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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970906021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897090602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897090602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-06
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Auzeigeu.Preis die -gespaltene Petitzeile »0 Psg, Neclame« «ater de« Redaetioasstrich (4qe- spalten) -0>4, vor de« Familleanachrichte« (Sgejpalten) 40ch. Gröber« Schriften laut unserem Preis« yrrzelchniß. Tabellarischer und Ziffernfatz nach höherem Tarif. Extra-veilagcn (gefalzt), aur mit -eo Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördermst! VO.—, mit Postbrfördrrung uG 70 — Ilnnahmeschlu- für Anzeige«: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Viorgea-Ausgabr: Nachmittag- 4Uhr- Bet de« Filialen und Annabinesiellen je eia« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. >»«G>V > Lr«ck and Verlag vo« L. Volz in Leipzig, 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, tz. September. Die preußischen Führer der eo«servati»en Partei — diese Herren allein geht e« an — haben nicht klug gehandelt, als sie gegen Urtheile, die Fürst Bismarck über sie gefällt, geräuschvoll in per Presse protestirten, und sie waren noch weniger gut berathen, al- sie durch ein „EommuniquS" in der „Kreuzztg." den Altreichskanzler herauSforderten, seine Bemerkungen zu wiederholen. Letztere- ist bekanntlichaeschehen, wir sehen jedoch beim zweiten Male so wenig einen Anlaß, die FriedrichSruher Auslastungen, soweit sie conservative Führer betreffen, zu commrntiren, als beim ersten Male. Dagegen darf nicht verhehlt werden, daß der Ton, in dem konservative Blätter dem Fürsten BiSmarck „antworten" zu müssen glauben, gelinde gesagt, ein politisch sehr schlecht gewählter ist. Wenn, um dies vorauSzuschicken, nach Fried« richsruh der Vorwurf adressirt wird, man habe dort der Demokratie Waffen gegen die Conservativen in die Hand gegeben, so gilt dies i«venfallS noch in viel höherem Maße von den Erwiderungen konservativer Zeitungen in Bezug auf den Fürsten BiSmarck, waS doch etwas mehr besagen will, al- wenn Herr v. Manteuffel etwas Unangenehmes zu hören bekommt. Jener Vorwurf ist übrigen- ganz haltlos. Man kann kein Unheil über politische Persönlichkeiten oder Richtungen fällen, ohne Zustimmung von Leuten zu ernten, von denen man lieber Widerspruch erführe. Die „Kreuzztg." macht ja auch immer diese Erfahrung, wenn sie ihre Epigramme auf die „Bourgrosie" zum Besten giebt. Man bezieht sich so ziemlich auf die niedrigste Stufe der Kritik, wenn man einem Staatsmann und noch dazu einem großen Staatsmann vorrechnet: Mit dem und jenem Deiner Worte kann Ter unv Der Mißbrauch treiben. Der „NeichSbote" wird geradezu frech — wir haben keinen andern Ausdruck für diese Verletzung der Ehrerbietung gegen den größten deutschen Patrioten —, indem er bemerkt, es werde die Demo kraten „schwerlich mit Hochachtung erfüllen", daß Fürst Bismarck ihnen „Waffen gegen die Conservativen var gereicht habe". Diese Sprache richtet sich von selbst. Freilich, wer so wenig Sachliches einzuweoden hat wie der „Reichsbote", bei dem ist eS begreiflich, wenn auch nicht ent schuldbar, wenn er die Beweggründe des Gegner- verdäckigt. Da-Blatt dringt, nachdem es BiSmarck eine komisch klingende Lektion über Politik ertheilt hat, zu dem Satze vor: „Die Decla rantenbewegung bedeutet keineZwegS die Vertheibigung jener (Aera-) Artikel (die schändliche Verleumdungen gegen Bismarck häuften), sondern lediglich einen Protest gegen be leidigende Aeußerungen des Fürsten Bismarck über die Conservativen". Da- könnte der Jesuitenpater Gruber geschrieben haben. Die Aera-Artikel waren von den Deklaranten allerdings nicht verlheidigt, aber veranlaßt worden in einem Kampfe, bei dem sich Fürst Bismarck in der Defensive gegen die über den Erlaß einer zeitgemäßen KreiSordnung, eines Schulaufsichtsgesetzes und über andere Reformen erbitterten ostelbischen Großgrund besitzer befand. Da man sich von dem parlamentarischen Widerstande nichts versprach, gedachte man durch Ver dächtigungen der Person des Ministerpräsidenten bei Hofe zum Ziele zu gelangen. Das muß der „Reichsbote" doch wissen, unv er könnte es um so unbedenklicher zugeben, als die Declaranten nur einen Bruchtheil der damaligen conservativen Partei ansmachte». Die „Kreuzzeitung", die die Geschichte des DeclarantcnthumS und der Aera-Artikel besonders genau kennt, hütet sich, in die Vergangenheit zurückzugreifrn; sie äußert sich aber nicht minder gehässig, als baS andere konservative Berliner Organ. Sonderbarer Weise hält sie auck eine Denunciation für nötbig — au- der Bemerkung über die „neue Mode der Rrisepolitik" gebe deutlich hervor, wohin der Altreichskanzler ziele. Aber gerade dieie Bemerkung ist, wie au- dem Zusammenhänge hervorgeht, allgemein gedacht. Daß Fürst Bismarck sich nicht scheut, seine Meinung frei berauszusprechen, zeigt seine Auslassung über die bei den Ueberschwemmungen eingelretenrn Versäumnisse. Wer gegen den Fürsten Stimmung machen will, braucht also keinen Denuncianten. Die „Kreuzztg." hat sich umsonst bemüht und hätte sich auch die Bermuthung sparen können, Fürst BiSmarck «scheine verärgert". D»e heitere Ruhe seiner Reden verräth davon nicht-, und warum sollte beute der Mann verärgert sein, der sogar 1892, in Jena, ein Zeugniß seines seelischen Gleich gewichts ablegen konnte? Die „Kreuzzeitung" schließt: „Nur mit tiefer Trauer im Herzen können wir seststellen, daß einer der größten Söhne Deutschlands Reden führt, aus denen der unheilbare Bruch mit der Gegenwart berausblitzt." Wir sagen: Um so schlimmer für die Gegen wart, wenn daS wahr wäre. Es ist aber nicht wabr. Die Herren v. Manteuffel und Graf Limburg Stirum sind nicht die deutsche Gegenwart, sie werden hoffentlich bald nicht einmal mehr die deutschconservative Partei, sondern ein „dou wot von gestern" sein. Bei Erörterung der Ergebnisse der Reise des Präsidenten Faure nach Petersburg ist in verschiedenen deutschen Zeitungen hervorgehoben werden, daß „das französische Geschwader auf seiner weiteren und nicht ungefährlichen Fahrt durch Skagerrack und Kattegat im Durchschnitt l4 Knoten in der Stunde erzielt babe, während da- deutsche auf der geraden und glatteren Fahrt durch die Ostsee dlos einen Durchschnitt von 12 Knoten aufzuweisen hatte". Im Anschluß daran beißt eS weiter: „Wir sind zur Genüge darüber unterrichtet, daß Deutschland- Flotte nicht blos an Zahl, sondern auch an Leistungsfähigkeit und zeitgemäßem Werth hinter der frauzösiscben zurücksteht." Dazu schreibt man un- auS Kiel: „WaS soll denn eigentlich mit dem Hinweis auf die Geschwindigkeit der Fährt bewiesen werden? Ein auf der Fahrt begriffene- Panzergeschwader von zehn Schiffen und zwei Aviso- kann, daS ist jedem mit maritimen Verhältnissen einigermaßen Vertrauten klar, nicht die gleiche Geschwindigkeit innehalten, wie zwei auf der Fahrt begriffene Kreuzer — daS dritte französische Schiff mußte ja „nackkommen". Kreuzer fahren immer schneller, als Panzerschiffe. Haben die französischen Schiffe im Durchschnitt l4 Seemeilen gemacht und die deutschen (was un- unbekannt) 12 Seemeilen, so ist da- für die deutschen Panzer ein recht gutes Resultat, zumal wenn man bedenkt, daß die Fahrt von Kiel nach Petersburg zu Uebungen im Geschwaderverband benutzt wurde. Auch lag für das deutsche Panzergeschwader kein Anlaß vor, eine Parforcefahrt zu machen. Dagegen hatten die Franzosen eS auS leicht begreif lichen Gründen eilig, die deutsche Ostsee zu durchfahren. Und gar so gefährlich werden den französischen Schiffen auch die dänischen Gewässer nicht gewesen sein, sie hatten ja nicht weniger als zehn dänische Loolsen an Bord. Ungerechtfertigt, man möchte sogar sagen leichtsinnig, ist die Behauptung, an Leistungs fähigkeit und zeitgemäßem Werthe stände die deutsche Flotte hinter der französischen zurück. Wer dies zu behaupten wagt, der hat die Thatsachen gegen sich. Nirgends in der Welt kommen so viele Unfälle bei der Marine vor, wie in der franzö sischen, nirgends so viele Explosionen, ConstructionSfrbler und Nachlässigkeiten, wie bei den französischen Kriegsschiffen. Man braucht nur daran zu erinnern, daß im vorigen Jahre allein von neun neuen französischen Kriegsschiffen mit Recht gesagt werden konnte, sie seien in der Bauausführung mangelhaft und genügten in keiner Weise den Ansprüchen. Ist es ferner vielleicht ein Zeichen von Manneszucht und Tisciplin, wenn 68 französische Matrosen im Jubel und Trubel vergaß, zur rechten Zeit an Bord zu kommen? Die deutsche Marine ist bei Weitem nicht so groß, wie die französische, da- ist bekannt, aber die Masse kann niemal- die Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit ersetzen. Deutschlands See streitkräfte sind alle leistungS- und gefechtsfähig. Gon Frankreich kann man baS Gleiche nicht sagen. Wo giebt eS wohl so viel unbrauchbares Material, als in der französischen Marine? Diese ist in ihrer Zusammensetzung, Organisation und Tüch tigkeit nicht geeignet, der deutschen als Vorbild zu dienen. Wären die deutschen Schiffe tatsächlich schlechter als die in Frankreich erbauten, woher käme es dann, daß der deutsche Schiffsbau solch enormen Aufschwung genommen hat, während der französische jährlich Millionen von FrancS ersordert, nur um lebensfähig erhalten zu werden? Schon diese eine Thatsache genügt, um jedem Urthril-fähigen zu beweisen, wie fremde Staaten, die ihr Schiffsmaterial nicht selbst herzuslellen vermögen und deshalb um so sorgsamer prüfen, wo sie das Beste erhalten, über die deutsche Marine im Gegensätze zur französischen denken. Diese gilt al- groß, aber mangelhaft, die deutsche al- klein und gut." DaS Lob, welches Kaiser Wilhelm in Coblenz bei der Anwesenheit des früheren Oberbefehlshabers, Herzogs von Cambridge, der britischen Armee gezollt hat, wirb, wie ja vorauszusehen war, in conservativen Londoner Blättern so gedeutet, als ob Deutschland endlich zu der Einsicht gekommen sei, daß eS an England seinen wahren Protektor habe und daber gut thue, reuig in seine „Obhut" zurückzukehren. Von diesem Stankpuncle auS werden dann dem ungerathenen deutschen Vetter gehörig die Leviten gelesen und wird in dem bekannten Ton bornirter Arroganz versucht, Deutschland ganz an die Seite Englands zu ziehen. So schreibt z. B. die „St. James Gazette": „Die Hohenzollern haben guten Grund, der Dienste zu ge- denken, welche die britische Armee ihrem Hause und ihrer Sache geleistet hat. Wenn die britischen Waffen und namentlich das britische Gold nicht gewesen wären, so würde Friedrich der Große von Oesterreich, Frankreich und Rußland zu Staub zermalmt worden sein. Er hinterließ Preußen als mächtigen Militairstaat. Zu Napoleon's Zeiten aber hatten wir Preußen wiederum vor der Vernichtung zu retten. Es ist deshalb geziemend, daß der Kaiser der britischen Armee sein Compliment macht, einer Armee, welche gegen jede andere europäische Nation und viele asiatische Völker gefochten, aber niemals den Degen gegen Preußen gezogen hat." Wenn „britische Waffen und britisches Gold" wahrend der ersten Jahre des siebenjährigen Krieges Friedrich dem Großen zur Verfügung gestanden haben, so geschah daS nicht auS Wohl wollen oder gar großmülhiger Aufopferung, sondern um Canada in Deutschland zu erobern und überhaupt baS fran zösische Uebergewicht in und außerhalb Europas zu brechen, und schon mit dem Regierungsantritt Georg's IH. (1760) hatte es mit di.ser an sich reckt zweifelhaften Unterstützung ein Ende. Daß Preußen zu Napoleon'S Zeiten von den Eng ländern „vor der Vernichtung gerettet" fei, ist die krasseste Entstellung der Wahrheit; im Eestentheil ist hei Waterloo Wellington von den Preußen buchstäblich vor der Vernichtung gerettet worden. Einer anderen, ebenso selbstgefälligen wie abgeschmackten Mißdeutung der kaiserlichen Worte begegnen wir im „Glvbe": „Wir halten deS Kaiser- Lob der britischen Armee sür die erste Abschlagszahlung, welche der Kaiser England zu leisten hat, wegen seiner Depesche an den Präsidenten Krüger und der be ständigen Feindseligkeit der deutschen Politik. In diesem Sinne sind seine freundlichen Worte willkommen. Aber eine so große Schuld tropfenwesr abzuzahlrn, erfordert Zeit." Und mit diesem phänomenalen Dünkel, der Deutschland zumuthet, in England seinen Suzerän zu erblicken, und ihm daS Recht zu jeder selbstständigen Politik abspricht, glaubt Jobn Bull uns zu — bessern! Eine wunderliche Pädagogik das! Eins nur verdient wirkliche Anerkennung: die einer aussichtsvolleren Sache würdige Unverdrossenheil, mit welcher der Stein zum hundertsten Male den Berg hinaufgeschoben wird, nachdem er schon neunundueuuzigmal herabgerollt ist. Der seltsame Tocialtsten-ater Stojalowski, der im Namen der unterdrückten Bauern Galizien- einen kühnen Kamps gegen die Schlacht« und gegen die Bischöfe führte, der unter dem Bannstrahl des Papstes eine eigene katholisch-antipäpst- licke Partei gründete, die mit sechs Abgeordneten in den öster reichischen Reichsrath einzog, hat seine weltliche Nährmutter, die Socialdemokratie, im Stick gelassen und ist, denn anders kann die Nachricht von der Aushebung der gegen ihn aus gesprochenen Excommunication kaum gedeutet werden, allem Anschein nach reuig in den Schoß der päpstlichen Kirche zurückgekehrt. Bekanntlich dranzsalirte man ihn und seine Hetzblätlchen in Oesterreich mit geistlichen und weltlichen Mitteln, als die ReichsrathSwahlen bevorstanden, der artig, daß er im November au» Neu-Sandec nach Ungarn floh. Ein polnisches Gericht erließ am 9. November einen Steckbrief gegen ihn wegen des Verbrechen» der Reli gionsstörung, weil Monsignore Stojalowski ungeachtet deS päpstlichen Bannes in einem Privalhause die Messe gelesen batte. Am 13. November wollte ein Gendarm ihn auf dem Babnbof in Neu-Sandec verhaften, aber eine Menge Volke- umringte Beide. Pater Stojalowski sprang in den ab- fabrenden Zug, der Gendarm ebenfalls, in ein anderes Ab- theil. In der nächsten Station wollte der Gendarm den Pater verhaften, aber dieser war verschwunden. Er war mit Hilfe socialistischer Eisenbahnbediensteter schon in Neu-Sandec auf der anderen Zugseite wieder binausaesprungeu und in einen bereitstehenden Wagen entwischt. Än Pest wurde er später auf Verlangen der österreichischen Regierung nochmals eingesperrt, aber man erhob großen Lärm und die ungarischen Gerichte befanden schließlich, das Verbrechen der Religions störung sei bei einem frommen Monsignore durch Messelesen nicht hinreichend begründet, sintemalen der päpstliche Bann das weltlicke Gerickt nicht zu kümmern habe. Pater Stojalowski wurde entlassen und wirkte während der galizischen Reichs rathswahlen von der ungarischen Grenze aus durch seine Blätter „Pszczolka" und „Wieniec" mit Erfolg. Er bekannte sich als „eckten Socialdemotraten" und die Social demokratie unterstützte ihn mit allen Mitteln. Obschon er selber nickt gewählt werden durfte, konnte die StojalowSki-Partei im ReichSratb als eine Macht auftreten, die zu fürchten war. Sie ging mit den Socialdemokraten und den Oppositions parteien in heftiger Feindschaft gegen Badeni Hand in Hand. Aber bald wendete sich das Blatt. Die Ultramon- Götzendienst. 1j Roman la zwei Theilen von Woldrmar Urban. Nachdruck »erboten. Erster Theil. I. Monte Carlo, vaS fluchbeladene Paradies von Europa! Wenn die milden Meerwinbe durch die Palmengärten rauschen, so scheinen sie der Nachhall der Seufzer zu sein, mit denen unglückliche Spieler an der Bank von Monaco ein verfehltes Leben auSgebaucht haben — und wenn die Agaven ihre langen grotesk-gespenstigen Zweige im Nachtwiud be wegen, so glaubt d,e träumende Phantasie, die unruhigen Geister Derer zu gewahren, die hier mit durchschossener Brust aufgehoben, dort im Meer« aufgefisckt wurden. So weit da trunkene Auge reicht — nach Westen und Osten, an die in tropischer Pracht wuchernden Ufer des Mittelländischen MeereS und weit über die blauwogende Wasserfläche bin, auf der Weiße Segel im lustigen Spiel deS Windes auf- und nieder flattern: ein Glück, eine Wonne, rin Paradies! Und so weit der Gedanke schweift über all die glücklichen, lächelnden, ge putzten Menschen, die diese- Paradies beleben, die mit heiterem Leichtsinn, hohlem Prunk und platter Förmlichkeit die schauerlicken Abgründe menscklicker Leidenschaften — Spiel- und Genußsucht, Habgier und Sinnentaumel — ver- hüllen: eine Hölle! Ein himmlisch schöner, aber auch rin unheimlicher Ort! E» war etwa um 9 Ubr Abend». Die Mondsichel stand im Westen und übersäete da» leicht gewellte Meer mit un zähligen glitzernden und hüpfenden Funken, der Abendwind flüsterte und rauschte melodisch in den Baumkronen der weit- berübmten Gärten von Monte Earlo, von der Terrasse der, wo die Musik concertirte, klangen die seltsam leidenschaftlichen, aufreizenden Melodien der „Tannbäuser"-Ouverture und in einem der emsame« Parkgänge, di« sich nach dem Meere hinunter erstreckten, nicht weit von dem Elevator, der die Eisenbahnstation Monte Carlo mit dem Eastno verbindet, dem Tempel der schicksalsschweren Roulette, stand «in junger eleganter Herr gegen die Mauerbrüstung gelehnt und schien auf etwa» oder auf Jemand zu warten. Er mußte «in vornehmer Mann sein, denn offenbar nicht gewohnt, zu warten, wurde er rasch ungeduldig. Aufgeregt lies er hin und ber, schaute aufmerksam und vorsichtig in die balbdunklen, einsamen Laubgänge, die nach oben führten; endlich aber warf er mit einem freudigen AuSrufe die Cigarette fort, die er bi-ber geraucht batte, und lies einer Dame entgegen, die den Hang entlang kam. „Camilla?" ries er ihr halblaut zu. „O mein Gott, Victor! Sind Sie eS?" entgegnete die junge Dame ängstlich und schüchtern, aber mit einer wohl lautenden und sympathischen Stimme. „Ich fürchtete mich so; ist e» doch so finster hier und einsam!" „Bei mir, Camilla?" frugrr zärtlich und schlang leicht den Arm um ihre Taille. „Warum Angst, wenn ich an Ihrer Seite?" „O, Herr Graf ", wehrte sic leise ab. „WaS denn?" fragte er stürmischer, offenbar mit einer gewissen launigen Lustigkeit. „Und Camilla, nickt einmal »inen Willkommenkuß? Sag', hast Du mich nicht mehr lieb?" — „Ware ich sonst bier? Wie undankbar, so zu fragen, Victor! Eben meine Liebe ist eS, die mich beängstigt und bedrückt, denn ich habe Dick viel — viel zu lieb, Victor, al» daß Alle» glücklich enden könnte, als daß mir unser« Liebe nicht wie ein Verbrechen ersckeinen sollte!" „Du siebst Gespenster, Camilla. WaS könnte unserer Liebe denn begegnen!" „D, hundert, Kundert Dinge, Victor, Dinge, die un» un glücklich macken können auf alle Zeilen. Ist e» nicht unser Staude-Unterschied, der Deine Familie abhalten wird, ihre Zustimmung zu unserer Verbindung zu geben und der drohend vor Allem über unseren Häupter« schwebt wie ein DamokleS-Schwert?" „O geh! Bin ich nickt selbstständig, Camilla? Wahrlich, kein Mensch in dieser Welt bat mir, dem Grafen Victor zu Kreuz Vorschriften zu machen, am allerwenigsten solche, die mir weder rinleuchteu noch gefallen." „Und dann * „WaS dann?" „Ach Victor, mir preßt » da» Herz zusammen, wenn ich daran denke, daß Du mir einmal untreu werden —" „Aber Camilla! Kleiner, lieber Bösewicki! Warum unser karg bemessene» Glück mit diesen düsteren Schatten stören?" „O laß mich reden, Victor, e- drückt mir sonst da» Herz ab. Ich bin ja wohl noch jung —" „Gott sei Dank!" warf er launig ein. „ aber ick habe dock schon da« Leben so weit kennen gelernt, um zu wissen, wie leicht der Traum eines liebenden Herzens zerstiebt und wie unstet und vergänglich das Glück ist." „Bravo, Du sprichst ja wie im Roman, Camilla!" „Spotte nur, Victor! Aber höre weiter: Du bist rin vornehmer Mann aus hoher Familie, Dir hat sich da-Leben nie gezeigt wie mir der kleinen Handschubmacherin, so bitter, so hart, so grausam, so voll von Gefahren und Klippen, an denen daS Glück eines Menschen scheitert wie ein verlorenes Sckifslrin. Du bist ber hochgeborene Graf und hast e» nicht nötbig in all die Tiefen und Abgründe binabzusehen, die daS weniger sorglose Dasein durchfurchen, wa« weißt Du davon, wie Leichtsinn, Hang zum Spiel, zum Luxus, Genußsucht selbst den tüchtigsten Menschen so leicht und schnell anlocken, ver derben und um Liebe, Glück und Leben betrügen." „Genug!" fuhr der Graf jetzt wirklich etwa» unwillig auf, „hältst Du mich denn für einen Mensche«, der treu- und ehrlos sein Wort bricht?" „Victor", sagte Camilla weich und zärtlich, „ich zittere für Dick — wahrhaftig mehr al- für mich, weil ich Dich so liebe! Versiebst Tu da»?" Ihre Stimme ging ihm zu Herzen, mehr, viel mehr als ihre Worte; es lag darin ein Zauber, der die ganze weiche Zärtlickkeit ibre» Herzens verrietb. Und wie er ihr dann in die Augen sah, die sie thränenglänzend, dunkel, groß und ängstlich bittend auf ihn gerichtet hielt, da erwachte seine ganze Männlichkeit, sein ganzes, volles Sein, und ihm war, al» ob er innerlich den Schwur vor Gott und vor sich selbst ablegen müsse, diese» Mädchen nie und nimmer zu verlassen. Das konnte nur ein Schurke sein, der an ihr zum Verrätber wurde. Aber dennoch schien eS ibm albern und unbequem, eine tragische Aufregung herbeizusühren und ohne Weitere» die innersten und tiefsten Gefühle in Worte zu fassen. So half er sich auch jetzt mit einem kurzen, übermüthiaen Lachen über die Situation hinweg, schob mit einer raschen Bewegung den Eckleier Camilla« etwa- zurück und küßte sie schnell und innig auf den Mund. „Ich mag die Redensarten nicht", sagte er dann, „ich will meinen Kuß! Redensarten werden wir noch immer Zeit Haden, zu wechseln, Küsse nur, wenn wir allein find, llnd namentlich heute! Heute will ich glücklich sein, muß ich glücklich sein! Camilla, heute gilt»! Drücke den Daumen!" „Weshalb, Victor?" Die Frage schien ibn etwas nervös und unruhig zu machen. „Halle mir den Daumen, weshalb, ist gleichgiltig; denke daran, daß ich heute glücklich sein will, glücklich sein muß! Muß! Verstanden, Camilla!" Sie senkte das Köpfchen und dann gingen sie langsam den dämmernden Parkweg entlang. „Du willst beute spielen, Victor?" fragte sie leise. „Sei «S, wa- e» sei", fuhr er etwa» ärgerlich auf, „Du weißt, ich lasse mich nicht ausfragen. Denk« nur daran, daß ich —" „Mama hat mir erzählt, daß Du in letzter Zeit sehr starke Verluste an der Bank gehabt hast, daß Du — daß Du —" „WaS denn?" fragte er blitzschnell, fast zischend; da- Thema schien ihm höchst unandeoehm zu sein. „ daß Du ruinirt wärest." Er lachte gezwungen auf. „Deine Mutter ist zwar die klügste Frau unter der Sonne und acktet auf Alles, wie ein echter und gerechter Augur", spöttelte er, „aber diesmal hat sie sich doch getäuscht." „Du weißt, wie wenig mir daran liegt, ob Du arm bist oder reich, wenn ich Dich nur glücklich weiß; aber — spiele heute nicht, Victor. Willst Du? Tbu e» mir zulieb!" „Dummes Zeug! Halte den Daumen, Camilla, und damit gut! Du kannst freilich leben, wie es Dir gefällt, aber ick nickt; ich babe als Graf Kreuz aufzutreten und meine Unabhängigkeit zu wahren, und deshalb — beute steht unser Glück auf dem Spiel. Heule Nacht, Camilla, denke daran! Und nun genug, ich will von diesen Dingen nicht mehr reden. Sage mir lieber, wo Du so lange bliebst; Du hast mich ja heute lange warten lassen." „Victor!" bat sie nochmals innig; aber er unterbrach sie heftig und sagte: „Laß daS! Wo warst Du so lange?" „Am Hotel „de France" war ein großer Auflauf, ich mußte deshalb rin wenig warten." „Am Hotel de France? WaS geschah denn dort?" „E- waren Fremde angekommen." „Nun, da- ist doch nicht- Außergewöhnliche-." „In diesem Falle doch; e- handelte sich um den bekannten Deizenkönig au» Argentinien, Herrn de Melida, von dessen fabelhaften Reichthümern die Zeitungen seit seiner Ankunft in Nizza so wunderbare Dinge zu berichten wissen, daß selbst die fruchtbarste Phantasie in den Schatten gestellt wird." „Ab so. Ich besinne mich; der auf seiner eigenen Aacht von Buenos Lire» herübergekommen ist?"
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