02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970825020
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897082502
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-25
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Grtch«* -chrift« laut «nserea Gents» mrietchattz. Ladellarischer »nd gifsamsatz nach bäherem Tarif. . -.WB». - Ertra-Vellage, (gesalzt), »ar »tt dm Mora«»«»«gäbe, ohne GoftbMrderiich) dO.—, mit GostbesSrd«r»»g ^4 70.-^ ^n«ahmeschl«ß siir Zilyrige«: Abrud'Ansgab«: Vormittag« LV Uhr. Vlorge»-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. vei den Filiale» und Annahmestelle» j» «Mo halb« Stuad« früher. Anretgen stnd stet« an di» Trpeditia» zu richt«. Druck a»d Verlag von lk. Polz in Leipzig M2. Mittwoch den 25. August 1897. Sl. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. August. Der zwischen Herrn Engen Richter und der Freisinnigen Vereinigung entbrannte Streit gewinnt mit jedem Tag an Hef tigkeit. Wir geben an anderer Stelle eine neue Probe Richter- schen KampfeSzorneS wieder und wollen gleich bier bemerken, daß die Adresse der „Nationalzeitung", an die sich der volks parteiliche Führer wendet, nichts an der Tbatsache ändert, daß es sich lediglich um Differenzen der beiden freisinnigen Linien handelt. „Die Sammlung aller Liberalen," von der daS genannte Blatt spricht, ist ein ausschließlich von der Freisinnigen Vereinigung und deren offenen und verkappten Anhängern betriebenes Projekt, auf nationalliberaler Lagerstätte wird dieser Traum nicht geträumt. ES ist ja richtig, der augenblicklich im Vordergründe liegende Differenzpunct zwischen Richter und seinen ehemaligen Parteigenossen bildet die Marinefrage. In Organen der Vereinigung stößt man auf Betrachtungen über dieses Thema, deren „Bewilligungsfreudigkcit" den Aerger des großen Nichtbewilligers sehr begreiflich erscheinen läßt. So z. B. schreibt die „Nation" in einem schon beiläufig erwähnten Artikel: „Seit mehr als einem Menschenalter haben sich bei uns Militair- fragen außerordentlich bewährt, um daran politische Conflicte zu entzünden. Wir wißen aus Bernhardt'- „Erinnerungen", wie rafsinirt die preußische Junkerpartei in der Conslictszeit die Militairfragen zu benutzen wußte, um die Liberalen auflausen zu lassen; wir wissen ferner aus den Wahlen der Jahre 1887 und 1893, wie nachtheilig Militairconflicte denjenigen Liberalen, die sich aus eine Opposition in militairischen Dingen verbissen haben, sind. Die Junker werden es deshalb sicherlich sehr schmerzlich em pfinden, daß allem Anschein nach sich vor den nächsten Wahlen kein rechter Militairconflict mehr entwickeln läßt; sie müssen es daher schon mit einem Surrogat versuchen, nämlich mit einem Marineconflict. Derselbe wird sich nicht ganz so zuträglicheiweisen, wie ein Militairconflict, aber er kann ihnen doch von Nutzen sein. Die Reaktionäre verlassen sich darauf, daß die Borschläge der Regierung mit oppositioneller Entrüstung empfangen werden, daß die Bewilligung oder Ablehnung von einem Kreuzer oder einem Panzerschiff als Probe liberaler Charakterfestigkeit erklärt wird. Laß sich dann die Liberalen unter einander Vie üblichen Preßliebenswürdigkeiten an den Kops werfen, und daß schließlich wenigstens die national-librralen Wählerkreise so angeekelt werden, daß sie bei den Wahlen entweder streiken oder gar gegen die weiter links Stehenden Partei ergreifen. Gelingt es aber gar, den Marineconflict fo zu verschärfen, daß es an dieser Frage zur Aus lösung kommt, so hat man glücklich wieder jene Verwirrung herbei geführt, bei der die Reactionäre schon so oft im Trüben gefischt haben. Die Berechnung ist so durchsichtig, daß inan meinen sollte, es sei kaum möglich, daß die Liberalen iu eine so plumpe Falle gehen werden; wir wüßten auch kein anderes Land der Welt, in dem das denkbar wäre. Weder in England, noch in Frankreich würde die Opposition auf so etwas hineinfallen. Wir kennen in der parlamen- tarischen Geschichte beider Länder keinen Fall — wenigstens nicht in diesem Jahrhundert—, in dem eine Oppositionspartei ans der Be willigung von Regimentern oder Kriegsschiffen eine politische Streit frage ersten Ranges gemacht hätte. Bei Fragen, die in das Gebiet der LandeSvertheidigung fallen, hat selbst in England die Opposition stets die äußerste Vorsicht obwalten lassen. Erst wenn die Forderungen, die aufgestellt werden, so extravaganter Art sind, daß gar kein Zweifel an der Mißbilligung dieser Extravaganz durch eine über wältigende Mehrheit der Bevölkerung möglich ist, kann die Oppo- sition es riskiren, jede Verständigung abzulehnen; andernfalls handelt sie klug, wenn sie sich an der Auffindung einer verständigen Mittel linie betheiligt. Die Gefahr, Laß sie dabei mit ihren politischen Grundsätzen in Conflict kommt, liegt ja überhaupt kaum vor. Galt es doch früher bei uns sogar für specifisch liberal, sich für die deutsche Kriegsflotte zu begeistern!" Das ist im Grundgedanken richtig, wenn auch vielleicht und wahrscheinlich nicht auf die nächsten Wahlen passend. Aber schon unter dem Gesichtspunkte der Marine-Angelegenheit läßt sich mit dieser reckts- freisinuigen Vernünftigkeit wenig anfanzen. WaS nicht „extravagante" Forderungen sind, das zu bestimmen, herrscht im Lager der Vereinigung volle Freiheit. Herr Barth, der Herausgeber der „Nation", hat das kürzlich selbst, wenn nicht geradeherausgesagt, so doch angedeutet. Aber dem sei, wie ihm wolle: die freisinnige Bereinigung und die „Nationalztg." wollen jedenfalls nicht wegen der Flotte „sammeln", sondern ausschließlich im freihäntlerischcn Interesse. Schiffe werden von der Vereinigung zwar viel leicht nicht in Halbwegs genügender Anzahl bewilligt werden, aber sie sollen in den Hintergrund treten, weil man die ganze Willenskraft des liberalen Bürgerthums auf die Wiedereinführung des börsenmäßigen Terminbandels in Getreide, sowie auf die Erneuerung der Handelsverträge unter Beibehaltung ihrer für die Landwirthschaft ohne Frage ungünstigen Bedingungen conccntriren möchte. Ein Aufsatz deS Herrn vr. Bamberger verrätb diese Absicht mit mehr dankenswertber als kluger Deutlichkeit, und die „Voss. Ztg." präcisirt das Vorhaben des Näheren. Das zuletzt genannte Blatt sagt: „Man kann es sich nicht verhehlen, denn eS liegt auf der Hand, daß eine Rücknahme der von deutscher Seite gemachten Zugeständnisse dazu führen muß, daß auch die als Gegenleistung gemachten Zugeständnisse zurück genommen werden." Mit anderen Worten, Deutschland muß sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß die auf seiner Seite von thörichten politischen Auffassungen eingegebenen und wirtbschaftspolitisch schlecht ausgearbeiteten Verträge von 1892 verewigt oder doch auf mindestens zehn Jahre verlängert werden. DieseParole läuft auf dieForderung: „KeineErhöhung der Getreidezölle" hinaus und ist der Herbeiführung von Zollkriegen mit den jetzigen Vertragsstaaten mindestens ebenso günstig wie der Ploetz Limburg'sche Ruf: „Keine Bindung von Getreidezöllen". Gerathen wir in die obne Zweifel unheil vollen Zustände der Vertragslosigkeit, so wird dafür der Freisinn keine geringere Verantwortung zu tragen haben, als die preußischen Eonservativen und der Lund der Landwirthe. Den Versuchen, die Parteibeziehungen im Hinblick aus künftige Wahlentscheidungen zu klären und festzulcgen, mißt die „Nat.-Lib. Corr." mit Reckt eine maßgebende Bedeutung noch nicht bei, indem sie ausführt: „Entweder schleppt sich die Legislaturperiode bis an ihr natürliches Ende hin, dann ist eS doch viel zu früh, in diesem Sommer sagen und be stimmen zu wollen, WaS im nächsten Sommer oder Herbst in erster Linie einigend und trennend wirken soll. Oder die Wahlentscheidungen kommen rasch heran, dann ergiebt sich das politische Gebot aus einer Situation, die beute noch Niemand absehen kann. Inzwischen ist es aber auch ebenso thöricht, Verschiebungen zu prophezeien, gleichviel ob man glaubt, den nächsten Reichstag als den radicalsten, der je dagewesen, oder als eine überhaupt nur noch von wirth- schaftlichen Interessen beherrschte Vertretung herankommen zu sehen, wie es sehr verfrüht ist, die rasche Auflösung der „alten" Parteien zu verkündigen. Haben wir doch in diesem Frühjahr und Sommer gerade nur die jüngste Partei sich auflösen sehen, die großsprecherische „deutsch-sociale Reform partei". Wenn aber irgend welche Stimmen über das Gebiet der künftigen Parteibeziehungen und Wahl entscheidungen Beachtung verdienen, so scheinen uns dies die Stimmen anS dem Centrumslager zu sein. Die „Germania" verbreitet in Erörterung der Begegnung des Herrn Or. Lieber mit dein Vicepräsidenten des Staats- ministeriumS vi. v. Miquel svaltenlange Artikel, um alle Welt wissen zu lassen, daß das Ccntrum mehr denn je darauf Werth legt, maßgebenden Einfluß auf die Reichs- und Staats regierung zu nehmen, und zwar Einfluß als herrschende Partei, nicht etwa im Sinne einer Regierungspartei, die sich gegebenen Falls auch unterzuordnen weiß; und die ins Land versendeten Centrumscorrespouden^en erläutern in dankcnswerther Offenheit, wie diese Parteiherrschast fundamentirt sein soll: „Wir müssen dahin streben, sowohl eine positive Mehrheit mit der Rechten, als auch eine Abwehrmehrheit mit der Linken bilden zu können"" u. s. w. Da aber z. Z. «das Abwehren die wichtigste Auf gabe" sei, so „wird bei den nächsten Wechten manchmal ein Candidat als daS größere Nebel erscheinen, dem wir bisher, so lange die conservative Partei sich besser hielt, den Vorzug geben konnten." Mit anderen Worten: das Centrum ändert seine strategischen Grundsätze so wenig wie seine taktischen. Je näher die Wahlen kommen, desto näher rückt es an die Volkspartei und an dieSocialdemokratic heran, um zu deren Gunsten gegen die Mittelparteien in West und Süd, gegen die Conservaliven in Schlesien und Westpreußen zu entscheiden, denn nur in den letzteren beiden ostelbischen Provinzen handelt es sich um conservative, im west- elbiscken Deutschland überall nur um miltelparteilichc Mit bewerber. Selbstverständlich, daß das Centrum auch die Gemeinschaft mit Polen, Welfen nnd Elsaß-Lothringern gegen die reichstreuen Parteien in der Ostmark, in Hannover und im Reichsland aufrecht erhält und befestigt. Hat dann das klerikale Centrum seine alte Stellung zum Spiel mit der doppelten Mehrheit wieder eingenommen, so mag auch das Spiel selbst in der alten Weise sich wieder erneuern, — ganz nach dem Windthorsl'schen Testament. Jedenfalls ist alle Betrachtung künftiger Entwickelungen unzulänglich und ver fehlt, die nicht auch den unveränderlichen Factor kleri kaler Machtdestrebung in den Mittelpunkt rückt." Die telegraphisch schon skirzirte Auslassung der „Nordd. Allg. Ztg." über en-lischc Versuche, Teutschland für die Verzögerung des griechisch-türkischen Friedens schlusses verantwortlich zu machen, lautet vollständig: Die englische Presse hat die neueste Schwenkung der britischen Diplomatie in den Friedensverhandlungen am Goldenen Horn zum Anlaß genommen, um vor der öffentlichen Mei nung Europas Deutschland als diejenige Macht hinzu stellen, die durch ihre Haltung in der griechischen Kinanzfrage die Unterzeichnung des Präliminarfriedens planmäßig verzögere. Dem Wiener Berichterstatter der „Times" ist es gelungen, einen Gewährsmann für die Behauptung zu finden, die europäische Ueberwachung einiger Zweige der griechischen Finanzverwaltung finde nicht einmal bei den Vertretern der deutschen Gläubiger Griechenlands Anklang und die deutsche Regierung bestehe auf dieser Forderung nicht auS sachlichen Gründen, sondern um einem Rachebedürfniß zu genügen, daS in hoben deutschen Kreisen gegen das Königreich der Hellenen gehegt werde. Es braucht gegenüber diesen geflissentlichen Entstellungsversuchen nur nochmals darauf hingewiesen zu werden, daß die Einführung internationaler Vorsichtsmaßregeln für die Verzinsung und Tilgung der Anleihen Griechenlands, der älteren wie der neu zu contrahirenden, als eine unabweisbare Nothwendig- keit von sämmtlichen im Concert der Mächte be findlichen Regierungen, einschließlich der großbritannischen, anerkannt und von Lord Salisbury vor dem Hause der Lords deutlich genug als die couäitia 8iue qua nou für die Hebung des griechischen Credits auf dem europäischen Geldmarkt be zeichnet worden ist. Der englische Premier dürfte sich bei dieser Erklärung bewußt gewesen sein, daß seine Ansicht mir dem Urtheil der maßgebenden Londoner Financiers zusammen trifft. Auch der Pariser „Matin" veröffentlicht über die Stimmung der Geldleute an der Themse Angaben, deren Gegenüberstellung mit den Auslassungen deS Wiener „Times"- Correspondenten um so interessanter ist, als der „Matin" wohl nickt in dem Verdacht steht, au einer „Erniedrigung" Griechenlands mitarbeiten zu wollen: „Man versichert in gewissen Finanzkreisen und namentlich in den griechischen Bankhäusern London-, daß, wenn diese (Finanz-)Conlrole in wirksamer Weise eingeführt wird, Griechenland zu verhältnißmäßig günstigen Bedingungen die Mittel finden würde, nm sich schnell den Türken gegenüber abfinden und so in kurzer Frist die Räumung TbessalienS herbeisühren zu können. Tie reichen griechischen Häuser in London, von deren Chefs wir mehrere befragt haben, scheinen einmüthig die Einführung dieser Controle zu wünschen, die das Schlüsselwort der Lage sei. Sie erklären die Hilfsquellen Griechenland- bei sorgfältiger Verwaltung und Ueberwachung für vollkommen aus reichend, um den Bedürfnissen zu entsprechen. Nach ihrer An sicht würde eine ernstliche Controle der griechischen Finanzen die größte Wohlthat für dieses Land be deuten." Soweit der Londoner Eorrespondent des „Matin", der von der Sache mehr wissen kann al- ein in Wien lebender Engländer. Dem deutschen Publicum sind die Gründe für die Haltung des Berliner Cabinets genugsam dargelegt und von der deutschen öffentlichen Meinung einmüthig gebilligt worden. In dem Augenblicke, wo Griechenland vor der Nothwendigkeit steht, sein Schuldconto um den Betrag der von den Großmächten, immer mit Einschluß Englands, der Pforte zugebilligten Kriegsentschädigung zu vermehren, erfüllt die deutsche Negierung eine uuabweiSlicke Pflicht, wenn sie nichts unversucht läßt, um die älteren Gläubiger deS bank brüchigen Staates ohne Unterschied der Nationalität gegen eine weitere Verkürzung ihrer ohnehin schwer beeinträchtigten Ansprüche durch internationale Maßnahmen zu schützen. Bei seiner Rückkehr nach Frankreich wird Felix Faure die Lage etwa- verändert finden, indem die Brod frage in den Vordergrund zu rücken beginnt. Es herrscht nämlich große Aufregung in den Marseiller Arbeitervierteln wegen deS Beschlusses des LebensmittelauSschusseS, den Preis des BrodeS von 40 auf 45 Centimen für das Kilogramm zu erhöben. Unter dem Kaiserreiche nahm einmal in den fünfziger Jahren die Arbeiterbevölkerung wegen Brodtheuernng eine drohende Haltung an. ES bildeten sich Zusammenrottungen. Napoleon HI. ließ daher schnell die Bäckereicasse gründen, die durch Zuschuß verhinderte, daß der Preis de-vierpsündigen BrodeS über einen Franken hinauSging. Jetzt haben Social demokralen und Radicale sofort die Sache aufgegriffen, um sie als Waffe gegen MSline zu gebrauchen. Der jetzige Ministerpräsident hat mit seiner Ackerbaugruppe, dem Kern seiner jetzigen Mehrheit, 1894 die Erhöhung des Ge treidezolles von 5 auf 7 Francs für den Centner bewirkt und überhaupt die Schutzzölle seit Jahren einzuführen gewußt. Feuilleton. p — Eine Sommermondnacht. 6s Novelle von Wilhelm Jensen. Nachdruck verboten. „Mein Mann — ich fürchte mich so vor ihm — helfen Sie mir, daß ich für die Nacht unterkomme, wo er mich nicht findet. Sind Sie nicht — ja, Sie sind die gute Frau, mit der ich auf der Bahn zusammenfuhr — Gott sei Dank, daß ich Sie gerade hier treffe." E» mochte wohl ein bischen captivirend auf Frau Adel gunde wirken, daß ihr da- schmückende Beiwort einer „guten" zugetbeilt worden, doch im letzten GemüthSgrunte trug sie, wie sich gegenwärtig herauSflellte, wohl einige Be rechtigung, so genannt zu werden, in sich — wenigsten« rief die offenbare Nothlage eines andern weiblichen Wesen» bei ihr, ohne Rücksichtnahme auf den veilchenduftigen Handschuh, ein Mitgefühl wach, daS sie hastig versetzen ließ: Fürchten Sie sich auch so vor Ihrem Manne? DaS LooS haben wir Arme alle — aber Kind — ich könnte ja Wohl Ihre Mutter sein — was ist denn — weshalb — was haben Sie denn gethan?" „Nichts — gar nicht- — nur eine Dummheit, eine kindische Dummheit. Ich begreife nichts davon — wie ein toller Traum ist's mir — aber er glaubt, muß glauben — lassen Sie mich in Ihr Hau- — rasch — um Gotte willen — eh' er mir in seiner rasenden Wuth nachkommt — er brächte mich um — so hab' ich seine Augen nie gesehen . . ." „Barmherzige Geister! Gottlieb!" stieß Adelgund« Besen meier aus. „Hilf! Komm schnell! Stelle Dir vor, daß mir da« . . ." „Nein, da- wäre Dir nie geschehen, Adelgunde", ver sicherte der bezüglich seiner Vorstellungskraft Aufgeforderte mit Entschiedenheit, Wohl ebenfalls lebhaft mit erregt, doch unverkennbar zualeich auch durch die jäh-unverboffle Hand- schuh-Gedachtniß-Au-löschunb äußerst wohlthätig beschwichtigt. Eilfrrtigst sich zur Besenmrrer'schen Behausung fortbegebend, traten durch die Thür der letztern nun diese drei Personen von der Scene ab, unter ihnen diejenige, die man als Lieb haberin und allem Anscheine nach auch als die erste Veran stalterin der nächtlichen Aufführung ansehen mußte. Doch hatte der Plan de« Stücke« zweifellos eine vollständige Aenderung erlitten j eS war ursprünglich jedenfalls nur als Sing- und Lustspiel gedacht gewesen, in seinem Verlauf jedoch vom Schwank zu einem ernsthaften Sensationsdrama ausgeartet und schließlich gradeswegs zu tragischem Ausgang gelangt. Was aber die anfängliche Regieführerin überhaupt dazu veranlaßt gehabt, diese zu einer unheilvollen Katastrophe auSgeschlagene Komödie zu insceniren, darüber gab Frau Cäcilie von der Hallen wenigstens vorderhand keinerlei Aus kunft. Deutlich ließ sich erkennen, daß ihr noch die körper liche Fähigkeit, davonzustürzen, geblieben sei, dagegen etwas mit panischem Schreck Ueberwältigendes ihr die Besinnung genommen und sie in einen halbirren Geisteszustand ver setzt habe. Während derartig die kleinere Nebenhandlung endigte, leerte sich auch die Hauptbühne von den nach und nach auf getretenen Personen. Der Baron von Wolfskeel verlor sich seitwärts in einem schwarzen Schatten, und HanS Bachstelz trachtete insoweit danach, seinem Beispiel zu folgen, als er, sich auf den Rückweg zum Gasthause machend, gleichfalls möglichst die Mondhelle zu vermeiden suchte. Er war noch nicht so weit auf der akademischen Scala vorgeschritten, in der ihm zu Theil gewordenen Namensbeilegung „dummer Junge" eine ehrenrührige Auszeichnung zu empfinden, sondern ausschließlich von dem stark deprimirenden Gefühl überkommen, daß sich in jener Anrede eine Wahrheit ausgesprochen habe. Im Uebrigen begriff er von dem Fortgänge deS SlückeS, an dem er anfänglich mitgewirkt hatte, eigentlich nichts weiter, als daß nicht für ihn, sondern für sammtliche handelnden Personen urplötzlich etwa- völlig Unerwartetes und Unerklär- bare« vom Himmel gefallen sein mußte. Auch der Freiherr Erhard von der Hallen befand sich auf dem Wege zum Gastbau-, und zwar in Begleitung des DoctorS Gerlach Viereck, zu dem er rasch Zuneigung nnd Vertrauen gefaßt zu haben schien. Er selbst hatte zwar nicht Aufschluß darüber gegeben, wie er in so überraschender Weise zu nächtlicher Zeit hierher und an die Aumühle gekommen sei, dagegen von dem Arzt erfahren, daß dieser der Wagen gefährte seiner Frau auf der Eisenbahn gewesen, und er er kundigte sich jetzt, ob Viereck im CoupS bereit- etwa- von dem Verhältnisse zwischen der Treulosen und dem Herrn von Wols-keel bemerkt habe. Davon war indeß der Scharf sichtigkeit de- Befragten ebenso wenig die geringste Ahnung ausgegaogrn wir den unerfahrenen Augen von HanS Bach stelz, und nur ihr am Schluffe der Fahrt merkwürdig ver änderte« Benehmen gegen den letzteren hatte ihn einigermaßen in Verwunderung gesetzt. Und der Sprecher fügte hinzu, er sei dadurch veranlaßt worden, wie er gesehen, daß der junge Student noch in der Mondnacht das Gasthaus wieder verlassen, ihm nachzugehen, um vielleicht zur Lösung eines ihm nicht erklärbar gewordenen psychologischen RäthselS zu gelangen. Hier fiel der Freiherr von der Hallen bitter ein: „Die Lösung ist leicht; sie wollte schon im Coups die Eifersucht ihres Liebhabers, dem gegenüber sie sich vor Ihnen so ge schickt zu verstellen wußte, rege machen, und zu dem gleichen Zwecke wandte sie offenbar das noch verstärkte Mittel an, den jungen Narren irgendwo zu ködern, daß er auf den Ein fall komme, ihr in der Nacht vor ihrem Fenster ein Ständchen zu bringen. Das sollte der andere hören und darüber in Leidenschaft gerathen — Gott weiß was thun — eine Scene aufführen, daß sie nachher über ihn lachen könnte, wie er sich von solcher Narretei habe anführen lassen . . ." Der Sprecher hielt plötzlich inne, ließ den Kopf wie haltlos auf die Schulter seines Begleiters fallen und schluchzte, in einen heftigen Thränenstrom ausbrechend: Für unmöglich bätt' ich'« gehalten — unmöglich — wenn ich's nicht mit Augen gesehen und mit Ohren gehört. „Hab Dank, Geliebte, daß Du mir endlich das Rendezvous heut Nacht bewilligt hast! Ah, ich glaubte, mir zer spränge . . Von einem ihn überwältigenden tödtlichen Schmerz sprach'-, den er bisher stumm zurückgebändigt, und sich auch jetzt wieder beherrschend und emporrichtend, dämmte er abbrechend, den stürmischen Flutbaufdrang aus seiner Brust: „Verzeihen Sie, Doctor, und halten Sie mich nickt für einen flennenden Schwäckling. Sie werden mich Morgen anders sehen — aber wenn ich noch einen Wunsch habe, ist's, daß er besser zielt als ick." „Den Wunsch theile ich so wenig, wie ich Klage über solchen Verlust Schwäche benennen konnte. Doch ist mir durch Ihre Erklärnng da- Räthsel nicht gelöst, vielmehr eher noch unbegreiflicher geworden, zu welchem Zwecke der junge Mensch unwissentlich seine Rolle gespielt hat." Der Doctor Gerlach Viereck hatte eS nachdenklich erwidert, sah sich um und fügte hinterdrein: „Wohin mag denn die — Ihre Gemahlin verschwunden sein? Dem Andern war di« Bitterkeit auf die Zunge zurück gekehrt, er antwortete rasch: „Wohin der Schreck über ihre Entlarvung sie gejagt hat — in den Wald — vielleicht in- Wasser — nein, da- gewiß nicht, sie bat ja auf kürzestem Wege erreicht, wonach sie getrachtet. Ah, ich Narr! Darum die Komödie, weil sie einen Grund suchte, sich scheiden zu lasse» — und ick blinder Dummkopf lief ihr nach. Mir gleich, wo sie geblieben — eia Geschöpf ists, daS mich nicht mehr angeht." „Sie wollte sich von Ihnen scheiden lassen?" wiederholte Viereck, „und deshalb war sie während der Fahrt zuerst so abweisend und nachher plötzlich so zuthunlich gegen den embryonalen Reichsgerichtspräsidenten? Ich bin nicht ver- beiratbet und aus eigener Hauspraxis nicht in weiblicher Psychologie bewandert, aber . . ." Der Sprecher schwieg einige Augenblicke, dann setzle er hinzu: „Erlauben Sie, Herr Baron, daß ich als Arzt auf trete und Ihnen eine Verordnung mache, die mir für Ihren Zustand durchaus Wünschenswerth erscheint. Eine gute Flasche Wein ist bei höchster gemüthlicher Erregung daS Beste, auch wenn sie, wie jede Medicin, nur mit Widerstreben genommen wird. Falls es Ihnen genehm ist, betheilige ich mich daran, und wir können sie etwa in meinem Zimmer zusammen trinken." Der Freiherr Erhard von der Hallen beantwortete die etwas absonderliche Arzneivorschrift mit einer ablehnenden Bewegung, darin bestand aber die letzte stumme Handlung auf der nächtlichen Scene, denn die Beiden batten die Gast- hausthür erreicht und begaben sich, dem Blick entschwindend, hinein. Die letzten Personen waren damit von der Bühne abgetreten, und cs entsprach einer bedachtsamen Verwaltung, in Folge dessen einen weiteren Aufwand an Beleuchtungs kosten als überflüssig zu erachten. Auf dem Iockborn schien eine Maschinerie angebracht, von der auS die Mondscheibe hinter eine hohe FelScoulisse desselben gezogen wurde, ein Schattenstreif bänderte sich am Burghang entlang, wuchs erstaunlich rasch in die Breite und nahm in kaum einer Minute siegreich von allem fast mit Sonnenhelle wetteifernden Glanze Besitz. Wohl ward eS nicht wirklich dunkel, doch über dem engen Thalgrund lag nur wieder ein grauer zwilternder Dämmerschein, der nicht« mehr deutlich unterscheiden ließ. Auf dem Plätzchen vor der Aumühle hätte allein noch das Ohr einen Vorgang aufzufassen vermocht, aber di« Scene zeigte sich nicht nur lichtloS, sondern auch lautlos verlassen, denn da- kleine Stück, da- sich so sonderbar auS dem Sing spiel und Schwank zum tragischen Drama entwickelt batte, war für beute beendigt und der Nachtvorhanz darüber gefallen. — Wenn sonst Leut« au- einer Theatervorstellung kommen
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