Strafen. 35 dem Schulunterricht in leeren Klassenzimmern eine Stunde eingeschlossen; dabei wurden ihre Namen auf einer Tafel im Hebdomadarzimmer auf geschrieben, damit die Eingesperrten nicht vergessen wurden. Die bei den Schülern recht unbeliebten „Arrestzettel“ gab es zunächst nicht. So kam es, daß im Kriegsjahre 1866 das „Nachsitzen“ ganz unterblieb, damit die Eltern sich nicht zu ängstigen brauchten, wenn ihre Kinder in der unruhigen Zeit nicht zu der gewohnten Zeit aus der Schule zurückkehrten. Obgleich besorgte Eltern ohne Zweifel auch in Friedenszeiten durch uner wartetes Ausbleiben der Söhne nach Schulschluß in Unruhe versetzt werden können, wurde merkwürdigerweise erst fünf Jahre später angeordnet, daß, „wenn ein Schüler der Sexta oder Quinta nachsitzen mußte, der betreffende Lehrer die Eltern durch den Portier benachrichtigen sollte", und erst 1885 wurde beschlossen, alle mit Arrest Bestraften zu einer bestimmten Stunde der Woche die Strafe gemeinsam unter Aufsicht eines Lehrers verbüßen zu lassen, die Eltern aber mittels „StrafZettels“ davon zu benachrichtigen. Wiederholt bezeugen auch die Protokolle, daß es ebenso an eingehenden Beratungen über vorsichtige Erteilung von Strafarbeiten nicht fehlte. So wird schon in einer der ersten Konferenzen des Jahres 1861 angeordnet, daß niemals zur Strafe eine Bibelstelle zu lernen aufgegeben werden soll. Es wäre sicher in den Augen vieler eine Entweihung der Heiligen Schrift, wenn man das Auswendiglernen einer ihr entnommenen Textstelle als Strafe bezeichnen wollte. Diese Tatsache gibt zu denken, und die ehe maligen Schüler des Vitzthumschen Gymnasiums werden sich erinnern, daß der eine oder andere Lehrer nicht nur die Beschäftigung mit der Bibel, sondern auch mit deutschen und fremdsprachlichen Schriftstellern nicht als Strafe gelten lassen wollte. Die schwerste Strafe, die der „Di mission“, ist innerhalb der 50 Jahre nur über vierzehn Schüler verhängt worden; das ist eine erfreulich geringe Zahl, die freilich größer wäre, wenn nicht so mancher durch plötzlichen Abgang vom Gymnasium einer gefürchteten Untersuchung zuvorgekommen wäre. Daß die letzte Strafe so selten angewendet zu werden brauchte, ist vor allem dem glücklichen Umstande zu danken, daß in unserer Schule die Unsittlichkeit nie Fuß gefaßt hat. Nur neunmal hatte sich in der langen Zeit die Konferenz mit Vergehen gegen die Sittlichkeit zu befassen, und dabei waren die Beschuldigten zum größeren Teil Schüler der untersten Klassen, die nachweislich bedenkliche Unarten aus der Kinderstube mit gebracht hatten. In allen Fällen mußten die Schuldigen die Schule ver lassen. Aber auch von einem andern Übel, dessen Folge leicht das volle Zerwürfnis mit der Schule sein kann, sind unsere Schüler in der Hauptsache frei geblieben: fast gar nicht sind schwere Strafen wegen unerlaubten Be suches von Gastwirtschaften oder wegen Alkoholmißbrauchs erteilt worden. Bis heute ist es den Lehrern unseres Gymnasiums eine erfreuliche Genug-