02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970904028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897090402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897090402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-04
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Anzeigen.Prets die «gespaltene Petitzeile L0 Pf^ Reklamen unter demRedactiouSstrich (4ga^ spalten) 50/ij, vor den Familiennachrtchte» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer uud Zifferusatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit »eu Morgen-Ausgabe, obne Postbeförderun^ Ä.—, mit Postbesörderung 70.-^ Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. borgen »Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. » a Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig 451. Äus Friedrichsruh berichtet die „Zukunft" die nachstehenden Auslassungen des Fürsten Bismarck: ALtioll8 slliöes ist noch lange nicht ullianco und kann unter Umständen auch eine bloße Artigkeit sein, eine Verstärkung und Unterstreichung des ebenso unverbindlichen Wortes uatious ami68; ich erinnere mich solcher von den Be theiligten nicht ungern gehörten dunklen Wendungen aus meiner diplomatischen Thätigkeit. Und wenn wirklich von einer Alliance gesprochen werden kann, dann müßte man, um über ihren Werth und ihre Tragweite urtheilen zu können, doch erst den Inhalt des Bünvniß- vertrageS kennen. Die Leute, die in Paris die Veröffentlichung deS Textes fordern, haben nicht so Unrecht. Ich glaube nicht, daß der Inhalt des Vertrages, wenn über haupt einer existirt, den Franzosen gefallen würbe. Wenigstens habe ich die russische Politik immer als sehr vorsichtig kennen gelernt und kann mir nicht denken, daß sie sich ohne Roth auf Abenteuer einlassen wird, bei denen für sie nichts zu holen ist. Graf Murawiew, mit dem ich, wenn er meinen Freund Schuwalow als Geschäftsträger vertrat, amtlich und per sönlich sehr gern verkehrte, gab sich als unfern Freund, und ich wüßte nicht, weshalb er seinen Sinn geändert haben sollte. Man überschätzt, wie mir scheint, heutzutage vielfach die Bedeutung der Reisen, Besuche, Feste, Toaste, — ich möchte sagen: das Decorative in der Politik. Auch mich hak man za manchmal decorativ, als Farbennuance, zu ver wenden versucht, aber ich bin dafür doch schon zu alt und für Theatereffecte kaum noch zu brauchen. Herr Faure, der ein tüchtiger Kaufmann gewesen sein soll — gar keine üble Schule für Staatschefs —, scheint für die neue Mode der Reisepolitik allerlei nützliche Eigenschaften mitzubringen: er ist gegen Waggon- und Cabinenstrapazen abgehärtet, hat einen guten Magen und benimmt sich tactvoll und geschickt, ohne schädliche Uebertreibungen und Excesse der Beredsamkeit. Wenn eS wahr ist, daß er in Frack und Cylinder die russi schen Truppen militairisch gegrüßt hat — mit der Hand am hohen Hut —, dann ist diese Art des Grußes für einen Civilisten allerdings nicht correct: er hätte den Cylinder ab nehmen und, wie der alte Fritz, mit dem bis zum Sattel gesenkten Dreispitz, Honneur machen müssen. Im Ganzen aber hat er sich offenbar gut und geschmackvoll aus der Affaire gezogen. Nur soll man nicht glauben, daß angenehme Eindrücke und Sympathien in der Politik maßgebend sind; da entscheiden schließlich doch die Interessen, und ich kann nach meiner Erfahrung nicht einsehen, welches Interesse die in politischen Dingen gewöhnlich sehr bedächtigen Russen, so lange bei uns nicht ganz unklug gewirth- schäftet wird, daran haben sollten, der französischen Revanchelust zu Hilfe zu kommen. Zarenhymne und Mar seillaise: daS reimt sich nicht. Immerhin ist das franzö sische Töpfchen aber dem Feuer jetzt näher gerückt und kann noch leichter als sonst plötzlich einmal überkochen. DaS sollte unsere regierenden Herren von etwa noch vorhandenen Illu sionen befreien und sie vor einer Verrückung der Basis warnen, auf der unsere Wehrkraft beruht. Es ist ganz gut, daß wir Deutschen nie zur Pbäakenbehaglichkeit kommen können und daß die Pariser, die ja die französische Politik machen, uns vonZeit zu Zeit mit ihrem Geschrei aus allzu schönen Träumen wecken. Aber mit den uatioiw aww8 et alli608 können sie unS nicht bang machen: russische Kaiser sind heutzutage doch zu gewissenhaft, um ihre Soldaten marschiren zu lassen, nur damit die französische Eitelkeit vielleicht Befriedigung findet. Betreffs der preußischen Conservativen hat Fürst Bismarck keineswegs in seinen jüngsten Aeußerungen daS in der „N. Fr. Presse" mitgetheille harte Urtheil derart be richtigt, wie die conservative Presse zu verbreiten sucht. Fürst Bismarck führte auS: „Man wirft mir jetzt in den Zeitungen vor, ich habe durch eine Aeußerung, die in einem Sonnabend den Wiener Blatte veröffentlicht wurde, die conservative Fraction verletzt. Ich kann mich der Aeußerung nicht mehr ent sinnen, weiß nicht, wie sie in die Zeitung kam, und nehme an, daß sie sich auf Vorgänge bezog, die sich bei meiner Entlassung und bei der Beralhung der ersten Handelsverträge abspielten. Von den heutigen Führern der Conservativen kenne ich überhaupt nur einzelne Herren, die meinem Hause befreundet sind und die ich natürlich nickt kränken wollte; auch an der persönlichen Ehrenhaftigkeit der Anderen zweifle ich nicht . . . Aber es liegt nun einmal in derNatur dieser Partei, daß sie von der auch sonst leider landes üblichen FractionSstreberei besonders leicht ver seucht wird. Da sitzen Beamte, die eigentlich gar nicht ins Parlament gehören, Leute, die Söhne, Töchter und Enkel zu versorgen haben und deshalb Rücksicht nehmen müssen, da möchte Mancher im Staat eine höhere Stufe erklettern, und nützliche Verwandtschaften, gesellschaftliche und militairische Beziehungen spielen auch eine Rolle. Dazu kommt, daß meine Standesgenossen vielfach recht bequem sind, nicht gern übermäßig arbeiten oder auch durch ihre land- wirthschastliche Tbätigkeit stark in Anspruch genommen werden; dann reißen die Strebsamsten, die sich auf die Sitzungen vor bereiten und in den Drucksachen Bescheid wissen, die Herr schaft an sich, und die Fraction merkt dann vielleicht zu spät, daß sie auf der schiefen Ebene angelangt ist. Mir haben die Herren von der Kreuzzeilungsfarbe das mini sterielle Leben recht sauer gemacht; ich war nie ihr Manu, und die schlimmsten Verdächtigungen sind immer von dieser Seite gekommen. Sie ließen mich im Stich, als es darauf aukam, zunächst einmal das deutsche Reich vor der Welt auf die Beine zu stellen; Manches wäre anders geworden, wenn ich damals conservative Hilfe ge funden hätte, aber ich hätte viel eher noch mit Herrn Richter pactirt als mit den Freunden der Nat h usiuS-Lubom und Consorten. ES war viel Neid dabei, weil ick es weiter gebracht hatte als andere Junker, aber auch doctrinäre Beschränktheit und protestantisch-jesuitischer Eifer. Als ich dann weggeschickl wurde, hatten wieder dieselben Leute ihre Hand im Spiel: siehe Scheiter- haufenbrief und ähnliche Sacken. Wie es heute in der Fraction aussieht, weiß ich nicht. Die außen sichtbaren Leistungen können mir nicht gerade Bewunderung abzwingcn. Ich habe oft daS Gefühl, daß die Herren die Begriffe con- servativ und gouvernemental verwechseln, und srage mich manchmal, ob sie selbst eigentlich genau wissen, was sie con- serviren wollen." „In den Zeitungen wird unaufhörlich über die Ver mehrung unserer Flotte gestritten. Wozu der Lärm? WaS nach dem Urtheil nüchterner Fachmänner nöthig ist, muß bewilligt werden. Ich glaube, daß wir neue Kreuzer brauchen, aber ich bin sehr mißtrauisch gegen Paradeschiffe, die nur zur Markirung von Prestige dienen sollen und die man, wenn die Sache ernst wird, mitunter Lügenschiffe nennen muß, weil sie nichts leisten. Für coloniale Erobererpolitik nach französischem Muster Hal mir schon als Minister jede Neigung gefehlt, und mir scheint, daß jetzt die Zeit dafür besonders ungünstig ist. Unser Handel muß überall ausreichenden Schutz finden, aber die Flagge soll dem Handel folgen, nicht ihm vorangehen. Auf absehbare Zeit bleibt für uns daS Wichtigste ein starkes, zuverlässiges Hier aus gedienten Leuten, die mit der besten Waffe ausgerüstet sind. Das war auch Moltke's Meinung, mit dem mich die Ueberzeugung verband, daß wir sogar die über unseren Colonialbesitz entscheidenden Schlachten auf dem europäischen Festlande auszufechten Haber» werden. Also keine Knauserei, aber auch keine phantastischen Pläne, über die wir unS dann schließlich noch mit anderen, für unsere europäische Situation wichtigen Leuten brouilliren. Hui trop 6mdra886 . . ." „Ich bin erstaunt darüber, daß man bei den Ueber- 4. September 1897. sckwemmungen jetzt nicht sofort ordentlich und rationell mit Staatshilfe vorgegangen ist. Die privaten Sammlungen machen keinen erfreulicken Eindruck. Möglichst viele und möglichst hohe Persönlichkeiten mußten sich gleich in den geschädigten Gegenden zeigen und den armen Menschen gut Zureden, aber nicht nur reden, sondern auch ein anständiges Stück Geld in der Hand haben. Das ist die Hauptsache. Ganz abgesehen von den Pflichten der Nächsten liebe, die der Staat doch zu üben hat: eine Regierung sollte keine Gelegenheit, sich im Lande belieb» zu machen, versäumen. Und heute, scheint mir, sollten solche Gelegenheiten ihr ganz besonders willkommen sein." Zu der Mittheilung, Fürst Bismarck werde nächstens nach Kiel fahren, um ein Schiff auf seinen Namen zu taufen, soll Fürst Bismarck bemerkt haben: „So! Die Leute scheinen noch immer zu glauben, daß es mir so geht wie dem Dienstmädchen, das meiner guten Frau einmal in Varzin sagte: „An Allem kann ick mir gewöhnen, nur an dem Ein samen nicht." Ich aber fühle mich zu Hause recht wohl und passe nicht mehr für Feste." Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. September. Wir haben gestern nachgewiesen, daß die Meldung, die Grundzüge der kaiserlichen Reden würden seit geraumer Zeit im preußischen Staatsministerium festgestellt, nicht eben sehr wahrscheinlich sei. Aber wenn auch die Coblenzer Rede, in welcher der Kaiser daS KLnigthum von Gottes Gnaden als ein Kleinod pries, „das Königthum mit seinen schweren Pflichten, seinen niemals endenden, stets andauernden Mühen und Arbeiten, mit seiner furchtbaren Ver antwortung vor dem Schöpfer allein, von der kein Mensck, kein Minister, kein Abgeordnetenhaus, kein Volk den Fürsten entbinden kann", von Anfang bis zu Ende im- provisirt war, so hat Fürst Hohenlohe, wenn er sich nach Homburg begiebt, um mit dem Kaiser über die schwebenden politischen Fragen sich zu verständigen, nicht den geringsten Anlaß, auS dieser Rede die Besorgniß vor Schwierigkeiten zu schöpfen, die einer solchen Verständigung im Wege stehen könnten. Hat der Kaiser mit den citirtcn Worten nichts Anderes gemeint, als sie wirklich besagen, so ist vielmehr an zunehmen, daß er ebenso, wie er der Schwere seiner eigenen Verantwortung sich bewußt ist, auch die Schwere der Verantwortung kennt, die auf dem Kanzler des Reiches und preußischen Ministerpräsidenten ruht und ihm verbietet, etwas gegen sein Gewissen zu tbun. Schon seine Erfahrung schützt den Kaiser vor dem Irrthum, daß mit dem hohen Amte, das ihm GotteS Gnade verliehen, die Unfehlbarkeit verbunden sei; er weiß, daß mit Gottes Zulassung gekrönte Häupter ihre Krone eingebüßt haben, weil eS ihnen an Einsicht oder strenger Selbstprüfung fehlte, und er selbst hat mehr als einmal durch die Veränderung seiner Entschließungen zu erkennen gegeben, daß er sich bewußt war, einem Irrthum unterworfen gewesen zu sein. Ist er, obgleich ihm die Verfassung eine Verantwortung dem Volke gegenüber nicht auferlegt, von seiner Verantwortung gegenüber dem Höchsten tief durchdrungen und ist er sich bewußt, daß von dieser Verantwortung kein Mensch, kein Minister, keine Volksvertretung ihn entlastet, so muß er sich auch bewußt sein, daß er nur durch strengste Selbstprüfung und reiflichste Prüfung der Rathsckläge berufener, mit GotteS Gnade und Zulassung auf ihren Posten stehender Ratbgcber seiner Pflicht gerecht zu werden vermag. Daß diese Rathgeber den Monarchen nicht für unfehlbar halten dürfen, ist für jeden Monarchen selbstverständlich, der weiß, daß er selbst auf Unfehlbarkeit keinen Anspruch erheben darf. Der Kaiser hat in jener Rede also kein Wort gesagt, das die Absicht verriethe, nach einer Erweiterung seiner Machtbefugnisse zu trachten und die widerspruchslose Ergebung seines Kanzlers 91. Jahrgang. und Ministerpräsidenten in seinen Willen zu fordern. Er bat im Gezentheil das Bewußtsein, ein fehlbarer und der Erleuchtung bedürftiger Mensch zu sein, der der Selbst prüfung »nd des Ralhes bedarf, mit größter Entschiedenheit betont. Daraus, daß er dies ohne ersichtlichen äußeren Grund getban hat, zu sckließen, er habe einen geheimen, mit dem Wortlaute nicht übereinstimmenden Sinn mit seiner Rede verbunden, liegt kein Grund vor. Wir stimmen daher in diesem Falle der „Deutschen TageSztg." bei, welche ausführt: „Wir Alle sind, wenn auch in allgemeinerem Sinne, von Gottes Gnade das, was wir sind, und wir Alle müssen das Bewußtsein der Verantworttichkeit empfinden. Auch wir sind berufen, mitzu arbeiten an des Volkes Zukunft unter unseres angestammten Herrscherhauses fester Führung. Auch wir müssen Rechenschaft ab legen für das, was wir gerathen und gethan, was wir gefehlt und gelassen haben. Solches Verantwortungsbewußtsei» trägt Jeder in seinen» Gewissen. Darüber hat kein Rath und kein Reichstag zu entscheiden. Das äußere, verfassungsmäßige, politische Leben eines Volkes muß zwar im tiefsten Grunde durch dieses Gewissen der Verantwortlichkeit getrieben und gestaltet werden, aber für die politische Kleinarbeit des Tages und der Gesetzgebung kann nur die verfassungsmäßig festgelegte Verantwortlichkeit der Rathgeber des Herrschers in Frage kommen. Sie wird durch jene nicht berührt und es ist ein schwerer Irrthum, wenn man hier und da sich Len Anschein giebt, zu glauben, daß die Betonung der eignen Verantwortlichkeit des Kronenträgers seinem Gotte gegenüber eine Herabminderung der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit der Minister in sich schließe. Im Gegentheil, je ernster der Herrscher seine im Gottesgnadenthume wurzelnde eigene Verantwortung aus faßt, um so sorgsamer wird er die beschworenen Pflichten der Ver fassung erfüllen und ihre Schranken zu wahren wissen." DaS bat auch ter Kaiser schon in der ersten Thronrede gelobt, mit der er im Juni 1888, wenige Tage nach dem Heimgang seines Vaters, den preußischen Landtag eröffnete: „Es liegt Mir fern, das Vertrauen des Volkes auf die Stetigkeit unserer gesetzlichen Zustände durch Be strebungen nach Erweiterung der Kronrechte zu beun ruhigen. Ter gesetzliche Bestand Meiner Rechte, so lange er nicht in Frage gestellt wird, genügt, uin dem Staatslebcn das Maß monarchischer Einwirkung zu sichern, Lessen Preußen nach seiner geschichtlichen Entwickelung, nach seiner heutigen Zusammensetzung, nach seiner Stellung im Reiche und nach den Gefühlen und Gewohn heiten des eigenen Volkes bedarf. Ich bin der Meinung, daß unsere Verfassung eine gerechte und nützliche Ber- theilung der Mitwirkung der verschiedenen Gewalten im Staatslebeu enthält, und werde sie auch deshalb, und nicht nur Meines Gelöbnisses wegen, halten und schützen." Es liegt mithin für den Fürsten Hohenlohe kein Grund vor, wegen der Coblenzer Rede des Kaisers nach Homburg mit der Erwartung zu gehen, daß sein Rath dort auf principielle Zurückweisung stoßen und irgend ein Ansinnen an ihn werde gestellt werden, das mit seinem eigenen Ver antwortlichkeitsgefühle unverträglich wäre. Daß eS über alle einzelne Fragen zu einer Verständigung kommen werde, ist damit freilich noch nicht gesagt, lieber Personalfragen, Fragen der Taktik und deS Tempos können auch Männer, von denen jeder seiner Fehlbarkeit sich ebenso bewußt ist, wie seiner eigenen Verantwortlichkeit und der Les Anderen, in unlösbare Differenzen gerathen, die eine Trennung unver meidlich machen. Und es ist auch nicht selten, nicht einmal bei Männern, die berufsmäßig die Pflicht der Selbstprüfung predigen, daß die theoretische Einsicht in diese Pflicht im concreten Falle ihre Schranke findet im Temperamente, das beim Kaiser besonders stark ausgeprägt ist. In der oben citirten Auslastung spricht die „Deutsche Tageszeitung" sehr schön über das Verantwortlich keitsgefühl. Sie selbst aber besitzt dieses Gefühl augen scheinlich in sehr geringem Grade, denn wir finden in ihr die Feurlletsir. vermißt. 3) Erzählung von Franz v. Lutter. Nachdruck verboten. „Er lebt! Gott sei gelobt!" Sie stürmte im Zimmer auf und ab und rang gewaltsam nach Fassung. Vor ihrem Neffen machte sie Halt, und er erschrak vor ihrem Aussehen. Der Blick des Raubthieres, das im Begriff steht, wonne trunken sich auf die langerfehnte Beute zu stürzen, funkelte auS ihrem Antlitz, ihre Stimme klang heiser, krächzend: „In jener Mappe liegen Depeschenformulare! Nimm! Schnell — nun schreib: „Gnädige Frau! Endlich sind meine Nachforschungen von Erfolg gekrönt. Leider ist daS Resultat ein sehr trauriges. Werner ist bei CoulmierS schwer ver wundet und kurz darauf gestorben. Er liegt in einem Massengrabe bei Bonneville begraben. Oberst v. W." Jetzt zu Ilse! Bevor Werner hier ist, mußt Du sie gewonnen haben. Du mußt! Ich will! Verstehst Du? Ich will! Thur, WaS Tu magst — ab« Du gewinnst sie!" Einen Augenblick hielt sie inne. DaS eckte Telegramm batte sie nervös zwischen ihren Fingern zerknittert und warf eS ins Feuer. „Ich habe Ilse wiederholt erzählt, daß ich Nach forschungen nach Werner'S Schicksal habe anstellen lassen. Die Depesche wird also ihr Mißtrauen nicht erregen. Aber erst versuche ^iock einmal mit allen Mitteln — mit allen! — ohne die Fäl— ohne die TodeSnachrickt Dein Heil — nur wenn nichts anschlägt — nun geh! Fort! Ich muß allein sein!" — Fran von Sintberg sank in einen Sessel, ihr Auge starrte zur Decke empor, und die Hände batte sie in die Schläfen gepreßt. „Endlich, endlich schlägt die Stunde der Rache! Ihr Götter, oder Ihr Teufel, sei's, wer eS wolle, ich preise, ich danke Euch! Den Sünder, der meine Jugend zerstört, mein Leben vernichtet hat, ihn habt Ihr meiner Rache ent zogen — nun büße der Sohn! O Wonne des Augenblicks! Wonach ich gelechzt habe Jahrzehnte hindurch, jetzt wird sich'S erfüllen — schauerlich, süßer, als mein Herz es erträumen konnte! Ich danke Euch, Ihr Unsterblichen!" Sie beugte sich vor und stützte daS brennende Haupt auf ihre bebende Hand. „ES war einmal — Wie mein Herz ihm entgegen schlug, als er zum Tanze mich wieder und wieder holte! Und dann — ach, ich war Braut des stattlichsten OsficierS! Gewonnen den Vielumworbenen, Vergötterten an einem schwülen Ballabende! Wie sie mich beneideten! Vater, Vater, hättest Du ahnen können — Du würdest Deine ein flußreiche Stellung nicht benutzt haben, seine Versetzung in unsere Stadt zu betreiben. — Er kam. Selige Zeit — noch zwei Monate, und ich wäre die Seine gewesen. — Armer Vater, was hat Deine Gestalt gebeugt, Dein Antlitz gealtert über Nacht? — Schau mich nicht mit diesen Augen an! — Ein Brief — von ihm, eine höfliche, kalte Absage — weil ich mit anderen Herren kokettire. O, du Nichtswürdiger, du Wortbrüchiger! — Und batte ich wirklich nur — fort, ihr Gedanken, wollt ihr als Kläger auftreten jetzt, wo die Rache winkt? Fort — ich war unschuldig, ich will schuldlos sein! Den Anderen hat er erschossen — auch ihn muß ich rächen! — Stadtscandal — unser Name in Aller Munde. Armer, armer Vater, Du ließest Ranz und Stellung und verkümmertest Deine Tage mit den Deinen im einsamen Landhause. Nie mehr haben wir Dein freundliches Lachen gehört. Und er, er, der All» verdorben, sollte leben, glücklich werden? — Er? — Nicht er, aber sein Ebenbild, sein Fleisch und Blut, sühnen soll er mir, was der Vater —" Ein entsetzlicher Laut, markerschütternd, wie der letzte Aufschrei in TodeSnoth, durchzitterre daS Gebäude. Frau von Sintberg fuhr auf auS ihren Racheträumen und eilte nach Ilse's Zimmer. Horward stand leichenblaß inmitten deS Raumes, Ilse hielt die UnglückSbotsckaft in Händen und schaute mit weit geöffneten Augen lächelnd ihrer Stiefmutter entgegen. „HanS bat mir den Brautschleier geschickt. Jetzt muß ich gehen und Rosen und Veilchen suchen, muß mich schmücken zu meinem Ehrentage. Die Mutter wird auch kommen, dort unten ain Friedhof unter der Linde firerden wir tanzen." Und sie begann die Depesche ins Haar sich zu nesteln und summte ein fröhliches Liebeslied dazu. „Aber die Schatten dürfen nicht Fleisch, nicht Knochen haben, sonst sind sie zu schwer zum Tanze dort unten. Mein Kopf ist viel zu schwer — von Frankreich her ist weit, doch die Schatten ziehen mit dem Winde. Was für Wind haben wir heute, mein Vater?" Frau v. Sintberg fragte flüsternd ihren Neffen: „Ist ihr Wahnsinn gefährlich?" „Vorläufig nicht." „Dann bleibt sie hier. Niemand erfährt davon." Horward verschrieb ein Pulver, die Tante klingelte einer vertrauten Dienerin und brachte die willenlos sich fügende Ilse auf ihr Lager. Horward stürmte heim. Angst und GewiffenSqual hießen die Furien, die nicht von seiner Seite wichen. H * HanS Werner entstieg, von zwei hilfreichen Beamten unterstützt, dem Coupö. Der alte Kutscher seines Gutes war mit dem Wagen am Bahnhofe und Thränen traten der treuen Seele in die Augen, als er die Hand seines Herrn wieder küssen und drücken durfte — Thränen der Freude, aber auch Thränen des Schmerzes, wie er die bleichen, ein gefallenen Wangen des vor Jahresfrist noch so jugendfrischen Mannes erblickte. Werner verstand den kummervollen Blick: „Wird schon wieder werden, guter Peter. Wenn wir nur erst einige Wochen daheim sind. Wie geht's Fräulein Ilse? —" „Weiß nicht, gnädiger Herr —" „War sie denn nie bei Euch? —" „DaS gnädige Fräulein sind etwas leidend in der letzten Zeit gewesen, und bei dem schlechten Wetter —". Werner kämpfte eine ängstliche Regung gewaltsam nieder. Jetzt endlich auf heimathlichem Boden wieder, wollte er die ersten Augenblicke durch finstere Vorstellungen sich nicht ver düstern. ES wäre ja auch kein Wunder, wenn Ilse durch die lange, bange Ungewißheit, durch die plötzliche Freuden botschaft angegriffen sei. „Und auf dem Gute?" „Alles in Ordnung, gnädiger Herr! Wir sind um den gnädigen Herrn in schwerer Sorge gewesen." „Hattet auch alle Ursache dazu." Und er erzählte in Kürze dem vertrauten Diener, wie er bei CoulmierS sehr schwer verwundet und von den Feinden mit fortgeschleppt sei. Im äußersten Westen Frankreichs hatte er gelegen bei schlichten Bauersleuten, wochenlang ohne klare Besinnung. Dann war allmählich das Leben in ihm wieder erwacht, und langsam, langsam die Besserung fortgeschritten. Seine häufigen Ver suche, Nachricht von sich in die Heimath gelangen zu lassen, waren von den Bauern, die im klebrigen gut für ihn sorgten, stets verhindert, da sie in seinen Briefen verrätherische Mit tbeilungen vermutheten. Endlich, als der Friede bereits in Aussicht stand und seine Gesundheit sich einigermaßen ge kräftigt halte, wurde er auf Veranlassung der Behörden in Nantes ausgewechselt. Der Wagen war vor dem Heimathorte Werner'S an gelangt, und der Kutscher wollte nach dem schmucken Besitz- thume seines Herrn abbiegen. Aber Werner hinderte ihn daran: „Erst inö Herrenhaus zu meiner Braut". Wenige Minuten später stand er vor Frau von Sintberg. „Ah, Herr Lieutenant Werner! Welch' freudige Ueber- raschung haben Sie unS bereitet! In das HauS der Trauer und der Sorge ist wieder die Hoffnung eingezogen, die Hoffnung auf ein dauerndes inniges Glück unter Ihrer Führung!" Sie hatte seine Hand ergriffen und versuchte einen Kuß darauf zu drücken. Werner wußte es schnell zu verhindern: „Gnädige Frau, ich bin erfreut, von Ihnen so herzlich begrüßt zu werden, und ich danke Ihnen dafür. Aber sagen Sie mir zunächst: wo ist meine Braut, wo ist Ilse? Weshalb eilt sie mir nicht entgegen?" „Geduld, Herr Lieutenant! Die Zeilen waren zu auf regend für daS arme Kind — die plötzliche Freude — eine momentane nervöse Ueberreizung, gar nicht von Bedeutung, der Anfall wirb in wenigen Tagen vorüber sein. Vorläufig aber hat der Arzt strengste Ruhe, größte Abgeschiedenheit anbefohlen. Sie schläft meist, und dieser gute Schlaf, da«
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