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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970823027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897082302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897082302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-23
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«134 j derselbe Tadel den meisten antisemitischen Abgeordneten rrtheilt werden muß. Nach der Uebersicht über die jüngst beendete Session, die sich bekanntlich über zwei Winter erstreckte, haben seit November 1885 bis incl. Juni 1897 im Ganzen 45 nament liche Abstimmungen stattgcfunden. Bei diesen 45 Auszählungen ergab «sich, daß von den 16 Antisemiten im Durchschnitt immer nur etwa die Hälfte (genau 8,4) anwesend waren, und zwar fehlten von der andern Hälfte die Meisten ohne Entschuldigung. Zur höchsten Stufe in letzterer Beziehung haben eS die Herren Köhler und Böckel gebracht, Köhler war nur 6 Mal anwesend, fehlte.also 39 Mal, darunter 35 Mal ohne Entschuldigung, vr. Böckel war 9 Mal zugegen, fehlte aber alle 36 Mal ohne Entschuldigung. Dann kommen erst Ahlwardt, der 35, Hirschel, der 31 und Bindewald, der 28 Mal fehlte, und zwar Ahlwardt 31, Hirschel 23, Bindewald 25 Mal ohne Entschuldigung. — Die wenigen „deutschsocialcn Reformer", die an den namentlichen Abstimmungen theilnabmen, sind aber keines wegs einig gewesen. Einmal, am 22. Juni 1896, wußten sie überhaupt nicht, waö sie wollen sollten. Als an diesem Tage über den socialdemokratischen Antrag abgestimmt wurde, wonach die Krankcnversicherungspflicht durch einen Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches eingeführt werden sollte, fehlten 13 und die anwesenden 3 enthielten sieb der Abstimmung. Und 15 Mal stimmten diese „Reformer" lustig widereinander, als ob niemals einer der ihrigen in Volks versammlungen den Eindruck gemacht hätte, daß die Ent schiedenheit, Reinheit und Einheit des Wollens, wie über haupt die Erlösung aus allen Zweifeln und Schwankungen lediglich bei ihnen zu finden sei. Diese Einheit des Wollens sah nach der „Nat.-Lib. Corr." in 15 von 45 Fällen folgender maßen aus: Am 6. 3. 96 stimmen 2 für, 5 gegen die schärfere Polizei aufsicht über Schauspielunternehuier, 9 fehlen; — am 10. 3. 96 stimmen einer für, 7 gegen Freigabe des Delailreisens in Wäsche u. s. w., 8 fehlen; — am 24. 4. 96 stimmen 2 für, 3 gegen die Giltigkeit der Wahl Les Abgeordneten Holz in Schwetz, II fehlen; — am 5. 5. 96 stimmen II für, I gegen das Färbeverbot im Margarinegesetz, 4 fehlen; — am 6. 5. 96 stimmen 10 für, 2 gegen die Trennung der Margarine-Ver kaufsräume, 4 fehlen; — am 12. 5. 96 stimmen 4 für, 6 gegen die Doppelbesteuerung der Melasse, 6 fehlen; — am 15. 5. 96 stimmen 3 für, 4 gegen die niedrigere Bemessung der Zucker- Verbrauchsabgabe, 9 fehle»; am 23. 6. 96 stimmt einer gegen die Ersatzpflicht für Hafenschaden, 2 enthalten sich der Ab stimmung, 13 fehlen; am 24. 6. 96 stimmen 3 für, 2 gegen die fakultative Eivilehe, 11 fehlen; — am 30. 6. 96 stimmen 4 für, 1 gegen die Ersatzpflicht für Hascnschadcn, 4 enthalten sich, 7 fehlen; — am 1. 7. 96 stimmt 1 für das Bürgerliche Ge- setzbuch, 6 enthalten sich, 9 fehlen; — am 20. 3. 97 stimmen 13 für, 2 gegen die Bewilligung deS Panzerschiffes „Ersatz König Wilhelm", ebenso gegen die des Avisos „Ersatz Hyäne"; — am 7. 5. 97 stimmen 9 für, 1 gegen die Trennung der Margarine. Verkaufsräume, 6 fehlen; — endlich am 24. 6. 97 stimmen 2 sür, II gegen die Handwerksorganisation, 3 fehlen. Man wird finden, das hier alles Mögliche in Frage stand, was draußen in der antisemitischen Agitation in einer Weise behandelt wird, als könne es darüber nicht die mindeste Differenz unter »deutsch-socialen Reformern" geben. Aber so wenig sie in wirthschaftlichen, insbesondere Mittelstandsfragen sich einigen konnten, so wenig vermochten sie gegenüber der wichtigsten Frage unserer RechtSeinheit, ja nicht einmal gegen über der nationalen Aufgabe beim Streit um die SchiffS- bauten eine einheitliche Stellung einzunehmen. Das ist die »Mittelstandspartei" und „Deutschpartei" xar ^;c>x»/»>! In Norwegen hat die Wahlcampagne, welche sich dort über vier volle Monate ausdehnt, ihren Anfang genommen. Ucber den Ausgang derselben läßt sich in diesem Augenblicke keinerlei Vermutbung aufstellen, denn selbst die Parteileiter erklären ganz offen, daß es ihnen völlig unmög lich sei, schon jetzt die Lage zu übersehen. Bekanntlich steht der radicalen Partei die Coalition der konservativen und der moderaten Partei gegenüber, welch' letztere beide in den unionspolitischen Fragen fest zueinander halten. Die Radicalen haben die an und für sich berechtigte Forderung einer vollständigen Gleichberechtigung Norwegens mit Schweden auf ihr Programm gesetzt. Die Conservativen und Moderaten stellen zwar dieselbe Forderung auf, weichen jedoch in der Auffassung dieser Gleichberechtigung von den Radicalen ab. Diese wollen nämlich, daß die Gleichstellung der beiden Unionsstaaten so weit gehe, daß jeder der selben sein eigenes auswärtiges Amt mit eigener diplomatischer und Consularvertretung im AuSlande erdalte, während die Conservativen und Moderaten sich damit begnügen, daß bei Besetzung des Postens des Ministers des Aeußern Norweger ebenso Wohl wie Schweden in Betracht kommen mögen, was bisher nicht der Fall ist. Sie halten an der Union fest, indem sie diese als eine Existenzbedingung für Norwegen betrachten, und sind überzeugt, daß die Union in demselben Augellblnke zu bestehen aufhören würde, wo jeder der beiden UnionSstaaten seinen eigenen auswärtigen Minister erhielte. Ten Einwendungen, welche von schwedischer und conservativer norwegischer Seite gegen die Ernennung zweier Minister des Aeußernfrrhoben werden, setzen die Radicalen die Behauptung entgegen, daß die beiden auswärtigen Minister sehr Wohl zusammenarbeiten könnten, vorausgesetzt, daß Schweden nicht mit dem Plan umgehe, an der Politik der europäischen Großmächte theilzunehmen, was Norwegen unter keinen Umständen zulasscn würde. Im letzten Storthing verfügten die Radicalen über 59 Sitze, während die beiden anderen Parteien 55 Sitze innehatten. Während der letzten Wahl campagne vor drei Jahren wurden laut der officiellen Wahl statistik 82 700 Stimmen für die radicalen und 81800 Stimmen für die conservativen Candidaten abgegeben. Eine wenn auch nur kleine Verschiebung des Stimmenverhältnisses der Wähler wird somit wichtige Resultate zur Folge haben können. Der offic Lösen türkischen Presse wird gegenwärtig in den politischen Kreisen in Konstantinopel eine so lebhafte Aufmerksamkeit zugewendel, wie kaum je früher. Die Kund gebungen der von der Pforte, beziehungsweise aus dem Palais inspirirten Blätter verdienen auch dieses Interesse, da sie ein klares Bild von der mächtigen (von uns schon wiederholt bervorgehobenen) Steigerung der Selb st- schätz» ng der Türkei bieten, die durch die Nieder werfung Griechenlands bewirkt worden ist. Sehr lehr reich sind in dieser Beziehung unter Anderem zwei in den letzten Tage» im „Sa bah" veröffentlichte Artikel. Der eine derselben, der sich mit der Stellung der Türkei gegenüber den Mächten befaßt, hebt die großen Dienste hervor, welche die Pforte der Friedenspolitik der Mächte durch ihre Mäßigung bei den Friedenc-verhaudluugen leiste, nachdem sie ihre imposante Wehrkraft und die reichen, ibr zu Gebote stehenden moralischen und materiellen Hilfsmittel der Welt vor Augen geführt habe. Tie Türkei habe Griechenland eine gute Leclion erlhcilt und dadurch auch andere turbulente Elemente über die Kraft der Pforte aufgeklärt. Dank ihren Erfolgen nehme die Türkei gegenwärtig eine glänzende Position ein, und verfüge über vollständige Bewegungsfreiheit gegen über Europa, während manche andere europäischen Staaten durch ihre complexen Interessen in ihrer AclionS- fähigkeit vielfach beengt werden. So lange d'e Politik der Mächte im Gleichgewichte bleibe, werde sich die Pforte bemühen, aus ihrer Aclionssreiheit ernste Vortheile zu ziehen. Die Siege der ottomanlscheu Armee haben für die Pforte eine neue Aera eröffnet. Es wäre nicht opportun, bemerkt das Blatt zum Schluffe, sich hierüber in Details einzulassen, jedem Vernünftigen müsse ohnehin die Be deutung der jetzigen Situation klar sein. — In einem anderen Artikel legt der „Sabah" den überaus günstigen Charakter dar, den die Beziehungen cer Pforte zu den kleinen Balkanstaaten angenommen haben. Früher habe man von dem Prädominiren bald der einen, bald der anderen europäischen Macht bei diesen Staaten gesprochen, heute jedoch sei der ottoma nische Ein fluß der vorherrschende. Angesichts der strengen Ver tragstreue der Pforte sei es natürlich, daß die Balkanstaatcn die Freundschaft der Türkei hoch schätze». Die Fortschritte der oltomauischen Politik in Europa müssen darüber belehren, welche Conscquenzen eine gegen die Interessen der Pforte gerichtete Haltung der Balkanstaaten nach sich ziehen könnte. Die Geschichte des deutschen Bundes und der Schöpfung des deutschen Reiches zeige, daß derartige Confödcralionen nicht so sehr aus gegenseitiger Freundschaft zwischen den Bundes genossen wie im Hinblick auf etwaige gemeinsame Gefahren geschlossen werden. Die Befestigung der Be ziehungen zwischen den Balkanstaaten und der Türkei fei unleugbar auch für die Interessen der letzteren von Be deutung. Die Staatsmänner der Balkanstaaten müssen jedoch einsehen, daß sie noch weit mehr im Interesse dieser liege. Die otlomanischc Politik befinde sich bezüglich der Balkanstaaten in einer höchst günstigen Situation. Man dürfe davon überzeugt fein, daß diele Staaten ihre Politik den friedliche» Tendenzen der Pforte immer mehr anpassen und einjehen werden, daß die Aufrechterhaltung ihres stutus czuo von der Aufrichtigkeit abhängl, milder sie sich der Türkei gegenüber verhalten. Die otromauifche Diplomatie werde gewiß sehr große Erfolge in dieser Richtung erzielen. Obwohl englische Situationsberichte auS Indien den Stand der Dinge in minder beunruhigender Weise darstellen, als man auf Grund der ersten Älarm- trlegramme anzunehmen geneigt war, so vermögen sie doch über den tiefen Ernst der Gesammtlage nicht hinweg zu täuschen. Die Schilderhebnng der Afridis bildet den dunkelsten Punct in dem ohnehin schon mehr als trüben indischen Situationsbilde, und daß General Blood seinen Vormarsch in das aufständische Gebiet bis jetzt ungehindert bat fortsetzen können, beweist wenig zu Gunsten einer hoffnungsvolleren Auffassung der Gesammt- conjunctur. Mau steht aber allem Anschein «ach erst im Beginn der Entwickelung, und Niemand vermag zu sagen, welchen Weg dieselbe in ihrem weiteren Verlauf einschlagen wird. Die Officiere, welche in den nordwestlichen Grenzbezirken Indien« gebient haben und mit den dortigen Verhältnissen vertrant sind, betrachten den Abfall der Afridi« als ein Hochernstes Symptom. Dieser Bergstamm batte sich bis jetzt immer durch seine Loyalität hervorgethan und während des ersten Krieges gegen Afghanistan konnte ihm die englische Heerfübrung sogar die Bewachung des KbybergpasseS auvertrauen. Die nunmehrige Schilderhebung der Afridis scheint wie ein Lauffeuer gewirkt zu haben: ein Bergstalnm nach dem andern pflanzt die Fahne des Aufruhrs auf. Ob der Aufruhr der Bergvölker au« spontanen Ursachen erwachsen oder das Resultat einer von langer Hand vorbereiteten Action ist, welche bezweckt, das mohame- danische Bevölkerungselement gegen das englische Joch mobil zu machen, entzieht sich einstweilen noch der Beurtheilung. In London will man nickt zugeben, daß man eS mit einem Coniplot zu thun habe, dessen Fäden bis nach Konstantinopel reichen, hält es aber doch für geratben, Konstantinopeler Zeitungen von Indien fernzuhalten. Man schreibt die in Rede stehenden Verwickelungen den Impulsen eines örtlich begrenzten Fanatismus zu, ohne dock leugnen zu können, daß das mohamedanische Priesterthum seine Hand im Spiele bat. Hier ist aber gerade der springende Pnnct der ganzen Complication, dessen Tragweite um so größer erscheint, wenn man bedenkt, daß die ganze islamitische Welt sich im Zustande hochgradiger Gähruug befindet und England als den Anstifter alles Nebels baßt, das der Sache des Propheten droht. Für die englische Suprematie in Indien ist es daher geradezu eine Existenzfrage, daß die Er hebung der Bergstämme unterdrückt werde, ehe sie nach Afghanistan überspringt und England in einen langwierigen, ernsten Grenzkrieg verwickelt. Deutsches Reich. Berlin, 22. August. Mit wahrhaft lyrischer Begeiste- rnng wird die Idee des socialdemokratischen Eintritts in den preußischen La ndtagSwahlkamPf von den freisinnigen Parteicoriespondenzen der Provinzialpresse begrüßt. In einer derselben wird anläßlich dieses Tbemas auf die Polnisch-freisinnigen Wahlbündnisse Bezug genommen und diese Transaction als etwas ganz Natur gemäßes und Vorrrcfflichcs verherrlicht. Bisher las man immer in der freisinnigen Presse, daß die Behaiiptungen von polnisck-freisinnigen Wahlbündnissen eine nationalliberale Er findung seien; jetzt bat man die Verschämtheit erfreulicher Weise abgelegt und rühmt sich dieser Beziehungen. Aber was wird zu diesen Ausführungen Herr LaudtagSabgeordneter Jäckel sagen, der sick einmal im Abgeordnelenhause gegen den betreffenden Vorhalt mit dem höchsten Aufwande sittlicher Entrüstung verwahrt hat? 0. H. Berlin, 22. August. Eine große Anzahl militairi scher Personalveränderungen in den höheren Commandosteüen der Armee sind vom Kaiser in WilhelmShöbe vollzogen worden. Es sind 4 Generalmajore und Brigadecommanvenre, 10 Regimentscomniandeure (9 Obersten, 1 Oberstlieutenant) und 18 Slabsofsiciere (darunter 1 Oberst, die anderen Oberstlieutenants und Majore) zur Disposition gestellt oder sie haben den Abschied erhalten. Die 4 zur Disposition gestellten Generalmajore sind folgende: Freiherr von Sendeu-Bibran, Commandeur der 18. Cavallerie- Brigade, v. Schäffer, Commandenr der 59. Infanterie-Brigade, Wolf, Commandeur der 68. Infanterie-Brigade, und Gotz- hein, Commandeur der 70. Infanterie-Brigade. Bei dem 5. Kürassier-Regiment hat der Oberst und Commandeur Frei herr von Fürsteuberg und der etatsmäßige Ctabsofficier Oberstlieutenant Alberti mit Pension und der Regiments uniform den Abschied bewilligt erkalten. Außer dem General major Freiherr» von Senden-Bibran ist auch ein Oberst gleichen Namens, welcher die 4. Husaren befehligte, inactiv geworden. Die sreigewordene» Brigaden und Regimenter sind sämmtlich wieder besetzt. Die 59. Infanterie-Brigade bat Generalmajor Sommer, Abtheilungschcf vom Nebenetat des großen Geueralstabes, erhalten. Zum Commandeur ter 68. Infanterie-Brigade ist unter Beförderung zum Generalmajor Oberst von Wedel, welcher bisher das 48. Infanterie-Regi ment befehligte, ernannt worden. Das zuletzt genannte Regiment bat der Oberst von Trotha, seiner Zeit stellver tretender Commandeur der Schutztruppe, zuletzt commandirt zur Dienstleistung beim Auswärtigen Amt, erhalten. Oberst Putzki, welcher das 33. Infanterie-Regiment befehligte, ist mit der Führung der 70. Infanterie-Brigade beauftragt worden, während der Oberst von der Armee von Schulen burg, einst Commandeur der 1. Garde-Ulanen, die 18. Cavallerie- brigade erhalten bat. Commandeur der 1. Garde-Ulanen ist der Major von Schmidt-Pauli geworden; letzterer ist als Generalsecretair des Vereins für Hinderniß - Nennen und Schöpfer der Bahn im CarlShorst in Berlin sehr bekannt. tt verkitt, 22. August. Durch die Novelle zur -«welche« ordnung vom 5. August 1896 war u. A. beavsichtigt, dem Unfuge, welchen viele Consumvereiae, auch solche, deren Betrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt war, mit dem Ausschank voa Schnaps betriebe» batte«, entaegenzutreten. War es doch voraekomme», daß nur zum Schein Satzungen für eiurn Cousumverein zum Ankauf und Vertrieb voa Lebensmitteln aller Art errichtet wurde«, während eS sich in Wirklichkeit ausschließlich oder der Hauptsache nach um den Ankauf und Vertrieb von geistigen Getränken handelte. Die erwähnte Novelle hatte deshalb die im § 33 der Gewerbeordnung über Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus, sowie Schankwirthschaft ge troffenen Bestimmungen auf die Consumvereiae und »war nicht bloS auf die neu zu gründenden, sondern auch auf die bereits be stehenden, ausgedehnt. Am 1. Januar 1897 ist die Novelle in Kraft getreten. Sie scheint eine schnelle Wirkung auSgeübt zu haben. So wird von amtlicher Stelle über die ein schlägigen Verhältnisse in Elsaß-Lothringen gemeldet, daß in Folge der Novelle die Zahl der Schankstellen der Coasum- vereine eine erhebliche Minderung erfahren hat. Während am 1. October v. I. noch 253 Schankstellen bei Consum- vereinen im Lande bestanden, war die Zahl am 1. Juli dieses Jahres auf 71 heruntergegangen. Der Erfolg der gesetz geberischen Action kann danach nicht bestritten werde» und eS wäre nur zu wünschen, daß auch in den anderen deutschen Landen ein erheblicher Rückgang sich bemerkbar gemacht hätte. Das Bestreben, durch Bildung von Consumvereinen die Vor schriften de« § 33 der Gewerbeordnung über den Betrieb der Schankwirthschaft und den Kleinhandel mit Branntwein zu umgeben, war in den letzten Jahren insbesondere außer in Elsaß-Lothringen in den preußischen Provinzen Schlesien, Rheinprovinz und Hessen-Nassau, sowie in einzelneu Theilea de« Königreichs Sachsen aufgetreten. — Von den bereits veröffentlichten SegelordreS der Schulschiffe für das Winterhalbjahr 1897/98 ist besonders die der „Nixe" (Commandant Corvettencapitain mit Oberst- lieutenantsrang Goecke). zu vermerken, da da« Schiff infolge der verschiedenen Zwischenfälle, wie Ermordungen von Reichs angehörigen während der letzten Jahre u. s. w., Häfen an der marokkanischen Küste anlaufen soll. — Wie das »Kurmärkische Wochenbl." au» Branden burg a. d. H. meldet, ist an Stelle deS verstorbenen Generals der Cavallerie General-Adjutanten v. Albedyll der frühere Reichskanzler Graf Caprivi zum Domherrn deS Evan gelischen HochstiftS Brandenburg ernannt worden. — In dem Wahlkreise de« bisherigen Abgeordneten von PodbielSki stehen sich der Antisemit Rechtsanwalt Wohlfahrt und der Conservative von Saldern gegen über. Beide Candidaten treten für da« Programm deS „Bundes der Landwirthe" ein. Man war gespannt darauf, für wen sich der Bund ofsiciell erklären würde. Da ernannte eine VertrauenSmännerversammlung „einstimmig" Herrn von Saldern. Zu dieser „Vertrauensmännerversammlung" aber waren, wie jetzt die antisemitischen „Deutschsoc. Bl.- mittheilen, nicht einmal alle Ortsgruppenvorsitzenden rin- geladen, und merkwürdigerweise hat man gerade die ver gessen, die mit dem Candidaten Herrn v. Saldern nicht« zu tbun haben wollen. Gegen den Kreisvorsitzenden deS Bundes ist deshalb bei der Bundesleitung Beschwerde erhoben. Der Kreisvorsitzende heißl — v. Saldern! — Ueber die Dauer der Civilprocesse werden bei den deutschen Gerichten seit 1888 Erhebungen angestellt, deren Ergebniß in der kürzlich ersckienenen deutschen Justizstatistik verarbeitet ist. Die von 1888 bis 1895 vorliegenden Zahlen reihen haben nun ergeben, daß eine größere Schnelligkeit in der Rechtsprechung in letzter Zeit im Allgemeinen nicht statt gefunden bat, daß vielmehr, besonders bei den Gerichten höherer Instanz, die Dauer der Processe erheblich zu- nimmt. — Die Universität Breslau wird nach einer Meldung deS „Hamb. Corr." Professor Wolf-Zürich in ihren Lehr körper aufnehmen. Pros. Wolf tritt dort anscheinend an die Stelle des früheren Professors Elster, der vor Kurzem als Decernent für die Universitätsangelegenheiten in das preußische Unterrichtsministerium berufen wurde. — Die optischen Werkstätten der Firma C- P. Goerz, Schöneberg bei Berlin, in welchen ca. 300 Optiker und Mechaniker beschäftigt werden, sind diese Woche über ge schlossen, da allen Angestellten und Arbeitern eine Woche Urlaub, unter Zahlung des Lohnes, gegeben worden ist. — Weil er Streikgelder für sich verbraucht hatte, wurde der Vertrauensmann der Zimmerer für Friedrichsberg und Friedrichs felde S. aus der Organisation ausgesloßcn und seines Amtes als Vertrauensmann entsetzt. S. verwaltete in den letzten Monaten die Gelder zum Streikfonds der Zimmerer Berlins und Umgegend. Wie groß die Summe ist, welche er veruntreut hat, ist noch nicht sestgrstellt. Aus ähnlichen Gründen wurde der Handelsmann H. auS dein socialdemokratischeu Wahlvcrein und der Freien Ver einigung der Händler Berlins ausgeschlossen. — Dem ordentlichen Professor an der Universität zu Bonn und Director der Landwirthschaftlichen Akademie zu Poppelsdorf Geheimen Regierungsrath vr. Freiherrn von der Goltz wurde der Rothe Adler-Orden dritter Classe mit der Schleife verliehen. jählings ihr strahlendes Antlitz hinüberbückend, verwandelt sie die Bergschroffen auf der anderen Seite deS ThaleS in ein Diadem von Cbalcedon und Opal. Nun aber ist kein Anhalten mehr, herrschgewaltig, blitzend und blendend bebt sick die nächtliche Lichtmacht siegreickgebieterisch in ihrer vollen Herrlichkeit über den kleinen irdischen Schanzwall herauf — und da ist eS keine „sie", sondern ein „er", der alte Freund mit dem runden guten Gefickt, und neugierig guckt er her unter, in alle offenen Gründe, heimlichen Schlupfecken und Kammersenstern der schlafstillen Thäler hinein, als sehe und besuche er dies aus seiner äonenlangen Wanderschaft heute Nackt zum ersten Mal. So gcschahS denn nach urältestem Brauche auch über dem cngeu Einschnitt, in dem sick das Dörfchen Graseck friedlich eingebettet verborgen gehalten. Fast wie mit einem Schlage flüchtete von diesem die matte Dämmerung von jäh herab schießenden Strablenfeilen in unzugängliche Schluckten und Schrunden von dannen, und nicht langsamen Untergangs, wie im Flachland, sondern unvorbereitet lag das ganze Thal in ein weißes Lichtband eingetaucht. Ueberall zeigte zwisckn Wiesenflächen, Büschen und Baumwipseln ein Silbergerie^el die zerstreuten Dächer, als seien sie kleine glitzernde Wasser spiegel; dock wirkliche, nur ein wenig tiefer abwärts, befanden sich mannigfach drunten, und auf den AuSbuchten der ver zweigten geschlängelten Bachläufe zitterte und glimmerte wetteifernd der Widerschein. Einer Schaubühne, die sich zum Abspielen eines Stückes erleuchtete, ähnelte das Thal; hell beglänzt stossen die hohen Bergcoulissen an den Seiten herab, wechselnd mit dunklen Tannenmasscu, lichten Matten und schimmernden Felsstürzen bemalt- den Hinter grund bildete, sich zu Kugelgestalt aufstaffelnd, das Joch born. Nach dem Sprichwort aber fand sich auch, wo viel Licht war, viel Schatten ein, und anderem Wort gemäß wurde Dem, waS hatte, noch mehr gegeben und dem nur Geringes Besitzenden noch weniger gelassen. Freie Plätze und vor Allem hellgetünchte Hauswände strahlten vor Glanz, während oft dicht daneben Laubkronen undurchdringliches Schwarz überdeckt hielt. Bei aller Fülle des Lichtes indeß erstreckte seine Wirkung oder vielmehr die von ihm den Augen geleistete Beihilfe sich nur bi« in geringe Weite, dann wurden die Strahlen zu einem silbernen Gewirk, dunkle Gegenstände nicht mehr erhellend, sondern verschleiernd. Un gewiß auftauchend, verheimlichten die Dinge dock ibr eigent liche« Wesen und trieben dafür mit der Einbildung ein tauschend wunderliche« Spiel. Von Darstellern aber ließ die so großartig inscenirte Bühne nichts gewahren; das Stück schien unsichtbar und un hörbar, lediglich im Träumen unter den glitzernden Dächern vorzugehen. Ueberallhin batte die Nackt ihren freundlichen Begleiter, den Schlaf, abgesckickt, und achtsam und verdienst- lick kam er unter den tagesarbeitenden Landleuten keinem guten Berufe nach. Auch im Gasthause waren die Scheiben dunkel geworden, der Gesang des Sommerkalb-Hiesel batte gleichfalls aufgebört; trotz der seiner Liederkehle entströmenden Sehnsucht mochte er doch zu der vernünftige» Einsicht ge kommen sein, Alles mußte einmal ein Ende nehmen und auch die Cunci ihre Ruhe haben. Vielleicht batte sie sich in dieser auch gar nicht durch ihn beeinträchtigen lassen, sondern war schon lange vorher über seinen Werbegcsang heimlich lachend eingeschlafen; bei den Angehörigen ihres absonderlichen Ge schlechtes ließ sich nie gewiß sagen, ob ihnen etwas ernst sei, oder nur zum Spaß oder gar zu einem Zweck diene. Un denkbar wenigstens warS durchaus nicht, daß die Cunci die nächtliche Hulcigung deS guten Hicscl möglicherweise nur dulde und veranlasse, um bei irgend einem andern Bauern burschen, wo es ihr wünsckenswerth erschien, ein bischen förderliche und verdiente Eifersucht rege zu machen. So war nicht Ton und Regung mehr in der wunderbaren Sommernacht, mindestens nicht sür Obr und Blick auffaßbar. Lautlos mochte irgendwo ein vom Hause fortgeschlichenes Kätzchen auf das Herankommen einer Beute lauern, oder ein Spinnlein zuwartend in einer Ecke sitzen, daß sich ein nächt lich umherflatterndeß Jnsect in seinem wohlgewebten Netz ver fange. Doch wenn die« stattfand, flocht die größere Spinne, die Mondnacht, trotz ihrer Klarbeit so geheimnißvoll ihre Strahlenfäden drüber, daß auch für die besten Sinne nichts von diesem stummen Treiben zu entdecken war. Trotz der späten Stunde indeß stand doch noch die Aus führung eines Stückes bevor, nur keines, das den ganzen Bübnenraum in Anspruch nahm, vielmehr begnügte es sich mit einem geringen Fleck desselben, der auch für die zum Auf treten vorgesebenen Personen vollständig auSreichte. Die Hinterwand dieses verkleinerten Schauplatzes wurde durch die Vorderansicht der Aumüble gebildet, deren Heller Wand mit der Veranda davor die deutlichste, beinahe iagbelle Beleuch tung zugemeffen worden. Auch das freie Plätzchen nahm an dieser Tbeil, dagegen hoben sich ibm zur Rechten und Linken al« Seitenwände Bäume und Büsche aus, in deren pech schwarzem Schattenwurf auch ein Eulenauge keine Mau« ober sonstige Leckerbissen entdeckt hätte; daneben vervollständigte ein grauer niedriger Lattenzaun, leicht angeglimmert, die ländliche Scenerie. Duft von hochsommerlichen Bauern gartenblumen kam über ihn her, deren Vorhandensein außer dem ein großer Dämmerungsschmärmer bestätigte, der ab und z» im Zickzack als ein lautloser Schatten der bestrahlten HanSwand znfchoß und hurtig wieder zu seiner Honigernte zurücktaumelte. Der aufgezogene Vorhang ließ ein leis gleich mäßiges Plälsckern deS nicht wahrnehmbaren Mühlbachs hören, und auS weiter Ferne klang matt das Bellen eines Hundes, dem muthmaßUck daS volle Mondgesicht Mißfallen einflößte. Sonst war kein Geräusch vorhanden und ebenso wenig etwas Lebendiges zu erblicken, von dem ein solches hätte ausgeben können. Allerdings besand sich eine für die Handlung mitbestimmte und nothwendige Persönlichkeit bereits, und zwar schon seit geraumer Zeit auf der Bühne, doch hielt sie sick in gewisser Weise hinter der Scene, blieb wenigstens unsichtbar und tbat ingleichen nicht durch den leisesten Ton ihre Anwesenheit kund. Frau Cäcilie von Eisenhut warS; sie batte, nachdem sie in ibre Wohnung eingetreten, im Schlafzimmer eine Kerze angezündet, dort ibre Uhr aufgezogen und abgelegt, ebenso wie sie'« allabendlich zu thun pflegte, ibre Ringe, kurz, den Anschein erweckt, als ob sie im Begriff stehe, sich zur Ruhe zu begeben. Allein nach einem Weilcken besann sie sick noch anders; die während ihrer Abwesenheit in dem kleinen Raum eingrsperrt gewesene Lust mußte ihr ein zu bedrückendes Ge fühl verursachen, sie öffnete ein an der Seite auf Gebüsch hinaussebendcS Fenster, löschte das Licht wieder aus und ging in ibre Wohnstube zurück, um drüben die erwünschte Abkühlung eintreten zu lassen. Daraus wartend, setzte sie sick halb zurückgezogen an die offene Verauvatdür und richtete, ohne ein Glied zu rübren, den Blick durch riese hinaus. So regungslos war ibre Haltung, als lausche sie achtsam auf die leisesten Stimmen der Nackt, so gespannt wie etwa da« lauernde Kätzchen oder da« am Netzrand kauernde Spinnlein. Dabei ward es allgemach vor ibr hell und Heller, die Felsspitzen begannen sich zu färben und auf- zustrablen, in Streifen und Bändern floß weiße« Licht an den Bergwänden herunter. Dann schob, AlleS mit Glanz übergießend, die runde Mondscheibe sich in den freien Aether- raum vor, solchen Zauber heranfbesckwörend, daß sich wohl begreifen ließ, die junge Frau vergesse die späte Stunde und vermöge sich noch immer nickt von dem Anblick zu trennen. Sie empsand auch nichts von Müdigkeit und Schlasbedürsniß, im Gegentheil, all ihre Sinne waren eher in gesteigertem Maße rege und wach. Der ihres Geruchs nahm den von den Blumen herübcrziebenden Duft auf, sie sah den taumelnd bin und her schießenden Nachtfalter, hörte sogar ein oder zwei Mal ein kaum vernehmbares Geraschel unter dem schwarzen Laubwerk, zwischen dem der Schwärmer davongehuscht zu sein schien. Aber nur, wer im Zimmer selbst zugegen gewesen wäre, hätte ihr Gesicht zu unterscheiden und zu gewahren vermocht, daß sie dann und wann eine leis schimmernde zierliche Zabnreibe auf die Unterlippe drückte, al« halte sie dadurch etwas zurück, das ibr für die märchenhaft geheimniß- volle Lautlosigkeit der Nacht nicht geeignet erscheine. So befand sie sich allein im Hintergründe der jetzt so voll wie möglich überbellteu Bübne, und eS machte durchaus den Eindruck, als ob die ganze Aufführung lediglich in einer von ihr dargestellten stummen Soloscene bestehen sollte. Aber da kündigte sich doch das Herannaben noch einer handelnden Person an; ein leichter Fußtritt ward hörbar, hielt wie zaudernd still und bewegte sich wieder vorwärts. Man ge wahrte nickt» von dem Urbeber der Schritte, doch daun stellte sick heraus, daß die hübsche Bübne für ein Singspiel her- gericktet worden, denn aus dem Schatten zur Rechten des kleinen freien Platzes hervor erhob sich, im Anfang etwas unsicher, eine jugendliche Stimme und sang: In einem kühlen Grunde, Da geht ein Mühlenrad — Länger verharrte indeß der Sänger nicht bei dem Text deS Liedes, er schien nur mit der Absicht umgegangen zu sein, die Melodie desselben anzugeben und fuhr, unverkennbar im Weitern «ine eigene Dichtung an die Stellesetzend, fort: Ein'» Handschuh sah ich fallen lind streckt nach ihm den Arm; Ich hält' ihn gern behalte», Er war so weich und warm. Mir ist'«, al« tbät's brau« komme» Wie Vrilchenduft im März, Hab' heimlich ihn genommen Und mir gelegt an'« Herz. Da« Herz Hub an zu schlage«. So schlug's mir nie zuvor; Ich mutz ihn wirder trage» Zu ihr, die ihn verlor. Da will ich auf die Schwelle Jhu legen still zur Nacht, Und halten, bi« e« Helle, Vor ihrem Schlummer Wacht. (Fortsetzung folgt.)
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