer Küchengernch . . . altmodischer Kleiderschnitt . . . Babyschürze . . . Beschränktheit . . . Scheuerteufel . , . ein ganzer Hexensabbath tollte in meinem armen gemarterten Hirn. „Ich gratulire Dir! Ich gratulire!" würgte ich hervor, als mich Freund Felix fragte, wie mir seine Frau gefiele und wir in den Wagen stiege», der uns nach der Wohnung dcS jungen Ehepaares brachte. * Wie eS schon im Menschenleben geht, daß man auf einer einmal betretenen Bahn weiter wandelt, so war eS auch mit mir. Meinem ersten wegen unüberschreitbarer Hindernisse nicht zu realisirenden Heirathsantrag ist bald rin zweiter gefolgt. Ich bin jedoch in der Verwandtschaft geblieben. Ich habe inzwischen die Schwester meines ersten Ideals ge- beirathet, die auf Besuch bei Felix war. Und meine Frau ist noch viel reizender, als Felix' Frau. Davon bin wenigstens ich fest überzeugt. , DaS Rundreisebillet ließ ich verfallen, weil ich dock Zeit brauchte, mich bei Freund Felix von dem furchtbaren Schlag zu erholen und zu der oben ausgesprochenen Uebcrzeuguug zu gelangen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite