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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970907016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897090701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897090701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-07
- Monat1897-09
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Die Morgen-An-gab« erscheint um '/,? Uhr. bi» Abrnd-Au-gabr Wochentag« um b Uhr. ReLartio« und LrveLitio«: Johanne«,ässe 8. Die Expedition ist Wochentag« annnterbrochn» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. BezugS-Preis H» h« tzar-terveditiim oder den km Btadt- teeirk «nd de« Bororten erdichteten Avid» gavestellen abgeholt: vierteljährlich^«by, »ei zweimaliger täglicher tzustellnag in« bau« bch). Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrteliährlich ^l . Direkte tägliche Kreuzbandsendung fip- Ausland: monatlich 7 bO. Filialen: Dtt» Klemm'» Eorrim. (Alfred Hahn), Universitätssiratze 3 (Paultnum), Loni« Lösche. Katharinenstr. ^4, pari, und Vöntasplah 7- Morgen-Ausgabe. KiMM TaMM Anzeiger. Amtsvlatk des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rattzes und Vokizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petttzeile üv Pfg. Neclamen unter demRedactiontstrick («am spalten) LO-L, vor den Famiüennachrichka (6 gespalten) 40^. Erobere Schriften laut nuferem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Zifserafatz nach höherem Tarij. Extra-Veilagen (gefalzt), nur Urit de« Morgen »Ausgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbefbrderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Dei den Filialen und Annahmestellen je eins halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polzin Leipzig 455. Dienstag den 7. September 1897. 91. Jahrgang: Die Militairstrafproceßreform. E« war zu erwarten, daß nach der Begegnung des Kaiser« mit dem Prinzregenten von Bayern die Frage der Militairstrafproceßreform wieder in den Vordergrund der öffentlichen Erörterungen rücken würde. Ist eS doch längst kein Geheimniß mehr, daß eine der beiden Klippen, an denen die Reform zu scheitern droht, in dem Gegensätze besteht, in dem sich die Reichsmilitairverwaltung und die bayerische betreffs des obersten MilitairgerichtS- hofeS bewegen. Bayern vertrat hierbei die Auffassung, daß die Einrichtung eines solchen Obergerichts in Berlin mit dem Reservatrecht der Militairboyeit Bayerns nicht verträg lich sein würde; denn kraft dieses reichsverfassungsmäßig gewährleisteten ReservatrecktS sei die Selbstständigkeit der bayerischen Militairverwaltung und Rechtspflege statuirt. Nach Allem, was verlautete, war aber die Grundlage einer Verständigung hierüber schon im Frühjahr durch die Verhandlungen im Bundesrath gewonnen, und die Annahme liegt nahe, daß nunmehr die beiden Conlin- gentsherren daS Einvernehmen durch persönlichen Meinungs austausch vollzogen baden. Den Ultramontanen in Bayern, die sich im Puncte der particuiaristischen Eifer sucht von den Bauernbünolern nicht übertreffen lassen wollen, war diese in Vorbereitung begriffene Uebereinkunft zwischen Berlin und München von vornherein rin Dorn im Auge; sie drohten sogar mit der Ministeranklage, falls die Negierung das geplante „Attentat auf die Selbstständigkeit Bayerns" ernsthaft geschehen lassen wollte. Wir werben sehen, ob dieses bajuvariscbe Heldentbum noch vorhält, wenn Ende des Monats der Landtag in München sich versammelt. Wie immer es dort der Negierung ergeht, es eröffnet sich zugleich die Aussicht auf einen Widerstand der bayerischen Gruppe in der EentrumSfraction des Reichstages gegen ein Ncformgesetz, welches dem Reservatstaate Bayern den eigenen obersten Landes gerichtshof nicht gewährt, und die parlamentarischen Aussichten der Reform werden dadurch für diesen Reichstag nickt besser. Doch könnte gerade eine solche Frage für die kommende Wahl entscheidung mit von bestimmendem Einfluß sein; sie würde den nationalen Mittelparteien durchaus nicht unwillkommen sein, wenn nur ein Entwurf der Militairstrafproceßreform endlich an den Reichstag gelangte und auch im Uebrigen mit der programmatischen Zusicherung deS Reichskanzlers vom 18. Mai vorigen JahreS sich vereinbaren ließe. Das Vertrauen hierauf ist in den letzten Tagen allerdings gesunken. Die andere Klippe scheint für das vorbereitete Reform werk zum Verhängniß zu werden, wir meinen die von den MilitairS mit Zähigkeit geforderte enge Verbindung der Commandogewalt mit der Justiz und daS von den höchsten MilitairS, insbesondere auch von den höchsten Chargen des großen GeneralstabcS für den obersten Kriegsherrn geforderte Bestätigung-recht. Wenn der Contingentsherr berechtigt s:in sollte, für jeden einzelnen Fall, den das Obergericht entscheidet, die militairiscken Beisitzer und auch den Vorsitzenden General zu conimandiren, so wäre der Grundsatz der Stänbigkeit und Unabhängigkeit deS Gerichts derart durchbrochen, daß Fürst Hohenlohe schwerlich cS mir seinem Versprechen vom 18. Mai v. I. vereinbaren könnte, einen solchen Entwurf mit seiner Unterschrift versehen an den Reichstag gelangen zu lassen. Ebensowenig könnte cS dem Grundsätze der Unab hängigkeit deS GericktS entsprechen, wenn dem GerichtSbrrrn, bezw. dem obersten Kriegsherrn allgemein ein Bestätigungs recht eingeräunit werden sollte. Wir glauben uns nicht zu irren in der Annahme, daß diese Streitfragen erst nach dem 24. August vorigen Jahres ausgetreten sind, das heißt, erst nach der Erklärung deS „Reicksanzcigers" von jenem Tage, welche bekannt gab, daß der Kaiser selbst die Vorlegung eines Entwurfs befohlen habe, „welcher der von dem Reichs kanzler am 18. Mai im Reichstage abgegebenen Erklärung entspricht." ES wird hiernach angängig sein, für die nach träglich in den Entwurf bineingeschriebene oder dem Ent würfe gegenüber so hartnäckig verfochtene Beeinträchtigung der Ständigkeit und Unabhängigkeit der oberen Instanz die Person deS oder der Contingentsberren selbst auSzuspielen. Die Gegner der Oeffcntlickkeit des HauplversahrenS und der hiernach einzurichtenden besonderen Anklage behörde gegenüber dem als Proceßpartei anzuerkennenden Angcschulbigien sind eS, die ihren Widerstand gegen die Oeffentlichkeit als völlig aussichtslos aufgeben mußten und uun in dem Verlangen deS BeslätigungSrechts ein wertbvollcs Mittel gefunden haben, nickt nur die Reform zu Hintertreiben, sondern auch an höchster Stelle sich vortrefflich zu insinuiren. Man beachte nun die Ueberhebung, mit der die Vertreter dieser hinterhältigen Politik heute bereits über den „in süddeutschen Ueberlieserungen ausgewachsenen, dem Heere ferngcbliebenen Staatsmann", der sich um daS Zustandekommen der Reform ehrlich bemüht bat, zur Tagesordnung übergehen. Ja, die laut „ReickSanzeiger" vom 24. Augnst v. I. vom Kaiser selbst gewollte und angeordnete Reform wird als „alter Ladenhüter" abgetban, als ob derselbe nur in Ermangelung eines besseren HetzmittelS „immer wieder auS dem Hinter grund« hervorgezerrt" würde. Die ganze Sache, so meint die „Deutsche Tageszeitung" weiter, sei weder so dringlich, daß man sich nicht zur sorgfältigen Prüfung sehr viel Zeit lassen dürfte, noch sei „überhaupt ein tieferes Interesse für die Angelegenheiten vorhanden", daS Interesse werde nur künstlich hervorgerusen rc. Die Reform des preußischen Militairstraf- processeS, der aus der Zeit des schlimmsten Niedergangs des deutschen StrafprocesseS überhaupt, und dazu noch aus der Zeit der qualitativ mindcstwerthizen Zusammensetzung des Heeres stammt, biete kein tieferes Interesse! Den breiteren Schichten mag die Nechlsungleichheit und auch Nechtsunsichcrbeit, unter deren Einfluß die halbe Million von Söbnen des Volkes jahraus jahrein den Heeresdienst leistet, nicht zum vollen Bewußtsein kommen, — das kann man füglich noch als ein Glück bezeichnen. Aber das tiefere Interesse zu bestreiten, blieb den — oberflächlichsten Tagespolitikern Vorbehalten, deren JdeenkreiS von einflußreichen Hofbeziehungen und Noggenprcisen heilsam beschränkt ist. ES wird unter diesen Umständen durch parlamentarische Initiative bei Zeiten dafür vorzusorgen sein, daß das unbestreitbare tiefe Interesse an der Reform sich im Volke auch verbreitere. Greater Britain. U Die letzte Wockenausgabe der „Times" bringt den als Memorandum gedruckten Bericht der Verhandlungen deS Staalösccretairs der Colonien, Mr. Chamberlain, mit den Premierministern der sich selbst verwaltenden Colonien. Indien als Kroncolonie gehört nicht dazu; seine Einkünfte werden durch die englische Negierung ver waltet und zum großen Theil für englische Interessen ver wandt. Die Verhandlungen begannen am 24. Juni mit einer großen Rete Cbamberlain's, welche als Haupt fragen der Vereinbarung folgende Puncte bezeichnete: „Ten engeren politischen Zusammenschluß Großbritanniens und seiner Colonien zu einem großen britischen Weltreich, seine Verlkeidigung durch eine gemeinsam zu unterhaltende Streitmacht, rein englische Kabelverbindung aller Theile des Weltreiches, einfaches Briefporto innerhalb des ganzen Reiches, Herstellung eines Großbritannien und alle Colonien umfassenden Zollvereins, sowie gleichartige Maßnahmen im Handelsverkehr innerhalb des Reiches." Den Hauptwerth legte der Colonialminister auf den engen politischen Zusammen schluß deS ganzen Reiches und das Zustandekommen einer Vereinbarung für eine gemeinsam zu unterhaltende Ver- tüeidiglingsstreilmacht und führte aus, daß diese Last jetzt noch fast allein von Großbritannien getragen werte. Bei sehr geringer Unterstützung durch die von einigen Colonien unterhaltenen schwachen colonialen Streitkräfte betrügen die Kosten über ein Drittel der gejammten Einkünfte Groß britanniens, dessen Streitkräfte und — zwar besonders die Flotte — durchaus nicht allein zur Vertheidizung dieses Stammlandes dienten. Von Englands Flotte hänge das Schicksal des ganzen Reiches ab, sie stelle den Schutz des ganzen britischen Welthandels und aller Interessen des Reiches auf dieser Erde dar. Alle neueren Kriege Englands seien nur im Interesse seiner Colonien geführt, und diese würden thöricht und selbst mörderisch bandeln, wenn sie sich vom Mutterlands trennen wollten. Canada würde dann kaum dem Schicksal entgehen, von den Vereinigten Staaten entweder in unliebsamer Weise abhängig oder aufgesogen zu werden; Australiens Interessen könnten, wie schon früher, leicht zu Conflicten mit zwei militairisch starken Staaten Europas oder auch mit Japan und China führen, und Südafrika sei jetzt das Ziel des Ehrgeizes fremder Staaten, während es in seinem Innern einen stark bewaffneten Feind habe. Alle diese Schwierig keiten seien jetzt nur ungefährlich, weil die große Seestreit macht Großbritanniens hinter den Colonien stehe, und des halb sei eS nur billig, wenn sich die Colonien mit Selbst verwaltung an den Kosten für ihren Schutz betheiligten. Eine gemeinsam unterhaltene Seestreitmacht für die Vertheidiaung deS ganzen Reiches sei daS beste Bindemittel für dasselbe. Je eher der Plan für die Vertheidizung des ganzen Reiches und der einzelnen Colonien mit seinen Vorbereitungen fertig sei und je früher die Vertreter der Colonien dazu Stellung nähmen, um so besser sei es. Wenn heutzutage ein Krieg ausbräche, so käme er Plötzlich, und dann sei keine Zeit mehr für Vorbereitungen. Im Priuccp herrschte Wohl Einverständniß damit bei den Vertretern der Colonien, doch kann die Ausführung einer regelmäßigen Beisteuer zur Unterhaltung der Reichsflotte bei dem starken Selbstinteresse der Colonien doch noch auf manche Schwierigkeit stoßen, wie die Kümmernisse der Capcolonie nach der Schenkung des Panzerkreuzers an die Flotte und die verschiedenen Einwendungen australischer Colonien zeigen. Eine englische Fachzeitschrift bemerkt dazu, daß man nach Len üblen Erfahrungen Ende vorigen Jahrhundert- in Nordamerika nicht vorsichtig genug in Beisteuerfragen sein könne. Man müsse es den Colonien überlassen, freiwillig beizusteuern, und ihnen auck nicht den Weg zur Erlangung der Mittel für diese Beisteuer vorschreiben. Dann würden die Colonien wohl eher zum Stammlande sprechen: „Wir werden da« Geld dazu finden. In welcher Weise wir aber es thun, das geht Euch nichts an." Bei einem Zollverein des ganzen Reiches. sei die Bevorzugung der großbritannischen Einfuhr in den Colonien gegenüber derjenigen aller anderen Länder schon genügend, um Großbritannien für die Unterhaltungskosten der Reichsflotte zu entschädigen. FrniHetoir. Burgen und Burgruinen am Wattenmeer. Nachdruck vnbotcn. Das schleSwigsche Wattenmeer mit seinen Sandbänken und Wasserläufen wird gegenwärtig zur Flutbzeit nach allen Richtungen durchkreuzt; Dampfer und Segelschiffe und flinke Boote tragen die Fremden, welche die Küsten deS Meeres und deren Badeorte aufsuchen, alsdann von Insel zu Insel oder von den Inseln zum Festland oder vom Festland zur Inselwelt. Zur Ebbezeit aber werden die Mttthigsken nicht selten zu Schlickläufern, die ihren nackten Fuß dem schlüpf rigen Pfade der Sand- oder Schlammwatten anvertrauen. Auf solchen Fahrten und Wanderungen werden Entdeckungen und Erfahrungen aller Art gemacht. Sei es, daß der Sturm die Barke oder den Dampfer wiegt und den allzukühnen Seglern den salzigen Gischt der Wellen ins Gefickt schleudert, oder, daß der Fußgänger, von der Flnth überrascht, vielleicht schwimmend das Land erreicht; immer bieten derartige und ähnliche Vorkommnisse willkommenen Stoff zur Unterhaltung, Wenn über kurz oder lang daS Ende deS Aufenthalt- in der Sommerfrische herbeigekommen ist und man gern in Ge danken die Stätten aufsucht, an denen man einst glücklich war. Wer indessen auf dem Meere oder am Meeresstrande weilt, muß im Anschauen der ruhelosen Gezeiten, die täglich zwei Mal die grauen und scheinbar öden Gefilde der Watten überftuthen oder trocken legen, erinnert werben an Entstehen und Vergeben, sein« Gedanken müssen zurücksckweifen in die Vergangenheit und erwägen, daß hier im Bereich deS Watten meer- im Laufe der Jahrtausende erhebliche Veränderungen voraegangen sind. Lüne und Deich, die zerfallende Werst am Halligrand, das abbrüchige hohe Kliff, da« sich neu bildende Land am Ufer, die Insel- und Halligtrümmer, alle diese Dinge reden dieselbe Sprache von einer uniergebenden Inselwelt und von einem steten Kampf, den der Meeranwohner, so lange er hier siedelt«, mit der ihn umgebenden Salzfluth führte. Häuser und Gehöfte, Dörfer und Kirchen, Land und Sand sind zur Beute deS Meere« geworden, sind neu erstanden und entstehen beute noch. Di« Grab- und Geväcktnißbügel sind die letzten Zeugen eine« untergegangenen Geschlecht«, sie sind grvßenthrils untersucht und au-gedeutrt und haben wichtige Aufschlüsse über die Cultur und die einstigen Meeranwohner geliefert. Weniger sickere Anhaltepuncte dagegen bat man über Alter und Bedeutung der am Rande des Wattenmeere« einst zahlreicher, jetzt noch vereinzelt vorkommenden Burgen,*) deren Zweck und Bedeutung von verschiedenen Beobachtern verschieden gedeutet wird und die thrilweise mit sagenhaft klingenden historischen Ueberlieserungen verbunden sind. Früher gab eS Burgen und Freiberge in Eiderstedt, die, wie die berüchtigte Burg der WogenSmannen bei Wester hever, nicht mehr vorhanden sind. Nach den Meyer'scben Karten sind im Bereiche deS Wattenmeere« und an der West seite von Sylt mehrere untergegangen, andere liegen im Sande der Dünen begraben ober sind, wir die auf Amrum, die in Archsum auf Sylt und di« zu Uettersum ans Föhr, *) Zum Unterschied von^ den Höhen- und Wasserburgen auch Bauerüorgen genannt. abgetragen worden. Die beiden noch vorhandenen ringförmigen Erdwälle zu Tinnum auf Sylt und zu Borgsum auf Föhr werden häufig aufgesucht. Wiederholt sind auch Untersuchungen und Ausgrabungen angestellt worden, die nur DaS sicher er- ennen ließen, daß die Wälle einst von Menschenhand auf geworfen find, irgend welche Geräthschaften, die Schlüsse auf daS Alter dieser Erdbauten zulassen, sind aber nicht gefunden. Im Ganzen sind beide einander ähnlich, nur ist die Borgsumer, welche einen Flächenranm von 1390 Quadral- rutben bedeckt, die größte. Beide Ringwälle fallen nach außen ziemlich steil ab, nach innen allmählich resp. absatzweise. Der äußere Umfang deS Walle« der Tinnumburg beträgt 400, der der Borgsumer 450 w, die senkrechte Höhe jenes 6, diese- 11 m über die Fläche der Umgebung, während die senkrechte Höbe im Derhaltniß zur umwallten inneren Fläche beim Borgsumer Wall 6, beim Tinnumer kaum 4 m ist — so daß also bei beiden Burgen die Innenfläche höher liegt als die Umgebung. Die Stärke der Wälle ist eine erhebliche, wie man das an der Einfahrt zur Tinnumburg, die nach Nordost geöffnet ist, erkennt, wo der Wall etwa 20 m stark sein dürfte. So ergiebt sich, baß der innere Umfang der Borgsumburg etwa 340, der der Tinnumburg 220 m beträgt. Beide Burgwälle haben außer der ursprünglichen nach Norden oder Nordöst gerichteten Ausfahrt eine solche nach Süden oder Sübost, die später entstanden ist und bei der Tinnumburg hergestellt wurde, nm dem sich im Laufe de« Winter- in der Burg an sammelnden Negenwasser einen Abfluß zu gestatten. In beiden Burgen war früher ein Wassertümpel, der sogar im Sommer Wasser hielt und nur bei großer Dürre es zuließ, daß man allenthalben gehen konnte. Zu Zeiten fing man hier Fische oder tränkte da- Vieh. Allmählich aber wurden die Vertiefungen durch eine von Pflanzenfasern durchsetzte Erdschicht auSgefüllt, so daß jetzt das Innere der Burgen sowohl als auch die Wälle mit Gra« überzogen sind und beweibet werden. Bei der Borgsumburg ließ sich noch vor etwa vierzig Jahren ein dem Hauptwall parallel laufender äußerer Rinawall unterscheiden, doch ist derselbe, da die Borgsumer Burg nicht so sorgfältig wie die Sylter erhalten wurde, gegenwärtig fast verschwunden. Während dir Tinnnmburg auf einer kleinen Geesthalb- insel belegen ist, die sich von Tinnum der westwärts in die Marsch zwischen feuchte Wiesen hinein erstreckt, liegt di« Borgsumburg auf einer flachen, fast sumpfigen Gegend der Marsch, etwa 650 Meter von der Geest entfernt; beide Burgen aber waren einst an einem ins Meer führenden Gewässer belegen; die Tinnumer am Döplemsee, der nach Süden zum Wattenmeer abfließt, die Borgsumer an einem nach Norden durch die Führer Marsch führenden Gewässer, da- inzwischen an-gefüllt wurde, aber al- Niederung in seinem Verlaufe noch sichtbar ist. Wie bereit« erwähnt, wurden die Burgen zu Archsum auf Sylt, die zu Uittersum auf Föbr und die Amrumer abgetragen, doch hat man nur bei der Abtragung der beiden erstgenannten einige große Feldsteine, Geröllblöcke (Arch)um), einige Münzen und einen alten 18füßigen an dem einen Ende zugespitzten Balken au< Eichenholz gesunden (Burg und Burgplatz bei Uettersum). Der Amrumer Burgwall schloß sich an einen Hügel an, in welchem man gelegentlich Begräbnisse entdeckte. Bei so geringer Ausbeute sowohl der Ausgrabung als Abtragung, die Spuren von Gebäuden innerhalb der Burg wälle nicht Nachweisen lassen, ist e« erklärlich, daß verschiedene Muthmaßungen über Alter und Zweck der Burgen existiren, je nachdem die Beobachter und Unrersucher verschiedene Momente als mehr oder minder wesentlich anseben. Der Geologe l)r. Ludwig Meyn hebt hervor, daß Archsum auf einer Gruppe des Mitteldiluviums, aus dessen Lehm überall Granitblöcke gebrochen sind, belegen, öfter durch Hochfluthen gefährdet sei, und daß, als die Wurthen oder Werften zum Hausbau noch nicht errichtet waren, für Menschen und Vieh keine andere Zuflucht als der größte und höchste dieser Diluvial bügel, die sogenannte Burg, übrig geblieben sei. In jener Zeit war da- um so mehr bedeutsam, als die Sylter Marsch ramals größer und nur von oft durchbrochenen niedrigen Sommerdeichen geschützt war. Die Zufluchtsstätte mußte darum gegen die allerhöchsten Fluthen dienen und genügen des Trinkwasser enthalten. „Die Lage des Platzes gegen die Marsch, die so ganz von selbst gebotene Benutzung deS natür lichen Hügels, erklärt das Dasein der „Borg" und selbst ihren Namen, welcher bei allen friesischen Burgen derselbe, und niemals durch ein uomon proprium individualisirt ist, so vollständig versetzt ihre Herstellung in eine so altersgraue Vorzeit, daß man vom Standpunkte deS Naturforschers der Sage und sagenhaften Geschichte unbedingt widersprechen muß, zumal auch nickt der kleinste Brocken von Mauerwerk in den Umwallungen zu entdecken ist. Diese Erläuterungen schließen aber freilich nicht ans, daß die späteren Zwingherren auch die Burg besetzten." Noch in höherem Grade spricht die Lage der Tinnumburg, welche durch ein sumpfiges Ried von der höher gelegenen Feldmark getrennt ist, für die Benutzung derselben al- Zu fluchtsort bei Hockfluthen, die schneller noch als in Archsum die Marschheerde vom höher gelegenen Lande abschneiden konnte. Der zur Burg und zur Tränke umgestaltete diluviale Lehmhügel wurde schon so benutzt, seit die Menschen sich in dieser Gegend ansiedelten, um ihr Vieh der Marschweide zu- zuführen. Aehnlich stellt sich daS riesenhafte Ervwerk der Borgsumburg als ein größerer Hügel von Mitteldiluvium dar, „der in verständiger Weise am Fuße ringsum abgetragen, aus dem so gewonnenen Material oben mir einem Rinawall umgürtet und also durch verbältnißmäßiz sehr geringe Arbeit in eine Tränke und Zufluchtsstätte für große Mengen Rindvieh verwandelt wurde. Der ursprünglich um den Fuß laufende Graben sollte wahrscheinlich nur da- Vieh auf einen einzigen Zugang anweisen. Mit derjenigen Or.Meyn'S scheint die Ansicht des um die Kartograpbie der Westküste hochverdienten General majors Or. F Geerz übereinzustimmen. Derselbe giebt auf seiner „Historischen Karte von den nordfriesischen Inseln Nordstrand, Pellworm, Amrum, Föhr, Sylt rc., der continen- talen Marsch zwischen Hever und Königöau, sowie von der Friesischen Vorgeest" bei den Bezeichnungen für die Amrumer, Archsumer, Tinnumer und die südlich von Rantum m den Dünen belegene Rathsburg an: „Vormal- Hürde unv Tränke" und fügt nur bei der Borgsumburg ein Fragezeichen hinzu, während er die Uetlersnmer al- „Burg" benennt. Diese Ausnahme beruht auf einer von Michelsen-NordfrieSland im Mittelalter unter 9 mitgetheilten lateinischen Urkunde vom Jahre 1360, wonach „all und jeder Grundbesitzer zu Uetter sum und Blegsuin dem Vorzeiger diese- Erics Riind alles und jede« Grundstück, worauf die Veste (Burg) in Föhr er baut ist, nämlich den Grund, den Wed, die Gräben und die Gewässer, sowohl wie da« Land, worauf der „Bauhof" er- bauet ist, in Güte mit eigenem Willen verkauft und verbrieft haben zum ewigen Besitz. Diese Uebertragung geschah vor versammeltem Ding gericht der Westerharde, die ihr Siegel dem Document an bängte, welches die Zeugen namhaft macht, die bei der Verhandlung zugegen waren. Der Historiker machte nach dieser Urkunde über die eine Burg den Schluß, daß alle Burgen NordfrieSlandS um jene Zeit entstanden seien, obwohl Meyer dieselben auf seinen Karten bereits ein Jahrhundert früher erscheinen ließ. Nach Michelsen wurden die Burgen um die Mitte deS 14. Jahrhunderts von dänischen Rittern und Vögten errichtet. Nach Professor Vr. Handelmann'S Bemerkungen über „die Bauernburgen auf den nordsriestschen Inseln" hat eS sich zu der von Michelsen berührten Zeit nur um Errichtung befestigter Blockhäuser, die mit Graben und Paliffadenzaun umgeben waren, gehandelt, in denen die Ritter Waldemar Zappi und Erich Riind eine Zeit lang hausten, um das „HauSgelv" von den Friesen einzulreiben, die es sofort nicht mehr zahlten, als die Zwingherren fortzogen. Auch der Sylter Chronist Kielholt, welcher seine Mittheilungen in das Ge wand der Sache kleidet, sckeint daS anzudeuten, indem er von Riesen spricht, die da- Volk knechteten und die Tinnum burg „Tinseburg" nennt, „dar see JarlickS ere schat unde tinse gebrocht hebben". Nach der Volkssage war die Borgsumburg einst der Zu fluchtsort de- Ritters Claus Lembeck, als derselbe bei dem Könige Waldemar Atterbag in Ungnade gefallen war und von diesem in der Burg belagert wurde. Als er die Burg auS Mangel an Lebensmitteln nicht mehr halten konnte, entwich er Nacht« auf dem nördlich zum Wattenmeer führenden Gewässer in einem Boote nach der Windingbarde. Dock scheint eS zweifelhaft, ob nicht diese Begebenheit nur auf Lembeck übertragen wurde, mit seinem Sohne aber in einer anderen Burg geschah. Die Tinnumburg wird wie die Borg sumer LembeckSburg genannt, obwohl dort von einem Aufent halt de- Ritter« daselbst nicht geredet wird. Hanvelmann meint, eS sei jetzt Wohl allgemein anerkannt, „daß die ring förmigen Erdburgen in der vorgeschichtlichen Zeit al« be festigte Zufluchtsstätten dienten, wo, wenn der Feind das Land mit Krieg überzog, unter dem Schutze der waffenfähigen Mannschaft der wehrlosen Familien, daS Vieh und die fahrende Habe geborgen wurden". Nach unserer Meinung dürften sich diese verschiedenen Ansichten dahin vereinigen lassen, daß die Burgen vor Er bauung der festen De«che den Zweck hatten, bei Ueber- schwemmungen Sammelplatz für Menschen und Vieh zu sei». Nebenher waren sie auch Zufluchtsort für Seeräuber. Al« aber im 14. Jahrhundert dänische Ritter in diese Gegend gesandt wurden, die auSgebliebenen Steuern einzutreiben, wurden die Burgen ihr Aufenthaltsort, an dem sie sich verschanzten und von welchem auS sie da- Volk zu zwingen und zu knechten versuchten. Die Friesen benutzten zu ihrem Schutz ebenfalls Burgen, wie beispielsweise die RathelSburg, und siegten bald Uber ihre Zwingherren, die nach 1362 in der Sylter Chronik nicht mehr genannt werden und nach 1420 die Benutzung ter Burgen zn kriegerischen Zwecken nicht mehr nothwendig erscheinen ließen. Jedenfalls aber verdienen die Burgen und Burgruinen am Wattenmeer wegen ihre- hohen Alter« unv der unzweifelhaft großen Bedeutung im Kampfe de« Volke- mit dem Meere, den Bolksuntrrdrückern und Feinden die Beachtung aller Derer, die sich für da- untergehende Friesen volk und seine Vergangenheit interesstren. l Christian Jensen.
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