Stets ist'im Vitzthumschen Gymnasium durch alle Klassen hindurch auf genaue Einprägung und sorgfältige Repetition des vorgeschriebenen Memorierstoffes (der fünf Hauptstücke des Lutherschen Katechismus sowie einer hinreichenden Anzahl von Bibelsprüchen und Kirchenliedern) Wert gelegt worden, natürlich mit der nötigen Rücksichtnahme auf die schwächer Begabten. Die Religionslehrer des Vitzthumschen Gymnasiums wissen wohl, daß diese Wertung des Memorierstoffes gegenwärtig nicht von allen Elternhäusern geteilt wird; sie haben auch gegen eine durch rein pädagogische Gründe bestimmte maßvolle Verminderung des Memorier stoffes keine prinzipiellen Bedenken. Allein sie vertrauen und hoffen, daß gar mancher ihrer Schüler in seinem späteren Leben, vielleicht in schwerer Stunde, Halt und Erquickung finden wird an einem Gotteswort oder einem Liedervers, den er einst als Saat auf Hoffnung in sich aufgenommen. Im großen und ganzen erschweren uns unsere Schüler die Erfüllung unserer Aufgabe nicht. Ja, manche Klassen früherer und neuerer Zeit haben uns durch ihr lebendiges, verständnisvolles Interesse den Unter richt zu einem Quell immer neuer Freude gemacht. Leider läßt sich aber nicht leugnen, daß in der Gegenwart das religiöse Interesse bei vielen unserer Schüler, namentlich in den oberen Klassen, durch die verschiedenartigsten Einflüsse in den Hintergrund gedrängt, bzw. verflacht ist. Ein betrübendes Zeichen dafür sind z. B. die Erfahrungen, die die Religionslehrer machen, wenn sie sich einmal, ihrer Pflicht gemäß, nach dem Besuch des öffentlichen Gottesdienstes erkundigen. Da meldet sich jetzt ein erschreckend viel geringerer Prozentsatz als vor 20 bis 25 Jahren. Die Erfahrung lehrt aber, daß selten im späteren Leben der ein fleißiger Besucher des Gotteshauses ist, der nicht während seiner Jugendzeit in demselben heimisch geworden ist. Erfreulich ist die Tatsache, daß das Interesse für das Werk der Heidenmission in den letzten Jahren reger geworden ist. Missionsvorträge wurden von einer ganzen Anzahl von Schülern, namentlich der mittleren Klassen, gern besucht. Über die im Religionsunterricht gebrauchten Lehrmittel kann folgendes berichtet werden. Für den biblischen Geschichtsunterricht in Sexta und Quinta, bzw. Quarta wurden benutzt: bis 1891 Zahns weit verbreitete, treffliche „Biblische Historien" (kleine Ausgabe), von 1891 bis 1895 Emil Koehlers und seit 1895 K. J. Roemhelds „Biblische Ge schichte". — Die Vollbibel war bis 1868 von Sexta bis Oberprima, von 1868 bis 1905 von Untertertia bis Oberprima im Gebrauch. Auf Grund der langjährigen Erfahrung, daß deren Gebrauch in den mittleren Klassen mit nicht wegzuleugnenden Schwierigkeiten verbunden und daß der Über gang von der kindlichen Biblischen Geschichte zur Vollbibel ein zu jäher, unvermittelter ist, beantragte 1905 der Rektor des Gymnasiums, auf Grund eines Gutachtens der Religionslehrer, beim Königl. Kultusministe-